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Theatertreffen Berlin: Stückemarkt abgeschafft

5. Oktober 2022. Der Stückemarkt des Berliner Theatertreffens wird nicht fortgeführt. Das teilten Matthias Pees, seit dem 1. September 2022 Intendant der Berliner Festspiele, und das neue Leitungsteam des Theatertreffens – Olena Apchel, Marta Hewelt, Carolin Hochleichter und Joanna Nuckowska – bei einer Pressekonferenz zum Start von Pees' Intendanz mit. Zum 60. Jubiläum des Festivals solle es aber "retrospektiv eine besondere Würdigung erfahren".

Weitere Änderungen stehen im Raum, wurden aber nicht näher konkretisiert. So heißt es in einer Presseaussendung der Berliner Festspiele, dass die zehn von einer Kritiker*innen-Jury ausgewählten bemerkenswerten Inszenierungen aus dem deutschsprachigen Raum zukünftig "mit zehn unterschiedlichen, transdisziplinären Begegnungsformaten" konfrontiert und "eine Reihe von Veranstaltungen konzipiert" würde, "die einen deutlichen Resonanzraum für das traditionsreiche Festival bilden". Bestehende Formate wie das Internationale Forum, das Theatertreffen-Blog oder das Kontext-Programm könnten darin ebenso aufgehen "wie eine Reihe von neuen Veranstaltungsformaten, die – alle in Anlehnung an unterschiedliche Qualitäten eines Treffens – in den nächsten Wochen und Monaten entwickelt werden." Das 60. Theatertreffen findet im Zeitraum vom 10. bis 28. Mai 2023 statt.

Darüber hinaus kündigen die Berliner Festspiele eine neue Personalie – Yusuke Hashimoto verantwortet als leitender Dramaturg gemeinsam mit der Intendanz die Programmentwicklung der kommenden Jahre – und zwei neue Festivals an: "Performing Exiles" vom 16. bis 26. Juni 2023, kuratiert von Matthias Lilienthal mit Beratung von Rabih Mroué, die eine Szene von internationalen Künstler:innen in den Fokus stellt, die in Berlin leben. Und "Shared Landscapes" im August und September 2023 im Berliner Umland, bei dem Stefan Kaegi (Rimini Protokoll) und Caroline Barneaud (Théâtre Vidy-Lausanne) "eine performative Antwort auf die Land Art der bildenden Kunst" suchen.

(Berliner Festspiele / geka)

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Kommentare  
Theatertreffen-Stückemarkt: Dramaturgietheater
Das Programm legt nahe, dass man in Berlin offenbar von jeglicher Art des Publikumsschwunds Lichtjahre entfernt ist. Zudem ist die lange Ära des Regietheaters endgültig vorbei. Angebrochen ist in Deutschland inzwischen das Dramaturgietheater. Das ist - so legen auch die hier skizzierten Vorhaben aus meiner Sicht nahe - vermutlich keine Entwicklung, die dem in Deutschland, Österreich und der Schweiz grassierenden Publikumsschwund auch nur ansatzweise entgegenwirken wird. Aber das macht nichts. In Frankreich, Großbritannien oder Italien wird weiter lustvoll und auf vielfältige Weise Theater gespielt werden. So richtig schönes Theater mit spannenden oder ergreifenden Geschichten, prägnanten Rollen und aufregenden Besetzungen. Während sich andere an "transdisziplinären Begegnungsformaten" abarbeiten oder allen Ernstes denken, die gute alte Land Art benötige plötzlich eine "performative Antwort".
Theatertreffen-Stückemarkt: Nur Liebe
Lieber Luchino,

schon seit Wochen lese ich mit größter Verehrung Deine Nachtkritik-Kommentare. Eine Bitte: Kannst Du bitte damit fortfahren? Kannst Du bitte jeden einzelnen Beitrag auf diesem Bubble-Portal mit einem Kommentar versehen? Bislang kann ich jeden (JEDEN!) Deiner Sätze mit Blut unterschreiben. Bitte weitermachen, herzlichsten Dank, Dein

Helmut

(PS Natürlich hat dies nicht der wahre, echte, noch lebende Helmut Berger geschrieben. Der Verfasser und Fan von Luchino Visconti.)
Theatertreffen-Stückemarkt: Gleich nochmal
@Helmut Berger und @Luchino Visconti: Ja genau, vor allem die großzügigen Hinweise darauf, wo heutzutage in Zeiten von performativen Dürre noch packendes Theater vor vollen Häusern mit ergreifenden, lustvollen Geschichten und hinreißenden, interessanten Figuren gespielt wird (Mailand, Paris, London...) lese ich auch immer wieder mit herzlichem Vergnügen. Man kann das nicht oft genug hören! Am liebsten gleich nochmal! Bitte!
Theatertreffen-Stückemarkt: Das Vermächtnis
@Helmut und Sissi: Ich komme diesem Begehren natürlich gerne nach, falls es ihnen beiden nicht (mehr) möglich ist, die erfreulichen Theaterzustände in anderen Ländern genießen zu können. Wobei ich bei dieser Gelegenheit auf ein extrem erfreuliches Theatererlebnis in Deutschland hinweisen darf: "Das Vermächtnis" von Matthew Lopez am Münchner Residenztheater in Regie und Bühnenbild von Philipp Stölzl. Großartige Produktion und zu Recht für den österreichischen Theaterpreis "Nestroy" nominiert. Kein Format, nix Performatives, einfach "nur" exzellentes, berührendes Theater sowie ein hervorragendes Stück. Die Münchner Version ist aus meiner Sicht sogar ästhetisch gelungener als die US-Version.
Theatertreffen-Stückemarkt: Kurator*innenleben
Was ein Theatertext kann, das wissen Laien oftmals nicht. Und anscheinend werden immer mehr Kurator:innen und Dramaturg:innen zu Laien, was Dramatik angeht. Genau deshalb sollte der Stückemarkt ein deutlicheres Profil bekommen und eine stärkere Gewichtung.
Theatertreffen-Stückemarkt: Weggepustet
Also, das ist ein echtes Trauerspiel. Erst wurde dieses bedeutende Format zu Tode postmodernisiert. Jetzt war es dann wohl so hohl, daß es weggepustet werden konnte. Leider muss man befürchten, daß das Schauspiel, bzw. was seine, an jeglichem Publikum und Außen ja augenscheinlich völlig desinteressierten Macher:innen von ihm übrig ließen, irgendwann das gleiche Schicksal ereilen wird: es wird weggepustet, nach dem es von Ignorat:innen in die Bedeutungslosigkeit kuratiert wurde.
Theatertreffen-Stückemarkt: Diskurs Gedöns
Klingt wie tt plus Diskurs Gedöns. Mal ehrlich: Die tt-Auswahl soll "mit zehn unterschiedlichen, transdisziplinären Begegnungsformaten" konfrontiert werden - wen wird das groß kümmern? Den eigentlichen Plan, die Jury der Kritiker*innen abzuschaffen, hat sich das Team, auch aufgrund der glücklicherweise frühzeitig geäußerten öffentlichen Einwände nicht umzusetzen getraut. Jetzt bleiben die verhasst Kritiker*innen doch an der Macht - und es gibt das übliche Beiprogramm. Ob man dafür vier Leiterinnen braucht?
Theatertreffen-Stückemarkt: Von unten nach oben
"transdisziplinäre Begegnungsformate" nur eben ohne Dramatiker:innen. Ich denke, der Verband der Theaterautor:innen denkt schon über performative Formate nach. Texte von unten nach oben schreiben. Texte ohne Worte lesen. Texte einfach sofort wieder streichen. Was ist ein Theater ohne Stücke? Warum ist das gewollt und was ist die konkrete Begründung?
Theatertreffen-Stückemarkt: Konsequent
Die Schwächung der Autorinnen und Autoren ist schon lange eine Tendenz des Theaters, weswegen sich bedeutende Autorinnen und Autoren ja auch oft vom Theater abwenden. Die Foren für neue Stücke wie der Heidelberger Stückemarkt oder eben der Stückemarkt des Theatertreffens waren und sind rar gesät. In früheren Jahren waren beim Theatertreffen Autorinnen und Autoren von Rang dabei, hier hat Moritz Rinke seine Anfänge gehabt usw. Dann hat man den Stückemarkt, wie "Dante" treffend schreibt, postmodernisiert, bis auch hier die Autorinnen und Autoren bedeutungslos wurden. Die Abschaffung ist eigentlich konsequent, wünschenswert wäre natürlich statt der Abschaffung eine echte Wiedereinführung gewesen. Aber das ist Traumtänzerei.
Theatertreffen-Stückemarkt: Kurzsichtig
Interessant wie kurzsichtig die neue Leitung argumentiert - als hätte es nicht bereits genau solche Formate beim Theatertreffen gegeben. Fehlen etwa die Ideen?
Theatertreffen-Stückemarkt: Verheerend
Das Signal, welches von diesen Entscheidungen ausgeht, ist verheerend. Keine Stücke mehr, Schauspiel bleibt eine ungeliebte Nebensparte, die einzigartige Stadt- und Staatstheaterlandschaft im deutschsprachigen Raum wird künftig kein eigenes Festival mehr haben. Die Theaterkritik wird wohl so gut wie unsichtbar bleiben. Dafür haben sich inzwischen gleich sechs Dramaturg:innen und Kurator:innen Jobs bei den Berliner Festspielen geschaffen, die wahrscheinlich vergleichsweise sehr gut bezahlt sind. Wozu? Was ist der Mehrwert? Es erschließt sich mir ganz und gar nicht.
Wäre es nicht ehrlicher, wenn man das Theatertreffen gleich ganz abschaffte und diese Kurator:innen offen dazu stehen würden, was sie vorhaben - nämlich ihr eigenes Ding machen?

Dann wäre es vielleicht möglich, das Theatertreffen zu retten. Die 4 bis 6 Leiter:innen dieses neu entstehenden Berliner Theaters könnten sich mit ihrer Arbeit dann ja auch in Konkurrenz mit den anderen begeben. Wer weiß, vielleicht läuft es ja und sie kommen irgendwann mit einer Produktion unter die besten 10... ?
Theatertreffen-Stückemarkt: Mottenkugeln
Lieber L.V.,
ich möchte nicht herablassend klingen, muß aber doch nachfragen, ob der Verweis auf "Das Vermächtnis" ironisch oder ernst gemeint ist? Denn der Abend, den ich gesehen habe, hat tatsächlich keinerlei Kraft in jeglicher Hinsicht. Keine performative Kraft (es entsteht einfach keine Präsenz an diesem Abend, das liegt natürlich auch an der Mikrofonierung und an der ästhetischen Banalität von Kostüm und Bühnenbild und Sprache), keine gedankliche Kraft- es entsteht nichts ausser Langeweile. Bei mir (und auch bei vielen anderen, die da saßen). Es ist die tiefe Leere einer Gegenwartsbehauptung, die tatsächlich nur Glätte abbildet und keinerlei unscharfe Ränder, geschweige denn das Reale der Realität. Es ist kitschig und triefig und schlicht die Schlagerversion eines Dramas, aber ohne die Distanz, die Schlagersongs und -interpreten manchmal ausstrahlen können. Die ausgewalzte Behauptung von Gegenwart lässt den Abend uralt und unglaublich staubig erscheinen, wenn ich die Augen schloss (das habe ich stundenlang getan im Soundgeblubber der Microports) sah ich Bilder von Mottenkugeln. Also wenn DAS das "gute Theater" für Dich sein soll, dann ist das schon eine Bürde in dieser Diskussion. Es ist für mich ungefähr so, als würdest Du ernsthaft behaupten, E.L. James "Shades Of Grey" sei erotisch und wunderbar flüssig geschrieben, "Sturm der Liebe" sei endlich mal eine Serie ohne Schnickschnack, sondern voll mit berührenden Konfikten oder Helene Fischer sei endlich mal richtige Musik ohne dieses ganze kaputte Postpunk-Zeug. "Die kann ja immerhin noch singen" oder so....es ist eben so: man muss schon Aug und Ohr dafür haben (Büchner). Tsorri
Theatertreffen-Stückemarkt: Kahlschlag
Was für ein Kahlschlag. Bei einem vergleichsweise so kleinen Budget, den der Stückemarkt je ausgemacht hat.
Wir leben in einer Welt, die nach außen als Label den Gemeinsinn propagiert, aber so egoistisch ist wie selten zuvor.
Man hätte den Kontakt mit den lebenden Theaterschreibenden suchen können, um gemeinsam ein neues Format zu finden.
Aber nein, ungewollt. Auch wenn Anlaufstellen wirklich ausreichen vorhanden sind.
Schade, Chance verpasst.
Theatertreffen-Stückemarkt: Bitte melden
#12: Guter Vorschlag. Neues Konkurrenz-Theatertreffen zur gleichen Zeit wär auch was. Gibt ja auch einen Alternativen Nobelpreis z.B., warum nicht auch ein Alternatives Theatertreffen? KritikerInnen für Alternativvorschläge bitte hier melden:-)
Theatertreffen Stückemarkt: Prekariat und Sichtbarkeit
Ich bin etwas verwirrt. Was passiert mit den DramatikerInnen? Wie wirkt sich die Absage von Veranstaltungen wie dem TT Stückemarkt auf die (ohnehin schon schwierige) Prekarität der AutorInnen und ihre ökonomische Situation aus? Es ist klar, dass TT Stückemarkt die Sichtbarkeit der AutorInnen immens verbessert...
Theatertreffen Stückemarkt: Entsorgung von Literatur
Was da in Berlin passiert, ist traurig und skandalös. Überraschend ist es nicht. Es entspricht der allgemeinen Entsorgung von Literatur: im Schulunterricht, in den Medien, im Alltag. Es ist das Pendant zur Tilgung literarischer Sendungen im Rundfunk, gegen die sich die österreichischen Autor*innen, mit geringen Erfolgsaussichten, gerade wehren. Aber es ist auch das Ergebnis der andauernden Polemiken, nicht zuletzt von Kommentatoren auf nachtkritik.de, gegen das Autorentheater. Seit Jahren versichern sie uns, dass Texte überflüssig und verstaubt seien und dass Dramaturgen, Regisseure und Kollektive die Arbeit von Dramatiker*innen gleichwertig, wenn nicht besser ersetzen könnten. Jetzt haben wir den Salat. Und es wird mit dem Ende des Stückemarkts nicht sein Bewenden haben. Literatur kann verschwinden wie Mandolinenorchester oder Gletscher. Wer das will, soll sich dazu bekennen. Das Jammern nach erfolgter Untat hat den Geschmack von Heuchelei.
Theatertreffen Stückemarkt: Anmaßung
@12 Frank Norton: Es ist ehrlich gesagt so öde, dass hier Leute wie Sie unter Pseudonym schreiben, wie doof sie einen Abend finden und dann in ihrer Hybris vor allem immer gleich von sich auf andere schließen, Zitat "es entsteht nichts ausser Langeweile. Bei mir (und auch bei vielen anderen, die da saßen)". Es ist doch völlig in Ordnung, dass L.V. den Abend ganz toll und Sie offensichtlich total fade fanden. Warum muss man immer gleich schreiben, dass alle anderen im Zuschauerraum genauso empfanden wie man selbst? Das ist doch gerade das Wunderbare an unserem Theatersystem, dass alle alles finden können und auch (noch!) alles möglich ist! Die einen finden den Abend eben ganz toll und die andern ganz scheiße. So what?! Was unsagbar nervt ist, und das ist so dermaßen deutsch, dass man den eigenen Geschmack für einzig gültig und noch dazu für state of the art hält und jede andere Meinung als degoutant, inkompetent, rückständig, reaktionär oder schlicht als doof diffamiert. Und genau daran krank auch das Theatertreffen: nur wenn eine Einladung dem eigenen Geschmacksbild entspricht, ist man d'accord, über alles andere bricht man den Stab. Auch das ist eine Form von Zensur, selbst wenn sie nicht ideologisch oder politisch motiviert ist. Wer weiß, vielleicht werden wir uns in einigen Jahren auch hier in Deutschland daran erinnern, was es einmal für Möglichkeiten und künstlerische Freiheiten hierzulande gab, die aber leider politisch und/oder ideologisch dann nicht mehr gewollt und erwünscht sein werden.
Theatertreffen Stückemarkt: Verlagshäuser gestalten das TT
Hier wird offenbar übersehen, dass TheaterkritikerInnen in Lohn und Brot stehen bei vor allem privatwirtschaftlichen Medien. Warum sollten die über das Ansehen der Staats- und Stadttheater entscheiden? Die Süddeutsche schleuste vor Lilienthal regelmässig mindestens 3 bayrische Einladungen pro Jahr ins TT, wenn es nicht ganz zu absurd schien. Hamburg ebenso. Der Theaterverlag. Verlagshäuser gestalten das TT. Niemand anderes.
Theatertreffen-Stückemarkt: Frage
Gibt es wirklich keine spannenden neuen KünstlerInnen und KuratorInnen?
Theatertreffen Stückemarkt: Bitter
Sollte Iris Laufenberg am Deutschen Theater die ATTs nicht weiterführen, gäbe es damit für den gesamten Nachwuchs an Dramatiker:innen keine Möglichkeit mehr, ihre Arbeiten qua Initialbewerbung an einem A-Haus zu zeigen. Keine Chance, irgendwie sichtbar zu werden. Ist schon eher bitter momentan.
Theatertreffen Stückemarkt: Kampfzone verlassen
Es geht für Theaterautorinnen und Autoren darum diese Kampfzone zu verlassen und sich eigene Strukturen zu schaffen. Strukturen an Häusern die auf Autorenschaft bauen und Texte als Grundlage von Aufführungen lieben. Diese ewige Scheingefecht, welche Theaterformen denn nun die besseren seien nutzt lediglich ab und ist sehr ermüdend. Es kann nicht sein, dass die eine Kunstform die Andere ablöst. Also raus aus allen Theatern die keine AutorenInnen wollen oder es nicht wirklich schaffen einen Pluralismus der Formen auszuhalten. Dramatikern und Innen tut es nicht gut immer nurmehr dauerhaft zu protestieren und zu klagen. Diese Position beschreibt nicht ihre Arbeit, sondern lediglich ihre Arbeitsbedingungen. Keine andere Gruppe am Theater ist einer vergleichbaren Ausgrenzung ausgesetzt. Man muss Menschen, die diese Ausgrenzung betreiben einfach links liegen lassen und darf ihnen keine Aufmerksamkeit mehr schenken.
Theatertreffen Stückemarkt: Unterschreiben
@21: Darf ich das bitte als Kommentar mit unterscheiben?
Theatertreffen Stückemarkt: Kritikerverschwörung?
@ 18: Echt? Private Verlagshäuser haben bis anhin die Auswahl des TT bestimmt? Eine Kritiker-Verschwörung? Steile These. Sie können sicher auch die entscheidende Frage beantworten, die jede Verschwörungstheorie befeuert, nämlich: Cui bono? Wer profitiert davon? Oder konkreter: Was haben die (privaten) Medienhäuser denn davon, wenn sie dergestalt Einfluss auf ein Theaterfestival nehmen? Und warum sollten sich die Kritiker:innen sich so einem Diktat denn beugen? Fragen über Fragen.
Ich habe nichts mit Theaterkritik zu tun. Aber im Schweizer online-Magazin Republik gab es unlängst eine interessante Betrachtung zum Verhältnis von Kritik und Theaterhäusern. Meine Empfehlung!
https://www.republik.ch/2022/10/05/ein-trauriges-schauspiel
Theatertreffen Stückemarkt: Das Vermächtnis
Lucio Visconti (Kommentar #4) ich fand „Das Vermächtnis“ am Münchner Residenztheater wunderbar, Frank Norton (Kommentar #12) fand es fürchterlich. Ich kann beide gut verstehen. Allerdings gab es standing ovation am Premierenabend, das ist am Residenztheater auch nicht so häufig. Vielleicht einfach für die große Leistung der SchauspielerInnen an diesem langen Abend. Das ist doch auch etwas, unabhängig davon, ob es Regietheater oder klassisches Theater oder oder ist. Hier die Besprechung von „Das Vermächtnis“ aus meinem Blog: https://qooz.de/2022/03/23/theater-matthew-lopez-das-vermaechtnis-the-inheritance/
Theatertreffen Stückemarkt: Traurig
Ich gebe Martin Baucks recht, dass es das Beste wäre, eine solche Entscheidung wie überhaupt das ganze Theatreffen, das sich ohnehin von der Idee der Theaterautor:innen als inspirierende Kräfte distanziert hat, links liegen zu lassen, aber dennoch muss man seiner Traurigkeit und Wut auch ein Kanal bieten - welch ein Glück also, dass es auf Nachtkritik die Kommentarfunktion gibt: Es ist eine schrecklich traurige und gleichzeitig erschreckend naheliegende Idee, den Stückemarkt abzuschaffen. Dass es nur noch einen kleinen Windstoss brauchte, um ihn die Klippe runter zu schubsen, liegt nicht am neuen Leitungsteam, aber es hätte eben auch nur eine kleine Handreichung bedurft, um ihn zu reformieren, back to the basics: Wenn tolle Schauspieler:innen gute neue Stücke vorlesen, hat man einen feinen Stückemarkt, der dem ganzen Diskurswahn auf den A-Haus-Bühnen mit kleinem Zaunpfahl zuwinkt. Das wollte man aber ganz offensichtlich nicht. So transdisziplinär dann die neuen Begegnungsformate auch ausfallen mögen - aus meiner Sicht liegen die dann da halt links.
Theatertreffen-Stückemarkt: Frage an die Festivalleitung
Was mich interessieren würde: Lesen die Festivalmacher:innen im Haus der Berliner Festspiele diesen Thread mit? Und was denken sie darüber? Irritiert sie diese nahezu einhellige Gegenreaktion, oder denken sie: "Ach, diese ewiggestrigen Autor:innen-Verehrer:innen, wir werden sie eines performativen Besseren belehren. Wer braucht schon Publikum, wenn man sich seiner Sache sicher ist?"
Theatertreffen-Stückemarkt: Pluralismus der Formen
Ich stimme David Gieselmann leider nicht zu. Es gibt keinen Diskurswahn. Auch möchte ich niemanden einen Wink mit dem Zaunpfahl geben. Ich bin auch nicht traurig. Es ist einfach so, dass eine gefühlte Mehrheit keine Texte mehr als Basis von Theaterabenden wünscht. Damit kann ich leben. Ich liebe viele transdisziplinäre Formate. Ich empfinde keine Feindschaft und konkurriere nicht. Ich stehe für den Pluralismus der Formen.
Theatertreffen-Stückemarkt: Basis für Theater
Danke an die freundlichen bzw. kritischen Reaktionen auf meine Erwähnung von Lopez' "Vermächtnis". Ich wollte damit nicht off-topic abschweifen, sondern ein Beispiel dafür bringen, wie zentral Stücke für das Theater auch heute noch sind. Seit tausenden Jahren bilden sie die Basis für Theater. Weil sie von Leuten geschrieben werden, die wissen, wie man Themen in spannende Handlungen verwandelt, Plots baut und Dialoge verfasst. Die meisten mir bekannten Regie- und Dramaturgieleute verfügen in der Regel eher nicht über dieses Wissen und Können. Wenn Theater auf dieses Wissen und Können verzichtet, ist das eine legitime Entscheidung - nur geht damit aus meiner Sicht sehr viel genuin Theatrales verloren. Daher wohl auch, wie oben nachlesbar, der Versuch, nun im Bereich der Bildenden Kunst zu wildern (leider muss ich sagen, dass es da aber ähnlich ist: Die quasi "echten" Künstler und Performer sind zumeist um Welten besser und authentischer als ihre Imitatoren aus der Theaterbranche). Und noch etwas geht aus meiner Sicht verloren: jene Teile des Publikums, das die Sehnsucht nach Plots und Figuren dann eben bei Streaminganbietern wie Amazon, Disney oder Netflix stillt. Eigentlich schade, aber dafür gibt es mehr Stellen für Dramaturgietheaterleute sowie die Chance, noch stärker am - übrigens stetig belangloser werdenden - internationalen Festivaltourneezirkus teilzunehmen (was in weiterer Folge wieder zu Jobs und Aufträgen führen könnte). Man darf hinter theaterästhetisch begründeten Veränderungen ruhig auch simple Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen konstatieren, somit existiert hier eine klare soziale Komponente (allerdings nicht mehr für Autoren, die sich wohl in Richtung Film und Fernsehen verlagern werden).
Theatertreffen-Stückemarkt: Reichlich Bedarf
@ Martin Baucks: Die Mehrheit, die sich keine Texte mehr als Basis für einen Theaterabend wünscht, nehme ich nach wie vor als Randphänomen wahr. ALs Trend, der womöglich bald wieder vorbei sein wird. Die Theaterbetriebe, die ich ein bisschen im Blickfeld habe, hieven in überwiegender Mehrheit Produktionen nach Stücktexten und Romanen auf ihre Bühnen. Und wie ist es mit den reichweitenstärksten Theaterproduktionen? Sind das nicht nach wie vor Stücke? Neben den Klassikern sind es doch Namen wie Reza, Jelinek, Hübner, Schirach etc.
Ich würde mich über ein Festival freuen, an dem nicht die Trendsetter feilgeboten werden, sondern eine Börse von etwas, das man zeigen, machen, produzieren kann. Das sind m.E. nach wie vor Stücke. Dafür gibt es doch landauf landab reichlich Bedarf!
Theatertreffen-Stückemarkt: Gefühlte Mehrheit
@Bunuel

Ich schrieb bewusst: Eine gefühlte Mehrheit. - Mir ist schon klar, dass die Theaterrealität im Alltag etwas anders aussieht. Aber bestimmte Trends werden einfach anders gewichtet. Sie fallen offenbar mehr ins Gewicht als eine Vielzahl herkömmlicher Abende.
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