Nachtasyl - Thomas Langhoff blickt auf Gorki wie durchs umgedrehte Opernglas
Je Humana desto besser
von Wolfgang Behrens
Berlin, 12. Januar 2010. "Unten" – so heißt Maxim Gorkis Stück in der deutschen Fassung von Angela Schanelec, und das ist ein guter Titel. Nicht nur, dass er gegenüber "Nachtasyl" näher am Russischen ist, wo das Stück "На дне", also "Am Boden", heißt; er führt auch weg von der Erwartung eines konkreten Milieus: Unten kann jeder sein, man muss dazu nicht erst Insasse eines Obdachlosenasyls werden.
"Unten" – das ist aber auch ein schlechter Titel. Denn er birgt eine Gefahr, die dem Stück Gorkis ohnehin innewohnt: die nämlich, dass sich der Zuschauer oben wähnt. Er blickt aus der Sicherheit des Theaterparketts – in Umkehrung der tatsächlichen Perspektive – nach unten: an einen Ort, der nicht der seine ist, denn er hat ja seinen Zuschauersitz in der Mitte der Gesellschaft. "Wie ihr jedesmal herschleicht, vollgesoffen an den Schmerzen, die ihr uns andichtet", sagt einer der Heimbewohner in Einar Schleefs "Nachtasyl"-Variation "Die Schauspieler" von 1986. "Herabschleicht" hätte es hier auch heißen können.
Ausgesucht schäbig
Vor einigen Jahren hat Jürgen Gosch, für den Angela Schanelecs Fassung entstanden ist, in Hamburg dem Milieu Gorkis weitgehend den Garaus gemacht – die Bühnenmetapher eines Asthaufens genügte, um das Stolpern der dargestellten Figuren als allgemeinmenschliches kenntlich zu machen. Thomas Langhoffs Neuinszenierung am Berliner Ensemble verwendet nun erneut die (übrigens angenehm heutige) Übertragung Schanelecs. Vielleicht um kein potentielles Publikum zu verprellen, kehrte man am BE jedoch zum alten, populären Titel "Nachtasyl" zurück – und siehe da: Das Asyl-Milieu in all seiner hässlichen Pracht ist wieder da und feiert fröhliche Urständ.
Alexander Wolfs Bühne stellt ein dreistöckiges Matratzenlager vor, die Wände sind mit einer wenig anheimelnden Kunststoffplane ausgeschlagen, ein Kofferradio zeigt an, dass wir uns nicht mehr am Beginn des 20., sondern des 21. Jahrhunderts befinden. Alles ist ausgesucht schäbig, nicht zuletzt die Kostüme Ellen Hofmanns: je Humana, desto besser. Von Beginn an sind das Nachtasyl und seine prekären Insassen mit der Schärfe eines umgedrehten Opernglases gezeichnet – überdeutlich, aber weit weg. "Das da ist nicht unsere Welt", scheint die Ausstattung zu sagen und lädt zum Suhlen im Sozialvoyeurismus ein: Ist es in seiner Verwahrlosung nicht wunderbar pittoresk, dieses Milieu?
Sturz ins Nichts
Wem das Setting noch nicht drastisch genug ist, dem geben die Schauspieler ein Übriges: Mit großem mimetischen Aufwand wird hier geröchelt und gekotzt, gesoffen und gelitten. Über der immer wieder äußerst bemühten, mitunter gar peinlich anmutenden Illustration des Elends gerät nur allzu leicht aus dem Blick, dass es bei Gorki nicht nur um Obdachlose geht, sondern um Menschen. Um Menschen wie du und ich. Um uns Menschen "unten" im Parkett.
Trotzdem ist die Aufführung nicht einfach nur schlecht: Sieht man über alle Widrigkeiten hinweg, die ein doch sehr angestaubt und naiv sich gebender Realismus mit sich bringt, so entdeckt man hie und da ein paar schauspielerische Glanzlichter. Und um wirkungssicher einige schöne leise Momente zu setzen, dafür hat Thomas Langhoff allemal Gespür. In erster Linie sind es diesmal die alten Haudegen, die die Inszenierung zumindest streckenweise herausreißen können: Da ist etwa Roman Kaminski, der seinem alkoholkranken Schauspieler eine komische, dauernd um seine Theatralität ringende Würde verleiht, um in raren Augenblicken der Erkenntnis so berührend wie untheatral ins Nichts zu stürzen.
Augenblicke der Ahnung
Da ist Alexander Lang – längst eher im Regiefach beheimatet –, den man sich häufiger wieder als Darsteller zu sehen wünschte. Mit einer die Blicke an sich saugenden Bühnenpräsenz gibt er den Zyniker Satin: Sein zur Groteske hinschielendes Körperspiel, ruckende Kopf- und Schulterbewegungen, ein herrliches Schütteln der Wangen, raubeinig herausgeknatterte Pointen lassen eine tolle Figur erstehen, die einem George-Grosz-Bild oder einer Alexander-Lang-Inszenierung entsprungen sein könnte.
Und dann ist da jener Charakter, der immer ein Gradmesser für "Nachtasyl"-Aufführungen ist: Der Pilger Luka, der gute Mensch oder Gutmensch, der das Mitleid und die Utopie (die Lüge?) ins Nachtasyl bringt. Christian Grashof, den man in einigen Rollen schon als ungemein eitel erlebt hat, nimmt sich diesmal ganz zurück – er entlarvt den Luka weder als falschen Propheten noch stilisiert er ihn zum Heilsbringer. Er verkündet seine Lehren nicht salbungsvoll, sondern beiläufig wie Kalenderspruch-Weisheiten. Es sind Alte-Männer-Sprüche, die nicht viel bedeuten.
Doch wie sich in Grashofs Miene Empathie widerspiegelt, wie er angesichts der sterbenden Anna ganz Zuwendung wird – das vermag für Augenblicke eine Ahnung zu geben, wie nah dieses Stück an uns Parkettbewohnern dran sein könnte. Dann aber übernimmt erneut das Milieu das Regiment. Und wir im Parkett sind wieder obenauf.
Nachtasyl
von Maxim Gorki
Deutsche Fassung von Angela Schanelec nach einer Übersetzung von Arina
Nestieva
Regie: Thomas Langhoff, Bühne: Alexander Wolf, Kostüme: Ellen Hofmann,
Musik: Uwe Hilprecht. Mit: Anke Engelsmann, Larissa Fuchs, Hanna Jürgens, Anne Lebinsky, Laura Tratnik, Dejan Bućin, Christian Grashof, Roman Kaminski, RomanKanonik, Alexander Lang, Uli Pleßmann, Michael Rothmann, Stephan Schäfer, Georgios Tsivanoglou, Axel Werner, Thomas Wittmann, Mürtüz Yolcu.
www.berliner-ensemble.de
Im Mai 2009 berichtete nachtkritik.de über Thomas Langhoffs Inszenierung von O´Neills Ein Mond für die Beladenen in München, im Februar 2009 kam im Berliner Ensemble Lorcas Doña Rosita oder die Sprache der Blumen unter seiner Regie heraus. Hinweise auf frühere Kritiken finden Sie im entsprechenden Glossareintrag.
Kritikenrundschau
In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (14.1.) zielt Irene Bazinger gleich ins Allgemeine: "Es gibt Bühnenkunst mit Bühnenkunstmenschen, und es gibt Kunstbühnen mit Kunstbühnenleuten. Für Letztere ist Thomas Langhoff zuständig." Er tue so, als ob ihn das Lumpenproletariat, von dem er erzähle, "ebenso wenig angehe, wie das eigenhändig verursachte oder von außen überkommene Unglück, das die Nachtasylanten in die unterste Gesellschaftsschicht gebracht hat". Ist da also keine oder am Ende gerade eben doch Sozialkritik? Ist das Spiel "mehr naturalistisch oder eher abstrahierend" angelegt? Wollte er den "politisch aktuellen Zeigefinger ausfahren oder die vorrevolutionäre Bilderchronik aufblättern"? Selbst den Schauspielern sei, schreibt Bazinger, dies offenbar nicht klar. Und daher "steuert eben jeder bei, was er kann und für passend erachtet": "Man grölt und greint, hustet und hampelt, ist gemein zueinander und dann wieder einmütig melancholisch (...) Das Milieudrama feiert fröhliche Urständ."
Andreas Schäfer vom Tagesspiegel (14.1.) stimmt zu: "Vulgärrealismus trifft auf grob gehauene Milieu-Klischees. Thomas Langhoff inszeniert am Berliner Ensemble Gorkis 'Nachtasyl' als Freakshow der Gestrandeten, mit allen Accessoires des Schäbigen, die einem so einfallen, wenn man Gorkis Klassiker nicht inszenieren, sondern vorwiegend illustrieren will." Die Bühne habe Alexander Wolf "zugemüllt", Ellen Hofmann für die Kostüme aus "allen Second-Hand-Läden der Stadt das Hässlichste zusammengetragen". Und auch der Regisseur führe sein Ensemble "frohgemut kalauernd" nirgendwohin als in die "Falle des Sozialvoyeurismus". Nur Christian Grashof als Luka "hat Würde und Menschlichkeit, und als er der sterbenden Anna (Hanna Jürgens) beisteht, ist Mitgefühl nicht bloß ein Wort."
Für Matthias Heine in der Welt (14.1.) handelt es sich bei dieser Inszenierung um einen "Tiefpunkt der Proletariatsdarstellung." Die "realistische Absicht" werde "rasch klar". Aber mit "Gossennaturalismus" sei es eben nicht getan. "Die Aufführung mischt Pennergeschrei-Imitation (ca. 80 Prozent), mit einer Prise Kritik an der verlogenen Geilheit 'reicher' Frauen auf Herrenwitzniveau (fünf Prozent) und einem guten Schuss wohltönenden Predigerpathos (15 Prozent). Letzteres ist eher christlich fundiert bei Christian Grashof als Pilger Luka, der alle Herbergeinsassen für einen Moment mit Hoffnung infiziert. Bei Alexander Lang als versoffenem Gossenphilosophen Satin klingt es eher humanistisch gottlos."
Langhoff bediene sich des "Elends als Effekt" schreibt Peter Laudenbach in der Süddeutschen Zeitung (14.1.). Überdeutlichkeit, wohin er blickt. Lautstarkes Röcheln, dröhnendes Deklamieren etc. Sogar Alexander Lang mache den Mörder Satin "zur Witzfigur". Einzig Axel Werner und Roman Kanonik "gelingen halbwegs überzeugende, nicht völlig im Klischee ertränkte Figuren". Das "für sein Kunstgewerbe berüchtigte Berliner Ensemble lande hiermit ästhetisch "ganz unten".
In der Berliner Zeitung (14.1.) betont Dirk Pilz, wie erstaunlich es sei, dass in einem Ensemble, das durch "Theater-Geschichten" zusammengehalten werde, jeder einfach nur so vor sich hinwerkle. Rühre dies daher, dass Gorkis Figuren "kein bestimmtes Milieu, sondern eine bestimmte Sorte von Verzweiflung" teilen? Schenkt Langhoff deswegen jedem "die Freiheit, für seine Figur einen existenzialistischen Tick zu erfinden"? "Diese Gleichzeitigkeiten allerdings gerade so vorführen zu lassen, "dass die Schauspieler aneinander vorbeiwursteln, nimmt der dramaturgischen Setzung ihren Witz – vieles sieht nur noch angeschafft aus." Ausgenommen sei Christian Grashof als "lebensweiser" Luka, der "das Mitleiden noch nicht verlernt hat". Die Ausstattung: "bräsiger Realo-Kitsch". Das Ganze: "Die Guckkastenbühne wird zur dumpfen Glotzanstalt, und das Drama mutiert zum peinlichen, pathetisch-hohlen Leidenszoo."
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Selbst die hochkarätigen Schauspieler wie Grashof, Lang und die anderen hat man selten so allein gelassen gesehen. Die Suche nach Wahrheit und Tiefe endete in Gebrüll und Leere. Übrigens die Liste der genannten (@Nina) Fehltritte ist unendlich länger. Der Besucher ging betreten und verwirrt von dannen, hatte man doch früher überzeugendere Regiearbeiten - hier war es wohl mehr NichtRegie - von Herrn Langhoff erlebt. Wolfgang Behrens ist da mit seiner Kritik noch sehr zurückhaltend.
inszenierung an sich nicht weiter diskutierenswert. da fehlt jegliche substanz.
Anmerkung der Redaktion:
Hallo agnes, ist es nötig, darauf hinzuweisen, dass hier nicht mit dem Finger auf "Humana" gezeigt, sondern der Kostümbildnerin offenbar eine gewisse Klischeehaftigkeit vorgeworfen wird?
Und die Frage, ob sich Herr Behrens selbst etwa Armani leisten kann, treibt Sie mit Sicherheit mehr um als ihn.
P.K.
Ja, schwieriges Stück und alles andere meinetwegen auch, es fehlt noch das der Bühnenbildner Husten hatte und sich die Kostümbildnerin nicht mit dem Hausmeister vertragen hat.
Der Regisseur, der Regisseur, der Regisseur ...... wo ist hier der Regisseur. Das ist sein Job.
Ich habe das Stück gelesen, war aber noch nicht in dieser Inszenierung.
Wie "agnes" muss ich leider anmerken, dass die Bemerkung über Humana geschmacklos ist. Dort bekommt man manchmal völlig neue Klamotten für wenig Geld, z.B. einen Boss-Sakko für 15 Euro. Nun gut, Markenartikel sind mir letztlich gleichgültig.
was hat das mit Einfalt zu tun, warum muss man immer gleich beleidigend werden, wenn einem eine Meinung nicht passt. Tatsache ist, dass die Schauspieler hier nicht zusammen wirken, sondern nebeneinander her laufen und damit meine ich keinen generellen Generationskonflikt, sondern Unvermögen. Wenn Ihrer Meinung nach Herr Langhoff das zu verantworten hat, bitteschön. Aber dafür ist er bekannt, die Schauspieler eher an der langen Leine zu führen. Hier sind Sie ihm durchgegangen. Pech gehabt.
Nomos hat auf mir rumgehackt. Nur zur Info.
Und wenn man die "Jungen" schon so scheiße findet, wie wäre es dann genauso auf jeden einzelnen einzugehen, wie es hier mit Grashoff und Kaminski wenigstens ansatzweise gemacht wird, sie also als Individuen wahrzunehmen, damit man überhaupt weiß, worüber jetzt eigentlich gesprochen, naja, geschrieben, wird?
Eher Fehlanzeige. Das jetzt keine Frauen genannt werden können, liegt daran, dass sie in dieser Inszenierung eher blass sind. Schade.
Täusche ich mich da sehr, wenn ich meine Meike Droste als Anfängerin so etwa 2003 am BE erlebt zu haben? Und ich glaube, ich täusche mich sicher nicht, jetzt kürzlich im Fernsehen die Überreichung des FAUST an Meike Droste gesehen zu haben.
Also, wenn ich keinem gravierenden Irrtum aufsitze, ist damit die Frage beantwortet, wo das junge BE ist. Bei der FAUST-Verleihung nämlich.
Genau das ist das Problem. Sie sind bei Preisverleihungen für Rollen die sie an anderen Theatern spielen. Wo ist das junge BE, nicht DT? Meike Droste hat die sagenhafte Johanna bei Peymann vor ungefähr 5 Jahren gespielt, dann war sie weg. Bemerkenswert sind sonst nur noch Christina Drechsler und Judith Strößenreuter, das ist zu wenig.
Ich denke auch, daß Sie Recht haben, mit der Tatsache, daß viel zu wenig junge Schauspieler eine Chance bekommen - vor allem, aber nicht nur - an diesem Haus.
Aber es gibt auch Gegenbeispiele: Da gab es vergangene Spielzeit doch FrühlingsErwachen (natürlich war der gesamte Abend eher fragwürdig...) und vor allem Shakespeare Sonette, und in beiden Abenden haben mir Sabin Tambrea, Anna Graenzer und Christopher Nell sehr gut gefallen. Bei Sonnette zusätzlich noch Christina Drechsler.
Und dann gibt es noch den wirklich spannenden WuttkeAbend über Ernst Jünger, wo man u.a. Mathias Znidarec oder Janina Rudenska entdecken kann.
Das war jetzt natürlich kein gelungener, weil kein Kommentar zur Inszenierung von Nachtasyl, ich sende es aber trotzdem.
Weil ich finde, daß man an diesem Haus ganz im Gegenteil sehr tolle junge Schauspieler sehen kann, wenn auch nur sehr wenige insgesamt tolle Theaterabende.
Nein ich kenne nicht nur das BE, ich besuche fast alle Inszenierungen der Stadt. Ich mag das Theater in welcher Form auch. Doch da hat der Parkettbewohner Recht. Peymann spielt nur seine alten Träume und da ist für junges Theater kein Platz. Merkt man auch am Publikum. Nur die ewigen 68er scheuchen ganze Schulklassen ins BE. Die Generation davor fehlt (Studenten und U30). Die trifft man dann im Gorki. Auch wenn da mindestens jede 2. Inszenierung daneben geht, steckt insgesamt eine unheimliche Bewegung und Spielfreude in diesem Theater.
Kann im BE bei vier Premieren im Jahr auch nicht entstehen, die Spielfreude meine ich, denn drei Inszenierungen stammen von Wilson, Stein und Langhoff, die vierte dann von Blatter und Peymann verschiebt seinen Handke von Jahr zu Jahr und premiert mit einer alten Inszenierung an der Burg, die auf der Internetseite des BE groß herausgehoben wird. Sollte doch wieder ganz an die Burg gehen, unser altes Väterchen Peymann und sich lieber dann mit der einen oder anderen guten Inszenierung am BE sehen lassen, aber nur, wenn sie endlich einmal wieder gelungen ist
Dennoch freue ich mich auf "Nachtasyl".
Ihre Kritik spricht mir aus der Seele! Humana hin oder her, wer da war, weiss, was gemeint ist.
Sammelsurium ist das richtige Wort für die Ensembleseite der Homepage des BE. Mindestens die Hälfte der dort abgebildeten Schauspieler sind nicht Ensemblemitglieder oder nur in 1-2 Stücken zu sehen. Für ein Theater welches das Ensemble schon im Namen trägt ist das ein Witz und Vortäuschung falscher Tatsachen.
@15
Ja die Wuttke-Abende sind noch das einzige wirklich innovative am BE. Aber auch der ist nicht mehr Ensemble-Mitglied.
Ciao, bis zur nächsten Premiere,....
und Peymann ist nicht an allem Schuld.
Peymann hatte Meike Droste noch während ihrer Schauspielausbildung ans BE engagiert. Halten konnte er sie nicht. Voraufführungen von "Die Heilige Johanna der Schlachthöfe" fanden vor der Sommerpause (2003, Meike Drostes erste große Rolle) statt. Ein junger, ehrgeiziger Schauspieler in einer Nebenrolle fand alles so schrecklich, dass er zur Premiere schon wieder weg war. Auch von ihr verlor sich zum Saisonende die Spur in Berlin, bis sie dann ans DT geholt wurde.
Abgesehen davon, daß ich ja gerade darauf aufmerksam machen wollte, daß da eben überhaupt nicht nur Wuttke, nicht einmal in erster Linie zu sehen ist, sondern junge, sehr spannende = gute Schauspieler. Nicht falsch verstehen, mir geht es nicht um Werbung fürs BE, sondern darum, daß zum Expertenblick und Kommentar, den hier ja alle mindestens dadurch vorgeben, indem sie aktiv auf nachtkritik dabei sind, auch gehört, alle Darsteller wahrzunehmen, auch wenn es an einem Abend mal mehr als 5 gibt und nicht alle schon berühmt.
Oder hat Meike Droste erst am DT spielen gelernt? Ich denke nicht.
Wie ich in der Zwischenzeit nachgelesen habe, wechselte Meike Droste von den Münchner Kammerspielen, wo sie 2000 - 2002 engagiert war an das BE und ist dann von dort 2004, also auch wieder nach 2 Jahren nach Zürich gegangen.
Ihr Wunsch Peymann an die Burg zurückzuschicken, trifft sich wahrscheinlich sehr exakt mit den Wünschen des Wiener Theaterpublikums.
Ich meine zwar absolut nicht, dass seine Berliner Arbeiten nicht geglückt sind, aber eine Atmosphäre der sinnlosen Bösartigkeiten und stereotypen Herabwürdigungen das Alter betreffend verbrauchen sicher viel Energie, um sich in so einem Umfeld kreativ und sensibel zu motivieren.
Wien wäre sicher der fruchtbarere, liebendere Boden für seine künstlerische Arbeit.
ich frage nochmal: wie fandet ihr die jungen schauspieler im nachtasyl? die einzelnen? wie fandet ihr z.b. Dejan Bucin als aljoschka oder Hanna Jürgens als anna? traut sich denn keiner konkret zu werden?
Aber es gibt ganz hervorragende Schauspieler am BE wie z.B. Jörg Thieme oder Michael Rothmann, Christine Drechsler, das hervorragende Team von "Frühlingserwachen" etc. und sie machen sensibles, gescheites, witziges Theater. Die Namen der älteren Darsteller wie Antoni, Schubert, Seifert, Werner traut man sich bei dem herrschenden Jugendwahn schon nicht mehr erwähnen.
Aber Bashing ist halt sichtlich für viele ein ganz besonders schöner Sport, der bedarf keiner Eigenleistung. Denn wie Sie selbst sehen, auf eine konkrete Frage erfolgt keine Antwort.
Doch, ich hatte bereits konkrete Beispiele gebracht.
Michael Rothmann und Dejan Bućin sind gute Schauspieler, fallen aber hier einfach nicht auf, weil sie falsch besetzt werden. Die Frauenrollen sind alle nicht besonders. Daher noch mal das Zusammenspiel der Schauspieler funktioniert nicht in dieser Inszenierung und daran trägt Langhoff nicht die Schuld allein. Wie in den Zeitungs-Kritiken heute auf ihm rumgehackt wird finde ich unmöglich. Mit seinen 2-3 Stücken im Jahr hält er wenigstens 2 verschnarchte Theater in München und Berlin noch halbwegs am Leben. Leider mag die Kritik ihn in Berlin nicht, hat ihn noch nie gemocht, trotz seiner auch erfolgreichen Intendanz am DT, aber das war den Politikern zu ostig. Ich will nicht behaupte, dass seine Ablösung letztendlich nicht auch Positives für die Entwicklung des DT gebracht hat. Dass er aber nun in Grund und Boden geschrieben wird (mal wieder Frau Bazinger FAZ vorneweg), an einem Theater, das in den letzten Zügen liegt, hat er nicht verdient.