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600 000 Euro mehr für Karin Beiers Hamburger Schauspielhaus
Gute Zeit zum Verhandeln
5. März 2011. Karin Beier hat mit dem Hamburger Senat € 600 00 Euro mehr für das Schauspielhaus ausgehandelt, dessen Intendanz sie in zwei Jahren übernehmen wird. "Ein Wahlkampf ist eine sehr gute Zeit zum Verhandeln," sagte Beier in einem Interview mit dem Hamburger Abendblatt.
Darin umriss sie auch erste Pläne für die Zukunft des Schauspielhauses. Das Junge Schauspielhaus werde in die Gaußstraße umziehen, wo auch das Thalia spiele und sich demnächst wohl die Hamburger Theaterakademie ansiedeln werde. Der Malersaal stehe dem Schauspielhaus dann wieder als kleine Bühne zur Verfügung stehen. Dafür sei im Etat eine Million mehr vorgesehen. Rückwirkend bis 2008 und zukünftig sollen außerdem zu 100 Prozent sämtliche Tariferhöhungen ausgeglichen werden. Gestern unterschrieb Karin Beier in Hamburg ihren Vertrag. Dabei kam es am Rande zwischen dem scheidende CDU-Kultursenator Stuth und dem designierten SPD-Bürgermeister Scholz zu einem kleinen PR-Unfall mit Possenqualität.
(Hamburger Abendblatt/ sle)
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Frau Beier hätte warten können. Sie hätte Interesse an der Hamburger Aufgabe bekunden und gleichzeitig, auf ihre vertragliche Bindung in Köln verweisend, erklären können, dass, sollte auch die neu gewählte Stadtregierung das Interesse der gescheiterten Kulturadministration an ihrer Person teilen, es zu Gesprächen kommen könne. Zugleich hätte sie erklären können, dass ihr augenblicklicher Vertrag in keiner Weise so rasch zu lösen sei, wie es die nicht von ihr verschuldeten Nöte des großen Schauspielhauses an der Kirchenallee erforderten, und dass sie schon aus diesem Grund zur Suche nach personellen Alternativen raten würde.
Wes Geistes Kind sie ist, bewies diese Administration nämlich nicht nur durch die fatale Schlittenfahrerei mit dem eben vertragsverlängerten Intendanten, sondern auch durch die unverblümte Manier, in der, nach dem Vertragsbruch gegenüber Schirmer, eine andernorts gefeierte Kollegin geradezu zum Vertragsbruch animiert wurde. Als besonders anrüchig muss erscheinen, wie dieser Kollegin offenbar frühzeitig und einladend signalisiert wurde, dass sie angesichts ihres enormen Erfolges am Rhein an der Elbe nicht nur nicht mit den verzweiflungsvollen finanziellen Anmutungen zu rechnen habe, denen sich ihr Vorgänger ausgesetzt sah und die seine Demission bewirkt hatten, sondern auf eine signifikante Aufbesserung hoffen dürfe. Sollte Frau Beier hier auf etwaige Verhandlungserfolge ihrerseits sich berufen wollen - geschenkt: Ei und Huhn sahen sich selten ähnlicher als in diesem Fall.
Am Rhein hatten sich, demgegenüber, nachgerade organische kulturpolitische Verhältnisse herausgebildet. Befeuert von einer energischen Initiative hatte sich die Intendantin des Schauspiels gerade noch rechtzeitig gegen die absurden Neubaupläne des Kölner Klüngels entschieden und die Sanierung des Baubestands durchgekämpft - möglicherweise ihr größter Erfolg. Der Frontverlauf auf dem Schlachtfeld der Kölner Politik war klar - in hygienisch einwandfreier Weise stand man sich, notgedrungen wie sachlich, ebenso kontrovers wie kooperationswillig gegenüber wie zur Seite.
Karin Beier bot sich in Köln eine einzigartige Chance. Sie wurde, Dank einer mit ihr persönlich sympathisierenden Anstrengung ihres Publikums, in die Vergünstigung gesetzt, das Sprechtheater ihrer Heimatstadt neu aufzubauen und zu strukturieren. Abgesehen von der impliziten Verantwortung für den Gang der Dinge, welche ihr durch ihre prominente Teilnahme an der diesbezüglichen Kampagne zufiel, hat kaum ein Intendant des deutschen Nachkriegstheaters eine vergleichbar dauerhafte Einwirkungsmöglichkeit auf die Gestaltung des von ihm geführten Theaters erhalten. Es war absolut sinnvoll, dass die Stadt Köln ihr, trotz der vorauf gegangenen Querelen, einen Vertrag anbot, dessen Dauer nicht nur das Interim, sondern auch die Rückkehr in das sanierte Haus umfasste.
Und nun? Kulturbetrieb as usual. Der scheidende, mehr als unseriöse Hamburger Kultursenator beeilt sich, kurz vor seiner Rückkehr in die "freie Wirtschaft" die Verpflichtung von Frau Beier rathausmäßig als seine Errungenschaft zu präsentieren, der frisch gewählte 1.Bürgermeister muss sich in einem noch eiliger anberaumten Kaffeehaustermin mit der Dame fotografieren lassen, auf dass die Welt wisse, er, nicht der vorübergehend als Hamburger Kulturfritze (z.B. im Aufsichtsrat der "Elbphilharmonie"!) tätige Rechtsanwalt Stuth, sei der eigentliche Garant des Ausgehandelten.
Die Intendantin, die im Kölner Rosenmontagzug als glorreiche Barrikadenduse mitgeführt werden sollte, mutiert im Handumdrehen zu einer Anstecknadel mittelmäßiger Politgrößen. Und scheint dabei nichts zu finden, im Gegenteil. Der dringlichen Bestimmung des Verhältnisses zwischen Staat und Staatstheater wird mit dieser Nonchalance der Boden entzogen, anderslautende Bekundungen werden zum Geschwätz gestutzt.
Und das Altonaer Museum? Und die Kunsthalle? Und die Schulen? Können ab jetzt nur noch "erfolgreiche" Direktoren diese Institute vor der finanziellen Schächtung retten? A propos Schulen: Die designierte Schauspielhausintendantin hat, wie zu lesen ist, ein 2012 einzuschulendes Kind. In der Stadt, in der ihre zukünftige Wirkungsstätte steht, vermochte es ein bestens vernetzter, finanziell unbesiegbarer Hanseatenklüngel von Bessergestellten per "Volksentscheid", die sechsjährige Gemeinschaftsschule zu verhindern.
Liebe Karin Beier, bleiben sie in Köln!