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Unsere auswahl ist subjektiv

Presseschau vom 12. September 2015 – Rostocks Intendant Sewan Latchinian kommentiert die Strukturdebatte in Thüringen

Epoche geistiger Verwahrlosung

12. September 2015. Als Kenner von (und beherzter Kämpfer gegen) Theaterfusionen ist Rostocks Intendant Sewan Latchinian heute in der Thüringischen Landeszeitung zum Interview über die derzeitigen Strukturdiskussionen im Theaterland Thüringen gebeten. Erwartungsgemäß spricht sich Latchinian für den Erhalt der bestehenden (bereits seit Längerem auch über Fusionen strukturierten) Theaterlandschaft aus. Die Sparpotenziale in der Kultur seien ohnehin gering. "Man zerstört viel mehr, als man spart."

Presseschau vom 10. September 2015 – Peter Kümmel schreibt in der Zeit über das Zombie-Theater unserer Tage

Der Zombie ist eine todsichere Denkfigur

10. September 2015. Peter Kümmel schreibt in der Zeit einen langen Essay über die Verzombiesierung des Theaters und beobachtet, wie es diesem offenbar immer schwerer falle, "eine Figur der Vergangenheit (oder der Fantasie) mit einem realen Darsteller zu verschmelzen." Wir sähen den Schauspieler, "aber wir glauben nicht mehr, was er spielt." Heute werde immer öfter, "wenn Stücke toter Autoren gespielt werden, augenzwinkernd signalisiert, dass die Figuren dieses Autors Geschöpfe eines Toten und also selbst Tote seien. Beziehungsweise Untote."

Presseschau vom 2. September 2015 – In der Neuen Zürcher Zeitung tut Luc Bondy die Blackfacing-Debatte ab

Plötzlich nur noch Farbe

2. September 2015. In der Neuen Zürcher Zeitung gibt Luc Bondy Barbara Villiger Heilig von der Neuen Zürcher Zeitung eine Audienz in den Schweizer Bergen und redet über dies und das und über den "Othello", den er in der kommenden Spielzeit in Paris inszenieren wird. In der Titelrolle: Philippe Torreton, ein weißer Schauspieler. "Natürlich weiss Bondy, dass er damit einen Sturm von Kritik heraufbeschwört", so Villiger Heilig: "'Blackfacing': Das Stichwort hallt als Unwort seit geraumer Zeit nicht mehr nur durch die deutschsprachige Theaterszene."

Presseschau vom 30. August 2015 – Ein "Best of Theatre"-Buch des britischen Theaterkritikers Michael Billington wirft Fragen der Deutungshoheit auf

Prellbock oder Korrektiv?

30. August 2015. Der langjährige Theaterkritiker der britischen Tageszeitung The Guardian Michael Billington bringt dieser Tage ein Buch heraus, in dem er "The 101 Greatest Plays from Antiquity to the Present" benennt. In einem Artikel für The Guardian erklärt Billington sein Vorhaben und bekennt sich u.a. zum Glauben an eine "distinctive authorial voice": "I've lately taken part in a number of panels that argued the future lies with group creation rather than the solo author. I admit theatre is rapidly changing, but passionate advocates of the devised play assume that democratising the work process automatically leads to work of radical intent. I cherish an obstinate belief in the subversive voice of the individual dramatist."

Presseschau vom 27. August 2015 – Der Cicero porträtiert den soeben als "Stückeschreiber des Jahres" ausgezeichneten Dramatiker Wolfram Lotz

Dem Stottern abgerungen

27. August 2015. Soeben wurde sein Stück "Die lächerliche Finsternis" zum Stück des Jahres in der Kritiker*innenumfrage von Theater heute gekürt. Zum bestmöglichen Zeitpunkt also erhält der Dramatiker Wolfram Lotz in der aktuellen Ausgabe des Cicero ein Porträt, in dem ihn die Journalistin Katrin Ullmann als Mann von großer "Ernsthaftigkeit" vorstellt, "vertieft in sein Nachdenken".

Presseschau vom 18. August 2015 – Rüdiger Schaper meditiert im Tagesspiegel zwischen den Volksbühnen-Kriegs-Fronten

Das West-Berlin des Ostens

18. August 2015. "Im heißkalten Volksbühnen-Krieg sind Freundschaften zerbrochen und lange Arbeitsbeziehungen. Hate-Mails wurden verschickt, geistige Bunker errichtet", konstatiert Rüdiger Schaper heute im Tagesspiegel, und: "Es gibt eine Mauer zwischen denen, die noch an Castorf glauben, an seine ewige Regenerationskraft, und denen, die seinen finsteren, sechsstündigen Kulturschuttplatzpartys nicht mehr viel abgewinnen können, ob es nun um Brecht geht oder Malaparte oder Dostojewski. Die sich unbehaglich fühlen in diesen Endmoränen der Theaterkunst oder sich einfach langweilen."

Presseschau vom 17. August 2015 – Der Künstler Wolfgang Müller über die Aktionskunst vom Zentrum für politische Schönheit und Christoph Schlingensief

Wer beruft die Berufenen?

17. August 2015. In einem Essay für die Berliner Gazette (10.8.2015) analysiert der Künstler Wolfgang Müller eingehend die Aktionskunst des Zentrums für politische Schönheit (ZpS) im Vergleich mit der Aktionskunst von Christoph Schlingensief. Der Fokus liegt auf dem ästhetischen Profil und der Logik des künstlerischen Auftritts. Das "Weißsein“ der Aktionskünstler wird vermerkt ebenso wie der dezidiert nicht queere Look ihrer Auftritte: "Die Aktivisten und die Aktivistinnen wirken insgesamt sehr smart, sehen gut aus und könnten genauso gut einem Prospekt der Sparkasse, der Jugendgruppe der Liberalen oder der Grünen entstammen. Sie wirken jedenfalls kein bisschen queer."

Presseschau vom 17. August 2015 – Regisseur Nicolas Stemann im Deutschlandfunk über seine Arbeit mit Flüchtlingen und seine Form des politischen Theaters

Man darf sich nicht gemein machen mit der Tagespolitik

17. August 2015. In einem langen Gespräch mit Natascha Freundel vom Deutschlandfunk (online 16.8.2015) beschreibt Regisseur Nicolas Stemann noch einmal ausführlich seine Arbeit mit Flüchtlingen für die Umsetzung des Elfriede Jelinek-Textes "Die Schutzbefohlenen". Ziel sei es gewesen, die Flüchtlinge selbst sichtbar  und ihre Probleme hörbar werden zu lassen. Gleichzeitig erforderte die Stückumsetzung die "Experten des Theaters", also die Schauspieler. Das Repräsentationsverhältnis des Theaters dabei selbst einer Reflexion zu unterziehen, hebt Stemann als eine der Stärken seiner Arbeit hervor.

Presseschau vom 12. August 2015 – Zwei Meinungen zur Anti-Blackfacing-Entscheidung der New Yorker Metropolitan Opera

Othello bleibt weiß

12. August 2015. Die New Yorker Metropolitan Opera hat Anfang August bekanntgegeben, in einer Neuinszenierung der Verdi-Oper "Othello" im September den Sänger der Titelrolle nicht schwarz zu schminken. Othello soll von dem lettischen Tenor Aleksandrs Antonenko gesungen werden, der in einem Promotiontrailer im Frühjahr noch mit stark bronzierter Haut zu sehen war.

Presseschau vom 9. August 2015 – 5 Thesen des Münchner Kunsthistorikers Wolfgang Ullrich zu einem taz-Interview mit ZpS-Frontmann Philipp Ruch und ein Twitterduell

Kunstfreiheit vs. Meinungsfreiheit

9. August 2015. Philipp Ruch, der Frontmann des Zentrums für Politische Schönheit hat am 1. August der taz ein Interview gegeben (hier unsere Zusammenfassung). In seinem Blog hat ein paar Tage später der Kulturwissenschaftler Wolfgang Ullrich darauf mit fünf Thesen reagiert. Dem war noch am Erscheinungtag des Interviews ein kurzes, polemisches Twittergefecht zur Frage des vom ZpS vertretenen Kunstbegriffs vorausgegangen, als dessen Ergebnis man die Thesen betrachten kann. Ullrich hat sich in seiner Arbeit wiederholt mit der (totalitären) Aufrüstung des Kunstbegriffs in der Moderne auseinandergesetzt.

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