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Wien: Burg-Schauspieler fristlos entlassen
13. Januar 2023. Der Schauspieler Florian Teichtmeister, seit 2019/20 Mitglied des Ensembles des Wiener Burgtheaters, wird fristlos entlassen. Das teilt das Burgtheater mit, nachdem bekannt wurde, dass Teichtmeister wegen Besitzes kinderpornografischer Inhalte angeklagt wird.
"In der Zwischenzeit hat Florian Teichtmeister sein Arbeitsverhältnis mit dem Burgtheater mit sofortiger Wirkung beendet", heißt es in der Pressemitteilung des Theaters. Er stand dort unter anderem in "Nebenan" von Daniel Kehlmann, einer Inszenierung des Burgtheater-Intendanten Martin Kušej, auf der Bühne.
Wie die Wiener Tageszeitung Der Standard berichtet, sind auf diversen Datenträgern des auch aus Film und Fernsehen bekannten Schauspielers 58.000 Mediendateien mit mutmaßlich kinderpornografischem Material gefunden worden. Der 43-Jährige gebürtige Wiener habe die Dateien zwischen Februar 2008 und August 2021 aus dem Darknet heruntergeladen. "Er selbst habe nie Minderjährige angerührt, wie es heißt."
Laut seinem Anwalt werde sich Teichtmeister bei dem Prozess schuldig bekennen. Er habe in den vergangenen eineinhalb Jahren, in denen gegen ihn ermittelt wurde, stets mit den Behörden kooperiert und sei auch seit zwei Jahren in psychologischer Behandlung, so Teichtmeisters Anwalt in Der Standard.
"Bis zum heutigen Tag lagen uns keine Grundlagen für eine arbeitsrechtliche Konsequenz vor, es gilt in Österreich die Unschuldsvermutung", begründet das Burgtheater in seiner Pressemitteilung, dass es sich erst nach Bekanntgabe der offiziellen Anklage von Teichtmeister trennt.
(Der Standard / Burgtheater / sd)
Update vom 17. Januar 2023: In einem Online-Statement hat das Burgtheater am 15. Januar 2023 noch einmal genauer dargelegt, warum es sich trotz Kenntnis um die Vorwürfe seit September 2021 erst mit der Anklage von dem Schauspieler trennt: "Zum damaligen Zeitpunkt bestand kein belastbarer Hinweis auf ein Fehlverhalten von Florian Teichtmeister, der uns als Arbeitgeber gegenüber beteuerte, er sei völlig unschuldig", heißt es darin. Der Schauspieler habe in dem Gespräch zugesichert, "jede weitere Entwicklung, jeder weitere Vorwurf, jede weitere Anzeige und insbesondere eine Anklage dem Burgtheater zu melden". Die Direktion des Burgtheaters habe sich in regelmäßigen Abständen bei Florian Teichtmeister erkundigt, ob es neue Entwicklungen in dem Fall gebe, was er verneint habe. Von Teichtmeisters Taten, seinem Schuldeingeständnis und seiner Kooperation mit den Ermittlern habe das Burgtheater erst am 13.01.2023 aus den Medien erfahren und aufgrund dieser Faktenlage sofort"arbeitsrechtliche Schritte gesetzt und die Entlassung ausgesprochen".
Abgesetzt hat das Burgtheater "aufgrund des Geständnisses … in Bezug auf Darstellungen von sexuellem Kindesmissbrauch" die Inszenierung "Nebenan" in der Regie von Intendant Martin Kušej, in der Florian Teichtmeister in einer Hauptrolle besetzt war. (burgtheater.at / eph)
Update vom 30. Januar 2023. In einem Statement hatte sich am 23. Januar 2023 auch das Burgtheater-Ensemble auf der Webseite des Theaters zu Wort gemeldet. "Wir sind voller Trauer, Wut und Unverständnis über das Geschehene", heißt es in der Stellungnahme. "Unser Mitgefühl gilt den Kindern und Jugendlichen, denen auf brutale Weise Gewalt angetan worden ist." Das Ensemble bekundet, "alles in unserer Macht stehende (zu) unternehmen, dass das Theater ein Ort der Humanität, des Respekts und der Achtung bleibt. Auch ein Ort, der Opfern eine Stimme gibt. Das betrachten wir als unseren dringlichen Auftrag." Vorverurteilungen werde das Ensemble jedoch weiterhin entgegentreten, auch wenn diese Haltung mit einem hohen Risiko behaftet sei, wie der vorliegende Fall zeige. (burgtheater.at / eph)
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Doch, weiß man. Das Burgtheater wusste seit Sep 21 von der Anzeige der Lebensgefährtin und Ermittlungen zu Kinderpornografie.
Quelle: https://www.derstandard.at/story/2000129618586/schwere-vorwuerfe-gegen-prominenten-schauspieler
"(Der Arbeitgeber) muss vor Ausspruch der Kündigung hinreichende Kenntnis vom Kündigungssachverhalt und den erforderlichen Beweismitteln haben. Auf der anderen Seite darf der Kündigungsberechtigte die Ermittlungen nicht unnötig in die Länge ziehen. Weitere Ermittlungen sind überflüssig, wenn der Sachverhalt hinreichend geklärt ist oder der Arbeitnehmer ein Geständnis abgelegt hat." BAG, 05.12.2002 - 2 AZR 478/01
(...)
https://www.derstandard.de/story/2000142579484/burgtheaterchef-kusej-ueber-den-fall-teichtmeister-wir-hatten-keine-indizien
Die letzte spektakuläre Entlassung in Zusammenhang mit dem Wiener Burgtheater war jene des damaligen Direktors anlässlich des Finanzskandals (die rückblickend gesehen ziemlich unfair und voreilig war). Gekündigt werden darf meines Wissens nach in Österreich übrigens jederzeit und ohne besonderen Grund. Ab diesem Zeitpunkt gilt die Kündigungsfrist. Für eine Entlassung (das heißt: fristlos und mit dem sofortigen Verlust aller sozialen Ansprüche, etwa hinsichtlich des Ruhestands) sind tatsächliche oder vermutete dienst- und arbeitsrechtliche Verstöße durch den Arbeitnehmer nötig. Ein spezieller Fall sind Verträge, etwa die typischen Jahresverträge für das darstellende Personal oder für Gastengagements und einzelne Abende. Dabei werden die Modalitäten und Konsequenzen einer eventuellen Vertragsauflösung oder Nichteinhaltung individuell vereinbart (natürlich auf arbeitsrechtlicher Basis).
Wegen eines Kinderpornografie-Skandals um Schauspieler Florian Teichtmeister nimmt das öffentlich-rechtliche Fernsehen in Österreich sämtliche Filme mit dem Darsteller aus dem Programm.
https://www.tageblatt.lu/headlines/corsage-mit-vicky-krieps-wird-aus-oesterreichischen-kinos-verbannt-bleibt-aber-im-oscar-rennen/