Theatertreffen schafft Stückemarkt in bisheriger Form ab
Patenschaft für neue Erzählweisen
Berlin, 31. Oktober 2013. Der Stückemarkt des Berliner Theatertreffens, der im letzten Jahr 35-jähriges Jubiläum feierte, wird in seiner bisherigen Form nicht fortgeführt. Unter dem Label "Stückemarkt" werden ab kommendem Jahr "drei internationale Theater-Nachwuchskünstler/-gruppen, die neue Formen von theatraler Sprache und außergewöhnliche performative Erzählweisen entwickeln" eingeladen.
"Der Stückemarkt war seinerzeit die erste Dramatikerförderung, und so finde ich es nur logisch, dass das Theatertreffen auch heute voranschreitet und neue Formen der Textentstehung fördert. Während es inzwischen zahlreiche Dramatikerwettbewerbe gibt, werden offene Projektentwicklungen selten gefördert", so Yvonne Büdenhölzer, Leiterin des Theatertreffens, gegenüber nachtkritik.de.
Paten kuratieren
Eine Ausschreibung findet nicht mehr statt, Künstler können sich also nicht mehr selbst bewerben. Die Teilnehmer werden vielmehr von drei "Paten" kuratiert, selbst "international renommierte Theatertreffen-Teilnehmer der letzten Jahre". Im kommenden Jahr werden Katie Mitchell, Simon Stephens sowie die Gruppe Signa diese Patenschaft übernehmen. Die Paten sind während des Theatertreffens anwesend und werden an Diskussionen mit den ausgewählten Künstlern teilnehmen. "Uns interessiert dabei auch die subjektive Auswahl der Künstler-Paten, die keine Kuratoren im klassischen Sinn sind", so Yvonne Büdenhölzer.
Bereits beim Stückemarkt 2013 konnten keine Stücke von Nachwuchsautoren eingesandt werden, da zur Jubiläumsfeier 35 Kurzdramen von ehemaligen Teilnehmern in Auftrag gegeben wurden. Im Jahr 2012 konnten sich neben Dramatikern erstmals Theaterkollektive mit Projektkonzepten beim Stückemarkt und dem daran angeschlossenen Dramatikerworkshop bewerben.
(mw)
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Wer dann noch jenseits der 35 jahre jung ist - also vergreist, fällt bei Theatern und Ausschreibungen sowieso durchs Raster.
Hat es von den Unerwünschten dann doch mal jemand geschafft, werden sie wie Vorzeigeausnahmen präsentiert. Wer aber (politische) Visionen mitbringt, wird als Störenfried des Betriebssytems gleich wieder beiseite geschafft.
Es sind komplexbehaftete Personen und deren nicht fundierte, ignorant faschistoide Ansichten (ähnlich der Ihren), über die alte und junge AutorInnen seit Jahrhunderten Gott sei Dank Stücke schreiben, die dann von Jugendlichen und Erwachsenen sinnig und blödsinnig qua Rollenspiel transportiert werden und Menschen damit berühren bzw. totalitäre Gesinnungen (ähnlich der Ihren) entlarven. Ich bedaure Sie, da Dramatik und Schauspiel wohl nicht aussterben und Menschen wie Sie deshalb in ewiger Frustration verbleiben werden.
"Mitfühlend sehe ich
Die geschwollenen Stirnadern, andeutend
Wie anstrengend es ist, böse zu sein."
(Bert Brecht a.k.a. alter Sack, der Kinderkram schrieb)
Schade um die Stücke. Performances ersetzen keine guten Texte. Und Künstler-Paten sind möglicherweise auch nichts anderes als Mafia-Paten.
wartet doch erstmal ab, was da kommt. Ich finde es mutig einen "Selbstläufer" wie den Stückemarkt zu reformieren, um dem selbst gesetzten Anspruch an Innovationsförderung weiterhin zu entsprechen. Der Jubiläumsstückemarkt, der im Übrigen unverschämt wenig medial begleitet wurde (vielleicht fehlte da auch die entsprechende Medienpartnerschaft...) hat gezeigt, dass das Konzept Autorenförderung gut und wertvoll ist UND ausreichend Ableger gefunden hat. Weiterhin können ja wohl junge Autorinnen oder Autoren Förderung erwarten - so verstehe ich auf jeden Fall die Personalie Simon Stephens. Und dennoch erscheint es mir absolut sinnig mehr in die Tiefe zu gehen, indem man sich begrenz und durch Paten fördert. Es gibt viel zu viel was summarisch gefördert wird und viel zu wenig für das prominente Fürsprecher einstehen. Und dass dieses Einstehen theatrale Autorenschaft weiter denkt, als nur im Setzen des Schwarzen aufs Weiße - was ich in keinen Fall abwerten möchte - das ist doch ein wertvoller Impuls!
Verdammtes Pfründedenken aller Orten. Da gibt's mal ne Innovation schon jault es sich pseudowissenschaftlich und pseudoargumentativ zusammen hier.
Es ist aber auch anzunehmen, dass es der Jury des Stükkemarktes schlicht zu viel Arbeit war 600-700 Stücke zu sichten, um daraus 6 auszuwählen. Dieses Dramatikerforum komplett zu canceln - ist allerdings schlichtweg eine Katastrophe.
Wer für das Schreiebn von Dramen und Theatertexten keine Zukunft mehr sieht, beschädigt auch das Lesen von Theaterstücken und das Lesen von Büchern an sich. Das Geschriebene verkommt in diesem Zusammenhang zu Material und man liest eben auch folgerichtig so.
Kaum zu glauben das unter der Leitung von Oberender so etwas möglich ist. Ist das immer noch der selbe Oberender, mit dem ich und viele andere, wie Moritz Rinke, Theresia Walser, Beate Heine und und und vor fünfzehn Jahren in einer Autorengruppe, namens TNT versuchte zu kooperieren? Wohl kaum.
Dabei wäre es ja so einfach, hielte man sich an die schlichte Devise: Das Eine tun und das Andere nicht lassen.
Der eigentliche Skanadal liegt aber nicht in der Entscheidung, sondern wie sie wahrgenommen wird. Wie die Dimension eines solchen Entschlusses nicht erkannt wird, und auch nicht von der Redaktion wirklich als ein Thema aufgegriffen wird, sondern in dem kleinteiligen Hickhack einer Kommentarspalte verwurstet werden muss.
Mit dieser Entscheidung geht von Berlin ein falscher Impuls aus. Und natürlich bin ich selber auch eine Hure, liebes "Amen" und sollte mich wahrscheinlich lieber hier verpissen. Denn in einem solchen Rahmen macht es wirklich kaum Sinn eine Lanze für das Schreiben zu brechen.
Erstrebenswert scheint es mir im Moment vorerst zu einer genauen Unterscheidung von
1.theaterbetrieblich gestützter Performance einerseits und performativen Spielweisen im Schauspiel andererseits
2. Theatertexten einerseits und Dramatik andererseits zu kommen.
Weitere ästhetische Fragestellungen drängen sich während des Klärungsversuches gewiss von allein auf.
Martin Baucks: (...) Is doch so: Ein Roman, der zu einer Dramaturgenwurst verarbeitet werden kann, hat eindeutig Schwächen als Roman. Ich hoffe also, Du hast Dir nicht vorgenommen, extra einen Kackroman zu schreiben, um auf der Bühne damit zu landen…
Ein Dramaturg, der einen Roman zu einer Bühnenshow verwurstet, hat entweder keine Ahnung von Schauspiel oder keine Ahnung von Literatur. Könnte aber im Moment gute bis sehr gute Karten bei Theaterverlagen haben. Geb ich zu.
Ein Regisseur, der eine Dramaturgenwurst inszeniert, hats entweder noch nicht zum Film geschafft oder vermutet, er wird es nie schaffen oder leidet unter irgendwas anderem. Ihm bleibt der Weg ins Off(Theater) oder die Oper. Auch schön.
Echt?! Ick fass et nicht - Du hast echt versucht mit Leuten wie Walser und dem begabten Rinke zu kooperieren in einer Gruppe?! Ick hab mich schon wieder geirrt – Inga, wo biste denn, wenn man Dich und Deine zackige Rummeckerei schon mal braucht! – ick dachte immer Autor kommt von Autarkie oder natürlich gewachsener Autorität oder so, scheint aber doch einfach eher von Auto-mobil zu kommen! –
Ich bezweifle, dass man durch Schreiben prinzipiell das Lesen retten kann. Möglicherweise umgekehrt. Ich kann z.B. nicht mehr in Buchhandlungen gehen, weil ich da schon mal auf den Teppich gekotzt habe, weil dis allesalles so tolle Weltliteratur ist, wenn‘s nach den Verlagen geht – Biss ans Ende der Regalwände… Okay, Buchstabieren kann vielleicht so gerettet werden und wo das da ist, ist ja die Option auf Lesen noch nicht verloren…
Sei also nich traurig wegen des Stückemarktes, was willst Du auf so‘nem Markt, der den Theatern doch eh nicht als Empfehlung von Autoren dient. Jedenfalls nicht, wenn die Theater was taugen… Was willst Du mit’nem Theater, das Stücke einkaufen will wie Bio-Honig in der Markthalle? Willst Du Deinen Stücken Tatsache solche Schauspiel-Führer antun und Schauspielern Intendanten und Regisseure, die ihnen Rollen auf dem Wochenmarkt besorgen?
Ich hab vor 16 Jahren mal ne Stückemarkt-Beteiligung gecancelt und kann mich bis heute – aus mehreren und nicht nur unangenehmen Gründen - nicht eines Grinsens darüber erwehren. War mir auch ein Rätsel, wie seinerzeit z.B. die Streeruwitz sich da als Patin einspannen ließ. Das Zeug alles bienenfleißig und gewohnt gewissenhaft lesen und selber nicht gespielt werden – na ja, wenn sie sich das gefallen lässt…
Sei gegrüßt und mach einfach weiter. - D.Rust
Da kann man ja nur Frau Baier in Hamburg gratulieren: Alle im Spielplan !
Kann den Ärger der AutorInnen an dieser Stelle gut verstehen !.
Die Mehrzahl der Berliner Aufführungen stützt sich auf Theatertexte von Dramatikern. Gerade eben noch las ich ein Interview mit Jens Hilje und Shermin Langhoff, in dem Hillje für die Eröffnungspremere "Kirschgarten" am Gorki haarklein erklärt, wie man heute die Rolle des Lopachin als einen Menschen der dritten Generation von Migranten und die des Firs als einen Alten der ersten Generation lesen und interpretieren kann. Beide neuen Leiter des Gorki stützen sich für den Auftakt auf einen rusischen Autor, der im weitesten Sinne dem Realismus zu zuordnen ist und für heutige Verhältnisse höchst unexperimentell und nicht performative im Schreiben vorgegangen ist.
Die Entscheidung des Theatertreffens ist vor so einem Hintergrund mehr als fragwürdig. Sie wirkt so als gründe sie in einer Lüge, denn die Grundlage der Mehrzahl der Aufführungen im deutschsprachigen Raum basiert, wie gesagt, auf von Autoren verfassten Texten.
Diese Berufsgruppe, wie es hier geschieht zu demütigen und zu bashen, ist eine gar nicht so neue Geste und hatte eine lange, eher unerfreuliche Tradition, die das Theatertreffen hiermit wieder wach ruft.
Hier im Übrigen der Link zum Gespräch Oberender: http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/buehne/2097168/
Das war für mich einer der Brüller des Jahres. So Sachen halt wie "Der Zauberberg",
"Krieg und Frieden", "Moby Dick" oder auch "Der Turm"..
Was meinen Sie mit folgendem?: "Ich kann z.B. nicht mehr in Buchhandlungen gehen, weil ich da schon mal auf den Teppich gekotzt habe, weil dis allesalles so tolle Weltliteratur ist, wenn‘s nach den Verlagen geht". Meinen Sie Bestseller wie den vom oberflächlichen Showphilosophen Richard David Precht? Vielleicht gehen Sie einfach nicht in die richtigen Buchläden. Lesen hilft. Und lassen Sie andere doch das schlechte Zeugs lesen, aber überzeugen Sie sie zugleich vom Ihrer Ansicht nach besseren. Geben Sie doch mal eine Empfehlung, was Sie gern lesen würden. Ich bin neulich mal in eine Buchhandlung gegangen und habe einen mir völlig unbekannten Autoren aus dem Regal gezogen. Zufällig. Es war "Die Erfindung des Jazz im Donbass" von Serhij Zhadan - ein irres Buch, wenn Sie mich fragen.
(Liebe Inga, lieber D. Rust,
bitte vertiefen Sie sich hier nicht wieder in ein Zweiergespräch, an dem kaum ein Außenstehender teilhaben oder Interesse entwickeln kann. Bleiben Sie möglichst konkret beim Stückemarkt und der Neuen Dramatik.
Vielen Dank im Voraus,
Anne Peter / Redaktion)
ich meine "l e b e n d e (!) Autoren" in meinem Post 19 nicht symbolisch, sondern konkret. Worauf, bezüglich 19, gehen Sie in Ihrem Post genau ein? Ich verstehe Sie leider nicht.
"...hat sich erschossen" ist eine sehr witzige Anmerkung von Ihnen, zwischen den Zeilen - ja, haben Sie nicht geschrieben,aber das ist doch ein alter Berufsgruppenwitz, dass der Dramatiker im ersten Akt, wenn man ein selbsironisches Stück schreiben will, ein Gewehr in die Halle hängt, damit dann jemand reinkommt und sagt "Herr... hat sich..." - damit der Theaterkritiker dann schreibt:"l e b e n d e r Autor erkleistet sich in Wellmadeplay zu tschechowen"
Ich weiss, Sie meinen es nur gut und wollen eine Lanze FÜR die Autoren brechen. "Man zeigt ihnen,dass er und sie ein Paar sind, doch wer will Dinge glauben, die nicht wahr sind?" (G.Kreisler, Im Theater ist nix los, Lola Blau)
"Du kannst nicht schreiben: Lesen und Schreiben treiben es im Off"
"Aber ich bin doch ein Autor, der Bedürfnisse des 19 Jahrhunderts bedient. Lesen und Schreiben sind doch ein Traumpaar"
"Herr Baucks, was ich noch sagen wollte... das L e s e n von Theatertextow Geschreibowitsch... hat sich ... erschossen!"
PS.: Wer inszeniert in der nächsten Spielzeit eigentlich "Das Örtliche, die Gelben Seiten, die Bibel und der Beate Uhse Katalog"? Ich bewerbe mich mit meinem Regiekonzept, mit vier Worten: kontruktive Aleatorik plus Tagespolitik. Projekttitel: Die Wurstwurst
Schlimm finde ich dieses Ausschlussprinzip, das K.O.-System.
Entweder das Eine oder das Andere.
Das passt nicht zu meinem Leben.
Ich liebe den Pluralismus und die damit verbundene Freiheit, und möchte mich ungerne von ihr, der Freiheit entbinden, wie es gerade Büdenhölzer und Oberender für sich leben wollen.
Die Freiheit alles zu lieben, was sich vermitteln kann. Und dazu gehören selbstverständlich auch originäre Autoren mit ihrem Werk.
Schwieriger finde ich die Setzung als Einladungsforum und damit letztlich als geschlossene Plattform. Hier wünschte ich mir ein offeneres Modell.
Es geht ja nicht darum, was notwendig sei. Vielmehr trägt das Theatertreffen eine hohe Verantwortung gegenüber allen bundesdeutschen Theatern und kann sich nur schwerlich auf andere Stückemärkte herausreden, was ja auch nicht gschieht.
Es ist eine verspätete, wenn nicht sogar zu späte Trendentscheidung, die ich so nicht gut heißen kann.
Da wird etwas nachgeholt, dass schon zu Teilen den Mantel von Vergangenem trägt. Auf jeden Fall weißt es nicht in eine Zukunft, die sich einem Pluralismus und einer Vielfalt gegenüber offen zeigt.
(...)
Aus den Studiengängen Szenisches Schreiben könnten hervorragende Dramaturgen, Psychiater und Psychotherapeuten und sogar dort weitergebildete extrem gute Mediziner hervorgehen, wenn nicht immer die Illusion aufgebaut würde, dass es automatisch Dramatiker sein würden, die daraus hervorgehen. (...)
Sascha Krieger: WO geht das hin, was Sie sich als offene Form vorstellen? WAS stellen Sie sich vor? Raus damit!- Das wird gebraucht! (...)
Mir ist Oberenders Haltung mehr als unklar und ich glaube seine Entscheidung greift auf die lange Sicht auch für ihn zu kurz.
Ähnliches -"Kenner" und "Liebhaber"- dürfte auch für das Verhältnis Herrn Oberenders zu Peter Handkes Bühnenwerk gelten, so kommt es auch zu dem einleitenden Interview, das Oberender mit Handke geführt hat für "Die Arbeit des Zuschauers - Peter Handke und das Theater" (Jung und Jung/Österreichisches Theatermuseum).
Peter Handkes Antwort bestärkt Ihren § 17 , auf Oberenders Frage "Sind Sie damals oft ins Theater gegangen ?", antwortet Peter Handke:"Ich war ein Leser von Stücken. Bei meinem Jurastudium habe ich mit Begeisterung in den hintersten Reihen gesessen und nicht den Vorlesungen zugehört, sondern Beckett, Ionesco, Tschechow, Arthur Miller und Tennessee Williams. Diese Bücher gab es als Fischer-Taschenbücher und es war eine Zeit -heute ist das wirklich ein Phänomen-, da sind diese Stücke einfach noch gelesen worden. Heute ist es sehr, sehr schade, fast ein Kummer, daß Theaterstücke nicht mehr zur Literatur gehören, zur Welterfahrung oder Urerfahrung Lesen. Für mich war das so. Ich habe auch Shakespeare nur gelesen. Und dann kam schon was dazu, wenn wir als Schüler, die Wienreise hieß das, im vorletzten Schuljahr, den Oskar Werner als Heinrich den Fünften gesehen haben. Da kam schon etwas dazu."
Und kurz darauf noch einmal: "Aber ich habe halt Stücke mehr gelesen, viel, viel mehr gelesen. Für mich bestand als Leser kein Unterschied zwischen Romanen, Erzählungen und Stücken. Das war für mich eins. Seltsam, nicht, daß man das heutzutage sagt."
Seltsam, seltsam Herr Oberender geht dann im Verlauf dieses Interviews allerdings nicht auf diesen "Anachronismus"-Vorwurf ein. Schwer zu sagen, wo das einmal vernünftig diskutiert werden könnte, ob die Wegwendung vom Stück und vom Stückelesen jetzt das richtige Zeichen sind.
Die "Reclam"-Heftchen-Polemik(en) gibt es ja schon recht lange
und dürften nicht mehr produktiv sein; es ist, denke ich, zu einfach, hier nur von Restauration zu handeln, wenn Stimmen laut werden, daß an dieser Stelle ein wesentlicher Bezug verloren zu gehen droht (ich stimme Herrn Baucks zu). Erst recht, wenn unter Patenschaftsrahmen auch noch drei Marken gepusht werden (und mittelbar gewissermaßen auch eine neue Intendanz). Lesen, das hat sehr viel mit der "Arbeit des Zuschauers" zu schaffen (und dem Bewußtsein dafür, daß der Prozeß einer Inszenierung keine Einbahnstraße ist)..
ich stelle jetzt mal frech die These auf, denke ich an eine Literaturtheater, dass ich die meißten Stücke noch nie wirklich auf der Bühne gesehen habe, außer sagen wir mal, der "Blaue Boll", dem DT sei Dank, habe ich zum Beispiel noch nie ein Stück von Lasker Schüler auf der Bühne gesehen und das lag bestimmt nicht an mir. Franz Werfel zum Beispiel ist mir nie begegnet. Wenn, habe ich mir solche Stücke, ähnlich wie "Feuerbach" bei Dorst, erlesen. Und wenn ich mal eines dieser Stücke zu sehen bekam, dann waren sie meißtens sehr stark, sagen wir mal "überarbeitet".
Schaue ich mal kurz rüber zum Gorki, dann wird dort demnächst ein "Kirschgarten" zu besichtigen sein, wo Lopachin sich eventuell als neoliberaler Gentrifizierer zu erkennen gibt, dieser Lopachin, mit dem mich immer eine heimliche Liebe verwandte, der, obwohl auf dem Gutshof sein Großvater und Vater noch als Sklaven, Leibeigene arbeiteten, nun ihr Besitzer wird und der dort einen Ort für seine Enkel und Urenkel schaffen möchte.
Man kann dort natürlich eine Menge hineinlegen, vielleicht sogar die Besitzverhältnisse über den märkischen Sand, aber meine Sehnsucht, dies Stück einmal wahrhaftig zu sehen, wird immer größer.
Ich möchte in den Klassikern keine Stücke der Neuzeit mehr sehen, die eigentlich erst geschrieben werden müssten. Dieser Regie Schnickschnack ödet mich.
Und für die ungeschriebenen Stücke sollte es auch in Berlin einen Stückemarkt geben.
Sascha Antipows (Strelnikow in Dr. Shiwago). Ich kann ja selbst nach einer Botho-Strauß-Inszenierung lange suchen, warum aber nicht "Die Fremdenführerin", "Trilogie der Wiederholung" (gut, das sah ich einmal in Göttingen, hätte ich mich jemals für Schauspiel beworben, den Richard-Alias-Monolog hätte ich gewiß ausgesucht) oder "Die Zeit und das Zimmer" ? Lasker Schüler und Wuppertal, das ist ja zB. ein ganz eigenes Thema. Und nicht zu vergessen sind die positiven Ansätze zu Peter Hacks; davon lebte doch die Kühnel/Kuttner-Sache gerade, daß sie Zeitverhältnisse spürbar machte, Abstand und Nähe. Leider, leider immer wieder der Auslastungsterror ! Mit "Spiegelmensch" (Werfel) beispielsweise große Häuser zu füllen, das ist dann halt schon ziemlich schwer,
aber wünschen tät ich mir dergleichen auch häufiger, und mitunter sollte dem Publikum auch zugemutet werden, sich mit dem geschichtlichen Abstand zur Situation, in dem das Stück spielt,
selbst ein wenig abzuarbeiten (nicht umsonst spricht Peter Handke auch von der Arbeit des Zuschauers). Für die "Lulu" hatte ich mir diese Woche einmal gesondert Zeit genommen, so ne Art Reise zur "Lulu", tatsächlich mit Reisepaßabgabe bei der Uni-Bibliothek, da ich ja nicht eingeschrieben bin (mehr), ua. all die "Lulu"-Besprechungen seit der legendären Zadek-Lulu, die ich halt auch nicht sah, welche ich in den TheaterHeute-Registern fand, oder
Sekundarliteratur, die noch einmal die Genese der Urfassung zur glatten "Lulu" ins Visier nimmt, oder warum es Wedekind unangenehm war, daß seine Stücke teilweise als naturalistisch interpretiert wurden oder, daß er, Wedekind, bei Schigolch durchaus besetzungstechnisch an einen Schauspieler dachte, der sonst den "Lear" oder "Shylock"
spielt. Möglicherweise, wenn der Schigolch heute so als Hanebuth-Wieder(frei)gänger auftritt, ist es diesem nicht viel besser gegangen als Lopachin; ich dachte ursprünglich auch einmal, daß Nachtkritik-Threads für derlei Einschätzungen da waren/sind (siehe "Probeprozeß danach"), träume aber fast schon wieder von einem Stückemarkt als "Signa"-Installation, so in den Räumlichkeiten der "Hundsprozesse", auch wenn ich mich dann zu widersprechen drohe -das bleibt leider kaum aus-. Jedenfalls ist der Kauf einer Karte für die neue Signa-Sache und ein Besuch am selbigen Tag beim "Jedermann" des
"Bärenkämpferneffen" (des kürzlich in Hamburg gesehenen Filmes) vor dem Hintergrund der neuen "Theater der Zeit" eine Sache, die ich mir nicht entgehen lassen wollte. Grüße aus Hamburg..
Das Theater ist den übrigen Künsten in der Regel um einige Zeit hinterher..."performative turn" (lol). Den gab es in Wahrheit nur in der Musik des 20. Jahrhunderts und (seltener) der Performance Kunst, die sich aus der bildenden Kunst heraus entwickelte..und selbstverständlich in den Vorlesungen von einigen, etwas schmalbandigen, Theaterwissenschaftlern!
Im Theater blieb und bleibt es bei geliehenem, geklautem und hohlem Agit Prop.
Ich empfehle die Kritiken von damals als einführende Lektüre!
( z.B. "Selbstporträts 52 Details" Schauspielhaus Bochum /Ära Hartmann)
(Liebe/r postpost,
nun wissen Sie es.
Es tut nichts zur Sache, die hier in Rede steht, welche Qualität Ihrer Meinung nach Herrn Oberenders Stücke haben.
jnm)
seit fast vierzig Jahren sehe ich nur Regietheater, ich kann nicht mehr, es gibt in der Tat genügend neue Theatersprachen und Ästhetiken, wenn ich etwas nicht mehr nötig habe, dann Regietheater.
Schauen sie, mit fünfzehn sah ich "Hamlet" von Zadek und dann ging es immer so weiter. Das war eine wunderbare Zeit. Später war Kurt Hübner mein Lehrer, und, um es einmal verkürzt zu sagen, erklärte er es so, nachdem Krieg konnte man einfach nicht so weiter machen, man konnte die Klassiker nicht einfach so weiter spielen, wir mussten sie überprüfen. So war fast schon sein Ansatz in Ulm, und ganz sicher in Bremen.
Er hatte als Kriegsberichterstatter hunderte von Einsätzen in einem Kampflieger geflogen, falls er nicht übertrieben hat, weil er als junger Mann einem Rilke-Kreis angehörte.
Und ja, es musste etwas geschehen, man konnte nicht einfach das "George Theater" weiter abspulen. - Das ist Vergangenheit.
Wenn ich heute in Interviews Lesarten erklärt bekomme für Cechov,...da wird mir ganz anders!
Es bricht eine Zeit des Schreibens an, denke ich. Die Stoffe liegen wie immer auf der Straße. Aber sie sind schwerer aufzugreifen denn je. Und doch ist niemand aus dieser Pflicht entlassen.
In einer Metro-Station in Moskau, die seinen Namen von Cechov entliehen hat, steht auch heute nur ein Standbild von Gorki.
Egal.
Wir haben ja nur einen armen Brecht vor dem BE. Und es gibt einen versteckten Heine, auch in Mitte.
Keiner wird aus dem "Kirschgarten" die Geschichte der Arisierung von Berlin herauspressen können, ohne ihn zu einer Zitrone zu machen.
Lesen sie nur die beiden Stellen, die der Zensor Verescagin gestrichen hat.
Regisseure sind doch höchstens die Aushilfsautoren von Dramaturgen, die den Autoren die Butter auf dem Brot neiden und schon gar nicht eine Scheibe Käse oder Wurst dazu spendieren mögen. Den Autor am langen Arm verhungern zu lassen, ist ihr liebstes Vergnügen. Lesen heißt für sie überschreiben, dekonstruieren oder ganz verwerfen.
Die Abschaffung des Stückemarkts in Berlin wird hier nicht bejammert, sondern kritisiert. Auf welchem Auge sind sie blind?!
Wo ist da das ernsthafte, genaue Bemühen? - Zwei der Regisseure, die sie nennen sind leider verstorben. Müller wird sich wohl gerade in seinem Grab auf die Seite legen, denn er hat einen großen Mitstreiter verloren. Um Schimmelpfennig ist es ein wenig still geworden.
Aber darum geht es gar nicht. Es geht darum die Autoren fest in die Theaterbetriebe einzubauen, sie, wenn sie wollen festanzustellen.
Im neuen Koalitionsvertrag wird wahrscheinlich als Zielvorgabe eingeschrieben, dass die Kultur als fester Bestandteil in das Grundgesetz eingeschrieben wird. Endlich.
Danach wird es darum gehen den Kulturbegriff auch für die Theater neu zu definieren.