Pressekonferenz im Schauspielhaus Bochum - Elmar Goerden übernimmt die Verantwortung
Kammerspiel mit Mikrophon
von Regine Müller
Bochum, 30. Mai 2008. Ein fatalistischer Schicksalston war schon im Einladungstext zu diesem Pressegespräch auszumachen: "Das Bochumer Schauspielhaus ist immer größer als der amtierende Intendant", ließ Elmar Goerden sich darin zitieren. Die Einladung zum Pressegespräch flatterte am Morgen nach der abendlichen Kurzmeldung herein, in der nur kurz bekannt gegeben worden war, dass Goerden sich entschieden habe, für eine Vertragsverlängerung über die Spielzeit 2009/2010 hinaus nicht mehr zur Verfügung zu stehen.
Kaum Zufall ist es wohl, dass Goerden die Presse nicht im öffentlichen Teil seines Hauses empfängt, sondern im ehemaligen Malersaal im fünften Stock, dessen Fenster, verhängt mit schwarzem Stoff, nur spärlich Licht einlassen und für ein diffuses, fast mysteriöses Halbdunkel sorgen. Vorn steht ein einsamer, winziger Tisch mit einem noch einsameren Mikro.
Nur im Gegenlicht
Damit ist gleich klar, dass da gleich nur ein einsamer Mann wird sitzen können und keine Kulturverantwortlichen der Stadt. Als Elmar Goerden schließlich auf seinem Stuhl Platz nimmt, kann man ihn nur im Gegenlicht ausmachen, man sieht scharf umrissene Konturen, aber keinerlei Mimik.
Dann beginnt das Kammerspiel. Mit gedämpfter Stimme kündigt Goerden an: "Ich lese Ihnen jetzt etwas vor", und dann trägt er drei eng beschriebene Seiten vor, die alle Fragen beantworten sollen. Er fühle sich keineswegs als Opfer der Presse, gibt er zu Protokoll, auch wenn die Reputation des Hauses unter der – wie er einräumt – möglicherweise nicht immer unvoreingenommenen Kritik stark gelitten habe.
Das, was in seiner bisherigen Amtszeit geschehen sei, bringt Goerden wörtlich auf folgende Formel: "Die Personalie Goerden wirft einen zunehmend großen Schatten auf das Bochumer Schauspielhaus."
Nicht gerecht
Will sagen: er selbst ist als Intendant und Regisseur den Ansprüchen des Hauses und seinen eigenen nicht in wünschenswerten Maß gerecht geworden. Und die Kritik an seiner Person, der Niedergang seines künstlerischen Rufs gehe "auf die Knochen des Hauses", was nun ein Ende haben müsse. Goerden betont, dass es vieles gebe, auf das "wir", also er und sein Team stolz sein könnten, sieht aber ein, dass in der öffentlichen Wahrnehmung die künstlerischen Verdienste des Hauses inzwischen nicht auf Grund seiner Arbeit, sondern trotz seiner Person erwirtschaftet würden.
Und dann übt er weiter Selbstkritik, der in ihren Kernsätzen wenig hinzuzufügen ist: "Das stabile, stilprägende Zentrum, die kenntliche Handschrift, die einem ganzen Haus die Signatur und Richtung gibt; das habe ich, soviel Ehrlichkeit muss sein, nicht in dem Maße geleistet, das ich selber von mir erwarte." Genau das hatte ihm die Kritik wiederholt attestiert. Schließlich gibt er zu: "Das ist, bis hierher, ein Scheitern. (...) Aber, und darauf lege ich den größten Wert, es ist kein Scheitern des Hauses, seiner Künstler und Mitarbeiter, sondern ein persönliches."
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ich war auch auf besagter Pressekonferenz und was Sie als mysteriöse Szenerie beschreiben, war einfach ein leerer Proberaum. Der "einsame Tisch" war einfach nur ein Tisch und das "noch einsamere Mikro" war einfach nur ein Mikro vom WDR. Sie rezensieren Goerdens Erklärung als Inszenierung, dabei war das alles andere als inszeniert. Es war einfach nur ehrlich und unprätentiös. Ich verstehe nicht, warum Sie selbst daraus noch eine "Pose" ableiten. Wenn Sie eine Theaterkritik schreiben wollen, dann besuchen Sie doch eine Inszenierung und keine Pressekonferenz.
es tut gut, einen Beitrag wie den Ihrigen zu lesen, bringt er die Sache doch auf den Punkt. Lassen Sie uns Interessierte mit denjenigen Nachtkritikern nicht alleine, die in dem von Ihnen treffend beschriebenen Sinne Überflüssiges produzieren. Es gibt auch andere, Ernstzunehmende. Sie selbst sind dafür ein nicht widerlegbarer Beweis. Schreiben Sie keine Beerdigungsaufrufe, werden Sie kenntlich. Es lohnt. Daran glaube ich. Das mag wenig zeitgemäß sein, es ist aber nötig.
Ihr
H. Mennekes
für den dient als Antwort, wenn man schweigt."
(Egon Bahr)
Das Wunderbare an nachtkritik ist aber eben dass so viele Meinungen, Erklärungen, Beschreibungen geliefert werden, dass man zum Schluss doch irgendwie näher an etwas wie 'ne gewisse Objektivität herankommt.
Uebrigens, was ist die Definition eines ernstzunehmenden Kritikers?
Und könnte mir jemand mal kurz und zusammenfassend sagen , was man diesem Herrn Goerden allgemein so vorwirft? (Dies ist eine ehrliche Frage, ich war in den letzten Jahren ein paarmal in Bochum und hab mir dort Stücke angesehen die völlig O.K. waren, da war aber keine Inszenierung vom Intendanten dabei, kann ich also gar nicht beurteilen)
Nennt doch mal Eure Favoriten bzw. Eure Prognose, wer es werden könnte!
Sebastian Nübling?
Elisabeth Schweeger?
Falk Richter?
Florian Fiedler?
Karin Henkel?
Stephan Kimmig?
Was denkt Ihr so?
schön fände ich aber auch, wenn es jemand jüngeres würde, wie etwa fiedler, der immerhin die erfahrung der schmidtstraße mitbringt, was bei petras ja ein gutes omen war.
@tameur: ich fände nübling auch ganz gut, wobei er sicher nicht amused wäre, dass du ihn nicht in die erste garde steckst... ;-)
Eigentlich wäre vielleicht Falk Richter auch ein guter Kandidat! Guter Regisseur und gleichzeitig Autor, könnte also Bochum auch ein bißchen zum Autorentheater machen... Was meint Ihr?
Na dann.
pollesch in bochum hingegen wäre sicher großartig, da könnten da experimente stattfinden, die woanders gleich von der kritik zerstört werden und aufgrund des großen sonstigen theatralen angebots dann möglicherweise ihre zuschauer nicht finden. insofern könnte man bochum auch wirklich zu einem experimentierfeld machen, das großartig wäre, die offenheit der zuschauer gibt es hierfür im gegensatz zu anderen theaterstädten sicherlich!
wie kommen Sie denn darauf, dass die Bochumer an interessantem Theater interessiert sind? Bisher war es doch gerade so, dass sie mit anspruchsvolleren Intendanzen überfordert waren und sich eher für das Unterhaltende begeisterten.
welche Intendanz meinen Sie, die so anspruchsvoll gewesen wäre, dass Sie die Bochumer Theaterzuschauer überfordert hätte? Nun muss ich gestehen, dass das Wirken des Herrn Steckel vor meiner Zeit stattfand, sodass ich diesbezüglich nur spekulieren kann. Oder wollen Sie die Arbeit von Herrn Goerden als zu anspruchsvoll bezeichnen, so dass deshalb seine Intendanz sich nicht durchsetzen konnte?
In diesem Fall könnte man nur mit Beruhigung auf seine eigenen Ausführungen diesbezüglich hinweisen.
Ich bin weiterhin der Meinung, dass es eine gesunde Mischung aus einem exponierten Namen, der gleichzeitig künstlerisch avanciert und in gesundem Maße konsumierbar sein sollte. Insofern fände ich Nübling, Henkel oder auch Thalheimer gute Vorschläge.
Viele Grüße
ich glaube nicht, dass das Bochumer Theaterpublikum mit anspruchsvollen Inszenierungen überfordert war oder ist. Ich kann die Zeit ab 1972 überblicken und kann feststellen, dass sowohl bei Zadek, Peymann, Steckel und auch Hartmann gerade die anspruchsvollen Inszenierungen großen Zulauf hatten; Beispiele würden den Rahmen sprengen. Bemerkt sei allerdings, dass der Bochumer Theaterzuschauer etwas Zeit braucht, aber das ist in Berlin, Hamburg und München nicht anders.
Mein Plädoyer also: ein Intendant, der diese Ansprüche erfüllt.
t
t
als langjährige treue Besucherin des Schauspielhauses Bochum habe ich mit großem Interesse die Diskussionen über die Nachfolge Elmar Goerdens nach seiner veröffentlichten Abschiedserklärung verfolgt. Da es mir aus beruflichen Gründen nicht möglich ist, regelmäßig in Berlin ins Theater zu gehen, kann ich zu den meisten der hier genannten Kandidaten nicht viel sagen, bzw. kenne ihre Inszenierungen nur aus den einschlägigen Feuilletons (Leider konnte ich auch Falk Richters "Unter Eis"-Oper im Rahmen der Ruhrtriennale in Bochum nicht sehen, die ja allerorten sehr gelobt wurde und über die ich aus meinem Bekanntenkreis nur positives hörte).
In den letzten Jahren ist mir - neben manchem etwas enttäuschenden Abend - besonders eine Inszenierung im Bochumer Schauspielhaus sehr im Gedächtnis geblieben; Dieter Giesings "Die Zeit und das Zimmer" mit der tollen Cathrin Striebeck in der Hauptrolle. Und auch wenn ich die Spielzeiten zuvor betrachte, waren es beispielsweise Abende wie "Schönes" oder auch "Auf dem Land", die mich im Gegensatz zu den manchmal etwas "verstaubten" Abenden von Elmar Goerden oder den mir früher oft zu poppigen und aufgeregten Abenden von Matthias Hartmann besonders begeistert haben. Mich hat die präzise Umsetzung und Herangehensweise Dieter Giesings an diese modernen und mir vorher unbekannten, aber sehr spannenden Theaterstücke extrem fasziniert und die beeindruckenden Leistungen der Schauspieler (vor allem: Ernst Stötzner, Cathrin Striebeck, Burghard Klausner) begeistern mich noch heute.
Warum also nicht mal über einen erfahrenen Theatermacher wie Dieter Giesing als neuen Intendanten nachdenken?
Mit besten Grüßen aus Bochum
R. West
es braucht einen intendanten, der bochum wieder überregionale strahlkraft gibt. da ist aus meiner sicht "pollesch / richter" der bisher mit abstand beste vorschlag!!
ich denke da zum beispiel an einen intendants-kandidaten, der meines wissens in dieser diskussionsrunde noch gar nicht genannt wurde, der aber sicher trotz seines jugendlichen alters sicher schon ein gros an reife, erfahrung und kontakten mitbringt: david bösch! der junge herr überzeugte in den letzten jahren durch maßgebliche inszenierungen an guten häusern und war zu gast bei den salzburger festspielen - zudem ist er momentan als hausregisseur am schauspiel essen verpflichtet, er kennt also das ruhrgebiet, den "pott" auch aus seinen eigenen erfahrungen mit dem publikum! und ohne jetzt den jugendwahn an deutschsprachigen theaterhäusern bewusst zu unterstützen - ich bin der festen überzeugung, dass david bösch über qualität, klugheit und die nötige sensibilität verfügt, ein solches flagschiff im deutschsprachigen theaterraum, wie es das schauspielhaus bochum doch lange zeit war, zu leiten!
ich sehe david bösch immer gefährlich am rand des kunstgewerbes - sehr sinnlich, brachial, aber mit wenig inhaltlich fundierter haltung zum text - das zumindest mein gefühl.. also, vielleicht ein guter hausregisseur, aber intendant??
Soll man wirklich nur auf die "großen" Namen des Regietheaters setzen oder vielleicht einem Oberspielleiter / Intendant eines kleineren Theaters die Chance geben sich zu beweisen. Ob die Herren Richter, Bösch, Pollesch wirklich die Fähigkeit haben, ein Theater zu leiten möchte ich in frage stellen. Ihre künstlerischen Qualitäten möchte ich nicht in frage stellen. Aber als Intendanten?
Warum sollte jemand, der sich in der vermeintlichen Provinz durchgesetzt hat, nicht diese Chance bekommen.
ich finde, dass ein haus mit dem potential von bochum jetzt einen etablierten menschen braucht, um wieder auf die beine zu kommen. ein bißchen nach dem vorbild karin beier. deswegen wäre ich den letztgenannten gegenüber skeptisch, obwohl sie sicher an ihren häusern interessante dinge machen mögen...
Stadttheatersoße
Nun einer von drei Nominierten für den "Faust"...
War jemand mal da? Die machen grad den Sommernachtstraum, vielleicht sollte man mal hinfahren.
L.
Wer kann da mal intervenieren?
man mag zum Intendanten und Regisseur Latchinian stehen, wie man will, karrieregeile Gesellen und ihre entourage sitzen in der Regel nicht auf schlecht dotierten Posten in der tiefsten brandenburgischen Provinz. Schon gar nicht, wenn ihr Betrieb bereits einmal zum Theater des Jahres gekürt wurde. Die Schmähungen sind meines Erachtens ganz unangebracht.
Andererseits mögen alle die Latchinian wohl wollen, bedenken, dass er bereits in Potsdam als sicherer Nachfolger des derzeitigen Intendanten Laufenberg gehandelt wurde. Den Job bekam ein anderer. Lobrede ist manchmal ein sicheres Mittel, den chancenreichen Kandidaten zu "verbrennen". Kommunikatives Beschweigen dagegen ist mitunter Gold.
Mit herzlichem Gruß
nikolaus merck
Ciao
Wetten dass....
Nichts gegen Oberender, der ist sicher ein guter Mann, aber zufällig
weiß man ja in Salzburg, dass seine Frau 2009 als Dramaturgin am
Landestheater anfängt. Klingt nicht gerade nach familiären Umzugsplänen…
Die Kandidaten für Bochum sind doch eigentlich, Schlingensief, Nübling
oder Bachmann (okay, man weiß auch, dass eigentlich Walburg Basel
gemacht hat, bis Bachmann für seine Weltreise den Job hingeworfen hat
und seither je nicht eben mit Erfolgen glänzt, aber vielleicht findet er
ja wieder einen guten Dramaturgen.) Vielleicht Rita Thiele aus Köln? Es
pfeift ja von den Dächern, dass sie selber Intendantin in Bochum werden
will – und nicht schlecht im Rennen liegt, wäre doch eine elegante
Lösung… Schlingensief und Nübling, von denen auch viel die Rede ist,
haben zwar noch nie irgendwo Leitungserfahrung gesammelt, aber warum
damit nicht in Bochum beginnen? Dass sie sich gerne und leidenschaftlich
damit beschäftigen, ein Budget zu machen, Verträge zu verhandeln, sich
um neue Beleuchtungseinrichtungen oder Konzepte zu kümmern, in denen es
um mehr geht, als ihren Bauchnabel zu beschäftigen, pfeifen ja auch die
Spatzen von allen Dächern. Außer in ihren „Familien“ ist da nix gewesen.
Man möchte in diesen Tagen kein Kulturdezernent sein, ehrlich.
Nübling wäre mir am liebsten.
Schaun wir mal.