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Blackfacing-Debatte entfacht sich in Wien
Schwarz geschminkt in Wien
6. März 2014. Auch in Wien entfacht sich derzeit eine Blackfacing-Debatte. Vergangene Woche sorgte die Aktion des Moderators und Comedian Chris Stephan beim Wiener Opernball für Empörung, vor allem in Amerika. Er schminkte sich schwarz, um sich dem eingeladenen Reality-TV-Star Kim Kardashian zu nähern. Der Privatsender Puls 4 hat sich mittlerweile "in aller Form für diesen inakzeptablen Auftritt" entschuldigt. Gleichzeitig wurden nun auch in Wiener Kulturinstitutionen andere Fälle bekannt, das berichtet der Kultursprecher der Grünen in Wien, Klaus Werner-Lobo, in seinem Blog. Mit Blackface-Plakaten werde zurzeit eine Aufführung von "Otello darf nicht platzen" im von der Arbeiterkammer betriebenen Theater Akzent beworben.
Werner-Lobo berichtet, dass, nachdem er vor einigen Wochen auf den rassistischen Konnex hingewiesen hatte, die Theaterleiterung sofort reagiert habe und die Blackface-Motive von der eigenen Homepage nahm. Die eingemietete Produktion habe die zunächst getätigte Zusage, die Werbemittel neu zu produzieren, jedoch zurückgezogen, da sie das Stück nicht anders bewerben können.
Seit gestern sehe sich auch das Flaggschiff der Wiener Kulturpolitik, die Wiener Festwochen, mit dem Vorwurf der mangelnden Sensibilität gegenüber rassistischen Traditionen konfrontiert: Pamoja, die Bewegung der jungen Afrikanischen Diaspora in Österreich, übt gemeinsam mit zahlreichen Organisationen aus dem In- und Ausland heftige Kritik an der geplanten Aufführung des Theaterstücks "Die Neger" von Jean Genet in der Regie von Johan Simons, so Werner-Lobo. Auch hier seien in der Ankündigung Blackface-Motive zu sehen.
(sik)
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(Danke! Ist korrigiert! wb für die Redaktion)
http://www.zeit.de/1983/26/der-zauberer-im-sarg/komplettansicht
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-14019127.html
http://0black0acrylic.blogspot.de/2013/10/sturtevant-warhol-flowers.html
Das habe ich auch gar nicht behaupten wollen, Herr Steckel. Aber Sie sind da schon etwas näher dran, als all die anderen, die sich jetzt immer bemüßigt fühlen, über die Tradition des deutschen Blackfacing zu palavern. Aber vielleicht irre ich mich da auch. Nichts für ungut.
Hier noch der Link zur deutschen Erstaufführung 1964 in Darmstadt:
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-46173883.html
Wem wäre da nicht anders?
Wem würde denn die Erklärung genügen, dass gerade so der Antisemitismus ausgestellt wird?
Etwas funktioniert doch da nicht. Das Problem des Rassismus wird doch wieder zurückgeschoben zum Objekt. Dabei besteht er doch im Verhalten der anderen. Der alte Theatersatz, dass der König von den Untertanen gespielt werden, gilt doch auch hier. Der Rassismus kann nicht vom Schwarzen gespielt werden, auch nicht von einem Weißen, der einen Schwarzen spielt oder dessen rassistische Karikatur. Der Eindruck drängt sich auf, dass die Weißen sich selbst ausweichen.
Zadek hat damals die antisemitischen Zerrbilder ganz bewusst auf die Bochumer Bühne gebracht, weil er den versteckten, nicht eingestandenen Antisemitismus ganz klar und brutal zeigen wollte! Weil er genau dem ausweichen wollte, was hier immer gefordert wird: Einem weichgespülten Theater, das alle lieb haben und niemand weh tun will. Da war plötzlich ein antisemitischer Jude auf der Bühne - in der Inszenierung eines jüdischen Regisseurs. Wenn ich mich richtig erinnere, hat Hans Mahnke immer wieder gesagt, wie schwer es ihm gefallen ist, das - so relativ kurz nach dem Krieg - so darzustellen.
Sie schreiben: "Wem wäre da nicht anders?" - Ja, aber genau darum ging es Zadek, will ich mal vermuten. Kein Wohlfühltheater, wo alle den Juden Shylock mögen, sondern ein Aushalten des Unwohlseins.
Interessant ja auch, dass Zadeks Othello die vielleicht schlimmste rassistische Darstellung war - und heute sicher auf keiner Bühne mehr "erlaubt" wäre. Ob das gut oder schlecht ist, sei dahingestellt - aber zu sagen: Das hat es nie gegeben, nein, das geht nicht.
Solche Meldungen zeigen nur von einer totalen Geschichtsvergessenheit des Theaters!
Das Theater kann gerne alle diese Mittel zeigen, niemand ist hier dagegen, soweit ich weiss, die Frage ist vor allem, wie. Kontext eben.
Viele Schwarze Menschen haben halt beim Anblick des Plakates und beim Titel des Stücks (vor allem in Verbindung mit dem Wissen, dass da vor allem weiße Leute auf der Bühne stehen ) schon keine Lust mehr, in ein Stück zu gehen, in dem sie mit hoher Wahrscheinlichkeit rassistisch diskriminiert werden. Das leuchtet doch wohl ein. Und dann haben sie den Salat: Schwarz angemalte weiße erklären anderen weißen, wie das so geht mit dem Rassismus.
Das Stück heisst auf Englisch "The Blacks" – aus gutem Grund. Der Originaltitel hatte im damaligen Frankreich eine komplett andere Konnotation.
Ich kenne auch keinen Juden, der Lust hätte, sich einen Theaterabend lang antisemitische Klischees um die Ohren hauen zu lassen, btw....
"aber zu sagen: Das hat es nie gegeben, nein, das geht nicht." Hat hier irgendjemand allen Ernstes behauptet, im deutschen Theater habe es noch nie rassistische Darstellungen gegeben??
Und Zadek: Er hat mit seinem Shylock eine Ausnahme gemacht. Eine ungeschriebene Regel gebrochen. Als Jude. Blackfacing ist aber die Regel an deutschen Theatern, und sie wird von Weißen aufgestellt. Das hat für mich alles keine Glaubwürdigkeit.
1) Natürlich geht es nicht darum, für gut befunden zu werden, vor allem Monate vor der Premiere, da kann man noch für gar nichts befunden werden.
2) Der Titel des Stücks ist der Titel des Stücks, wenn Sie auf die andere Konnotation hinweisen, wunderbar - aber jeder Titel hatte zur Entstehungszeit eine andere Konnotation, da werden Sie mit dem ändern nicht fertig. Vom "Mohr von Venedig" bis zum "Juden von Malta" - alles ändern? Umschrieben? Vielleicht sind sie da ja wirklich dafür, dann brauchen Sie in den Dramaturgieabteilungen aber eigene Mitarbeiter für politische Korrektheit, die die Dramenliteratur durchforsten und umschreiben. Da muss es doch andere Wege als Glättung und Verleugnung geben.
3) "Ich kenne auch keinen Juden, der Lust hätte, sich einen Theaterabend lang antisemitische Klischees um die Ohren hauen zu lassen" - Sie müssen sehr begabt sein, jetzt schon ahnen zu können, dass es bei den "Negern" einen Abend lang rassistische Klischees geben wird! Was aber antisemitische Bilder auf der Bühne angeht: Wie gesagt, der Jude Zadek hat die antisemitisch gezeigten Figuren Shylock, Barabas auf die Bühne gebracht, jemand wie Michel Friedman Koskys Frankfurter "Kaufmann" verteidigt, der sogar eine halbstündige, antisemitische Rede aus Luther-Texten verwendete. Glauben sie es, oder glauben Sie es nicht - es gibt Menschen, die Vorutreile nicht verheimlichen, sondern ausstellen, diskuttieren, zur Kenntlichkeit bringen möchten.
Schade, dass Sie diese Möglichkeit mit einem: "Das könnte irgendwo anecken" vom Tisch wischen möchten.
(…)
Der Titel des Stücks ist vor allem erst einmal der FRANZÖSISCHE Titel des Stücks – soweit ich informiert bin, war Genet kein Deutscher und hat nicht auf deutsch geschrieben, und das deutsche N-Wort ist keine geeignete Übersetzung, war es auch nie, auch nicht zur Entstehungszeit des Stücks - im Übrigen auch nicht von "negro". Googlen sie doch einfach mal "Negritude" für den Anfang, vielleicht hilft's. Aber Sie scheinen sich ja eher nicht so für den Entstehungskontext des Stückes zu interessieren.
Es geht hier erstmal um den Titel und das Plakat, und da kann man sehr wohl jetzt schon Sachen nicht gut finden bzw. als rassistisch identifizieren. Eine gewisse Vermutung, was wohl auf der Bühne so passieren wird, wenn das Plakat schon mit einem rassistischen Schimpfwort und Blackface aufwartet, lässt sich durchaus anstellen. Wenn ich ein antisemitisches Theaterplakat sehen würde, würde ich mir das Stück auch eher nicht angucken wollen. Auf derlei "Provokation" stehen meistens vor allem die, die nicht dadurch diskriminiert werden.
Wenn ein Schwarzer Regisseur Blackface auf die Bühne bringt, dann machen ihre Vergleiche mit Zadek evtl. Sinn. Vorher sind sie vor allem eines – nicht zu Ende gedacht.
Und das Festschreiben von Identitäten: "Nur Schwarze dürfen dieses und jenes" halte ich am Theater für hochgefährlich. Darf ein Nicht-Jüdischer Regisseur den "Juden von Malta" inszenieren, ein heterosexueller Regisseur "Angels in America" oder "Edward II"?
Das Plakat sehen wir beide offenbar anders - ich kann nicht einmal Blackface in der Tradition des Wortes erkennen, zu sehr ist das Ganze (inkl- bunt geschminkter Augen) abstrakt, unnaturalistisch, offenbar ein Zeichen für eine rassistische Praxis.
Aber wenn es einmal heißt: "rassistisch" kann man ohnehin nicht mehr diskuttieren, ohne ins falsche Eck gestellt zu werden, insofern haben Sie jede Diskussion allein mit der Aussprache des Wortes "rassistisch" schon gewonnen und ich klinke mich aus...
"Nur Schwarze dürfen dieses und jenes" habe ich auch nicht behauptet. Ich Zweifel ja doch immer noch, ob Sie wirklich lesen, was ich schreibe, oder nur das, was Sie lesen wollen... Jedoch macht es einen gewaltigen Unterschied, ob der Jude Zadek mit antisemitischen Darstellungen arbeitet (für Sie ja anscheinend auch, sonst hätten Sie es ja nicht erwähnt) oder eben ein Schwarzer Regisseur sich für Blackface entscheidet (würde mich auch mal interessieren, ob es das schon in Deutschland gegeben hat...) oder eben eine Person, die nicht Zielscheibe dieser rassistischen Mittel ist.
Es ist halt schwierig, über Rassismus zu sprechen, wenn alle sich schon gleich über den Gebrauch des Wortes echauffieren, das habe ich ja oben bereits erwähnt.
Ich empfehle dazu einen tollen Vortrag von Jay Smooth, "How I learned to stop worrying and love discussing race", in dem er vorschlägt, man solle doch einfach so mit dem Rassismus-"Vorwurf" umgehen, wie wenn einem jemand sagt, dass man da etwas zwischen den Zähnen habe. Es ist ein Hinweis und eine Hilfestellung, damit die Betroffenen sich vielleicht nicht wie die Axt im Walde benehmen, sondern sich stattdessen vielleicht mal damit beschäftigen. Aber da es bei Ihnen jetzt selbst nicht dazu gereicht hat, das kleine Wörtchen "negritude" zu googlen, kommen wir da wohl nicht weit. Schade.
http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Radioactive.svg
Was machen wir also daraus? Es ist absurd:
"Was unser Nächster von uns weiß, weiß er nur aus der Deutung von Zeichen; er geht vor wie die Auguren, die die Eingeweide toter Tiere oder den Vogelflug studierten. Das System ist unvollkommen und führt zu allen möglichen Arten von Irrtümern."
(Adolfo Bioy Casares)