Presseschau vom 22. März 2016 – Der Dramatiker und Regisseur Falk Richter spricht mit der SZ über sein politisches Theater

Klima der Angst und Hetze

Klima der Angst und Hetze

22. März 2016. "Bei den Proben zu Fear im Sommer 2015 war der Rechtsruck in Deutschland ein relativ neues Phänomen. Ich war ja einer der ersten, der sich im Theater überhaupt mit AfD, Pegida und deren Verbindungen zu radikalisierten Christen auseinandergesetzt hat", sagt Falk Richter im Interview mit Joseph Hanimann von der Süddeutschen Zeitung (21.3.2016). Richters neues Stück Je suis Fassbinder kam gerade am Théâtre National de Strasbourg heraus.

"Fear" sei als Bestandsaufnahme und Weckruf gedacht gewesen: "Wer sind diese Protagonisten, die in Deutschland ein Klima der Angst und der Hetze verbreiten? Das Stück überhöht satirisch deren paranoide Wahnvorstellungen und stellt das Unvermögen der apolitischen Berliner Hipster dar, damit umzugehen. In "Je suis Fassbinder" ist die Sache für mich ernster geworden. Das Problem, das wir in Deutschland mit Pegida und AfD, in Frankreich mit dem Front National haben, ist nach den Attentaten in Paris und durch die Flüchtlingsfrage plötzlich akuter."

Rechtspopulismus sei eine gesamteuropäische Bewegung. "In Ungarn und Polen stellen diese Leute bereits die Regierung und schränken Freiheiten massiv ein. Im neuen Stück rede ich zunächst von Deutschland. Ganz konkret geht es um die Situation nach der Silvesternacht am Hauptbahnhof Köln, wie da versucht wurde, pauschal alle Flüchtlinge unter Verdacht zu stellen und die deutsche Willkommenskultur zu diskreditieren.

Zusammen mit Stanislas Nordey habe ich darüber hinaus versucht, die seismografischen Verschiebung beidseits des Rheins zu begreifen. Hinter AfD und Pegida, vielleicht auch hinter dem Front National, stehen unter dem Vorwand der Volksnähe antidemokratische Kräfte. Sie wollen die bestehende Staatsform stürzen. Sie wollen eine andere Art von Presse, wollen Einfluss auf die Spielpläne der Theater nehmen, vorschreiben, dass deutsche Klassikerinszenierungen einen 'positiven Bezug zur Heimat fördern' sollen. Vor fünf Jahren waren solche Forderungen noch undenkbar."

(sle)

 

Kommentare  
Presseschau Falk Richter: Gleichdenkende zwischen Kantine und Klo
Falk Richter irrt. Vor 5 Jahren waren solche Forderungen nicht undenkbar, sondern noch öffentlich lauthals unsagbar. Würde er nicht warten bis ein Problem AKUT, so vollkommen plötzlich, ja, da ist, hätte er es bemerkt, dass der Rechtsruck nicht erst 2015 stattfand. Merkt man aber eher nicht so, wenn man immer Theater macht. Weil immer so Gleichdenkende zwischen Probenraum, Klo und Kantine in Theatern hin- und herrennen.
Presseschau Falk Richter: "FEAR" überarbeiten
FEAR ist eine nach den jüngsten Wahlergebnissen noch unzulänglicher wirkende Veranstaltung. Die Produktion müßte überarbeitet oder aus dem Spielplan genommen werden, unabhängig davon, ob sie auch in ihrer augenblicklichen Form Zuspruch findet. Oder, genauer, der Zuspruch müßte qualifiziert werden.
Presseschau Falk Richter: Nacherzähler
Falk Richter irrt gewaltig . Er sei einer der ersten im Theater , die sich mit AfD , Pegida etc. auseinandergesetzt habe. Das ich nicht lache. Abgesehen davon , dass seine Auseinandersetzung nicht tiefer geht , als Phänomene ständig nachzuerzählen oder meinetwegen satirisch zuzuspitzen. Ich möchte mal wissen , warum die Schaubühnen-Macher immer auf den unpolitischen Berliner Hipster aus Mitte herumhacken ? Sie machen doch allesamt ein Theater für diese Klientel und manchmal scheint es auch von eben diesen gemacht worden zu sein. Und auch irren Herr Richter und sein Interviewer in der Annahme , die Terroristen der RAF und des IS seien aus der Mitte der Gesellschaft gekommen. Eben nicht. Das macht ja jede Analyse so schwierig und heikel. Wäre schön , wenn Falk Richter in seinen Stücken und Arbeiten mal einen Zentimeter tiefer in die Materie gehen würde.
Presseschau Falk Richter: Hipsterschuld
Alle meinen schon mal irgendwann etwas zu dem Thema gesagt zu haben. Und alle fühlten sich dabei so, als ob sie die "Ersten" gewesen wären. Ich auch. Und alle, die es konsequent gemacht haben, sind dafür entweder vor Gericht gelandet oder mindestens aus ihrem Job entfernt worden. Ich auch. Und es geht immer den selben Weg. Der Autor, der Künstler soll vom Spielplan genommen werden, nicht die rechten Akteure, die dürfen weiter machen, solange man weiter darüber debattiert, wie man sie denn kritisieren darf. Fuck! Seit 1989 spüren wir deutlich einen Druck von rechts. Wir haben weggeschaut und jeden verhöhnt, der sich künstlerisch dem Thema nähert, bis auf ganz wenige Ausnahmen. Deshalb fühlt es sich so an, als wäre man immer der Erste, der sich gerade mit dem Thema befasst, weil man weiß, was man riskiert. Die Kritik an den extrem Rechten war immer ein Tabu, denn sie waren ja nur eine Randerscheinung. Jetzt haben sich ein paar Figuren an die Spitze dieser immer vorhandenen Bewegung gestzt und erzielen zweistellige Ergebnisse, und was soll als erstes geschehen, "Fear" soll vom Spielplan. So ein Quark. Die AFD muss wieder raus aus den Parlamenten. Das ist der Punkt. Und überhaupt: An allem sind die Hipster schuld!
Presseschau Falk Richter: tatsächlich Mitte
@ ein Hipster: Falk Richter gehört doch selbst der Gruppe der Hipster an. Deshalb macht er sich ja auch immer so fertig. Vielleicht ist er einfach Masochist? Bloß schade, dass das niemandem hilft, der von den Parolen der AfD und Pegida betroffen ist.

Warum im Kontext dieser genannten rechtspopulistischen Phänomene zugleich die RAF und der IS thematisisert werden, das ist auch in meiner Wahrnehmung ziemlich undifferenziert. Auf der einen Seite Terroristen, auf der anderen eine sogenannte (völkische) Bürgerbewegung und eine Partei. Und die (Köpfe der) RAF- und IS-Leute kamen/kommen doch tatsächlich oftmals aus der Mitte der Gesellschaft. Wie Navid Kermani schon sagte, er bezog sich dabei allerdings auf den NSU und die islamistischen Terroristen rund um den 11. September, sollte man diese Phänomene jedoch nicht dazu verwenden, das kritische Denken einzustellen. Das heisst, auch, wenn AfD und Pegida gegen die "Lügenpresse" anbrüllen, heisst das noch nicht, dass z.B. die Springer- und Bertelsmann-Presse keinen Anteil daran hätten, dass rechtspopulistisches Gedankengut seinen Weg in die die Öffentlichkeit findet. Ich zitiere:

"Bis weit in bürgerliche und sogar intellektuelle Milieus haben sie einem Gedankengut, das einer breiten Öffentlichkeit vor wenigen Jahren als selbstverständlich extremistisch gegolten hätte, massenhafte Verbreitung beschert, es gerade auch in seiner herabsetzenden Diktion enttabuisiert und damit in die Mitte der Gesellschaft getragen." (aus: "Vergesst Deutschland! Eine patriotische Rede", 2012)
Presseschau Falk Richter: präzise kritisieren
Wie meinen Sie denn das genau: vom Spielplan nehmen? Dass Sie hier AfD-Positionen einnehmen, kann man sich doch gar nicht vorstellen. Doch so eine Forderung oder Kritik müssten Sie bitte erklären oder überhaupt erst einmal präzise formulieren, also: was genau Sie an "Fear" unzulänglich finden. Vielen Dank.
Presseschau Falk Richter: Unzulänglichkeit
Zu #6: Zunächst einmal liegt es im Wesen eines solchen Projekts wie FEAR, daß es mit der Première noch weniger „fertig“ sein kann, als es, mehr oder weniger, jede Inszenierung ist. Wenn das Theater nicht die Möglichkeit bietet, die Aufführung dem politischen Fortgang der Dinge anzupassen, wird der Abstand zwischen ihr und dem sich immer weiter fortschreibenden Verlauf dieser Dinge schließlich so groß, daß die Inszenierung vom Spielplan genommen werden muß. Den leitenden AfD-Damen kann man vielleicht „Verpißt euch!“ zurufen, aber nicht den 1,3 Millionen AfD-wählenden Landsleuten, von denen hunderttausende sich nach langer Abstinenz wieder an die Wahlurnen begeben haben. Und was die Unzulänglichkeit angeht, zitiere ich einen Satz von Harald Schumann aus dem gestrigen ’Tagesspiegel’: „In beängstigender Gleichförmigkeit stärkt die wachsende Ungleichheit überall die irrationalen politischen Kräfte und destabilisiert das System“, schreibt Schumann. Über derlei verliert FEAR kein Wort, jedenfalls habe ich keines gehört.
Presseschau Falk Richter: Was denn nun?
Meine Kritik an Falk Richter ist, dass er alleinig unter Autor des Stückes aufgeführt ist, OBWOHL es heißt, dass der Text gemeinsam mit den Darstellern während der Proben unter seiner Regie erstellt wurde. WAS DENN NUN? Der erste mir bekannte Fall, wo sich ein Regietheater-Regisseur mit projekthaften Arbeitsmethoden als alleiniger Autor des dabei entstehenden Textes bezeichnet; und das heißt, Regietheater und Autorschaft in eins setzt. Und damit – und zwar völlig systemkonform - ein Exempel für die Abschaffung des Dramentextes und des Herstellers eines solchen als Künstler statuiert. – Da hätte ich gern einmal erfahren, wie der Falk Richter das als offenbare Haltung zum literarischen Genre der Dramatik in seinen Poetik-Vorlesungen ästhetisch und philosophisch begründet. Und ich verstehe überhaupt nicht, weshalb seine Darsteller nicht sagen: spinnst du jetzt oder was!, die ganze Zeit erzählst du, w i r haben das zusammenerarbeitet, diesen ganzen Text, und dann warst nur du das, ja? – Weißte was?- spiel doch beim nächsten Mal alleine Textmacher. Wenn ich aber das schon in aller Gutmütigkeit verstehe, dass die das offenbar nicht sagen, weil ich Schauspieler verstehe, verstehe ich imm noch nicht, weshalb nicht die Dramaturgie sagt: Richter, Falk, du unser preiswürdig bester, was denn nun: rin inne Kartoffeln, raus aus de Kartoffeln? – Nur mal eindeutig für dis Programm und die Werbung, ja?: Hast du das Projekt nun als Autor oder als Regisseur gemacht? Guck dich Petras an, der kann dis immer unterscheiden, hat er extra zwei Namen dafür. Wahrscheinlich, damit er nicht mit sich selbst so durcheinandergerät, dass die Leute am Ende veranlasst sind, Dramatik und Regie-Theaterprojekt nicht mehr unterscheiden zu wollenkönnensollen - Es ist übrigens auch das erste Mal, dass ich den Ostermeier als Intendanten nicht verstehe, weil der das seiner Dramaturgie durchgehen lässt, keine Eindeutigkeit da vom Richter einzufordern. Sonst hab ich nichts auszusetzen, was für eine Absetzung von FEAR spräche, wenn es nun schon einmal gemacht wurde und da ist und sogar besucht wird, solange sie da halt nichts besseres gefunden haben.
Presseschau Falk Richter: eine Momentaufnahme
Doch, der Abend geht einmal kurz auf das Thema der Ungleichheit ein. Da heißt es, dass da draußen, ich kann nur noch frei zitieren, irgendwo die "Nutzlosen" sind, die keiner braucht, und sie spüren, dass sie nicht gebraucht werden. Das ist eine sehr traurige Stelle. Ich habe versucht mich mit Falk Richter darüber auseinander zu setzen, und er hat Recht, der Abend wendet sich nicht gegen die "Nutzlosen", er weißt die Ratlosigkeit im Umgang mit dem Thema auf. Sie haben auf ihre Art wiederum auch Recht, aber ich bitte sie, sie haben sich doch nie wirklich für das Prekariat eingesetzt. Das ist doch für sie nur ein Thema. Immerzu versuchen sie zu korrigieren, nach zu bessern. Aber sie sind kein Intendant mehr. Sie setzen keine Stücke mehr an, und auch keine mehr ab. Sie sind nicht mehr im Besitz der Deutungshoheit. Ostermeier und Richter entscheiden darüber. Und sie haben einen guten Abend gestaltet. Meinetwegen sollen sich doch dort auch ein paar Hipster feiern. Ja und? Schauen sie sich doch mal die Freudenfeste der AFD in der Wahlnacht an. Der Abend feiert sich aber gar nicht selber. Er bricht unter seiner Last zusammen, er implodiert. Die Schaupieler stellen auch ihre persönliche Ratlosigkeit aus. Sicherlich ist es nur eine Momentaufnahme. Aber Falk Richter sagt doch, es war nur ein Anfang, ein Auftakt, und er habe schon in seinem ächsten Abend weiter an dem Thema gearbeitet. Warum entziehen sie ihm ihr Vertrauen? Warum solidarisieren sie sich nicht mit ihm? Juriste haben über den Abend entschieden, und sie wollen nun die Justiz nachkorrigieren? Warum?! Falk Richter ist ein Künstler! Warum schützen sie ihn nicht?!
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