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Rostocker Theaterleitung legt radikales Sparkonzept vor
Nicht überlebensfähig
21. Juli 2015. Die Geschäftsführung des Volkstheaters Rostock hat am Montag in einem internen Papier die geforderte Komplettschließung des Musik- und Tanztheaters sowie die Halbierung des Schauspielensembles ins Spiel gebracht. Das berichten diverse Medien, darunter der NDR auf seiner Internetseite.
Zielvereinbarung zur Schaffung einer "tragfähigen Theater- und Orchesterstruktur" umgesetzt werden könnte. Die Theaterleitung habe jetzt die geforderten Zahlen vorgelegt, schreibt auch die Ostseezeitung in ihrer heutigen Ausgabe.
Mit dem Papier reagierte die Theaterleitung laut NDR auf die Forderung von Rostocks Oberbürgermeister Roland Methling, bis zum heutigen Tag Vorschläge zu unterbreiten, wie die91 Stellen verschwinden
Die Lage des Volkstheaters hat sich dem Blatt zufolge noch einmal verschärft: weitere 1,4 Millionen Euro müssten eingespart werden. Aus heutiger Sicht müsse man im Jahre 2022 von einem Minus von 4,6 Millionen Euro ausgehen. Um bei steigenden Kosten und Tariferhöhungen mit den 18 Millionen Euro jährlich auszukommen, die Stadt und Land vereinbart haben, müssten (wie die Ostseezeitung schreibt) die kompletten Sparten Musik- und Tanztheater mit anteiligem Technikpersonal verschwinden, also 77 Mitarbeiter. Da dies nicht reiche, um den "schlimmsten Fall" bis 2022 zu beschreiben, sollen dem Papier zufolge auch 14 Stellen im Schauspiel verschwinden. Nur das durch Bürgerschaftsbeschluss geschützte Orchester wäre nicht betroffen. Laut Volkstheater-Geschäftsführer Stefan Rosinski bedeutet dies: 34 betriebsbedingte Nichtverlängerungen von Verträgen, 46 betriebsbedingte Kündigungen. Die Zahl der Vorstellungen am Theater würde im Jahr etwa auf ein Drittel sinken: 60 im Schauspiel, 40 des Orchesters. Besucherzahlen und Einnahmen würden dramatisch sinken, die Kleine Komödie in Warnemünde als Außenstandort müsste schließen.
Nur 7 von 15 Darsteller*innen
Verheerend wären, so die Ostseezeitung weiter, die Auswirkungen auch im künstlerischen Bereich. Intendant Sewan Latchinian spreche von einem "irreparablen Schaden für das Volkstheater", käme es zur Umsetzung. Tanz- und Musiktheater wären abgeschafft. Das Schauspiel würde verstümmelt, wenn nur sieben von jetzt 15 Darsteller*innen erhalten blieben. Viele wichtige Stücke wären so gar nicht mehr möglich. Unter den Mitarbeitern fürchtet Latchinian bereits ab 2016 eine "panikartige Flucht von Leistungsträgern" des Theaters. Im Herbst kommenden Jahres müsste die Entlassungswelle starten.
Den Medienberichten zufolge hat Theater-Aufsichtsratschefin Eva-Maria Kröger (Die Linke) gefordert, die Politik müsse sich das Thema Volkstheater "noch einmal auf den Tisch ziehen": Wenn es zur Umsetzung der Zielvereinbarung gezwungen werde, sei das Volkstheater "nicht überlebensfähig".
Nachtrag vom 22. Juli 2015: Rostocks Oberbürgermeister Roland Methling bezeichnet das von der Volkstheater-Leitung vorgelegte Papier laut Website des NDR als "eine einzige Bankrotterklärung". Es sei "unverständlich, dass die Theater-Geschäftsführung sich nicht an dem orientiert habe, was Gutachter zuvor aufgezeichnet hätten", so wird Methling weiter zitiert. "Stattdessen wird ein Papier vorgelegt, das eine einzige Inszenierung auf der Basis der größtmöglichen Provokation zu sein scheint."
Volkstheater-Geschäftsführer Stefan Rosinski begegnet der Kritik auf NDR 1 Radio MV: "Wir haben seit Monaten über den Sachverhalt diskutiert. Auch das Actori-Papier, was ja die Grundlage der Darstellung ist, zeigt sehr deutlich auf, in welche Richtung die Umstrukturierung des Hauses zu gehen hätte. Das haben wir vertiefend nachgearbeitet."
(NDR / OZ / sle / chr)
Zur Chronik der Causa Volkstheater Rostock hier.
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Das scheint mir noch wichtig dokumentiert zu werden.
Hoffentlich wird das ein heilsamer Schock für die Stadtgesellschaft.
Das ist so eine lächerliche Politik, wie sie kaum in Deutschland anderswo zu finden ist.
Das Volkstheater und seine Leitung sind ganz gewiß nicht der eigene Totengräber.
Nein..Rostock ist das am geringsten subventionierte Mehrspartenhaus in unserem Land...jedes andere Haus würde bei dieser Summe weinen..
Wenn Sie mit Land MV meinen:
Die Kolleginnen und Kollegen in Greifswald und Neustrelitz mussten mit deutlich geringerem Zuschuss arbeiten.
Wenn Sie die Bundesrepublik meinten:
(Sorry die Zahlen sind 4 Jahre alt, deshalb hier nur Mehrsparten-Theater mit einem Zuschuss unter 18 Mio)
Aachen, Annaberg/Buchholz, Brandenburg, Bremerhaven, Coburg, Dessau, Erfurt, Freiberg, Gera/Altenburg, Gießen, Heilbronn, Kaiserslautern, Koblenz, Lübeck, Meiningen, Münster, Nordhausen, Osnabrück, Regensburg, Rudolstadt, Schleswig, Trier, Ulm, Wuppertal, Zwickau
18 Millionen mehr machen kann, als von der Rostocker Theaterleitung behauptet. Dass ein Theater aber Geld für einen
Neubau ansparen soll, ist andererseits eine unerfüllbare Vorgabe.
Worüber man ernsthaft nachdenken sollte, ist eine Veränderung
der Einstufung. In Schleswig-Holstein arbeiten alle Theater und
Orchester in der Einstufung B. Und sie sind mindestens so gut
wie die Rostocker, was ich schreiben darf, da ich beide Länder
aus eigener Berufserfahrung kenne.
Natürlich lässt sich trefflich über Sinn und Unsinn der Orchestereinstufungen streiten. Ob Rostock ein A-Orchester braucht,kann man sicher diskutieren. Allerdings wäre der Partner für Verhandlungen über einen Wechsel von A zu B ohnehin die DOV - und das Volkstheater hat durch den Austritt aus dem Bühnenverein seine Position ziemlich geschwächt.
Außerdem Tarifverträge sind zu erfüllen - Gott sei Dank. Die Diskussion nähert sich einer Gegenüberstellung: böse (teure) Musiker - gute Theaterleitung... Damit wird/bleibt es ideologisch und eine sachliche Debatte wird verhindert.
Ich behaupte nicht, dass die Spartenschließungen sinnvoll oder nötig sind. Dazu fehlt mir das Detailwissen über das VTR. Aber dieses Horrorszenario das die Theaterleitung beschreibt, ist schwer nachvollziehbar, wenn das Theater wirklich "nur" noch die Sparten Schauspiel und Orchester umfassen sollte.
Auch wenn von den 18 Mio die Hälfte auf das Orchester entfiele (was ich bei 72 Musikern bezweifle), sollte es Spielraum für das Schauspiel geben. Zum Vergleich die Betriebszuschüsse einzelner nur Schauspielhäuser: Aalen 1,2 Mio, Bamberg 3,5 Mio, Berlin (Gorki) 9,7 Mio, Bautzen 5,8 Mio, Celle 3,0 Mio, Erlangen 3,1 Mio, Göttingen 6,7 Mio, Ingolstadt 6,8 Mio, Jena 1,9 Mio, Konstanz 5,7 Mio, Moers 1,5 Mio, Oberhausen 8,5 Mio, Potsdam 9,6 Mio, Senftenberg 4,3 Mio, Stendal 3,3 Mio.
Von den genannten Theatern haben nur Aalen und Moers Ensembles mit sieben oder weniger Mitgliedern...
Das hat noch gefehlt, dass wir auf nachtkritik.de noch Vorschläge zu Spartenschliessungsvarianten machen und diese diskutieren, während am Volkstheater noch immer um den Erhalt aller 4 Sparten gerungen wird.