Medienschau: Süddeutsche Zeitung – Christine Dössel über die Krise der Münchner Kammerspiele

"Langweilig, vordergründig, sofort durchschaubar."

"Langweilig, vordergründig, sofort durchschaubar."

8. April 2023. Die Münchner Kammerspielen können im Zeitraum Oktober bis Ende Februar nur 55 Prozent Auslastung vorweisen. Miserable Zahlen, die die Frage provozieren: Wieso steckt das legendäre Haus in der Krise?

Christine Dössel hakt in der bayrischen Landeshauptstadt nach und kommt in der Süddeutschen Zeitung schnell zur Diagnose: Die alamierende Situation des Hauses hänge an Barbara Mundels Programm. Die Intendantin fahre "mit ihrem Ansatz von Diversität, Inklusion und Artivismus einen Kurs woker politischer Theaterkorrektheit, der kaum ankommt".

Ein Aufpasser soll es richten

München reagiere auf die schwierige Situation mit einem "Kammer-Rat". Aufgrund der schlechten Auslastungen und der damit verbundenen wirtschaftlichen Defizite werde den Kammerspielen eine Art Aufpasser der Stadtregierung zur Seite gestellt: "ein Novum in der deutschen Theaterlandschaft", stellt Dössel fest. Die Autorin sieht den Vorgang kritisch und erinnert an Mundels Vorgänger: "Als Matthias Lilienthal in seiner Zeit an den Kammerspielen Schwierigkeiten hatte, gab es in der Stadt wenigstens hitzige Debatten, Kämpfe zwischen Fans und Feinden. Es ging um was. Jetzt zucken viele nur noch mit den Achseln."

Dieses Desinteresse sei für die Münchner Kammerspiele schlimmer als die Frontenbildung, die durch Lilienthals Intendanz gewachsen seien. Und Dössel findet in ihrem Text klare Worte für den aktuellen Fahrplan des Hauses unter Barbara Mundel: "Die Abkehr von Sprache, Literatur und klassischen Stücken zugunsten einer sozio- und diskurspolitischen Agenda mit Interventionen, Themenfestivals, 'Sisterhoods' geht am Kerngeschäft des Theaters vorbei – auch an der Stadt." Darunter falle auch die "Antigone"-Inszenierung vom Februar, die nach inklusiven Theater strebe aber letztendlich nur krampfhafte Positivität produziere.

Politisch korrekt aber ohne künstlerische Vision

Christine Dössel fehlt zwischen all den wichtigen und ehrenwerten Versuchen der Kammerspiele ein entscheidender Punkt: die Kunst. Wie eine Vision aussehen könnte und wie sich Barabara Mundel zu den Vorwürfen verhält, ist in der Süddeutschen Zeitung (€) nachlesbar.

(Süddeutsche Zeitung / ska)

 

Kommentare  
Medienschau Kammerspiele: Demütigung
Herausragender Text in der Süddeutschen. Auf den Punkt. Und leider nicht nur für die Kammerspiele ein Aufruf einer Theaterliebhaberin. Sollte allen zu denken geben, die lieber Gesellschaftskunde als Kunst auf der Bühne machen, die lieber Schlagworte abspulen als hart am Text zu arbeiten.
Der „Kammer-Rat“ des Stadtrats ist tatsächlich eine peinliche Demütigung der Kammerspiele.
Medienschau Kammerspiele: Eitles Correctness-Theater?
Erinnert alles sehr an Sonja Anders und das Schauspiel Hannover. Auch dort findet wenig Kunst, dafür ein durch und durch auf politische Korrektheit ausgerichtetes Programm wenig Zuspruch. Und auch dort wurde die wenig erfolgreiche Intendantin höchst vorschnell belohnt: Mit der Intendanz des Thalia Theaters. Weil nicht sein kann, was nicht sein darf? Niemand will das eitle Korrektnes-Theater sehen?!
Medienschau Kammerspiele: Parallelen
Auch ich musste bei der Lektüre des SZ-Artikels sehr an das Schauspiel Hannover denken. Die Haltung, die dort eingenommen wird, ist großartig und wichtig. Aber: Keine überzeugende theatrale Form dafür zu finden, lässt das Publikum dann kalt. Selbst Inszenierungen, die eigens für die Schullandschaft (Lektürepflicht im nds. Abi (ein blutleerer, leidenschaftsloser Hamlet) auf dem Spielplan landen oder mit Bühnenstars aufgehübscht werden, um Leute ins Haus zu holen, können nicht darüber hinwegtäuschen, dass in Hannover die Zuschauer wegbleiben, auch wenn Gegenteiliges kolportiert wird. Stattdessen wird der Rang in den meisten Vorstellungen gar nicht mehr angeboten oder Karten werden für fünf Euro verramscht. Ich bin gespannt, wohin das führen wird, wenn es an die Neubesetzung geht.
Medienschau Kammerspiele: Kunstmarkt, nur welcher?
Hier wird das identische Theater wie in Zürich gespielt - mit wohl den gleichen Folgen: Entlassungen, Ankurbeln des Intendantenkarussells etc.
Christine Dössel vermisst "die Kunst". Aber was ist denn diese "Kunst"? "Kunst" ist etwas, das man nicht messen kann. Es ist gelebte Praxis, und sobald man versucht, Kunst zu messen, wird Kunst automatisch zum "Kunstmarkt". Und durch die jetzigen Aufsichts- und Regulierungsfunktionen findet eindeutig eine "Messung" statt, wodurch Kunst zu einem Kunstmarkt wird. Daher sprechen wir hier nun über eine Debatte über den "Kunstmarkt" und nicht über "Kunst". Es gibt den "Dössel"-Kunstmarkt, der Quote will und "Kunst".

Und gibt einen von Gemeinden und Ländern durchfinanzierten und kuratierten "Kunstmarkt", der auf kommunale Leitbilder wie "Inklusion, Diversität und kulturelle Teilhabe" setzt. Dort setzen sich (manchmal) jene CEOs oder Chefplaner:innen durch, die möglichst "marktschlau" diese Leitbilder antizipieren und beflissen und hübsch umsetzen. Es ist durchaus denkbar, dass München nun Blomberg oder Nicolas Stemann aus Zürich zu sich holt und Zürich sich Barbara Mundel holt. Vielleicht sitzen da in ein/zwei Jahren schon wieder andere in der Politik, die wieder schöne Spielzeithefte sehen wollen, unabhängig von dem, was dann wirklich passiert, und die auch nichts wissen, was vorher war. 
Diejenigen, die immer unter diesem Systen leiden, sind aber die Spielerinnen und Spieler - kurz gesagt, die MENSCHEN, die die Leitbilder umsetzen. Wie können sie sich aus der Macht dieser willkürlichen und vom Bürgertum dominierten Kunstmärkte befreien? Vielleicht, indem der Druck gezielt abgebaut wird, der auf einem Theater lastet, um immer pünktlich um 20 Uhr (Sonntags auch mal um 16 Uhr) eine straff inszenierte Militärparade abzuhalten, zu der Künstlerinnen, Künstler und Publikum "hingepeitscht" werden müssen? Es gab während der Pandemie hoffnungsvolle Formate, die diese Tyrannei von Gleichzeitigkeit von Raum, Zeit und Publikum - kurz das "Aufmerksamkeitsregime" - abbauten. Es gab hoffnungsvolle Ansätze wie das Harvard-Manifest, siehe Link unten. Aber wer an diesen Vorstellungen von einem straff durchorganisierten Stadttheater festhält, wird in Zukunft immer wieder mit Krisen konfrontiert werden (oder den Rückfall in die Hackordnungen des guten alten Stadttheaters erleben, das eher wie eine geschmierte Musical-Bühne funktioniert). Ganz sicher wird es wenig nützen, neue Versuche (wie in München/Zürich aktuell zu sehen) ideologisch zu bekämpfen. Es ist notwendig, die Theaterleitungen noch mehr zu ermächtigen, um diese noch mehr Häuser zu leeren.

"Gute Auslastung" wird masslos überschätzt. Der Erfolg eines Theaters zeigt sich heute eher an der Leere der Ränge. Ja, man muss diese Theater ermächtigen, Radio/Podcasts/Filme/Streams zu machen, Stadtbespielungen, Forschungen etc. Die Welt erkunden, die innere und die äußere. Aber nicht die alten Geigerzähler nutzen, um zu messen und dann wegen der Messungen Fortschritte abzubauen und dieses Stadttheater aus dem 20. Jahrhundert zu reinstallieren. Diese Art von Stadttheater ist tot, genauso wie "das Kino" des 20. Jahrhunderts. Es ist an der Zeit, dies zu akzeptieren und endlich zu neuen Ufern aufzubrechen. Alles andere ist Ideologie.

(Quelle: https://nachtkritik.de/index.php?option=com_content&view=article&id=20469:theaterbrief-aus-harvard&catid=448&Itemid=99)
Medienschau Kammerspiele: Stadttheater ist nicht tot
Lieber Samuel Schwarz,
ich komme da nicht mehr mit. Das Stadttheater ist nicht tot. Mit guten Schauspielern und Schauspielerinnen, viel Phantasie und Können, Vitalität und Vielseitigkeit, Humor und Leichtigkeit, Gegenwartsbewusstsein und Zukunftskühnheit schaffen es auch die ollen Stadttheater, das Publikum zu amüsieren. Das erfordert auch eine kluge Dramaturgie, die nicht verkniffen ist und mit dem Theaterapparat die Welt retten will. Denn den Gestus der Weltrettung gebe ich gern an das Publikum ab. Da gehört er hin.
Medienschau Kammerspiele: Wiederauferstehung
Wie immer wenn der Tod des Kinos oder des Theaters aufgerufen wird, erfolgt die Wiederauferstehung. Das ist mir schon bewusst.
Nur sind die scheinbar erfolglosen Häuser in Zürich und München stärker mit dieser Wiederauferstehung verbunden, als dies die Kritiker:innen wünschen. Viele der da lancierten Innovationen sind - wie auch Benjamin von Blomberg meinte - unverhandelbar. Auch dann, wenn diese Teams nun dafür büssen müssten als Überbringer:innen dieser frohen Kunde. Brechts Versionen von 'Das Leben des Galilei' und seine 'Antigone' galten 1940 in Kalifornien, New York, Chur und Zürich als 'woke' Flops. Zwar gab es dieses Wort damals noch nicht, doch die Herablassung des bürgerlichen Betriebs war in etwa die gleiche. Das Resultat kennen wir und den Einfluss dieser Prototypen.
Medienschau Kammerspiele: Schultheater-Style
Bei meinem letzten eingeladenen Theaterbesuch in einem deutschen Stadttheater war es auch so, dass auf der Bühne wie im Schultheater ein Text vorgelesen wurde, wie krass am Ende die Welt ist, und wer alles diskriminiert wird, und dann hat es im Publikum von sich selbst anscheinend damit identifizierenden Personen ( zu denen ich mich durchaus auch hätte zählen können) jeweils dazu Szenenapplaus und Zurufe gegeben und es wurde sich dann noch irgendwie körperbildbezogen ausgezogen. Schließlich stellte sich raus, dass die meisten Plätze an Freunde und Freundinnen aus dem Umfeld der Intendanz vergeben worden waren. Der Rest des Theaters wirkte irgendwie verwaist und unlebendig. In mir erstarben komplett Denken und Inspiration während dieses Geschehens. Ich wurde dann danach intern darüber informiert, dass Schauspieler*innen zT rein körperlich als "fett gelesen " gecastet worden waren. Ich fragte mich, ob das alles die Zukunft eines relevanten Theaters sein kann, und es hat mich als mündige Person völlig erstickt und zugleich deprimiert. Ein verlorener und leerer Ort, die Anreise mit dem ÖPNV war ästhetisch und politisch interessanter als die 2h im Theater. Ich war seitdem nicht mehr im Theater und mache mir echt Sorgen, was aus alldem nur werden soll, wenn es so unfassbar schlecht, flach und so zutiefst bedeutungslos ist. Die armen Schauspielerinnnen, was soll aus denen nur werden, wenn die nur noch so einen vollkommen hohlen Krampf performen dürfen?
Medienschau Kammerspiele: Leitungshandwerk
Ich finde die Diskussion qualvoll Entweder-Oder-einseitig. Es gibt doch mittlerweile viele Theater verschiedener Größe, die inhaltlich und ästhetisch eine gute breite Mischung hinbekommen von Schauspielertheater bis zu Projekten und diskursiven Formaten. Und diese Theater erreichen verschiedene Gruppen diverser Stadtgesellschaften und versuchen sich dabei kontinuierlich zu erweitern. Das ist dringend an der Zeit. In Dortmund, Zürich und an den Münchner Kammerspielen richten die Leitungen ihre Spielpläne recht einseitig aus, und tun ihre Verachtung anderer Theaterformen offen kund. Damit haben sie das bisherige Publikum in großen Teilen schnell verloren und neues Publikum zu gewinnen, dauert. Das zeigt jede Besuchergruppen-Forschung immer und überall. Wer seine eigene Ideologie wichtiger nimmt als die Empirie über verschiedene Zielgruppen, hat halt leere Theater. Es gibt an allen diesen Theatern tolle, vielseitige Spieler*innen. Warum die Leitungen den Wandel nicht in einer guten Mischung und nach und nach gestalten, wenn das Publikum sonst mehrheitlich wegbleibt, verstehe ich nicht. Wer ein großes, hoch subventioniertes Theater radikal nur an der eigenen Agenda ausrichtet, hat Diversität auch falsch verstanden. Es geht nicht gegen das Neue, sondern um Balance. Und gute Balance ist auch Leitungshandwerk. Und das Traurige an diesen Beispielen ist: sehr konservative Kreise, die wirklich gegen das Neue und den Wandel sind, nutzen diese leeren Theater für wirklich einseitige Kampagnen. Dann können die anderen eine progressive Opfer-Gegenposition beziehen und nichts kommt voran.
Medienschau Kammerspiele: Einfach nur traurig
Abgewandert auf die andere Straßenseite

Man muss Christine Dössel nicht mögen (siehe Kusej), aber ihr Artikel trifft - zumindest für uns - die Münchner Stadtlage doch sehr genau. Wir (mit Lühr, Holzmann, Stein, Griem, Selge, etc. über Dorn "theatersozialisiert", dann Baumbauer, Simons und Lilienthal allemal mitgetragen) sind ob des "hohlen" Theaterstils auf die andere Straßenseite abgewandert, wo allemal spannenderes Theater (insbesondere Antigone) und schauspielermäßig besseres Theater geboten wird. Eine Entwicklung, die uns mehr als traurig stimmt.

#4 "Der Erfolg eines Theaters zeigt sich heute eher an der Leere der Ränge" - merkwürdige Auffassung - umstrittene Aufführungen haben sich on the long run immer durchgesetzt - z.B. eben Othello an den Kammerspielen; aber derzeit ist rein gar nichts umstritten, sondern nur noch performativ, immersiv, inklusiv oder mit englisch-sprachigem Titel (siehe SZ), wo kaum einer weiß, was das soll - nur neun besetzte Reihen bei einer Premiere spricht derzeit Bände, darf aber einen nicht kalt lassen, einfach nur traurig. Das Ganze hat aber auch nichts mit der Situation in Zürich zu tun.
Medienschau Kammerspiele: Sehnsucht nach Kunst
Sehr geehrter Herr Schwarz, zuletzt vor drei Tagen habe ich im Theater Kiel - ein Stadttheater - einen wunderbaren Abend erlebt. Niemand hat mich dort "hingepeitscht", im Gegenteil: ich erfreue mich schon an diesem ästhetischen und zugleich funktional konzipierten Raum, man sieht wirklich von jedem Platz gut auf die Bühne. Es hat auch etwas für sich, wenn die Vorstellung zum vorgesehenen Zeitpunkt beginnt. Das Publikum hat zusammen Spaß oder bibbert mit oder macht sich tiefgreifende Gedanken über die Abgründe des Menschen. Es gab auch keine "Militärparade", sondern eine packende, phantasiereiche, durchkomponierte Inszenierung: "Reineke Fuchs" von Goethe in einer Bearbeitung des Regisseurs Malte Kreutzfeldt. Also, da wurde gar nicht zackig marschiert! Das Ensemble hat vielmehr immer wieder Bewegungsmuster der dargestellten Tiere genutzt, um die menschlichen Schwächen der jeweiligen Figuren zu markieren. Eine bildkräftige Vorstellung: Mulch auf der Bühne als Wald und Arena, Pelze deuten die Tiere an, Statusspiele entzaubern den König; Verführbarkeit durch Reichtum, Manipulationskräfte des Reineke, der mal mit Charme, mal mit List und schalkhaften Augen, immer aalglatt alle anderen hereinlegt, die grenzenlose Dummheit der Langmütigen - und als Höhepunkt ein furioser Bühnenkampf. Phantastisch, da sieht man gerne über ein paar überflüssige Mätzchen hinweg. Ja, es war schön, sich nicht allein zu vergnügen am bedenkenswerten Stoff! So, und dafür liebe ich jedes Stadttheater, das so etwas kann. Warum rufen Sie denn nun unbedingt zum "Tod des Stadttheaters" auf? Sie sind doch nicht gezwungen hinzugehen. Ich gönne Ihnen Ihre Videos. Ich selbst sehne mich nach "Kunst" im Sinn von Frau Dössel und diese Art der Öffentlichkeit. Daher hoffe ich, dass es noch lange Stadttheater gibt.
Medienschau Kammerspiele: Siehe Residenztheater
Es ist doch Quatsch eine vermeintlich „wokeness“ gegen Literatur und Kunst auszuspielen. Gerade in München hat man doch gesehen, wie am Residenztheater Stücke, die den aktuellen gesellschaftlichen Diskurs aufgreifen, funktionieren. Die letzten Premieren „James Brown“ und „Götz von Berlichingen“ bespiegeln genau die Themen, die auch die Macher an den Kammerspielen interessieren. Es ist halt einfach besser gemacht. Da liegt der Unterschied.
Medienschau Kammerspiele: Antigone
Also diese 'Antigone' an den Kammerspielen, die da da immer wieder zitiert wird als scheinbar typisches und besonders abschreckendes Beispiel, wie es heute nicht gemacht sein soll - hat mich - rein von der Nacherzählung her über die Kritiken - schon mal sehr interessiert. Ich würde mich sehr freuen, wenn diese Produktion - und die Reaktionen auf sie - eine breite und nachhaltige Rezeption erfährt. Einfache Sprache - scheinbar dennoch tiefanhaltende Wirkung - inklusiv Affekte gegen diesen Stil - da ist alles enthalten, was diese Debatte hier ausmacht. So muss es sein. Solche Aufführungen bedienen die Zeitachsen eben anders. Entfalten Wirkung über das Zeitfenster ihrer Präsenz hinaus. Die Zeitenwende ist ebef nicht immer nur eine Floskel.

https://nachtkritik.de/index.php?option=com_content&view=article&id=22100:anti-gone-muenchner-kammerspiele-nele-jahnke-erzaehlt-die-sophokles-tragoedie-der-rebellischen-oedipus-tochter-in-leichter-sprache&catid=99:muenchner-kammerspiele&Itemid=40
Medienschau Kammerspiele: Schnelles Urteil
ZU #12
"Solche Aufführungen", "so muss es sein" - einfach Paar Kritiken gelesen, schon kann Samuel Schwarz kraftvoll über eine Aufführung urteilen? (...)
Medienschau Süddeutsche Zeitung: Absurd
Es ist doch absurd, dass Frau Dössel jetzt plötzlich die Ära Lilienthal so positiv bewertet. Das gleicht einer Amnesie. Ich ging und gehe gern in die Kammerspiele, habe meine Vorlieben, finde nicht alles gut, aber bin erstmal gespannt, wie sich die neue Intendanz verortet. Und es braucht Zeit. Dieses permanente Einhacken auf neue, andere Impulse ist sehr lästig, Frau Dössel, und es wiederholt sich einfach immer nur. Falls Sie sich nicht mehr erinnern, Sie fanden das Programm von Matthias Lilienthal konsequent daneben.
Medienschau Kammerspiele: Antigone-Festspiele
@alexander: Wie über Aufführungen geschrieben wird gehört zu dieser Branche mit dazu. Zudem haben wir hier in Zürich gerade eine monatelange Kampagne der Zeitungen erleben müssen, und können, anhand solcher vielsetiger Inszenierungsbeschriebe durchaus ermessen, wie sich eine Aufführung verortet. Diese "Antigone" in der Kammerspiele scheint gewisse Leute - unter anderem eben auch Frau Dössel - sehr provoziert zu haben, so wie die Ideologen des Vatikans empört waren über Predigten aus in gemeine Sprachen übersetzten Bibeln zu Zeiten Galileo Galileis. Dass eine "Antigone" in "einfacher Sprache" Liebhaber:innen von "Kunst" auf diese Weise provozieren und ärgern kann, ist äusserst bemerkenswert und lässt tief blicken. Ich geb es zu: Ich bin in dem Fall zu 100% bei der "einfachen Sprache" und weit weit weg von der "Kunst"-Auffassung einer Frau Dössel. Ich ziehe auch eine Antigone in "einfacher Sprache" der Antigone eines Slavoj Žižek vor (einem tendenziell doch eher chauvinistisch geprägten Geschwurbel, welches das Wasser eher trübt, damit es etwas tiefer scheine). Aber klar: die praktische Anschauung dieser beiden Aufführungen wäre doch nun ein potentielles Theaterfest - einer Weltstadt wie München würdig. @andreas beck/barbara mundel: Könnten sich nicht Residenztheater und Kammerspiele auf einen Sonntag einigen, an dem man um 12Uhr die eine und um 16 Uhr die zweite Antigone sehen kann? Und am Abend gäbe es ein Panel dazu? Die ersten Münchner-Antigone-Festspiele? Prickelnd wie die von der Antike inspirierte Münchner Bohème der 1920er rund um den Stefan George.Kreis. Ich wär dabei - gerne auch mit Lorbeer-Kranz und Toga - und käme auch gerne auf ein Podium mit Frau Dössel.
Medienschau Kammerspiele: Ideologische Kritik
War das nicht Frau Dössel, die entscheidend an der Vertreibung von Lilienthal beteiligt war? Wie absurd ist dann denn , jetzt so einen Artikel zu schreiben.Könnte es.sein, dass sie zu jener bürgerlichen Gruppe gehört,die zunehmend Angst hat, nicht mehr genügend dabei zu sein ,Platz machen´ zu müssen? Und das hat nichts mit Kunst zu tun, sondern ist nur Ideologie, die sich gerade durch viele Feuilletons zieht. Traurige Entwicklung für die Theater.
Medienschau Kammerspiele: Kritische Theaterblase
Ich finde es doch irgendwie bewundernswert, was Sie, Herr Schwarz hier immer wieder schreiben. Wie an Teflon gleitet jede Kritik an Ihnen ab, offensichtlich hinterfragen Sie Ihre eigenen Prämissen selten bis gar nicht. Das scheint mir doch wesentlich ideologischer als alle, die Sie hier schnell verdammen und vom Diskurs ausschließen. In meinen Augen ein Indiz dafür, dass die kritische Theaterblase sich selbst und Ihre Bedeutung nicht einordnen kann …
Medienschau Kammerspiele: Entsolidarisierung
Ich habe mich seit Jahren hier nicht mehr geäussert ... aber diese Schauspielhaus-Zürich Geschichte muss einen antriggern, als berufstätiger Mensch, der die "Marthaler bleibt-Aktion" als junger Mensch erlebt und mitgestaltet hat. Sie können sich vielleicht gar nicht vorstellen, wenn sie nicht in Zürich gelebt haben - mit welcher Wucht die Zürcher Zeitungen ab Sommer 2022 - parallel zu der "Winnetou-Debatte" in Deutschland - das Schauspielhaus angegriffen haben. Ohne öffentliche Gegenresonanz, ein kleines oberflächliches und dünnes Berichtchen in der linken WOZ als Ausnahme.

Das war kein ausbalancierter Streit von Meinungen, sondern eine extrem aggressive Kampagne gegen dieses Theater, nein, gegen die Idee von öffentlich finanziertem Theater überhaupt. Verbunden mit massiven Forderungen nach allgemeiner Subventionskürzungen. Es geht hier nun einen "Stil"-Streit, sondern um viel viel mehr, um einen grundsätzlicher Angriff auf die Institutionen. Welcher Scherbenhaufen hier in Zürich hinterlassen wurde - nach dem Schauspielhaus-Gate - wird erst nach der kommenden Gemeinderatsdebatte klar werden. Dass sich Theaterkünstler:innen gegen diese von ultrarechten initierten Kampagnen ( "Woke-Wahnsinn", "Gender"-Wahnsinn, "Das will doch niemand sehen", "politisch korrektes Belehrungstheater" etc) mit etwas Teflon einzuschmieren, ist aktuell nicht das dümmste. Der Theaterstadt München kann man nur empfehlen, mit Synergien und gemeinsamer Solidarität auf diese Attacken zu reagieren. Der Tsunami von Häme, der heute die Münchner Kammerspiele trifft, wird morgen das Resi treffen. Mein Vorschlag nach solidarischen und theaterdokussierten und glamourösen Antigone-Festspielen ist also kein Witz, sondern eine aus der kollektiven Praxis gewonnener Ratschlag, sich nicht entsolidarisieren zu lassen und die Häuser gemeinsam leuchten zu lassen. Diese Entsoldarisierung ist nämlich in Zürich passiert. Die freie Szene (aber auch das Neumarkt-Theater und das Theaterpektakel) hat - aus Angst vor Nachteilen, die aus systemischen Gründen aktuell allen drohen - das Schauspielhaus zu grossen Teilen im Stich gelassen. Eine müder offener Brief - nicht mal von allen unterschrieben - als nichts mehr zu retten war - machte man dann nur, um das Gesicht zu wahren. Vorher liess man sich instrumentalisieren - und schwieg - strategisch "klug", langfristig "dumm".

Gekürzt wird aber bald bei ALLEN werden, der Neid und die geschürte Konkurrenz sind das süsse Gift, das die Entsolidarisierung zwischen den Theatern vorantreibt. Und wenn mal gekürzt wird, ohne nennenwerten Widerstand auszulösen bei den "Grossen", dann wird klar, dass man bei den "Kleinen" sowieso kürzen kann. Und was diese "Quoten" angeht, es ist immer extrem relevant, dann und wie gemessen wird. Diese scheinbar schlechte Auslastung war ja schon Lilienthal vorgeworfen worden. Deshalb: Fallt nicht auf diese Lügen hinein. Lasst euch nicht entsolidarisieren.
Medienschau Kammerspiele: Viele Freunde
"Es ist an der Zeit, dies zu akzeptieren. Alles andere ist Ideologie." Ich danke Samuel Schwarz für diese Schlussbemerkung. Ich werde sie ab heute regelmäßig als Abschiedsgruß verwenden und mir damit viele Freunde machen.
Medienschau Kammerspiele: Heiße Luft
(...)
Frau Dössel trifft mit ihrem Artikel voll ins Schwarze. Und es gibt einen großen Unterschied zwischen Barbara Mundel und der Zeit von Matthias Lilienthal: Was ML machte, war streitbar, aber es gab eine Substanz, über die es sich streiten ließ und es sich zu streiten lohnte. Zur Zeit gibt es in den Kammerspielen nichts als heiße Luft. Nicht der Mühe wert darüber zu diskutieren. Oder gar dafür Eintritt zu bezahlen.
Medienschau Kammerspiele: Freund:innen
Lieber Fritz Bunt,
Sie haben Recht. Mit dieser Aussage mache ich mir ganz sicher keine Freunde. Aber vielleicht Freund:innen? Ich weise ja nur auf das ideologische Feld hin, auf dem Christine Dössel mit ihrem Artikel spielt. Die Intendantin fahre "mit ihrem Ansatz von Diversität, Inklusion und Artivismus einen Kurs woker politischer Theaterkorrektheit, der kaum ankommt". Das ist "ideologisch", weil sie damit die Anliegen von Minderheiten negativ bewertet. Man kann Anliegen von Minderheiten natürlich punktuell hinterfragen - aber es wäre ein Akt der Fairness, hier viel klarer zu sein, für welche scheinbare Mehrheit genau man sich dann mit solchen Aussagen einsetzt. Wenn Dössel aber auf diese Weise Anliegen und Themen von Minderheiten sehr negativ bewertet, dann wird vielleicht versucht die Anliegen der Mehrheitsgesellschaft als wichtiger zu bewerten, als die Anliegen dieser Minderheiten? Das ist durchaus erlaubt, ist aber eben "ideologisch". Es ist wiederum auch möglich, dass auch diese Publikumsschichten, die Christine Dössel mehr angesprochen haben möchte, letztlich auch eine "Minderheit" sind- im Verhältnis zu der Gesamtgesellschaft sein könnte. Einfach eine mit einer gewissen Bildungshintergrund, verbunden mit gewissen Privilegien? Für welche Mehrheit/Minderheit spricht also Frau Dössel? Darauf eine Antwort zu bekommen, wäre für den Diskurs hilfreich. Aber vielleicht weiss ja jemand hier eine Antwort? Aus meiner Sicht ist beispielsweise die "Positivität" der Antigone - die aus Sicht von Dössel "kramphaft" sei - eine durchaus interessante Kategorie, gerade auch in Hinsicht auf die Inhalte des "Antigone"-Stoffs. Diese "Antigone" auf "leichte Weise" zu erzählen ist ja nicht neue Idee, man lese dazu das gute alte "kleine Organon" von Brecht. Die Kategorie "leicht" ist da sehr "positiv" besetzt. Natürlich ist die (deutsche) Theaterpraxis tendenziell oft eher dunkel und düster - und sucht nach "Spannungen", und solche Spannungen, also "Kunst" vermisst scheinbar Frau Dössel. Die Worte, die für die Verteidigung dieser "Kunst" nutzt, sind aber allesamt aus dem Baukasten gewisser ideologischer Bewegungen, die eben auch "woke" und "politisch korrekt" und "Artivismus" negativ bewerten. Auf diese Wahl dieser Worte hinzuweisen und sie politisch einzuordnen - ist nicht zwangsläufig selber "ideologisch" - resp da müsste der Beweis schon noch erbracht werden, zumindest von jenen, die da einfach die Kammerspiele ingesamt negativ abwerten und deren Versuche. Auch "Son of Sam" wertet da einfach einfach kategorisch "alles" ab, ohne ins Detail zu gehen und auch klarer zu benennen , wen er selber vertritt (nebst sich selbst) und wen genau (auf dieser Kammerspiel-Bühne) ihn denn so stört.
Medienschau Kammerspiele: Geirrt
zu "einfache Sprache": Ich finde es große Klasse und Kunst, wenn man heute in der Lage ist, zu zeigen, dass ein lange früher verfasster/übersetzter Antigone-Text eine damals einfache, für die Sachlage einfach angemessene Sprache darstellte. Wenn man das nicht zeigen kann, dann zeigt das vor allem, dass man allein sprach-historisch unterbelichtet und allgemeinmenschlich zu unemphatisch für Theater und sein auf vergleichsweise alte Einfachheiten neugieriges Publikum ist.

zum "schnell verlorenen Publikum": Das Theater verliert ja so nicht sein Publikum, sondern verrät es als Theater - unbestimmt - liebendes. Und es spielt darüber hinaus mit solchen Argumenten das vergaulte "alte" gegen das nicht so einfach zu gewinnende "neue" als offenbar ökonomisch nötigen Ersatz für das "alte" aus. Es will offenbar "altes" UND "neues" Publikum nicht gemeinsam partizipierend im Theater wissen. Das ist dann Verrat an der demokratischen Gesellschaft überhaupt, die ja insgesamt IMMER aus dem realen UND dem potentiellen Publikum besteht. - Jut. Dann darf es sich halt nicht wundern, wenn es den Verrat entsprechend quittiert bekommt. Besser: Es darf schon, sollte aber dies im eigenen Interesse ausschließlich mit KÜNSTLERISCHEN Mitteln tun und nicht politaktionistisch...

Ich vermag die konkrete Situation in München nicht einzuschätzen, muss aber zugeben, dass ich Mundel es zugetraut hätte, nach Lilienthal spannungsvolles Münchner Kammerspiel-Theater für "alle" zu machen. Da habe ich mich scheinbar geirrt. (?)
Medienschau Kammerspiele: Chapeau!
Ich möchte an dieser Stelle einmal dem unermüdlichen Einsatz von Samuel Schwarz danken, der die Debatte aus meiner Sicht konstruktiv voranzutreiben versucht.
Medienschau Kammerspiele: Nicht einfach, sondern leicht
#22 u.a.: Vielleicht eine kurze Einordnung bzgl. der hier oft angesprochenen Antigone-Inszenierung:

Der Text, der in der Aufführung verwendet wird, ist nicht in 'einfacher Sprache', sondern in 'leichter Sprache' verfasst. 'Leichte Sprache' ist eine speziell geregelte, sehr leicht verständliche Sprache, deren Regelwerk 2006 vom Verein 'Netzwerk Leichte Sprache' publiziert wurde. 'Leichte Sprache' richtet sich an Menschen mit geringer deutscher Sprachkompetenz, z.B. an Menschen mit geistiger Beeinträchtigung bzw. Behinderung.

Es geht bei dieser Arbeit also um Barrierefreiheit und Inklusion und um eine Ansprache von Menschen (meinetwegen: Zielgruppen), die im regulären Theaterbetrieb - zumal bei der Inszenierung von griechischen Klassikern - kaum (nie?) angesprochen werden - da kann man als halbwegs empathischer Mensch doch nichts dagegen haben, oder?

Mit 'sprach-historischer Unterbelichtung' hat das absolut nichts zu tun. Es darf doch bitte Arbeiten geben, die sich explizit nicht / nur unter anderem an ein bildungsbürgerliches Stammpublikum richten. - Damit ist natürlich nicht gesagt, ob die konkrete Arbeit gelungen ist oder nicht. Das wäre zu diskutieren und liegt ja eh im Auge des*der Betrachter*in.

Stichwort Bildungsbürgertum: Ich wundere mich schon sehr (oder auch nicht) über diese ganze Diskussion hier (und anderorts). Es scheint mir, als ginge es weniger um 'die Kunst', sondern um Privilegien - v.a. um das Privileg des 'kulturellen Kapitals', das jetzt plötzlich - oh Schreck! - mit Menschen geteilt werden soll, die dieses kulturelle Kapital sonst nicht haben / hatten. (...)

Neben der von Samuel Schwarz ins Spiel gebrachten Ideologie wäre das Stichwort 'Klassismus' jedefalls eine weitere Ebene, mit der sich diese ganze Posse trefflich analysieren ließe.
Medienschau Kammerspiele: Sprachkompetenz
#24: Hm. Meiner Erfahrung nach gibt es jetzt nicht so viele Menschen mit geringer deutscher Sprachkompetenz, die nicht in der Lage wären den Klang und den Grad der Dringlichkeit undoder die Gestimmtheit einer Figurenrede in - ja, bitte!!! - Klassismus als reguläre dramaturgische Interpretationsebene! - eindeutig dargestellten Macht-Verhältnissen in figurenspezifisch dargestellten Lebens-Verhältnissen - zu verstehen.

Mir scheinen übrigens zu solchem Verständnis unter den Menschen mit geringer deutscher Sprachkompetenz gerade jene mit "geistiger Beeinträchtigung bzw.Behinderung" besonders geeignet. Ich habe jedenfalls als halbwegs empathischer Mensch nicht das Gefühl, dass man Menschen mit geistiger Beeinträchtigung oder Behinderung mit extra "leichter" Sprache ansprechen bzw. unterhalten müsse, weil ich die irgendwie für nicht weniger und nicht mehr geistig beeinträchtigt und behindert halte, als mich in dieser Welt selbst. (Oh Schreck - als, wie mir scheint, Kulturkapitalist plötzlich das Gefühl von landläufig als Unterpriviliertsein bezeichneter geistiger Behinderung oder Beeinträchtigung teilen zu müssen!)
Etwas anderes ist es, wenn solche Menschen selbst interpretieren. Dann kann man sich auf genau die Sprache verlassen, die sie ganz allein für eine Figur, eine Situation und ein darzustellendes Macht-Verhältnis finden... Ging es in dieser hier thematisierten Antigone um solche "inklusiven" Arbeitsweisen an einem Stoff?

Für mich bleiben zwei - leichte - Fragen nach dem Lesen Ihres Kommentars:
Ist dieses Ganze tatsächlich eine "Posse"? Und wenn ja, muss man was analysieren, bloß weil es analysiert werden könnte?
Medienschau Kammerspiele: Kommentar-Kritik
Tja #23,ich finde, man kann es auch genau anders sehen. Ich fühle mich konfrontiert mit endlosen ermüdenden Beiträgen von Herr Schwarz, die in Ihrer Gänze überhaupt nicht mehr zu verstehen sind und permanent nur eine subjektive Meinung vertreten, die von Samuel Schwarz seit langem bekannt ist. Was mich aber am meisten stört ist folgendes: Es klingt immr so, als sei Herr Schwarz in allen Theatern im deutschsprachigen Raum aufs Beste informiert, als sei er bei allen Leitenden permanent vor Ort und führt wichtige Gespräche mit Jenen und wüßte wie es in den Bäuchen der Theater zugeht. Das er gut vernetzt ist streite ich nicht ab. Aber da ist sehr vieles von dem was er schreibt
unüberprüfbar. Und genau hier setzt meine Kritik an der Plattform Nachtkritik und ihren Redakteurinnen und Redakteuren an.
Wenn man sich alle Ergüsse einmal genau durchliest, gibt es eine Fülle von unüberprüfbaren Behauptungen, die Nachtkritik einfach durchwinkt. Nachtkritik behauptet ja immer konsequent unüberprüfbare Behauptungen zu streichen. Samuel Schwarz schreibt ja, er hätte sich seit Jahren nicht auf Nachtkritik geäußert. Ob er das selber glaubt?

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Lieber Chris P.,

wir haben eine von Ihnen zurecht beanstandete Stelle in einem vorherigen Kommentar gestrichen und darüber hinaus Ihren Hinweis zu dieser aus Ihrem Kommentar herausgekürzt, damit die Formulierung nicht wiederholt wird.

Herzliche Grüße,
Die Redaktion
Medienschau Kammerspiele: Quatsch
Samuel Schwarz: "Ich habe mich seit Jahren hier nicht mehr geäussert ... "

Also das ist nun wirklich Quatsch .
Medienschau Kammerspiele: Replik
#25 Ich kenne Ihre Erfahrungen mit Menschen mit Behinderung nicht und auch nicht die soziale Position, aus der heraus Sie argumentieren. - Aber auch dies hier zur Einordnung: 'Leichte Sprache' ist für ca. fünf bis sieben Prozent der Gesamtbevölkerung eine wichtige (wenn auch nicht die einzige) Voraussetzung für gesellschaftliche (und auch kulturelle) Teilhabe. Dieser Gruppe kann (sollte?) man als öffentlich geförderte Kultureinrichtung durchaus ein künstlerisches Angebot machen. Das haben die Kammerspiele mit ihrer Antigone-Inszenierung getan - fair enough.

Nun sind fünf bis sieben Prozent keine besonders große gesellschaftliche Gruppe, könnte man meinen. Aber ist das wirklich ein Grund, solche inklusiven Ansätze zu delegitimieren (siehe: 'wokeness' als Standardbegriff rechten Framings)? Vor allem, wenn man bedenkt, dass die Gruppe derjenigen, die regelmäßig ins Theater geht, nicht recht viel größer sein düfte ...

Ob der Versuch der Kammerspiele geglückt ist - nicht nur künstlerisch, sondern auch im Hinblick auf ein neues, für Theater neu begeistertes Publikum -, weiß ich nicht. Aber einen Verrat (welch dramatisches Wort) kann ich nicht erkennen ...
Medienschau Kammerspiele: Was ist ein guter Theaterabend?
Liebe Theaterkritiker*innen, Kammerspiele-Dramaturg*innen und Nachtkritik-Kommentierende, wenn ich hier ein Emoji posten könnte, dann das mit dem explodierenden Kopf! Wann kann ich endlich wieder steuerkartenunberechtigt ins Theater gehen und trotzdem einen guten Abend haben?
Medienschau Kammerspiele: Bitte der Redaktion
Liebe Kommentator:innen,

die Diskussion hat sich vom eigentlichen Thema entfernt und ist ins Persönliche abgedriftet. Lassen Sie uns doch bitte wieder zu mehr Sachlichkeit zurückkehren.

Viele Grüße aus der Redaktion!
miwo
Medienschau Kammerspiele: Verwirrt
Frage: Warum diskutieren wir anhand von einem Artikel von Frau Dössel die Münchener Kammer? Schreibt da noch wer anderes was drüber? Oder hat Frau Dössel den Alleinvertreter:innenanspruch auf Einordung von Zahlen aus dem Halbjahr? Ich bin aufrichtig verwirrt. Daß Frau Mundl arbeitet, wie Frau Mundl arbeitet ist doch bekannt. Daß die einen mit Kunst im Theater Literatur meinen und die Arbeit am Wort damit verbinden, und die anderen mit Theaterkunst Situatives meinen und die Arbeit an den Verhältnissen, ist ebenfalls bekannt. Daß das keine entweder-oder ist, aber dennoch eine Priorität in der Arbeitsstruktur bedeutet, wissen mindestens diejenigen, die sich damit beschäftigen und also Intendant:innen bestellen, oder auch Artikel über ganze Häuser (und nicht nur einzelne Produktionen) schreiben.
Wenn es also wirklich gleich ums Ganze geht, dann fehlt mir im Moment noch die eine oder andere Perspektive mehr. So drängt sich mir der Eindruck auf, daß die Stadt München immer wieder mutig vorangehen will, um dann aber ganz schnell Platz zu machen für (...) Frau Dössel, die dann (...) urteilt. Wenn dem so ist, würde ich auch hier gerne mal für etwas Abwechslung im "Spielplan" plädieren und ein paar andere Autor:innen lesen wollen.
Medienschau Kammerspiele: Dank & Nerv-Aspekte
Danke an Samuel Schwarz für seine zahlreichen Beiträge auf Nachtkritik!

Mir gehen Aspekte der Debatte inzwischen gehörig auf die Nerven. Beispiel "Antigone" - dieses Stück kann man andauernd irgendwo sehen, und das seit Jahrhunderten. Es ist doch sowas von völlig in Ordnung, wenn ein Regieteam sich entschließt, an der Sprachschraube zu drehen. Das ist sogar sehr interessant! Warum sich da gewisse Theaterfreund*innen schleunigst in die selbst gegrabenen Schützengräben begeben, ist mir schleierhaft.
Medienschau Kammerspiele: Bitte mehr Differenzierung
Die einzelnen Inszenierungen in der Intendanz von Barbara Mundel und ihrem Team sind aus meiner Sicht in ihrer Theaterkunst sehr unterschiedlich:

Der Doppelabend „Nora“ & „Die Freiheit einer Frau“ (Regie: Felicitas Brucker, Dramaturgie Tobias Schuster) zur aktuellen Spielzeiteröffnung hat mich begeistert. Vgl. unter #1 meiner Kritik:
https://nachtkritik.de/index.php?option=com_content&view=article&id=21508:nora-die-freiheit-einer-frau-muenchner-kammerspiele-felicitas-brucker-erzaehlt-mit-henrik-ibsen-und-edouard-louis-vom-leiden-an-haus-und-ehe&catid=99:muenchner-kammerspiele&Itemid=40

Diese „Nora“-Inszenierung ist zum Berliner Theatertreffen 2023 als eine der 10 bemerkenswertesten Inszenierungen eingeladen, leider nicht als besonders beeindruckende Doppelinszenierung.

Politisch korrekt oder genauer politisch bemüht, doch kaum inszeniert erschienen mir drei der letzten Kammerspiel-Arbeiten im Schauspielhaus:
„Das Erbe“ (Regie: Pınar Karabulut, Dramaturgie von Mehdi Moradpourwar) war für mich ein Ärgernis:
Vgl. unter #4:
https://www.nachtkritik.de/index.php?option=com_content&view=article&id=21722:das-erbe-muenchner-kammerspiele-pinar-karabulut-nuran-david-calis&catid=99:muenchner-kammerspiele&Itemid=40

„Göttersimualtion“ (Text und Regie: Emre Akal, Dramaturgie: Olivia Ebert) bleibt bei der Nutzung der digitalen Medien in Klischees von alt und jung und verpasst eine Erkundung der Wirklichkeitskonstruktionen junger Menschen mit und in der digitalen Welt. Die eingesetzten Kinder und Jugendlichen sagen weitgehend starr Sätze auf und erscheinen eher als bewegte Theaterobjekte denn als Subjekte mit ihrer je eigenen digitalen Lebenspraxis. Eine Auseinandersetzung zwischen einem Leben in der analogen und einem in der digitalen Welt sowie ihren Wechselbeziehungen findet leider nahezu nicht statt.

„Anti War Women“ ist aus meiner Sicht ein bemühter Geschichtsunterricht (Regie: Jessica Glause, Dramaturgie: Olivia Ebert)
Vgl. unter #1:
https://nachtkritik.de/index.php?option=com_content&view=article&id=22265:anti-war-women-muenchner-kammerspiele-jessica-glause-und-ensemble-erzaehlen-von-dem-frauenfriedenskongress-aus-dem-jahr-1915-den-zwei-muenchnerinnern-initiierten&catid=99:muenchner-kammerspiele&Itemid=40

Die Münchner Kammerspiele sind jedoch weder Volkshochschule, Schulunterricht in Politik und Gesellschaftskunde noch Selbsthilfegruppe! Auch wenn ich Volkshochschule, Schulunterricht und Selbsthilfegruppen schätze, erwarte ich von einem Theater etwas anderes: Die Münchner Kammerspiele haben als Theater der Stadt den Auftrag, sich als Theater mit seinen künstlerischen Mitteln kritisch mit Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft unserer Gesellschaft auseinanderzusetzen und hierzu die Theatergänger:innen mit theatralischen Mitteln einzuladen. Daher stellt sich für mich – wie in meiner Kritik zu das „Das Erbe“ bereits geschrieben – die Frage einer wirksamen künstlerischen Qualitätssicherung an den Münchner Kammerspielen. Aus meiner Sicht sollte diese jedoch innerhalb des Theaters und nicht durch einen externen „Kammer-Rat“ erfolgen.

Theaterkunst und politische Positionierung sind kein Gegensatz, sondern können sich anregend ergänzen. „Das Oktoberfestattentat“ von Christine Umpfenbach aus 2020 ist ein Beispiel für gelungenes Dokumentartheater. „Eine Jugend in Deutschland“ auch aus 2020, hat mich als politisch engagiertes UND kunstvoll spielfreudiges THEATER berührt, unmittelbar und auch reflektierend im Nachgang (Regie: Jan-Christoph Gockel, Dramaturgie: Viola Hasselberg). Vgl. meine Kritik auf Nachtkritik.

Als leidenschaftlicher und zur Zeit der Intendanz von Frank Baumbauer und Johan Simons oft begeisterter Theatergänger gehe ich aus den mir aktuell angebotenen Aufführungen meines Premierenabos an den MK zu häufig enttäuscht und genervt raus. Für mich ist es ein großer Verlust.

Im Unterschied zur Kammerspiel-Inszenierung des älteren Stücks von Sivan Ben Yishai „LIEBE / Eine argumentative Übung“ konnte ich bei der Regiearbeit von Pınar Karabulut für „Like Lovers Do (Memoiren der Medusa)“ keine überzeugende Inszenierungsidee erkennen. Mir erschienen die Tanzeinlagen – ich mag sie nicht Choreografie nennen – beliebig, die Songs anbiedernd unterhaltend. „Bekanntes soll Erkanntes werden“, schrieb Brecht. Dies wäre eine Erforschungsperspektive für diesen sicher nicht leicht zu inszenierenden Text gewesen. Leider gefällt sich diese Aufführung in Oberflächlichkeiten und verpasst es, den anspruchsvollen und herausfordernden Text mit den Mitteln des Theaters und einer überzeugenden dramaturgischen Idee in seiner Tiefe umzusetzen. Um so bedauerlicher, dass es die Uraufführung dieses neuen Textes von Sivan Ben Yishai war.

Auch die Eröffnungsinszenierung der Kammerspiele unter der neuen Intendanz von Barbara Mundel „Touch“ – jetzt wieder aufgenommen – mit einem Text und der Regie von Falk Richter sowie der Choreographie von Anouk van Dijk (Dramaturgie: Tobias Schuster) erschien mir oberflächig und effekthascherisch. Die gezeigten biographischen Beschreibungen, welche Folgen die Covid-19 Kontaktbegrenzungen auf die individuelle Lebensführung haben, wiederholen das, was wir schon allzu oft gelesen oder gehört haben. Anders als auf der Homepage angepriesen, werden leider keine „ungehörten Geschichten“ erzählt. Vor allem Tiefgang und erhellende, erforschende Untersuchungen habe ich bei dem von Falk Richter verantworteten Text vermisst. Der Tanz von Anouk von Dijk und ihren Tänzer:innen in der entwickelten „Countertechnique“ hat mich phasenweise berührt.
Vgl. unter #3:
https://www.nachtkritik.de/index.php?option=com_content&view=article&id=18676:touch-muenchner-kammerspiele-falk-richter-und-anouk-van-dijk-lassen-sich-von-den-corona-beschraenkungen-in-den-szenischen-aktionismus-treiben&catid=99&Itemid=84

Hingegen hat der Abend „Wer immer hofft, stirbt singend“ für mich einen ganz eigenen Charme und theatralischen Ausdruck (Regie von Jan-Christoph Gockel, Dramaturgie von Viola Hasselberg und Claus Philipp)

Im besten Sinne unterhaltend war für mich „Jeeps“, eine Produktion aus 2021 (Text und Regie: Nora Abdel-Maksoud, Dramaturgie von Olivia Ebert und Nora Haakh)

Selbst noch nicht gesehen habe ich „Green Corridors“ von Natalia Vorozhbyt in der Regie von Jan-Christoph Gockel. Diese Inszenierung kletterte aktuell „an die Spitze der nachtkritik.de-Hitliste“, auf Platz 1 der dort bei Kritik und Publikum in der deutschsprachigen Schweiz, Österreich und Deutschland gerade für verstärkte Aufmerksamkeit sorgenden Inszenierungen.
Vgl.: https://nachtkritik.de/index.php?option=com_content&view=article&id=5301:die-nachtkritik-charts&catid=609&Itemid=100079
Nachtkritiker Martin Jost findet: "So etwas hat München noch nicht gesehen."
Medienschau Kammerspiele: Widerspruch
Lieber Peteranderl,

interessant, wie unterschiedlich Wahrnehmungen sein können. Ich fand z.b. Nora einen Abend wie er auch hätte auf einer normalen Staatstheaterbühne stattfinden können. Nicht besonders originell und eher langweilig. Den zweiten Teil, der nicht eingeladen wurde, fand ich viel interessanter, da ich darin einen Wahnsinn erspürt habe, der viel mit mir gemacht hat! Großartig! Hingegen Göttersimulation fand ich künstlerisch gerade deshalb so toll, da es eben nicht in die Bemühung gegangen ist, Erlebniswelten zu erzählen und damit in eine soziologische Falle zu tappen, sondern im Gegenteil einen künstlerischen Raum geöffnet hat, den man nicht im Inhalt, sondern im Draufschauen begreifen kann: Die absolute Überflutung mit Bildern und Momenten - die meiner Meinung nach ein großartiges Bild unserer Gegenwart war. Ein Abend der überfordernd war und ich schätze genau das sollte ich erleben! Daher mochte ich es sehr! Green Corridors mochte ich auch sehr gerne, da ich den Zugriff und die Bilder mochte und die Umsetzung, die einen zum Lachen brachte, bei diesem schweren Thema, das ganze zu etwas ganz Besonderem machte.
Es ist eben viel dabei für jeden. Ich denke, man muss offen sein in seinen Seegewohnheiten und der Frage, was Theater ist und soll.
Medienschau Kammerspiele: Schade
Hallo Hr Martinez,
die Inszenierung: „Die Freiheit einer Frau“ hat mich inhaltlich und vor allem künstlerisch deutlich mehr beeindruckt. Ich bin ganz Ihrer Meinung: Großartig! So habe ich es in meiner ursprünglichen Kritik nur zum Doppelabend auch zum Ausdruck bringen wollen, siehe Link. Deshalb fand ich es ja so schade, dass zum Theatertreffen in Berlin „nur“ „Nora“ und nicht der zweite Teil, „Die Freiheit einer Frau“, eingeladen worden ist.

Danke, für Ihre Sicht auf „Göttersimulation“, auch wenn ich Ihnen hier nicht folgen kann. Mich hat dieser Abend in seinen Klischees eher gelangweilt. Doch fein, wenn es für Sie ein anderes Erleben dieser Inszenierung gab.
Mit theaterliebenden Grüßen, Andreas Peteranderl
Medienschau Kammerspiele: Nachtrag
Nachtragen möchte ich noch die für mich sehr sehenswerte Inszenierung: „Frau Schmitfährt über die, oder“ (Text & Regie: Anne Habermehl, Dramaturgie: Viola Hasselberg). Zwei weitere Produktionen sollen folgen.
Medienschau Kammerspiele: Mutig
Lieber Andreas Peteranderl,

Ah, dann habe ich das nicht ganz rauslesen können, Freiheit einer Frau, ja, großartig! Zum anderen Stück: Aber genau darum ging es doch, um die reine bunte Oberfläche der Gegenwart, die ganz gewiss überfordert. Am schönsten fand ich die Versöhnlichkeit zu erkennen, dass junge Menschen und ältere Generationen im Grunde in der gleichen Situation stecken und somit sich gar nicht so fremd sind. Meine Tochter mit 17 Jahren hat sich extrem damit verbinden können und ist gleich mit 10 ihrer Freundinnen nochmal hineingegangen. Außerdem habe ich das Stück Antigone gesehen und mochte viele Anteile daran, ich fand es vor allem mutig, mit so einem Stoff umzugehen. Das alles widerspricht natürlich den Erwartungshaltungen - allerdings ist es eben auch mutig für ein Theater.
Medienschau Kammerspiele: Differenzierung
Als Hochschullehrerin, die ihre Arbeitsschwerpunkte in den Bereichen der zeitgenössischen Dramatik, Literatur und Kunst hat, kann ich nur sagen, die Kammerspiele waren und sind (!) ein wichtiger Bezugspunkt für die Beschäftigung mit zeitgenössischen Ausdrucksformen. Immer wieder gehe ich mit meinen Studierenden in die dortigen Inszenierungen, suche das Gespräch mit den Akteur*innen des Hauses und erlebe den Austausch als äußerst produktiv. Diese Auseinandersetzungen sind sowohl für die jungen Menschen als auch für mich stets mit einer Hinterfragung gängiger Denk- und Wahrnehmungsgewohnheiten verbunden, mit einer kritischen Auseinandersetzung mit gesellschaftspolitischen Themen, die in der Summe nicht nur einen Erkenntnisgewinn generieren, sondern auch zu einer Haltungsfindung auffordern. Was kann Theater mehr leisten? Mir scheint, dass Christine Dössel hier einen normativen Kunstbegriff zugrunde legt, der weder zeitgenössischen Theaterformen gerecht wird, noch differenzierte Betrachtungsweisen zulässt. Zu pauschal sind die Urteile, zu wenig Substanz für eine ernsthafte Auseinandersetzung, für die es sich lohnt, in den Ring zu steigen. Zudem hat man den Eindruck, Dinge wiederholen sich, auch das hinterlässt einen fahlen Beigeschmack – scheinbare Diskursmacht statt ernsthafter Auseinandersetzung. Zum Glück gibt es auch andere Perspektiven auf die Arbeit der Kammerspiele, daher tut das Haus vielleicht gut daran, sich nicht auf diese Art von Inszenierung einzulassen.
Vielmehr bewundere ich den Mut, mit dem das Haus konsequent neue Wege geht, Theater als Experimentierfeld versteht, Grenzen zwischen sog. freier Szene und institutionalisiertem Theater aufhebt, immer wieder Expert*innen des Alltags als integralen Bestandteil der eigenen Arbeit versteht und sich so auch die Chance auf ein produktives Scheitern nicht nehmen lässt.
Dass diese Arbeit sehr wohl anerkannt wird, zeigt sich u.a. an der schon erwähnten Einladung zum Berliner Theatertreffen und wer die Chance hat, Nora und Die Freiheit einer Frau im Doppelpack zu sehen, sollte sie sich nicht entgehen lassen, spinnt doch Felicitas Brucker die in Nora aufgenommen Fäden in der Freiheit weiter und dies mit einer Dringlichkeit und ästhetischen Präsenz, die seinesgleichen sucht. Nicht umsonst setzen sich fast alle theaterwissenschaftlichen Kurse mit eben dieser Inszenierung auseinander. Auch bei den Salzburger Festspielen sind die Kammerspiele vertreten mit einer Inszenierung von Karin Henkel (Liebe) nach einem Film von Michael Haneke.
Unbedingt auch zu erwähnen ist die grandiose Umsetzung von Wolfram Lotz‘ Langgedicht Die Politiker (Regie: Felicitas Brucker), in der sich die Spieler*innen auf intensive Sprachkaskaden einlassen, sie in eine Körpersprache überführen und ihren ganz eigenen Sprachrhythmus finden. Während hier mit klaren Bildern und einer Ästhetik der Reduktion gearbeitet wird, kann man bei der Uraufführung von Thomas Köcks Eure Paläste sind leer durch Christoph Gockel die ganze Fülle des theatralen Raums bestaunen und nicht zuletzt das einzigartige Puppenspiel von Michael Pietsch. Die Kammerspiele verbinden sich immer wieder mit den Arbeiten junger Dramatiker*innen und Regisseur*innen und geben damit einer neuen Sprache und Ästhetik Raum. Dazu gehört auch die Uraufführung der Göttersimulation von Emre Akal, die bereits in den Kommentaren angesprochen wurde. Weit entfernt von „Klischeehaftigkeit“ schafft Akal (Autor und Regisseur) hier ein vielschichtiges Gesamtkunstwerk von Text, Bild und Sprache und überführt damit den Theaterraum in einen mehrdimensionalen Sinnenraum. Die Auseinandersetzung mit analogen und digitalen Welten ist dabei nur ein Faden, der sich durch das Stück zieht. Es geht auch um die Frage der Schuld, den Konflikt zwischen den Generationen und letztlich die Frage, wie kann (Zusammen)Leben stattfinden in einer sich verändernden Welt. Dabei setzt Akal weniger auf Antworten und hebt an keiner Stelle den moralischen Zeigefinger, vielmehr werden Fragen gestellt und die Zuschauer*innen mit einer Ästhetik der Überforderung konfrontiert, die absolut stimmig inhaltliche Aspekte in der Form widerspiegelt. Die chorischen Elemente erinnern an einen antiken Chor, in denen die Spieler*innen keinesfalls zu „Theaterobjekten“ werden, sondern vielmehr ihrer Wut und Verzweiflung Ausdruck verleihen, gegen das Moment der Entindividualisierung ankämpfen, das Geschehen zuweilen auch kommentieren und sich selbst und ihre Sicht auf die Dinge immer wieder in Frage stellend. Aufgebrochen werden diese Elemente mit fast leisen Szenen, die einen Kontrapunkt zu der Wucht der Inszenierung setzen, es finden Begegnungen statt, fragile, rührende Annäherungen. Und nicht zuletzt: Immer wieder wird auf der Bühne über Möglichkeiten und Grenzen der Sprache und letztlich des theatralen Raums reflektiert. Akals Text macht damit vor allem eine Metaebene auf, mit der es sich lohnt, mehrfach auseinanderzusetzen. Stoff dazu gibt es allemal und es arbeitet weiter, wenn man nach Hause geht. Was will Theater mehr?
Medienschau Kammerspiele: Nachtrag
Ich hoffe sehr, dass es noch die zwei angekündigten Folgearbeiten von Anne Habermehl geben wird.

„Frau Schmid fährt über die Oder“ hat mir jedenfalls einige tiefergehende Fragen offeriert. Vgl. unter #1:

https://nachtkritik.de/index.php?option=com_content&view=article&id=20087:frau-schmidt-faehrt-ueber-die-oder-muenchner-kammerspiele-anne-habermehl-bringt-ihr-neues-stueck-selbst-zur-urauffuehrung&catid=99:muenchner-kammerspiele&Itemid=40
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