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Jon Fosse erhält Literaturnobelpreis

5. Oktober 2023. Der norwegische Schriftsteller Jon Fosse erhält den diesjährigen Literaturnobelpreis. Das gab die Schwedische Akademie heute bekannt. 

Fosse wird für seine "innovativen Theaterstücke und Prosa ausgezeichnet, die dem Unsagbaren die Stimme geben", sagte der Ständige Sekretär der Schwedischen Akademie der Wissenschaft, Mats Malm, in Stockholm.

Fosse, 1959 in Haugesund geboren, zählt zu den wichtigsten Gegenwartsschriftsteller:innen Norwegens. Für sein Schreiben, das Romane, Lyrik und Dramen umfasst, erhielt er bereits zahlreiche Auszeichnungen, darunter den Nordischen Preis der Schwedischen Akademie, den Europäischen Preis für Literatur und den Internationalen Ibsen-Preis. Sein Werk wurde in mehr als 40 Sprachen übersetzt. Fosse selbst übertrug Werke von Franz Kafka, Georg Büchner, Thomas Bernhard, Peter Handke und Sarah Kane ins Norwegische.

Seine Theaterstücke sind auch dem deutschsprachigen Publikum gut bekannt. Vor allem in den nuller Jahren war er ein vielgespielter Dramatiker. 2015 brachte Barbara Frey die Deutsprachige Erstaufführung seines Stücks Meer in Zürich heraus. Es sollte eigenen Aussagen zufolge seine letzte Theaterarbeit sein. Im Interview mit Theater der Zeit kündigte er damals an, er wolle zur Lyrik und Prosa zurückkehren. "Das Schreiben für das Theater war nur ein Abschnitt, es war wie ein Flow, alle Stücke sind miteinander verbunden, man kann sagen: ein Universum." Und gegenüber der Süddeutschen Zeitung ergänzte er, das Theaterleben sei ihm nicht gut bekommen: "die vielen Reisen, die langen Premierennächte, zwei Scheidungen: 'Ich endete als Alkoholiker'."

Als endgültig erwies sich der Abschied aber nicht. Vor zwei Jahren inszenierte Jossi Wieler am Deutschen Theater Berlin Fosses neues Stück Starker Wind.

Die Übergabe aller Nobelpreise erfolgt traditionell am 10. Dezember, dem Todestag von Preisstifter und Dynamit-Erfinder Alfred Nobel (1833-1896). Die Auszeichnung ist mit umgerechnet 914.000 Euro dotiert.

(Schwedische Akademie / miwo)

Medienschau zur Preisvergabe

"Älter (na ja, er ist 64), weißer und männer als Jon Fosse: Das wäre schwierig geworden. Identitätspolitisch also eine problematische Wahl", bemerkt Ekkehard Knörer in der taz (5.10.2023). "Das politisch erfreulichere Signal wäre Rushdie gewesen, die Chinesin Can Xue, zuletzt Buchmacherfavoritin, hätte in die Reihe der Entdeckungen gepasst, die die breite Öffentlichkeit noch nicht kennt." Dennoch ist Knörer nicht unzufrieden mit der Wahl der Schwedischen Akademie, sei die Musikalität der Sprache Fosses doch "eine ausgezeichnete und der höchsten Preise würdige Form des Literarischen".

"Es lässt sich schon sagen, dass seine Literatur etwas Universelles hat, anderseits verweist sie sehr auf sich selbst. So wie es die Akademie am liebsten hat: Vor der gesellschaftspolitischen Sendung kommt bei ihr die Literatur. Vor einem Statement beispielsweise zum Thema Meinungsfreiheit oder bezüglich gefährdeter, verfolgter Autoren und Autorinnen der Verweis auf die eigene Deutungshoheit", notiert Gerrit Bartels vom Tagesspiegel (5.10.2023). "Deshalb also wurde Salman Rushdie wieder nicht ausgewählt, deshalb ging Ljudmila Ulitzkaja leer aus, deshalb hat der chilenische Dichter Raúl Zurita vielleicht nie eine Chance."

Entscheidend für die aktuelle Preisvergabe sei das jüngste Romanwerk Heptalogie gewesen, weiß Andreas Platthaus von der FAZ (5.10.2023). "Es ist ein monologisierender Künstlerroman, der aus der Sicht eines Malers namens Asle erzählt, der auf einen Namensvetter trifft, wodurch sich ein Identitätswechselspiel entfaltet, das zu den gesellschaftspolitischen Debatten unserer Zeit passt und dennoch höchstpersönlich bleibt."

Jakob Hayner von der Welt (6.10.2023) schreibt: "Die große Stärke von Fosse liegt im Atmosphärischen. Menschen, Sprache, Landschaft, das verdichtet sich bei ihm zu archetypischen Bildwelten, die die Düsternis der Klischees über Skandinavien noch übertreffen. Im Genre der Kriminalromane hat diese Atmosphäre in den vergangenen Jahren ein Massenpublikum gefunden, Fosse ist das auch gelungen – allerdings ohne Krimihandlung. Bei ihm wird kein Mörder gesucht, sondern die Suche selbst wird zum bestimmenden literarischen Thema – nach dem Sinn."

 

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