Bartholomäusnacht - Religionskriege und Königsränke damals und heute beschäftigen Ewelina Marciniak in ihrer Freiburger Uraufführung einer Dumas-Version von Czaplinski/Billenkamp
Zwischen Lüstern- und Zerschundenheit
von Jürgen Reuß
Freiburg, 25. Januar 2019. Heinrich II. liegt in Unterhose tot vorm Vorhang, seine Nächsten, in Hieronymus-Bosch-Lustgarten-Gewänder gehüllt, umstehen ihn. Für die polnische Regisseurin Ewelina Marciniak, die nach ihrem beeindruckenden Sommernachtstraum mit "Die Bartholomäusnacht“ zum zweiten Mal in Freiburg inszeniert, ist das so etwas wie die zentrale Familienaufstellung, die etliche Jahre später dazu führt, dass die als Aussöhnung von Protestanten und Katholiken im Frankreich des 16. Jahrhunderts propagierte Hochzeit von Margarete von Valois und Heinrich von Navarra in ein Pogrom an Protestanten ausartet.
Köder für politisch-religiöse Ränkespiele
Den Takt der Hochzeitsanbahnung gibt Margaretes Mutter Katharina von Medici an. Tochter Claudia steckt symbiotisch-fügsam mit unter Mutters Gewandfittichen. Die anderen drei Kinder glucken glucksend zusammen, Heinrich von Anjou als desinteressierter Depp und späterer Smartphonejunkie, Margarete als Nähe suchendes Familienschmiermittel und Karl als unverhohlen machtlüstern – wie auch Heinrich de Guise, der allerdings nie wie Karl König anstelle des Königs werden wird. Als Katharina die Macht für sich reklamiert, muss selbst der tote Heinrich II. noch mal einen Lästermonolog halten.
Als sich dann der Vorhang hebt und den Blick in die Tiefe lenkt, macht auch die Bühne (Anna Królikiewicz) klar, was im Folgenden zu erwarten ist: Auf Fra Angelicos "Verkündigung" fehlt sowohl der Engel der Verkündigung als auch die schwangere Heilsgebärerin. Finstere Zeiten also, ein Ende bis heute nicht absehbar, woran der Text (Jan Czaplinski) in Anspielungen auf aktuelle Gräueltaten und politische Meilensteinreden regelmäßig erinnert.
Folgt man der Inszenierung, gibt es vor allem eine Kontinuität von den damaligen Glaubenskriegen zu den unsrigen: Seit Katharina von Medici wird die Verfolgung der jeweiligen Protestanten – seien sie Muslime, Homosexuelle oder schlicht Frauen – von einem darüber gelegten Friedensdiskurs zugesuppt. Regisseurin Marciniak interessiert nun, was das für eine familiäre Konstellation ist, in der eine junge Frau auf ihre Rolle als Köder für politische und religiöse Ränkespiele abgerichtet wird.
Giftiges Machtgefüge
Wie schon im "Sommernachtstraum" ist die Urszene der Missbrauch durch die Männer. Angeführt von Katharina machen die Frauen Margarete klar, dass die Ehe die ultimative Unterwerfungsgeste unter die Willkür der Männer ist. Unter der wird und muss die Frau leiden, ist dabei aber nicht ohnmächtig, sondern kann es der Welt zurückzahlen. Noch während Katharina Johanna von Navarra die Versöhnungshochzeit ihrer Kinder unterjubelt, legt sie sich Kriegsbemalung an. Die Navarra wird sie längst vergiftetet haben, bevor ihr Heiratsmachtplan aufgeht.
Tochter Margarete bleibt in diesem Gefüge nur das hilflos verzweifelte Klammern an irgendwelche trügerischen Gewissheiten. Die zärtliche Verbundenheit mit ihren Brüdern nutzen diese zu erniedrigenden Sexspielchen, die Suche nach Halt in der Religion kommt über pubertäres Gestammel nicht hinaus. Die Flucht in die Liebe zu einer schönen Stimme, dem "Imagine" singenden Beau La Môle, endet darin, dass dieser ihr als blutiger Klumpen vor die Füße geworfen wird. Am Ende schäkert sie dann doch mit dem Zwangsehemann und künftigen König einer weiteren Runde im zynischen Herrscherspiel entgegen.
Es ist diese Exekution der Aussichtslosigkeit, die den dreistündigen Theaterabend etwas lang werden lässt. Auch die Grundthese, dass in den letzten 400 Jahren immer eine ähnlich dekadent-zynische Machtclique in empathielosen Partyräumen Bevölkerungsteile gegeneinander hetzt und sich dabei auch selbst auf giftigste Weise hinmetzelt, ist eher plakativ als überzeugend. Als Anklage einer gottlosen Gesellschaft verpufft sie in eher agnostischen Zeiten und nimmt sich als solche auch niemals wirklich ernst. Als einzig utopisches Moment bleibt der Körper, der immer wieder zwischen Lüstern- und Zerschundenheit seine Präsenz behauptet. So finden sich die theatralen Perlen des Abends auch eher im kurzen Aufblitzen von gewitzter Lust und kleinen Ausbrüchen, etwa wenn Partygirls Carolina und Margarete Heinrich am Flughafen abchecken. Insgesamt bleibt der Eindruck, dass die Inszenierung besser noch ein bisschen reifen sollte, aber ob das im laufenden Betrieb möglich ist?
Bartholomäusnacht
von Jan Czaplinski und Michael Billenkamp nach Motiven von Alexandre Dumas
Regie: Ewelina Marciniak, Bühne: Anna Królikiewicz, Kostüme: Konrad Parol, Licht: Lothar Baumgarte, Musik: Jan Duszynski, Choreografie: Izabela Chlewinska, Dramaturgie: Jan Czaplinski, Michael Billenkamp.
Mit: Anja Schweitzer (Katharina von Medici), Martin Hohner (König Karl IX., ihr Sohn), Lukas Hupfeld (Herzog von Anjou, ihr Sohn), Rosa Thormeyer (Margarete von Valois, ihre Tochter), Stefanie Mrachacz (Claudia, ihre Tochter), Hartmut Stanke (Heinrich II. Admiral de Coligny), Henry Meyer (Heinrich de Guise), Janna Horstmann (Joanna von Navarra / Nostradamus), Thieß Brammer (Heinrich von Navarra, ihr Sohn), Angela Falkenhan (Carolina, Karls Geliebte), Tim Al-Windawe (La Môle, Margaretes Geliebter).
Premiere am 25. Januar 2019
Dauer: 3 Stunden
theater.freiburg.de
Kritikenrundschau
"Worum also geht es?", fragt Bettina Schulte in der Badischen Zeitung (28.1.2019). "Um eine metaphysische oder eine machtpolitische Frage? Um eine exemplarische historische Konstellation oder um ein allgemeinmenschliches Versagen? Man weiß es im Verlauf des Abends immer weniger, wobei die Brüche zur Gegenwart nicht aus der dramatischen Konstellation heraus entwickelt werden und deshalb aufgesetzt wirken." Und doch gebe es eine Reihe sehr beeindruckender Szenen, die vor allem der Schauspielerin Rosa Thormeyer geschuldet seien. Den Anspruch von Marciniak, von einer Frau an der Schnittstelle zwischen Macht und Individuum zu erzählen, müsse man ernst nehmen. "Und ihren Willen zur Gestaltung dieses Anspruchs erst recht."
"An ihren fulminanten 'Sommernachtstraum' knüpft Marciniak jetzt wieder an, aber der Zauber ist ein wenig verblasst", schreibt Martin Halter in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (9.2.2019). "Die Regisseurin und ihr polnisches Team ziehen die Konfliktlinien der Glaubenskriege des 16.Jahrhunderts bis in die Gegenwart von Srebrenica und Warschau, Brexit und Houellebecq. Blutprinz Heinrich von Guise und sein Widersacher Coligny blasen zum letzten Gefecht gegen die Ketzer, zu denen hier auch Juden, Muslime, Homosexuelle und andere diskriminierte Randgruppen gehören. Aber die Aktualisierung wirkt so aufgesetzt wie anachronistisch."
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Eine belanglose Zusammenfassung eines Abends, der aus mehr Dingen bestand als der Verfasser jener Zeilen offenkundig mitbekommen hat.
Kein Wort über das herausragende Bühnenbild, die herausragenden gesanglichen Komponenten als auch die außergewöhnlichen Leistungen der Hauptdarsteller.
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