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NRW-Finanzspritze für die kommunale Theaterlandschaft nur "Tropfen auf den heißen Stein"
"Es gibt keine Theaterkrise"
Düsseldorf/Hagen, 19. Januar 2011. Mit zusätzlich 4,5 Millionen Euro will Nordrhein-Westfalens Kulturministerin Ute Schäfer (SPD) die kommunale Theaterlandschaft unterstützen. Wie die Frankfurter Rundschau meldet, sagte Schäfer die Hilfen am Montagabend bei einem Treffen mit den Oberbürgermeistern und Kulturdezernenten der 21 nordrhein-westfälischen Städte mit eigenen Theatern und Orchestern zu. Wie das zusätzliche Geld verwendet wird, soll auf einer regelmäßig stattfindenden Theaterkonferenz von Vertretern des Ministeriums und der Kommunen mit den Intendanten entschieden werden.
Das sei allerdings nur ein "Tropfen auf den heißen Stein", kritisierten die NRW-Intendanten am Dienstag, wie die Emsdettener Volkszeitung berichtet. Ursprünglich hatten die Kulturdezernenten das Land aufgefordert, sich mit 20 Prozent an der Finanzierung der NRW-Theater zu beteiligen. Das wären 63 Millionen Euro (inkl. Orchester) gewesen.
Dass die einmalige Finanzspritze keine strukturellen Probleme löst, zeigt das Beispiel Hagen: Dort wurde eine Entscheidung darüber, in welcher Form es mit der Hagener Bühne weiter gehen und wie das Haus künftig (finanziell) ausgestattet sein soll, stets von der Positionierung des Landes abhängig gemacht. Die steht nun fest, schreibt das Online-Portal Der Westen: "Wir werden in Hagen jetzt zunächst die ohnehin anstehenden Themen wie die Findung einer neuen Rechtsform sowie das Ausloten von Kooperationen und sonstigen Synergien angehen“, beschreibt der Beigeordnete Herbert Bleicher das weitere Vorgehen. "Natürlich werden wir auch im kritischen Dialog mit dem Land bleiben."
Derzeit werden die kommunalen Theater vom Land mit rund zehn Millionen Euro unterstützt.
Auf der geplanten Theaterkonferenz des Landes soll neben Finanzierungsfragen auch über die Struktur der Theaterlandschaft und mögliche Kooperationen zwischen einzelnen Spielstätten beraten werden. Erste Vorschläge sollen im Herbst vorliegen. Schäfer, die sich Anfang der kommenden Woche auch noch mit Theaterintendanten treffen will, betonte: "Es gibt keine Theaterkrise. Es handelt sich um eine Krise der Kommunalfinanzen."
(FR / Emsdettener Volkszeitung / Der Westen / geka)
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Verstehen, was ist da eigentlich los. Die Zeitungen verraten einem auch nicht allzuviel. Welche unmittelbaren Folgen hat so ein verfassungsrechtlicher Bescheid ? Man weiß es im Moment als Bürger nicht. Und würde aber allzugern besser informiert sein.
In jedem Fall kann es für alle Einrichtungen denen es jetzt schon schlecht geht nichts Gutes heißen. Eine Krise läuft allmählich immer deutlicher seinen Endpunkten entgegen. Wenn es doch nur endlich schon soweit wäre, dass sie ihr wahres Gesicht zeigte. Diese verschleierten Verhältnisse sind unerträglich. Und die Theater haben wie so häufig eigentlich auch nichts hierbei zu vermelden.
Ein wahrhaftes Trauerspiel.
In erster Linie handelt es sich ja wohl um einen politischen Richtungsstreit. Sparen steht für "konservativ" und "weiter Geld ausgeben" für links. Dümmer geht es zwar kaum, aber so primitiv sieht der Dauerkampfmodus wohl für die nähere Zukunft aus. Ein Tor, wer sich in dieser simplen polarisierenden Skala freiwillig positionieren möchte.
Darüberhinaus geht es darum einen günstigen Zeitpunkt für Neuwahlen zu erzwingen. Günstig für wen ? Die FDP dürfte momentan in NRW dabei wohl um ihre Exsistenz kämpfen müssen. Es heißt, die Sozialdemokraten könnten aktuell auf eine satte Mehrheit hoffen, weshalb die CDU sich noch zurückhält.
Wahrscheinlich ist, dass die Verfassungsrichter sich noch am seriösesten verhalten, und von daher dürfte man wohl an ihrem Votum das Ausmaß der Krise einzig ermessen können.
Und da die einen Kreditstopp andeuten, dürfte dieser sich wohl auf die disponablen Größen im Haushalt, sprich Kultur und Soziales negativ auswirken. Zwar sagt man, es handele sich nicht um eine Theaterkrise, sondern um eine Krise der kommunalen Haushalte, mittlerweile wohl auch eine Krise des Landeshaushaltes, aber wenn die Theater die Krise, welche sie das Leben kosten könnte nicht künstlerisch verarbeiten können, darf man getrost auch von einer Theaterkrise sprechen.
Sich hinstellen und sagen, wenn das Geld weiter fließen würde, würden wir auch weiter gute Kunst machen, bedeutet ungefähr soviel, wie zu sagen, wenn das Öl ewig fließen würde, bräuchte man den Benzinmotor nicht modifizieren oder abzuschaffen.
Sind Sie sicher, dass allein durch Geld Kunst entstehen kann?
Ich wage zu bezweifeln, dass dies nur ein politischer Richtungsstreit sein soll. Vielmehr ist doch die Haushaltslage der Kommunen desaströs, egal in welche Richtung Sie laufen. Und darunter leiden schließlich nicht nur die Theater.
Sie haben recht, ich glaube in der Tat nicht, dass es einen direkten Zusammenhang zwischen guter Kunst und dem staatlichen Geldfluss gibt. Zwar schließt das Eine das Andere nicht aus, aber der staatliche Geldfluss kann auch negative Einflüsse, ja geradezu hinderliche implizieren. Dies im erhöhten Maße, falls die Kunst ihre Geldflüsse nicht zu ihrem ureigensten Gegenstand macht und kritisch untersucht.
Wir brauchen Theater, die das Verhältniss zwischen den Subventionen und der Kunst zum Gegenstand ihrer künstlerischen Arbeit machen. Theater, die sich aus der bisherigen Subventionsabhängigkeit lösen und selber neue Zuteilungsstrukturen entwerfen und für ihre Durchsetzung kämpfen. Theater, die durchlässig sind für alle Bevölkerungsschichten. Theater, die ein künstlerisches und kulturelles Selbstbewußtsein für alle sozialen Schichten erreichen wollen. Theater, die hierfür entsprechende Künstler und ihre Kunst fördern. Und hierfür braucht es gerade in NRW Autoren.
Das Umschreiben der bildungsbürgerlichen Stoffen auf andere Konflikte und Schichten hat letztendlich versagt, denn es bedeutet insgeheim eine ewige Abhängigkeit zu den Stoffen und auch ein Rückfall in die Ästhetik oder abgeleitete Ästhetik der selben.
Politiker und Intendanten interessieren mich nicht mehr. Ich finde es einfach zu peinlich sich bei Politikern und Intendanten bewerben zu müssen, um Kunst produzieren zu "dürfen".
Jede einzelne Schicht braucht ihre eigenen Künstler, um zu einem emanzipierten kulturellen Selbstbewußtsein vordringen zu können. Die Autoren stehen für mich da an erster Stelle und der Apparat hat auf sie zuzugehen.
Cuilli, vor langer Zeit ein Vorbild, ist eigentlich Teil des Problems, denn es gibt nur ihn, alles dreht sich letztendlich seit Jahrzehnten um ihn. Ein um ein Ego sich drehender Apparat interessiert mich nicht.
Und der Apparat ist ab dem Moment kein Problem mehr, wo er absolut durchlässig ist. Dem steht aber zur Zeit zu vieles entgegen, in der Hauptsache aber die kuratierenden Intendanten und Dramaturgen, deren Auswahl sich an ihrem Selbsterhalt orientiert. Subventionierte Opposition war in ihrem Kern nie glaubwürdig und hat sich in sich selber aufgelöst.
Freier Zugang zu den Subventionen für alle Künstler wäre ein erster Ansatz....
Ausserdem, mal ganz allgemein gefragt: Wem nützt Ihre These der schichtspezifischen Bildung? Ist es nicht problematisch, den "unteren Schichten" einen Zugang zu bzw. ein Verständnis "höherer Bildung" pauschal abzusprechen?
Ich betrachte bei dem Bericht in der Hauptsache die eingespielten Bühnenereignisse, die mich alle durch die Bank nicht interessieren. Und ich schmunzeln, weil es sich um die Bühne handelt, an der ich als Erste nach der Wende im Osten arbeitete. Intendant wie Ästhetik haben sich in der ganzen Zeit nicht geändert. Ein an einem Konsenspublikum interessierter Apparat mit einem außerordentlich symphatischen Intendanten, mit dem ich trotzdem wenig gemeinsam habe. Schade, dass er mich nie mehr zu der angestrebten Faßbinder Arbeit einlud. Aber was soll´s. Wahrscheinlich zu harter Stoff für eine solche Bühne.
Ach, ich bin ganz optimistisch, dass die Intendanten mit dem politischen Nachwendesystem und ihren Politikern, die sie erst hochspülten auch wieder untergehen werden.
@p.z.
Es muss zwanzig Jahre her sein, da stand ich in Meißen vor einem kleinen Theater, so ein "Abstecherort", und ich dachte nur so bei mir, warum sollte hier nicht absolut innovatives Theater gezeigt werden. Landestheater !? Auch nur eine Definitionsfrage.
Und natürlich geht es nicht nur um eine Strukturdebatte, aber eben auch, wenn es die Struktur ist, die einen, neben der kommunalen Finanzkrise, ebenfalls mit auffrißt.
Aber richtig tragisch ist doch, dass die Theater sich so sehr einer politischen Kultur angedient haben, dass sie nun drohen bar jeder Souveränität mit ihr unterzugehen.
@sabine - welches Theater in NRW ist denn dicht gemacht worden? Arbeiten doch alle noch.
Und Sie meinen also, dass nur der klassische Arbeiter sich in einer abhängigen und entfremdeten Lage befindet? Und dass jeder denken kann ist wohl wahr, alles andere ist dann eh der Hirntod, aber warum ist das Nachdenken an die Stoffe der bürgerlichen Mittelschicht gebunden?
Kehren Sie Ihr Denken doch mal gegen Ihre eigenen Denkmuster. Sie wenden sich von manchen literarischen Stoffen also ab, weil Sie diese als der bürgerlichen Mittelschicht zugehörig wahrnehmen. Stimmt denn das? Könnten Sie sich diese Stoffe nicht auch aneignen, um sie aus Ihrer Perspektive neu zu lesen und in eine andere Form zu bringen? Beispiel: Ist Hamlets "Sein oder Nicht-Sein"-Monolog tatsächlich nur idealistisch oder nicht ebenso gut materialistisch zu lesen? Okay, vielleicht passt Büchner hier doch besser, aber ist Büchner nicht mittlerweile auch ein "klassischer Stoff" geworden? Zitat:
"Gegen das Schweigen der Natur / stelle ich eine Tätigkeit / In der großen Gleichgültigkeit / erfinde ich einen Sinn / Anstatt reglos zuzusehn / greife ich ein / und ernenne gewisse Dinge für falsch / und arbeite daran sie zu verändern und zu verbessern / Es kommt drauf an / sich am eigenen Haar in die Höhe zu ziehn / sich selbst von innen nach aussen zu stülpen / und alles mit neuen Augen zu sehn"
Sie schreiben sich immer in einen Geschichtszusammenhang ein, wonach die Tradition Ihr Geworden-Sein geprägt hat, während der zeitgenössische Künstler die Wahrnehmung der nachfolgenden Generation prägt.