meldung

Schauspielerin Elisabeth Trissenaar verstorben

Elisabeth Trissenaar im Jahr 2008 © Matthias Kabel, via Wikimedia Commons (CC-BY-SA-2.5)

15. Januar 2024. Als "traumtänzelnde Expertin für Figuren, die nicht zu fassen sind, in denen sie sich trotzdem verlieren und mit denen sie über sich hinaus schweben konnte" beschreibt Irene Bazinger "die große Tragödin des deutschen Theaters" in ihrem Nachruf in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. "Wenn sie – ganz erregungsfiebrige Grandezza und bei aller furiosen Exaltation immer fest auf dem philologisch geprüften Boden der Texte – auftrat, hielt man die Luft an."

Theater im Geist der 68er

Elisabeth Trissenaar, 1944 in Wien geboren, studierte am Max-Reinhardt-Seminar, wo sie ihren späteren Mann, den Regisseur Hans Neuenfels, kennenlernte. Im Anschluss ans Studium wurde sie 1964 nach Bern engagiert. Theaterarbeiten führten sie nach Krefeld und Bochum, dann ans Wiener Burgtheater, ans Schauspielhaus Zürich und ans Schauspiel Köln. Von 1985 bis 1990 arbeitete sie mit Hans Neuenfels an der Freien Volksbühne in Berlin, ab 2001 an spielte sie dort am Deutschen Theater. Bei den Salzburger Festspielen war sie von 1987 bis 1989 die Buhlschaft im "Jedermann". 2014 trat sie zuletzt im Wiener Theater in der Josefstadt auf.

Trissenaar arbeitete mit Regisseur*innen wie Ruth Berghaus, Luca Ronconi oder Peter Palitzsch und stand in über siebzig Inszenierungen ihres Mannes Hans Neuenfels auf der Bühne. Gemeinsam inszenierten die beiden unter anderem in Krefeld, Heidelberg, Bochum, Frankfurt oder Berlin – "überall dort also, wo sich im Geist der 1968er-Jahre fortschrittliches Theater entwickelte", so Irene Bazinger.

"Ich will denkende Menschen auf der Bühne sehen"

Von 1972 bis 1978 prägten Trissenaar und Neuenfels das legendäre Mitbestimmungsmodell am Schauspiel Frankfurt. "Ich will denkende Menschen auf der Bühne sehen", habe Elisabeth Trissenaar gefordert. "Genau solche analytisch bis in die abgründigsten Seelen- und Hirnwindungen durchdrungene Grenzgängerinnen der Ratio und Extremistinnen der Leidenschaft" habe die Österreicherin auch schauspielerisch gestaltet: Antike Heroinen wie Medea und Elektra, Ibsens Nora und Hedda Gabler, Goethes Iphigenie, Wedekinds Lulu und Franziska, oder Kleists Penthesilea.

Bekannt war Elisabeth Trissenaar auch als Filmschauspielerin, vor allem durch ihre Arbeit mit Rainer Werner Fassbinder. In "Bolwieser" spielte sie 1976 die untreue Ehefrau eines Bahnhofsvorstehers, und sie stand für Fassbinders "In einem Jahr mit 13 Monden" (1978), "Die Ehe der Maria Braun" (1979) sowie seine Verfilmung von Döblins "Berlin Alexanderplatz" (1980) vor der Kamera. Gedreht hat Trissenaar auch mit Regisseur*innen wie Robert van Ackeren ("Das andere Lächeln"), Doris Dörrie ("Keiner liebt mich"), Agnieszka Holland ("Bittere Ernte") und Rainer Kaufmann ("Kalt ist der Abendhauch").

Hans Neuenfels, der 2022 verstarb, und Elisabeth Trissenaar hinterlassen einen gemeinsamen Sohn, den Kameramann Benedict Neuenfels.

(FAZ, WDR, Standard, Welt / eph)

Kommentare  
Elisabeth Trissenaar: Schmerz
Eine ganz Große. Es schmerzt. Sehr.
Elisabeth Trissenaar: Unvergessen
Unvergessen als Serafina delle Rose in Neuenfels´ Inszenierung von Tennessee Williams´"Die tätowierte Rose" am Resi in München. Unverstanden als Tamora in Neuenfels´ "Titus Andronicus" am Deutschen Theater Berlin, wo sie mit Grandezza taumelte zwischen Parodie und hohem Ton. Ihre Auftritte bei Fassbinder sind unspektakulär, präzise, voller Diskretion. Wenn man sich Neuenfels´ Film nach seiner eigenen Berliner "Penthesilea"-Inszenierung ansieht, bekommt man einen Eindruck von der besonderen Glut dieser Schauspielerin, ihrer Fähigkeit das Sinnliche, Animalische in komplexen Sprachkunstwerken aufzuspüren. Dem sind ihre letzten, meist kleinen Auftritte in den Operninszenierungen ihres Mannes kaum gerecht geworden.
Elisabeth Trissenaar: Mein Beileid
Etwas zu sagen was man denkt
Kommentar schreiben