Rap of Change

17. Juni 2023. Kann es ernsthaft als feministisches Projekt durchgehen, die eigene Hausarbeit zu delegieren, nur weil frau die Putzkraft "fair bezahlt"? Das ist lediglich eine der Klassismus-Fragen, die Regisseurin Sylvia Sobottka an ihrem recherchebasierten Abend aufwirft. Im Zentrum steht eine polnische Frau, die ihrem Geliebten nach Deutschland folgt.

Von Andreas Schnell

Sylvia Sobottkas "Mach es gut!" am Theater Bremen © Jörg Landsberg

17. Juni 2023. In den vergangenen Jahren gab es eine Reihe von Erzählungen, die sich, autobiografisch informiert, mit Klassenfragen beschäftigen, allen voran sei Didier Eribons "Rückkehr nach Reims" genannt. Zu diesen gesellt sich nun auf der Bühne eine weitere: Sylvia Sobottka erzählt in "Mach es gut! Geschichte eines Arbeitslebens" die Geschichte einer polnischen Frau, die Anfang der 80er Jahre ihrem Geliebten nach Deutschland folgt und hier als Putzkraft arbeitet. Sobottka hat das Stück in Bremen nun selbst auf die Bühne gebracht, am Ende der Spielzeit im Schauspiel – was freilich eine symbolträchtige Platzierung ist.

Stehparty mit Konfetti

Die Einlasssituation ist durchsichtig trügerisch: Wir landen inmitten einer Stehparty mit Prosecco und Konfetti auf der Bühne des Kleinen Hauses – und ahnen, dass irgendwer nach uns die Spuren dieser Feier wegräumen muss. Der Klang eines Industriestaubsaugers vertreibt uns dann auch bald auf die Tribüne, während eine Frau emsig hinter uns herräumt. Zwei Stimmen aus dem Off erzählen uns die Vorgeschichte: Es handelt sich um eine Armutsmigration unter den Vorzeichen des Kalten Kriegs. Weil in Polen Kriegsrecht herrscht, gehören Polen in Deutschland zu den eher "willkommenen Ausländern". Dabei sind sie erpressbar genug, um sich unter besonders schlechten Bedingungen verdingen zu müssen.

Mach es gut3 1200 Joerg LandsbergHeldinnen-Verdoppelung: Tina Keserovic als Maja, links mit Anette Wahl © Jörg Landsberg

Weil neben der Arbeit ein bisschen privates Glück dann immer noch sein soll, tun Maja und Paul, so heißen die beiden jungen Leute, ihr Bestes: Ein Kind wird geboren, ein eigenes Häuschen lässt sich gerade so finanzieren, während sich Majas Arbeitgeber – eher Charaktermasken als nachfühlbare Individuen – an dem Gedanken wärmen, dass sie mit ihrer "Perle" doch eigentlich recht pfleglich umgehen – ganz generös bekommt sie ihr Salär dann auch mal in bar.

"Wir zahlen auch fair"

Beinahe distanziert spielt das kleine Ensemble diesen ersten Teil des Stücks solide postdramatisch auf der minimalistisch eingerichteten, zunächst lediglich mit Vorhängen ausgestatteten Bühne: Es sind eher Typen als Charaktere, Stellvertreter*innen der prekären Dienstleistenden und der relativ gut situierten Deutschen, die gendermäßig auch mal über Kreuz besetzt sind. Ein paar hübsche Pointen fallen da durchaus ab: Eine der Figuren begreift es gar als Teil ihres "feministischen Projekts", dass sie – "als Frau" – den Dreck nicht wegmachen muss. "Und wir zahlen auch fair", ergänzt eine andere, als sie erzählt, dass ihre Ateliergemeinschaft sich auch eine Putzkraft leistet.

Mach es gut1 1200 Joerg LandsbergZärtliche Bebilderung der Pflegearbeit: Tina Keserovic und Siegfried W. Maschek in "Mach es gut" © Jörg Landsberg

Deutlich näher auf die Pelle rückt uns "Mach es gut!" dann in der zweiten Hälfte: Paul stirbt, was Maja in einen Strudel von Paragrafen, Verordnungen und Geschäftsbedingungen stürzt. Witwenrente will beantragt werden, ein kaum noch stemmbarer Kredit bedient – und dann zieht auch noch Tochter Melina in die Welt hinaus. Zurück bleibt die Mutter, die wir nun dabei sehen, wie sie im Krankenhaus die Betten putzt und später in einer sehr berührenden Szene einen alten Mann füttert – eine geradezu zärtliche Bebilderung der Arbeit ungeachtet ihrer ökonomischen Bedingungen. In einer letzten Sequenz wird Maja vor unseren Augen von einer Maskenbildnerin in eine alte Frau verwandelt – verdoppelt in eine überlebensgroße Projektion. Auf der Bühne ist das Kunst, im richtigen Leben erledigen das die Verhältnisse.

Hier und da Gedankengänge einlegen

Nur auf den ersten Blick mag es deshalb irritieren, dass Tina Keserović, die als Maja den Abend mit ihrem intensiven Spiel ganz wesentlich trägt, in einem polternden Rap noch einmal das Verhältnis von oben und unten, von Arbeit und Profit beleuchtet, einschließlich der globalen Konkurrenz der Kapitale – und dem Misstrauen, das Theater, stellvertretend für die sogenannte Hochkultur, wolle sich womöglich doch nur schmücken mit einer migrantischen Heldin. "Während draußen diese Menschen (…) durch Fleiß, Resilienz und Schweiß, den Tribut an Deutschland zollen. Mach es gut, Veränderung muss man wollen." Was dann fast schon brechtisch ist: Glotzt nicht so romantisch, tut gefälligst was! Gewiss, Brecht hätte das vermutlich wohl doch noch präziser, pointierter und schärfer gestaltet – aber "Mach es gut!" hat auch neben seiner Hauptdarstellerin genug zu bieten, um hier und da doch ein paar Gedankengänge einzulegen.

 

Mach es gut! Geschichte eines Arbeitslebens
von Sylvia Sobottka
Regie: Sylvia Sobottka, Bühne und Kostüme: Lea Dietrich, Viva Schudt, Sounddesign: Sebastian Schlemminger, Licht: Daniel Thaden, Szenische Maske: Anette Wahl, Dramaturgie: Stefan Bläske.
Mit: Tina Keserović, Christian Freund, Judith Goldberg, Susanne Schrader, Siegfried W. Maschek, Guido Gallmann.
Premiere am 16. Juni 2023
Dauer: 1 Stunde 45 Minuten, keine Pause

www.theaterbremen.de

Kritikenrundschau

"Trotz der emotionalen Momente vermeidet es die Autorin und Regisseurin Sylvia Sobottka, auf die Tränendrüse zu drücken", sagt Andreas Schnell in seiner Rundfunkkritik auf Radio Bremen Zwei (19.6.2023). Die Figuren seien "eher Typen als Charaktere, auch wenn es durchaus emotionale Szenen gibt", urteilt der Kritiker. Er könne den Abend "durchaus empfehlen, auch wenn er vielleicht noch ein bisschen knackiger sein könnte". Tina Keserović liefere in der Hauptrolle "eine sehr intensive Darstellung".

 

Kommentare  
Mach es gut!, Bremen: Brecht-Vergleich
Brecht hätte vermutlich auch eine präzisere und pointiertere Kritik geschrieben. Entschuldigung, aber was ist das denn für ein völlig deplatzierter Vergleich? Gerade bei diesem Thema und dem Hintergrund, dass Brecht diverse Frauen für seinen persönlichen Ruhm ausgebeutet hatte.
Mach es gut!, Bremen: Gläserne Decke
(...) Ich finde, dass diese Kritik ganz gut die Verhältnisse der „gläsernen Decke“ widerspiegelt. Gut gemacht, aber so gut wie Brecht war es dann eben doch nicht. Warum sollte oder wollte es auch? Das hat dann eben schnell etwas paternalistisches. Auch wenn die Kritik ja insgesamt eher positiv ist.
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