Medienschau: VAN-Magazin, Spiegel – Gewaltdrohungen gegen Holzingers SANCTA
Zusätzliches Sicherheitspersonal
Zusätzliches Sicherheitspersonal
17. Oktober 2024. Das Team um Choreografin Florentina Holzinger erreichen seit der Berichterstattung über "SANCTA" in Boulevardmedien Gewaltandrohungen und Hasskommentare, berichtet das VAN-Magazin.
Aktuell berät die Theaterleitung mit den Performerinnen dem Bericht zufolge über Schritte, "die die Sicherheit der Künstlerinnen sicherstellen und es ihnen ermöglichen sollen, die kommenden SANCTA-Vorstellungen in Stuttgart zu spielen." Der aktuelle Shitstorm sei für die Staatsoper in seinen Dimensionen neu. "Es gibt natürlich immer mal Beschwerden, wenn Leute künstlerisch unzufrieden sind – mal mehr, mal weniger polemisch. Aber nicht in dieser Intensität und vor allen Dingen auch nicht in dieser Masse", wird der Pressesprecher der Stuttgarter Oper, Sebastian Ebeling zitiert. "Dabei seien die Publikumsreaktionen an den Vorstellungsabenden ausschließlich positiv gewesen.
"Einen Eindruck von der Stimmungsmache gegen SANCTA bekommt man auf Youtube", so VAN. "Dort hetzen fundamentalistische Christen wie Kewin Mis aka Katholische Antworten oder Gordon Haupt, der früher unter dem Namen 'The German Barbarian' als Kickboxer aktiv war und heute den Channel KathPlosiv betreibt, gegen die Produktion. Am meisten Reichweite hat dabei aber wohl Mathias von Gersdorff, der SANCTA als 'staatliche Linksgrüne Kultur-Aggression' bezeichnet, versehen mit dem verschwörungsideologischen Zusatz: 'Wenn Sie so wollen, ist diese Oper ungefähr das kulturrevolutionäre Pendant zum Projekt der Deindustrialisierung Deutschlands im Rahmen der grünen Transformation.' Seine beiden Videos, die der Boulevardberichterstattung zu SANCTA auf dem Fuß folgten, wurden innerhalb weniger Tage knapp 56.000 und beziehungsweise knapp 30.000 Mal angeschaut."
In der kommenden Spielzeit wird SANCTA laut VAN als neues Repertoire-Stück in Stuttgart zu erleben sein. Zum Schutz der Performerinnen werden für die kommenden Aufführungen zusätzliches Sicherheitspersonal eingestellt.
(VAN Magazin / sle)
Über die Grenzen des Erträglichen hinaus
11. Oktober 2024. Nachdem das Stuttgarter Gastspiel der Oper "Sancta" von Florentina Holzinger zu geschlagenen 18 Kollapsen im Publikum und Notarzt-Einsätzen geführt hat, meldet sich jetzt im Spiegel-Bericht der Stuttgarter Stadtdekan zu Wort.
Stadtdekan Christian Hermes zollt Holzinger "Respekt vor der künstlerischen Radikalität", heißt es im Spiegel. "Sie legt schonungslos den Finger in die Wunde patriarchaler und klerikal-religiöser Herrschaft." Gleichwohl beklagt Hermes, "dass Mitarbeitende und Besucher brutal an und über die Grenzen des ästhetisch und psychisch Erträglichen geführt werden". Außerdem würden "religiöse Gefühle entgegen aller sonst gepflegten politischen Korrektheit obszön verletzt", dazu werde "ganz bewusst mit der mentalen Gesundheit der Menschen gespielt".
Die weiteren Aufführungen in Stuttgart sind ebenso wie die zwei Vorstellungen von "Sancta" in der Berliner Volksbühne Mitte November 2024 restlos ausverkauft.
(spiegel.de / chr)
- Hier lesen Sie die Nachtkritik der Premiere von "Sancta" in Schwerin samt Kritikenrundschau.
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Kunst hat natürlich die Freiheit und damit das Recht, auf die Psyche von ZuschauerInnen keine Rücksicht nehmen zu müssen. Freiheit heißt aber auch: Sie MUSS nicht rücksichtlos sein müssen, um Kunst sein bzw. als solche anerkannt werden zu können. Dass es diese Kunstfreiheit zur Rücksichtslosigkeit gibt, spricht für Holzingers Konzepte, dass diese Art Rücksichtslosigkeit für Kunst nicht ZWINGEND ist, gegen diese Konzepte. Sich für die eine oder andere Art der Kunstfreiheit POLITISCH zu entscheiden bzw. entscheiden zu müssen, ist daher kunstfeindlich. Also Freiheits-feindlich.
Die Frage ist doch - wieviel Relevanz misst man emotionalen Reaktionen bei, die durch religiöse Konditionierung verursacht wurden? Ich möchte nicht, dass Kunstproduktion darauf irgendeine Rücksicht nimmt oder nehmen muss. Zuschauer:innen sind mündig und müssen für den Besuch eines Theaterstückes selbst die Verantwortung übernehmen, auch wenn es Ihnen nicht gefällt. Und dann steht da auch noch die Frage der Verhältnismäßgkeit im Raum. Die Reaktionen, vor allem in den sozialen Medien, auf Sancta sind nicht verhältnismässig und haben etwas von einer modernen Hexenjagd.