Der Menschenfeind - Bernadette Sonnenbichler inszeniert Molières Klassiker am Staatsschauspiel Stuttgart
Trippeln, Wippen und Verrenken
von Verena Großkreutz
Stuttgart, 23. Februar 2019. Wahrlich bizarr, dieser Dichterling Oronte. Wie er in mehreren Anläufen sein Möchtegern-Sonett "Hoffnung" zum Vortrag bringen will und dies mit merkwürdig exaltierten Armschwüngen untermalt, sich immer mehr hineinsteigert in seine holprigen Verse, dabei fast in Ohnmacht fällt. Aber noch bizarrer als seine Bewegungen ist Orontes Kostüm, in das Sven Prietz gesteckt wurde: Grüner, schulterfreier Wams, goldene Plateauschuhe und Pluderhose überm Kugelbauch, eine riesige Perlenkette um den Hals. Solche bunten, eigenwilligen Outfits tragen alle Menschen des Hofstaats in Bernadette Sonnenbichlers Inszenierung von Molières Komödie "Der Menschenfeind" im Schauspielhaus Stuttgart. Auch der einsamen Arsinoé (Katharina Hauter) hat Kostümbildnerin Tanja Kramberger was Todschickes verpasst: Die Perücke, geformt wie zwei Riesenhörner, thront zentnerschwer auf ihrem Kopf, ihr lila Reifrock geht in die Breite wie ein sperriges Schutzschild.
Die sieben Todsünden / Seven Heavenly Sins - In Stuttgart etabliert Anna-Sophie Mahler zusammen mit Peaches einen queerfeministischen Blick auf Brecht und Weills Stoff
Schluss mit dem Penisneid!
von Georg Kasch
Stuttgart, 2. Februar 2019. Jetzt wird der Spieß mal umgedreht. "Put your dick in the air" gellt es durch den Raum, "We're sick of hands in the air / And shake our asses like we don't care / We've been shaking our tits for years / So let's switch positions, no inhibitions, fears". Kurz: Mann, leg dich hin, stell deinen Schwanz auf, ich regel den Rest. Die Kampfansage ist deutlich, die Sängerin Peaches lässt in ihrem Song Dick in the air nicht viel Interpretationsspielraum.
Das Imperium des Schönen - Nis-Momme Stockmanns Kultur-Clash-Stück von Tina Lanik in Stuttgart uraufgeführt
Ich ist eine Oberfläche
von Steffen Becker
Stuttgart, 31. Januar 2019. Die Konvention der Kritik gebietet, bei der Uraufführung eines Stücks erst mal dessen Geschichte zu schildern. Gleichzeitig interessiert die Leser*innen das Drama drumherum wahrscheinlich mehr. Bei der Premiere von "Das Imperium des Schönen" von Nis-Momme Stockmann war im Publikum deren Verschiebung um zwei Wochen beliebtes Thema. "Jeder hat seine Sorgfaltspflicht gegenüber der Kunst", ließ sich der Autor gegenüber der Regionalzeitung zu den Gründen aus, warum Regisseurin Nummer 1 gehen musste. Klingt ziemlich nach "die war unfähig, meinen Text auf die Bühne zu bringen". Wäre Stockmann eine seiner Figuren, würde er diese Interpretation zurückweisen.
Bartholomäusnacht - Religionskriege und Königsränke damals und heute beschäftigen Ewelina Marciniak in ihrer Freiburger Uraufführung einer Dumas-Version von Czaplinski/Billenkamp
Zwischen Lüstern- und Zerschundenheit
von Jürgen Reuß
Freiburg, 25. Januar 2019. Heinrich II. liegt in Unterhose tot vorm Vorhang, seine Nächsten, in Hieronymus-Bosch-Lustgarten-Gewänder gehüllt, umstehen ihn. Für die polnische Regisseurin Ewelina Marciniak, die nach ihrem beeindruckenden Sommernachtstraum mit "Die Bartholomäusnacht“ zum zweiten Mal in Freiburg inszeniert, ist das so etwas wie die zentrale Familienaufstellung, die etliche Jahre später dazu führt, dass die als Aussöhnung von Protestanten und Katholiken im Frankreich des 16. Jahrhunderts propagierte Hochzeit von Margarete von Valois und Heinrich von Navarra in ein Pogrom an Protestanten ausartet.
Regie: Thorsten Weckherlin
Regie: Peer Ripberger
Regie: Anna Bergmann
Regie: Jan Jochymski
Regie: Burkhart C. Kosminski
Regie: Péter Sanyó
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