Umsatzsteuerdebatte - Offener Brief der Bühnen- und Kostümbildprofessoren
Kunsthochschulen bilden Künstler_innen aus
2. September 2013
Anfang Juni 2013 wurde ein Jahressteuergesetz verabschiedet, das Regisseur_innen und Choreograph_innen künftig komplett von der Umsatzsteuer befreit, weil sie maßgeblich und prägend an der Inszenierung beteiligt sind. Dieselbe künstlerische Bedeutung wird den Bühnen- und Kostümbildner_innen vom Gesetzgeber nicht zugesprochen, weshalb sie von einer solchen Befreiung ausgeschlossen werden. Der Gesetzgeber verkennt damit zum einen das künstlerische Gewicht dieser Berufsgruppe, zum anderen ignoriert er die Logik der Umsatzsteuerbefreiung für Theater, die es erforderlich macht, die gesamten künstlerischen Theaterberufe in die Befreiung einzubeziehen. Der Zweck der Umsatzsteuerbefreiung der Theater besteht schließlich darin, den Preis für diese kulturelle Dienstleistung niedrig zu halten. Dieser Zweck wird konterkariert, wenn die künstlerischen Eingangsdienstleistungen nicht an dieser Befreiung partizipieren.
Die Begrenzung der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 20a UStG auf einzelne Künstlergruppen ist eine Gefährdung des Gesetzeszwecks, die Zugangsschwelle für Theaterbesuche abzusenken. Wenn selbständige Künstler_innen den Theatern und Opernhäusern den Regelsteuersatz auferlegen müssen, ohne dass diese zum Vorsteuerabzug berechtigt sind, müssen sich die Theaterpreise – oder die erforderlichen Subventionen - notwendigerweise erhöhen.
Bühnen- und Kostümbildner_innen sind Künstler_innen! Zwölf deutsche Hochschulen bieten die Studiengänge Bühnenbild und Kostümbild an. Im überwiegenden Fall sind diese Studiengänge an Kunsthochschulen angesiedelt. Alle Hochschulen haben ein aufwändiges Aufnahmeprozedere, so müssen Bewerber_innen ihre künstlerische Begabung an Hand von Arbeitsproben mit einer Mappe nachweisen. Jedes Jahr werden nur ca. ein Zehntel der Bewerber_innen aufgenommen. An einigen Kunsthochschulen werden die aufgenommenen Studierenden nach dem Grundjahr einer weiteren Prüfung unterzogen und die endgültige Aufnahme findet erst nach deren Bestehen statt. Im Verlauf der Ausbildung liegt neben dem Erwerb von handwerklichen, dramaturgischen, theoretischen und kommunikativen Fähigkeiten, der Schwerpunkt aller Hochschulen in der Entwicklung der künstlerischen Handschrift bei der Entwurfsarbeit. Aus diesem Grund sind sämtliche Professor_innen der Studiengänge mehrfach ausgezeichnete Künstlerpersönlichkeiten der deutschen und internationalen Theater- und Opernszene.
Zur Veranschaulichung zwei Zitate aus der Broschüre des Deutschen Bühnenvereins Berufe am Theater: „Der Beruf des Bühnenbildners gehört zu den vielseitigsten Tätigkeiten innerhalb der bildenden Künste.“ „Die wichtigste Voraussetzung für den sehr kreativen Beruf des Kostümbildners ist eine reiche Fantasie.“ Und ein Zitat der Bundesagentur für Arbeit: „Bühnenbildner/innen entwerfen und gestalten Bühnenräume und -dekorationen im Rahmen einer künstlerischen Gesamtkonzeption.“ Diese Gesamtkonzeption wird von Bühnenbildner_innen, Kostümbildner_innen, Regisseur_innen und Choreograph_innen gemeinsam erarbeitet!
Bühnen- und Kostümbildner_innen sind anerkannterweise werkschaffende Künstler, deren Werke regelmäßig über bloße „Gebrauchskunst“ hinausgehen. Ihre Werke sind urheberrechtlich geschützt. Im Gastvertrag mit den Theatern übertragen sie die Nutzungsrechte an ihrem Werk auf die Bühnen. D.h., solange die erforderliche Befreiung von der Umsatzsteuer gesetzlich nicht umgesetzt ist, kann für unsere Berufsgruppe nur der ermäßigte Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 7c in Anwendung kommen.
In Unkenntnis der künstlerischen Qualität der Berufsausübung der Bühnen- und Kostümbildner_innen wenden nun vielerorts Finanzämter den vollen Umsatzsteuersatz von 19 Prozent an. Außerdem häufen sich Nachforderungen zum Teil über 6 Jahre, verbunden mit 6 Prozent Zinsen, die Künstler_innen in den finanziellen Ruin treibt!
Wir fordern die Abteilungsleiter Umsatzsteuer der Finanzministerien der Länder auf, für die Finanzverwaltung auf ihrer Sitzung 4/13 vom 17. bis 19. September 2013 verbindlich zu klären, dass für Bühnen- und Kostümbildner_innen im Regelfall der ermäßigte Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 7c zur Anwendung kommt.
Wir bitten Kulturstaatsminister Bernd Neumann, sich in einem künftigen Steuergesetz für eine Korrektur der Umsatzsteuerbefreiung für künstlerische Bühnenberufe einzusetzen, die alle künstlerischen Berufsgruppen in die Befreiung einbezieht.
Unterzeichner:
Prof. Hartmut Meyer Universität der Künste Berlin, Bühnenbild
Prof. Florence von Gerkan Universität der Künste Berlin, Kostümbild
Prof. Lisa Meier Universität der Künste Berlin, Kostümbild, Filmkostüm
Prof. Stefan Hageneier Kunsthochschule Berlin-Weißensee Bühnen- und Kostümbild
Prof. Peter Schubert Kunsthochschule Berlin-Weißensee, Bühnen- und Kostümbild
Prof. Kerstin Laube TU Berlin, Masterstudiengang Bühnenbild_szenischer Raum
Prof. Raimund Bauer Hochschule für bildende Künste Hamburg, Bühnenbild
Prof. Mag. art. Reinhard von der Thannen, Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg, Kostümbild
Prof. Maren Christensen, Hochschule Hannover, Kostümbild
Prof. Colin Walker Hochschule Hannover, Szenografie
Prof. Marc Degeller Hochschule für Bildende Künste Dresden, Bühnen- und Kostümbild
Prof. Barbara Ehnes Hochschule für Bildende Künste Dresden, Bühnen- und Kostümbild
Prof. Kattrin Michel Hochschule für Bildende Künste Dresden, Bühnen- und Kostümbild
Prof. Johannes Schütz Kunstakademie Düsseldorf, Bühnenbild
Prof. Rosalie Hochschule für Gestaltung Offenbach, Bühnen und Kostümbild
Prof. Heike Schuppelius Hochschule für Gestaltung Karlsruhe, Szenografie
Prof. Bettina Walter Staatliche Akademie der Bildenden Künste Stuttgart, Kostümbild
Prof. Martin Zehetgruber Staatliche Akademie der Bildenden Künste Stuttgart, Bühnenbild
Prof. Katrin Brack Akademie der Bildenden Künste München, Bühnen und Kostümbild
Prof. Anna Viebrock Akademie der bildenden Künste Wien, Bühnengestaltung
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