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Unsere auswahl ist subjektiv

Presseschau vom 21. und 27. Januar 2016 – Rostocker Spardiskussion: Stefan Rosinski stellt ein alternatives Theatermodell für Rostock vor – und liest der Kulturpolitik in Stadt und Land die Leviten. Sewan Latchinian wehrt mit einem Positionspapier ab

Im Schatten der DDR-Kulturpolitik

21. Januar 2016. Stefan Rosinski, noch bis zum Sommer Geschäftsführer des Rostocker Volkstheaters, hat gestern in der in Rostock erscheinenden Ostsee Zeitung ein "Variantenmodell" (hier der Wortlaut des 30-seitigen Papiers) veröffentlichen lassen, mit dem er den von der Rostocker Politik auferlegten Verkleinerungsüberlegungen für das städtische Theater begegnen will. Kern von Rosinskis Überlegung ist die Erhaltung und der Ausbau des Musiktheaters sowie die Erhaltung und Stabilisierung der 73-köpfigen Norddeutschen Philharmonie als konzertierendes Orchester, das zugleich Musiktheateraufführungen begleitet. Tanztheater soll in Rostock fürderhin in die Hände einer zu bildenden Landestanzkompanie nach baden-württembergischen und südhessischem Vorbild gelegt werden. Das Schauspielensemble soll nach Rosinskis Dafürhalten abgewickelt, Schauspieltheater in Rostock per Gastspiel und Koproduktionen mit freien Gruppen angeboten werden. Nur ein kleines vierköpfiges Ensemble bliebe am Volkstheater bestehen, um Jugend- und Kindertheater in flexiblen Formen anzubieten.

Presseschau vom 20. Januar 2016 – Deutschlandradio Kultur untersucht das Phänomen des neuen politischen Theaters

Ungefiltert, direkt, authentisch

20. Januar 2016. Auf Deutschlandradio Kultur geht Thomas Klug in fünf Akten der These nach, dass das Theater wieder politisch wird. Zunächst resümiert er, wie das politische Theater früher ausgesehen hat, nennt Rolf Hochhuth, Peter Weiß, Christoph Schlingensief. "Es folgte Theater-Routine, die außerhalb des Theaters kaum Widerhall fand. Es schien, als würde das Theater die Welt um sich herum nur durch ironische Distanz wahrnehmen. Vielleicht war es ein Stilmittel, um sich gegen den Optimismus allenthalben zu wehren, um gegen Fantasien des immerwährenden Wachstums anzustinken. Und vielleicht konnte Ironie gegen diejenigen helfen, die glauben, jedes Detail eines Lebens noch effizienter gestalten zu müssen. Als würde jedes einzelne Leben an der Börse gehandelt und müsste dem Markt gerecht werden. Der Wahnsinn der Realität fordert die Ironie geradezu heraus. Doch egal ob Wahnsinn oder Ironie, beides kann Überdruss hervorrufen.“

Presseschau vom 5. Januar 2016 – In der Schweizer Sonntagszeitung kritisiert Doku-Theatermacher Milo Rau die europäische "Wohlfühl-Ethik"

Schluss mit den Bittschriften, raus auf die Straße!

5. Januar 2016. In der Schweizer Sonntagszeitung (27.12.2015) wettert der Recherche-Theatermacher Milo Rau gegen den von ihm so genannten "zynischen Humanismus" in Europa. Es ist ein Humanismus, der in unpolitischer Weise eine "Wohlfühl-Ethik" auslebt. Der zynische Humanist "kritisiert die unmenschliche Grenzpolitik der EU, setzt auf nachhaltigen Konsum und adoptiert Genozid-Opfer". Aber, so Rau, die "grossen Fragen bleiben ungestellt, die wirklichen Verantwortlichkeiten verschwinden hinter dem Instant-Ergebnis des Helfens". Was auf der Strecke bleibe, sei der "gesellschaftliche Wandel".

Presseschau vom 4. Januar 2016 – Bruno Ganz beklagt sich über das gegenwärtige Theater

Extrem eitel

4. Januar 2016. Und wieder singt einer der großen Alten den Abgesang aufs Theater. Diesmal Bruno Ganz, der im Interview mit Patricia Batlle auf ndr.de erzählt, dass er nicht mehr ins Theater geht: "Ich befinde mich in einer Art Dissens mit dem deutschsprachigen Theater. Ich finde es nicht so toll, was ich da sehe. Deswegen gucke ich es mir auch nicht mehr an."

Presseschau vom 4. Januar 2016 – Die NZZ berichtet wehmütig vom Sittenverfall beim Theaterpublikum

Unbeschwerte Kino-Mentalität

4. Januar 2016. Nichts ist, wie es mal war, seufzt Bernd Noack in der Neuen Zürcher Zeitung. Er beobachtet seit einiger Zeit als Entwicklung im Theater: "Der Respekt des Zuschauers gegenüber der Institution Theater lässt nach. Es geht um das ganz normale Benehmen im öffentlichen Raum, und es geht um die Beziehung zwischen Zuschauer und Akteur, um diesen ungeschriebenen Vertrag, der seitens des Publikums immer häufiger und hemmungsloser aufgekündigt wird."

Presseschau vom 3. Januar 2016 – Der Freitag empfiehlt dem Theater, sich zwecks Rettung an Fernsehserien zu orientieren

Urinierende Schauspieler

3. Januar 2016. "Die Bühnen stecken seit Jahren in einem fürchterlichen Dilemma", konstatiert Axel Brüggemann in der Zeitung Der Freitag. "Ihr Prinzip der Inszenierung ist ihnen von den Protagonisten unserer Wirklichkeit geraubt worden: Politiker, Sportler oder Gewerkschaftsbosse beherrschen den Mechanismus der eigenen Inszenierung inzwischen besser als so mancher Regisseur. Sie brauchen keine Bühne mehr, um die Wirklichkeit zum Theater zu verwandeln". 

Presseschau vom 24. Dezember 2015 – In der taz spricht Schauspieler über Dan Thy Nguyen über Rassimus in Deutschland und am Theater

Brust raus!

24. Dezember 2015. In einem Interview mit Petra Schellen in der tageszeitung spricht Schauspieler und Performer Dan Thy Nguyen über Rassimus in Deutschland und am Theater. Auf die Frage, ob er sich im Theaterbetrieb integriert fühle, sagt er: "Nicht in den offiziellen Theaterbetrieb. Da hat man mir schon auf der Schauspielschule gesagt, dass man meine Gesten, meine Codes nicht versteht. Um Stärke zu zeigen, müsse man den Fuß abrollen, kräftig auftreten und die Brust rausdrücken. Das ist unter Vietnamesen nicht üblich. Da geht man einfach normal geradeaus." Als seine Schauspiellehrer das nicht akzeptierten, wurde ihm klar, wie eurozentristisch der deutsche Theaterbetrieb ist.

Presseschau vom 23. Dezember 2015 – Katharina Stemberger spielt nicht mehr im Salzburger "Jedermann"

Auf dem Shitstorm von Salzburg nach Stockerau

23. Dezember 2015. Die österreichische Tageszeitung Kurier bringt heute ein Interview mit der Schauspielerin Katharina Stemberger, die im kommenden Jahr aus der Produktion des "Jedermann" bei den Salzburger Festspielen aussteigt. Bei ihrer Entscheidung hätten auch das Verhalten der Festspielleitung in Nachgang einer Aktion des vergangenen Sommers eine Rolle gespielt, bei der die Bühnenmusiker auf den Besuch einer FPÖ-Riege rund um Heinz-Christian Strache einige Takte der Internationale intonierten

Presseschau vom 22. Dezember 2015 – Der Tagesspiegel denkt über die lahmende Freie Szene nach

Im Sumpf innovativen Durcheinanders

22. Dezember 2015. "Nein, aufregend, aufrüttelnd, verstörend ist auch das Theater der Freien Szene derzeit nicht, manchmal ganz im Gegenteil", stellt Günther Grosser im Tagesspiegel anscheinend überrascht fest. Seine These: "Die Helden der letzten performativen Revolution, die Rimini Protokolls und She She Pops und Gob Squads, die das Theater von der Bühne in den öffentlichen Raum hievten und im Gegenzug den Bürger auf die Bretter holten und das demonstrierten, was bald 'postdramatisches Theater' heißen sollte, sie sind jetzt auf die Lehrstühle und Dozentenstellen gerückt und ziselieren weltweit die alten Ideen als Kunsthandwerk weiter. Ein paar unruhige Köpfe irrlichtern noch durch die Gegend, ansonsten herrscht der Geist der Professionalisierung."

Magazinrundschau Dezember 2015 – Die Theaterzeitschriften denken über Geflüchtete auf der Bühne und über die drei wesentlichen Tätigkeiten des Theaters nach

Theater als Kampfeinheit, aber ohne Mustafa?

von Wolfgang Behrens

Dezember 2015. Besinnlich wird es in den drei Monatsmagazinen natürlich auch vor Weihnachten nicht: Es geht um Flüchtlingstheater und die Frage, wie politisch Theater sein muss, in der Schweiz zum Beispiel und überhaupt. Alexander Kluge weiß, welches die drei eigentlichen Säulen des Theaters sind, und Die deutsche Bühne entdeckt die neue Opulenz.

Theater heute

Das Dezember-Heft von Theater heute eröffnet mit einem Text von Peter Michalzik, der sich – noch vor der Affäre um die Äußerungen von Alvis Hermanis – Gedanken um das Verhältnis des Theaters zu den Flüchtlingen gemacht hat. Michalzik kann dabei auch auf eigene Erfahrungen zurückgreifen, denn er hat für das von Burkhard C. Kosminski in Mannheim inszenierte Doppelprojekt "Blick von der Brücke / Mannheim Arrival" Interviews mit Flüchtlingen geführt,  die dann auf der Bühne von Schauspielern gelesen wurden. Michalzik lotet das Feld aus, das man in Zusammenhang mit Flüchtlingsthemen auf der Bühne betritt: Anhand Nicolas Stemanns Schutzbefohlener habe man bemerken müssen: "Man darf nicht ein paar lokale Flüchtlinge wegen des Authentizitätsfaktors einfach auf die Bühne stellen. Da beginnt der Missbrauch (…)." Andererseits sei "im Theater bei diesem Thema Scheu vor Repräsentation spürbar. Wie können 'wir' für 'sie' sprechen? Können wir es überhaupt?" Michalzik spricht sich angesichts dieses Dilemmas fürs Experiment aus: "Wir müssen es ausprobieren. Dafür braucht es auch eine Kritik, die nicht immer gleich die endgültigen Antworten will, sondern die bereit ist, Wege mitzugehen."

TH 11.15 180Und er schlägt eine "altmodische" Kategorie vor, mittels derer man dem Dilemma vielleicht  begegnen könne: Takt. "Takt auf der Bühne bedeutet, niemanden bloßzustellen. (…) Soll man die Flüchtlinge zum Spielen animieren? Wie leicht überkommt einen das Gefühl des Fremdschämens! Takt auf der Bühne bedeutet, die Beziehung, aber auch die Fremdheit mitzuinszenieren. Takt bedeutet, für die Bedeutung kleiner Gesten als Zeichen der Beziehung und die Situationen auf der Bühne eine besondere Aufmerksamkeit zu haben. Wie leihe ich meine Stimme einer anderen Person, bin dabei aber nicht sie, identifiziere mich aber trotzdem mit ihr?" Zuletzt fragt Michalzik auch nach "der Komödie, dem Lachen, der Spottlust". Und er glaubt, dass wahrscheinlich "das lustige Theater über Flüchtlinge von Flüchtlingen kommen" werde, "wir müssen sie nur reinlassen."

In einem anderen Artikel des Heftes geht Res Bosshart, der ehemalige Leiter von Kampnagel Hamburg, mit den Schweizer Theatern und ihrer (Nicht-)Reaktion mit dem Rechtsruck bei den Nationalratswahlen hart ins Gericht. In Lukas Bärfuss' heiß umstrittenen FAZ-Artikel erwähne dieser nirgends "das Nichts im Theater, die Leere auf den staatlichen Bühnen". Mit der Kultur gehe es nämlich "nicht einfach bergab, vielmehr droht sie eben auch auf den falschen, rechten Weg abzudriften." Bosshart wirft etwa der Intendantin des Zürcher Schauspielhauses vor, "in den Wochen bis zum Wahlwochenende für die 'Neue Zürcher Zeitung' geworben" zu haben, für "jene Zeitung also, die sich massiv für die rechtsbürgerlichen, konservativen Parteien FDP und SVP einsetzte", während es auf ihrer Bühne "total ruhig" blieb, "wie auf allen andern Schweizer Bühnen. Ist diese selbstgenügsame Schauspielerei vielleicht auch der falsche, rechte Weg? Oder entspricht diese Leere dem Konkordanzsystem: Sag, was die Mehrheit sagt, auch wenn du dagegen bist?" Bossharts Warnruf klingt jedenfalls so, als werde Alvis Hermanis sicherlich auch zukünftig keine Mühe haben, einen Job in der Schweiz zu finden.

Theater der Zeit

Theater der Zeit präsentiert in der Dezember-Ausgabe ausnahmsweise einmal keinen richtigen Schwerpunkt, setzt aber den Fokus durch Titelbild und Hervorhebung im Inhaltsverzeichnis eindeutig auf das ausführliche Interview von Nicole Gronemeyer mit dem Autor und Filmemacher Alexander Kluge, das innerhalb der TdZ-Reihe "Neuer Realismus" erscheint. Aus der aktuellen Theaterpolitik hält sich das Gespräch insofern heraus, als Kluge sich nicht zu seiner angedachten Rolle an der Berliner Volksbühne ab 2017 äußert (bzw. nicht befragt wird). Stattdessen entwirft er ein bedenkenswertes "Säulenmodell" des Theaters, das vor dem Hintergrund der jüngsten Angriffe von Alvis Hermanis oder auch von Michael Thalheimer auf ein explizit politisiertes Theater eine abwägende Position einnimmt und für ein sorgfältig austariertes Gleichgewicht verschiedener Motivationen von Theater plädiert.

TdZ 11.15 180Kluge sagt: "Das Theater ist in dreierlei Hinsicht tätig. Erstens ist es fähig, einen Beitrag zum notwendigen Eigensinn zu leisten. (…) Theater hat die Funktion, der Phantasietätigkeit einen Tempel zu geben. Zweitens hat es die Funktion, die die wichtigste ist, nämlich zu memorieren, was an unwahrscheinlichen, glücklichen Fällen aufbewahrenswert, erzählenswert ist. (…) Das ist sozusagen die mittlere Säule. Die eine Säule ist spielerisch und bedeutet die Befreiung von Sinnzwang, die andere bedeutet Rekapitulation, die ernste Bemühung, etwas zusammenzufügen, was zusammengehört, zum Beispiel Rhythmus plus Gedanken, Musik plus Wissenschaft. Und schließlich die dritte Säule: Das ist das Theater als Kampfeinheit. Diese Säule läuft Gefahr, sofort die Säule eins zu instrumentalisieren und auf Säule zwei zu verzichten. Sie ist also selten allein seligmachend. (…) Diese drei Säulen (…) sind dasjenige, was man im Gleichgewicht halten sollte und zwischen denen man wechseln kann." Tatsächlich aber hat man eher den Eindruck, dass sich viele Theatermacher vor allem darum bemühen, eine oder zwei dieser Säulen komplett zu ignorieren …

Auf der letzten Seite des Heftes findet sich ein weiteres Interview: Dorte Lena Eilers hat es mit Eyüp Yildiz geführt, dem stellvertretenden Bürgermeister von Dinslaken, der es durch seine im Vorfeld vorgebrachte Kritik an Johan Simons' Ruhrtriennale  in der Theaterwelt zu einer gewissen Prominenz gebracht hat. Im Gespräch bekräftigt Yildiz seine Kritikpunkte auch post factum: Die Ruhrtriennale sei gefangen im Business: "Der Kern des Problems ist, das fehlende Element zu finden, the missing link. Warum ist letztlich auch die Situationistische Internationale untergegangen? Sie machte Kunst, kritisierte das System, den Wirtschaftsliberalismus, was Simons mit Accattone ja auch tut, aber es fehlte das wichtigste Element, die Brücke zum Proletariat, zu den Menschen. Man redet über, aber nicht mit ihnen. Es gibt so viele Künstler, Philosophen, Professoren, die das System kritisieren, die beweihräuchern sich im Grunde selbst. Wer von ihnen geht wirklich rein in die Kieze und redet mit den Leuten? Mit Mustafa, mit Hans oder Thomas, die jeden Morgen um fünf Uhr aufstehen und malochen müssen?" Klingt so, als habe Yildiz auf jeden Fall ein Faible für Kluges dritte Säule …

Die deutsche Bühne

Der Dezember-Schwerpunkt der Deutschen Bühne ist nur sehr bedingt diskursträchtig, und deswegen sei er hier auch schnöde und sicherlich völlig ungerechterweise übergangen: Er gilt nämlich der "unterschätzten Theaterlandschaft" Franken und schaut in die Theater von Ansbach, Bamberg, Coburg, Dinkelsbühl, Erlangen, Fürth, Hof und Nürnberg.

db 11.15 180Thesenstärker kommt etwa ein Text des Chefredakteurs Detlef Brandenburg daher, der die Wiederentdeckung der Opulenz in der Oper zu beobachten glaubt. Es habe eine von Regisseuren von Hans Neuenfels bis Peter Konwitschny geprägte Zeit gegeben, in der die Oper zur "Kritik am Establishment" genau dort benutzt wurde, "wo sie die Richtigen traf". Seitdem habe luxuriöser Aufwand in der Oper als verdächtig gegolten: "Karge Gedankenräume oder nüchterner sozialer Realismus verdrängten das Dekor." Nun aber sei "eine Wiederkehr des vormodernen Gesamtkunstwerks Richard Wagners" zu konstatieren – "aber unter den Vorzeichen einer Welt, die durch die Postmoderne hindurchgegangen ist." Die neue Opulenz ziele "auf eine ganzheitliche Totalität aller der Oper möglichen Kunstformen als Abbild einer heterogenen und komplexen Welt." Als einen Kronzeugen für diese Tendenz ruft Brandenburg übrigens den Regisseur Stefan Herheim und seinen Bayreuther "Parsifal" von 2008 auf. Man hätte natürlich auch Christoph Schlingensief und seinen "Parsifal" von 2004 nennen können, aber Schlingensief ist ja leider schon tot …

Tot ist auch Heiner Müller, und zwar schon seit 20 Jahren. Jens Fischer hat sich für Die deutsche Bühne einige aktuelle Heiner-Müller-Aufführungen angeschaut, und er kommt zu dem Ergebnis, dass die "Avantgarde von gestern (…) erschreckend gut mit der Welt von heute" korreliere. "Zu den Müller'schen Visionen lässt sich stets konkreter Horror aus den Medien als Beweisführung addieren. Nur in Sachen Aufführungsästhetik wird nachjustiert im Jahre 20 nach Müllers Ableben." Lange nämlich habe das deutsche Stadttheater "schwarz gekleidete Griesgrame mit Grabesstimme vor schwarz raunender Bühnenleere an die Rampe treten" lassen, um "im kunstvoll steilen [oder ist steril gemeint?] Tonfall störrische Monologe endzeitlich" zu skandieren. "Ein Theater der Toten zelebrierte den Aufstand entleerter Theatermittel." Das alles gehöre nach Fischers Ansicht nun überwiegend der Vergangenheit an. In gewissem Sinne gilt wohl für Müller dasselbe wie für die Oper: Neue Opulenz, welcome!

 

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