Cinecittà aperta - René Pollesch filmt an der Ruhr und macht daraus Theater
Rossellini, der Hummer und der Mann von der BEWAG
von Sarah Heppekausen
Mülheim, 19. Juni 2009. Etwa zehn Minuten dauert der Fußmarsch vom Ringlokschuppen zum eigentlichen Spielort. Vorbei an Werksgebäuden der Schutzschuhfirma Otter, an Lastwagen der Ruhrtaler Waffelfabrik, an abrissreifen Hallen und von Bauzäunen umgebenen Rohbauten. Baustellenromantik im Sonnenuntergang. René Pollesch hat sich auch für den zweiten Teil seiner Ruhrtrilogie einen außergewöhnlichen Spiel-Platz ausgesucht.
Nachdem Bühnenbildner Bert Neumann seine Containerbühne für das "Tal der fliegenden Messer", Teil 1 der Ruhr-Trilogie im vergangenen Jahr, am Flussufer platzierte, steht die Rollende Road Schau diesmal in der öden Weite einer Gewerbebrache. Genug Fläche also für (neo)realistische Action-Szenen. Denn Pollesch, der immer schon gerne mit Kameras auf der Bühne hantierte, verlagert seine neueste "Boulevardkomödie" konsequenterweise komplett in ein Film-Setting.
"Cinecittà Aperta" heißt schließlich der Titel, Pate steht das Filmstudio bei Rom. Federico Fellini, Roberto Rossellini und Luchino Visconti haben hier gedreht. Und selbstverständlich tauchen all die großen Filmemacher wieder auf im gewohnten Zitierreigen des Diskursverwerters Pollesch, als Rolle, als Rollenvater oder Szenenvorleger.
Rote Erde Mülheim
Im brünetten Anita Ekberg-Verschnitt mit auftoupierten Haaren, im schwarzen Kleid und auf hohen Schuhen über die Steine stolpernd macht sich Catrin Striebeck auch gleich auf die Suche nach dem legendären Trevi-Brunnen. Die Autos und Wohnwagen (filmgerecht heißen die hier natürlich Trailer) werden Staub aufwirbelnd vorgefahren und im Hintergrund täuschen die Kulissen in der aufkommenden Dunkelheit zunehmend echt Hausfassaden vor.
Gedreht wird aber weder "La dolce vita" noch "Kleopatra", sondern – wir sind im Ruhrgebiet – "Rote Erde", die Bergarbeiter-Saga, die in den Achtzigern als Fernsehserie ausgestrahlt wurde. Dafür reiben sich die Schauspieler einfach Kohle ins Gesicht. Die passenden Namen Pauline Boetzke (Striebeck), Sylvia von Kampen (Inga Busch) und Erna (Christine Groß) tragen die Schauspielerinnen sowieso schon. Auch wenn sie ihre Rollen, Identitäten und Geschlechter immer wieder wechseln.
Tausche ahistorisches Subjekt gegen verderblichen Körper
Aber Pollesch wäre nicht Pollesch, wenn er die Filmzitate nicht in einen größeren Zusammenhang aus Theoriegemengen stellen würde. Darwinismus und Marxismus werden analysiert, und Foucaults Ansichten über den Körper als Filmkritik bereitgestellt. "Es geht immer nur um die Seelen und nicht um die Körper", beklagen sich die Schauspieler. Dabei seien doch gerade die Körper die geschichtlichen Wesen, weil sie da sind. "Rosselini und der Ranicki, die nehmen den Schauspielern immer die Körper weg." Reich-Ranicki habe sein ahistorisches Subjekt gegen den geschichtlichen Körper von Matthias Schweighöfer eingetauscht.
Einige amüsante (Film-)Szenen und Theorietiraden später ist ein Schauspieler dann wieder bei Darwin angelangt: "In einem Bild der Geschichte, die immer als unsere Geschichte erzählt wird, zeichnet sich keine Gestalt unseres Wesens ab, das hab ich immer vermutet, dass die Historie nichts mit mir zu tun hat. Und das ist Darwin." Wir können uns noch so viele sinnzuschreibende, "historische" Filme anschauen, das menschliche Wesen erfassen wir dadurch nicht, denn das ist kontingent und grundlos – vielleicht lässt sich Polleschs Kritik so kurz zusammenfassen.
Die vertraute Kapitalismuskritik verpackt der Regisseur ganz anschaulich in technischen Stilmitteln: Per splitscreen zeigt die aufgebaute Videoleinwand auf der einen Seite Arm (nachgestellte Szenen aus "Deutschland im Jahre Null" in Schwarz-Weiß-Aufnahme), auf der anderen Reich (Hummer vernaschende Schauspieler in Farbe). Über derartige Offensichtlichkeit lästern selbstverständlich auch die Schauspieler.
Die anderen müssen kalt duschen
Und doch ist es eben dieser theatralische Umgang mit dem Film (oder die filmische Umsetzung des Theaters), der in "Cinecittà Aperta" dem Theoriegeschwader einen ansehnlichen, durchaus ironischen Subtext liefert und dank der Schauspieler für größtes Vergnügen sorgt. Martin Laberenz rollt sich in Stuntman-Manier in Zeitlupe über das langsamst fahrende Auto, schnappt sich die Handtasche der Fahrerin und springt heldenhaft über auf das Wohnmobil.
Christine Groß begibt sich als Regisseurin zum Dreh auf die Suche nach der Drehbühne ("Der Mann aus Rimini hat sie erfunden"). Und wenn sich die Stars im Startrailer die Haare fönen, kommt der Mann von der Bewag und die anderen müssen kalt duschen.
Kurzweilig-komische Szenen in außergewöhnlicher Kulisse – bleibt sonst noch etwas? Das sollten am besten die Zaungäste beantworten. Von den Balkonen der angrenzenden Häuser und vom Straßenrand aus haben sie das Spektakel beobachtet. Trotz der Kälte sind sie bis zum Ende geblieben.
Cinecittà Aperta – Ruhrtrilogie Teil 2
von René Pollesch
Regie: René Pollesch, Bühne: Bert Neumann, Kostüme: Nina von Mechow, Kamera: Ute Schall, Andreas Deinert.
Mit: Inga Busch, Christine Groß, Martin Laberenz, Trystan Pütter, Catrin Striebeck.
www.ringlokschuppen.de
Wollen Sie etwas über die letzten Polleschiana lesen? Bitte schön:
Die Besprechung von Das Tal der fliegenden Messer - Ruhrtrilogie, Teil 1, aus dem Juni 2008.
Die Besprechung von Fantasma, aufgeführt im Dezember 2008 in Wien.
Die Besprechung von Du hast mir die Pfanne versaut, Du Spiegelei des Terrors!, aus dem Januar 2009 in Berlin.
Die Besprechung von Ping Pong d'amour, vom Februar 2009 in München.
Die Besprechung von Ein Chor irrt sich gewaltig, April 2009, Prater der Volksbühne zu Berlin.
Die Besprechung von Wenn die Schauspieler mal einen freien Abend haben wollen, vom Mai 2009 in Stuttgart.
Hier lesen Sie den Auszug aus Cinecittà aperta, den Pollesch zum Dank für den Publikumspreis der Mülheimer Theatertage bei der Preisverleihung am 14. Juni 2009 gemeinsam mit seinen Schauspielern als szenische Lesung präsentierte: Unsterbliche Überreste.
Kritikenrundschau
Erstmal müsse man mehr als zehn Minuten "über Schotter und löchrige Pisten durch ein Gewerbe-Ödland (...) bis man endlich vor einer riesigen Brache steht, auf der ein einsames Zelt winkt", beschreibt Regine Müller in der taz (22.6.2009) den Weg zum zweiten Teil von Polleschs Mülheimer Ruhrtrilogie. Die obligatorische "Videospielerei" sei "diesmal nicht bloß systemkritisches Stilmittel, sondern integraler Bestandteil des neuen Stücks", beschwöre Pollesch mit "Cinecittà Aperta" doch die Aura der legendären Filmstudios bei Rom. Wie immer bei Pollesch gebe es natürlich keine "Handlung im traditionellen Sinne", und die Spieler tauschten "munter die Rollen, Identitäten und Geschlechter". Dabei erweise sich der italienische Neorealismus "als treffliche Folie für Polleschs berüchtigtes Hochgeschwindigkeitstextgewitter", und die Krise scheine Polleschs "Dauerthema, der Kritik der totalen Ökonomisierung der Verhältnisse", noch "zusätzlichen, erfrischenden Rückenwind zu verleihen". Die Kritikerin konstatiert "mehr Biss, Witz und diskursive Spannung" als im ersten Ruhrtrilogie-Teil und findet, "Cinecittà" sei "ein idealer Ort für Kapitalismuskritik".
Auch Jens Dirksen, der für das Portal Der Westen (21.6.2009) berichtet, führt der "bodenhaftungshaltige Schritt" erstmal weit weg vom "Guckkasten-Theater". In dieser Cinecittà werde nicht nur "gedreht", sondern "vorzugsweise abgedreht und durchgedreht, von Menschen wie Reifen. Manchmal wird auch umgedreht, Darwins Satz vom 'Survival of the fittest' etwa oder Theoreme von Michel Foucault." Marx, Marcel Reich-Ranicki und Matthias Schweighöfer kämen auch noch vor und alle Finanzkrisenkritik werde der Oberflächlichkeit verdächtigt, "solange sie so tut als gäbe es einen 'gesunden' Kapitalismus". Das Ganze klinge "atemlose anderthalb Stunden wie Theater für Menschen, die vor lauter Aufklärung schon ganz abgeklärt sind". Dass das alles nicht in "postdramatisches Theater" münde, "wie der verräterisch paradoxe Begriff für inszenierte Langeweile lautet", liege daran, dass hier "fantastische Schauwerker den Sätzen und Wörtern Beine machen (...) und Arme und Gesichter und Gefühle dazu". Ohne deren "energiegeladenen Seelenüberschuss stünde Pollesch vielleicht nur als Phrasendreschflegel dar. So aber gerät das Ganze sehr absurd, bizarr, trashig, gaga, kitschig und dunkel".
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Pollesch funktioniert längst generationenübergreifend, weil Leute Lust auf Nachdenken im Theater haben. Und das sind - ungeachtet aller verbreiteten und verbreiten Vorurteile - zunehmend auch Leute, die nicht durch Giessen hindurch marschiert sind. Ihre Invektive, die Sie da offensichtlich wirklich vom heimischen Fauteuil aus verfasst haben, deckt sich mit dem Tenor, den ein guter/schlechter Teil der Feuilletonkritik gegen Pollesch verbreitet, aber zunehmend weniger mit der Publikumswirklichkeit.
zunächst einmal: was Frau Heppekausen studiert hat, steht sogar auf der nachtkritik-Seite. Mir stellt sich die Frage: Was ist denn gegen Theaterwissenschaftler als Kritiker genau einzuwenden? Dass sie sich mit Theorie auseinandersetzen? Sollten denn demnächst lieber Wirtschaftswissenschaftler die Theaterkritiken verfassen?
Abgesehen davon ist mir eine Kritik, die beschreibt, lieber als eine Kritik, bei der ich hinter der Aversion des Kritikers erst mühsam nach dem suchen muss, was auf der Bühne geschah.
kr, machen Sie doch mal Ihr Angebot wahr und schreiben ihre "unkritische Beschreibung", da finden sich bestimmt ein paar Leute, die ihren Kommentar dazu abgeben. Ich mache das gerne, und gerne auch so persönlich angreifend wie Sie.
Und übrigens können Sie schreiben was Sie wollen, ich werde mir den 2. Teil der Ruhrtrilogie trotzdem anschauen und freue mich drauf.
Nun zu den Honorationen, die sich hier versammelt haben: wo, geehrter sd mache ich das Angebot einer "unkritischen Beschreibung"? Lesen Sie meinen Kommentar und dann antworten Sie bitte hochachtungsvoll nochmal. Ich werde meine Kritik sehr kritisch schreiben über das nie gesehen Polleschkleinod. Meine Kritik beginnt mit Ruhrdampfers Schönsatz:
"Pollesch funktioniert generationenübergreifend". Lieber Ruhrdampfer, ich verwette mich, daß Sie ein Dramaturg sein müssen. So ein schöner Dramaturgensatz. Die "Publikumswirklichkeit" ist in Poleschs Fall eine Dramaturgewirklichkeit. Und natürlich hängen sich Jung und Alt, die gerne hip sein wollen, gern eine schöne Polleschmeinung um den Hals. Das Feuilleton schreibt doch im Großen und Ganzen genauso dramaturgenwirklich unkritisch. Höchstens dass mal einer bemerkt: das ist ja das gleiche wie beim letzten Pollesch.
Und @kr geht wohl jedes Ironieverständnis ab? Bitte übern!
"Die (also die unkritische Bechreibung) hätte ich nachtkritik auch liefern können, nach der einfachen Textlektüre. Ich machs also das nächste Mal für die Hälfte." als ein Angebot einer eben solchen unkritischen Beschreibung verstanden. Und warum bis zum nächsten Pollesch-Abend warten?
Grüße,
DIE sd
Einstweilen lese ich gern die Kritik von Frau Heppekausen, die mir viel erzählt. Und auf die nächste Dramaturgiestelle werde ich mich auch bewerben. Ihr Zeugnis in der Mappe dürfte ja wohl reichen.
Warum denn so aufgebracht? Wer sich so weit in Gefilde vorwagt, von denen er offensichtlich keine Ahnung hat/ haben muss, der darf sich doch nicht wundern, wenn ihm die (studierten) Experten saftig eins überbraten.
Kritiken für halbes Honorar gibts ja zum Glück nicht, denn entweder man wird vernünftig dafür bezahlt - weil man eben gelernt hat, oder man muss kommentare schreiben.
Hochachtungsvoll.
wie gut, dann kann ich ja zuhause bleiben und muss vorher gar nicht ins theater. aber wo wir uns berühren könnten ist da wo pollesch sein theater ist. und sie müssten ihre abende nicht alleine vor dem computer verbringen.
ich war leider, leider nicht in mülheim, ich möchte jetzt aber mal genau wissen, was genau vorhersehbar sein soll. theaterwissenschaftler und dann deutschlehrer geworden statt dramaturg?
mann leute? ist das euer ernst? echt jetzt? unfassbar...
aber was ist denn nun vorhersehbar in polleschs arbeit? er verhandelt doch wirklich anderes und anders als was sonst im theater, schnarch, läuft. wenn der schauspieler die bühne betritt ist er automatisch heterosexuell. das ist vorhersehbar.
Ich hätte nicht gedacht, daß Praktikanten so viel Zeit zum schreiben haben...
Kocht Kaffee und schweigt.
Wer redet denn von Schicksal?!
@kr: welcher appell für mehr schwule? kr, du kannst weder lesen noch hast du einen pollesch-abend jemals gesehen / hast einen hörschaden. ich schrieb: man ist automatisch heterosexuell wenn man eine theaterbühne betritt. und dass das vorhersehbar ist. und du bist ein sexist, wenn du aus meinem pollesch-zitat eine forderung nach mehr schwulen machst.
@macpollesch: wenn dein copypaste-text dein vorschlag zum copypasten für pollesch ist dann ist es sicherlich gut, das du hier kommentare postest. lass es einfach dabei.
überhaupt, dieser thread hätte interessant werden können, nun isser dot.
Schließlich, liebe Katja, würde ich Ihre Konstruktion des Gegensatzpaars Zuschauerin versus politisch Handelnde/Aktive nicht unterstreichen wollen. Auch als Zuschauerin sind Sie aktiv, insofern Sie sich nicht nur von den optischen Reizen blenden lassen, sondern den Versuch der Manipulation durchschauen. Indem sie denkend schauen und vor allem ZUHÖREN, können sie das Ihnen Vorgeführte bestätigen oder transformieren. Die Gesten der Schauspieler sind nicht Ihre Gesten, aber sie verweisen auf die diskursive Ordnung ausserhalb des Theaterraums und damit auch auf ihr eigenes Leben. Über das sinnliche und zweckfreie Spiel der Kunst können vermeintlich fixierte Bedeutungszuschreibungen unterbrochen, neu übersetzt und potentiell verändert werden. Darin liegt das Politische der Kunst. Aber vielleicht wollten Sie auch genau darauf hinaus.
huch, ein Papagei!
Ullrich Matthes habe ich bis jetzt nur im Kino gesehen - aber ich kann mir vorstellen, das er auch auf der Bühne beeindruckt?
Leider kapriziert sich Pollesch immer auf eine Handvoll Denker (u.a.Marx, Darwin), ohne sich die Mühe zu machen, gedankliche Impulse auch woanders herzuholen. Ich glaube nicht, dass der Mensch absolut grundlos da ist und ohne historischen Bezug lebt. Nach Ansicht der Hermeneutiker besitzt der Mensch schon ein (latentes) Vor-Verständnis oder Vor-Wissen jenes Kulturraums, in den er geworfen" wurde (Heidegger vor der Kehre). Insofern ist jeder Mensch von der Kultur(-Geschichte) seiner Vorläufer mitgeprägt.
Der Sozialdarwinismus wurde schon in "Darwin-win..." breitgetreten, damals noch mit Berhhard Schütz in der Hauptrolle. Zum Glück fiel nicht mehr der Satz: "Survival of the fittest".
Debattiert wurde auch, dass der Humanismus irreal sei, weil er nicht für konstantes Glück sorgen könne, deshalb könne auch der Wunsch nach Humanismus wegfallen, vielmehr sei das Funktionieren lebensnotwendig, und dafür brauche es einen Plan, nämlich den der Kontrolle. Ein kontrolliertes Funktionieren als Triebfeder des Lebens - das wäre eine Ausgeburt der instrumentellen Vernunft. Zur Verteidigung Polleschs muss gesagt werden, dass er Gedanken nur durchspielt und man nie weiß, inwieweit sie ernst gemeint sind.
Im Übrigen lebt Reich-Ranicki immer noch, er ist keineswegs unhistorisch, während seine filmische Kopie Schweighöfer wohl eher als unhistorisch zu bezeichnen ist.
Schade, dass die Szene von Klaus Kinskis Wutausbruch während der Dreharbeiten von "Fitzcarraldo" nicht besser ausgearbeitet wurde. Inga Busch liest in einem Buch quasi die Einleitung, aber was dann kommt, ist etwas mickrig. Der reale Kinski verspürte den Drang, seinem Ärger Luft zu machen, weil er zwei Stunden wegen eines von einem Schlangenbisses vergifteten Teammitarbeiters nicht beachtet wurde. Kinski nicht im Mittelpunkt, das ging nicht, deshalb schleuderte er wütende Attacken gegen den Kameramann, um sich die Aufmerksamkeit zurückzuholen. "Ich werde einen Wirbel in Amerika machen", und dergleichen mehr. Was Pollesch daraus machte, war leider wenig.
Unterm Strich war es dennoch ein kurzweiliger Abend. Bei Pollsch weiß man, was man hat. Klingt - leider - nach einer Werbeparole, fast wie bei einer Kapitalismuskritik.
Schließlich, Pollesch' Humor ist einfach unschlagbar, damit entlarvt er diese Denkweise von der Repräsentation der Moral und political correctness, welche den materiellen Verhältnissen immer nur als übergeordnete Idee übergestülpt wird, Zitat INGA: "Ich will nicht immer hier drin bleiben in diesem trailer!" - Filmtrailer oder Wohnwagen?
@ Flohbär: Sie schreiben vom "Sozialdarwinismus" - ich habe das anders verstanden. Pollesch geht es um Darwins biologische (und nicht sozial interpretierte) Evolutionstheorie, nach welcher eben nicht der Fitteste im Alleingang überlebt, sondern der, welcher sich am besten an seine Umgebung anpasst und mit anderen kooperiert.
Das Stück "Darwin-win..." wird ja nicht mehr gespielt, damals hatte Schütz, beflügelt von einem Oscar-Wilde-T-Shirt, die Thesen dieser Theorien mit seinem lauten Organ herausgeschleudert und manchmal seine Mitstreiterinnen Kronjäger und Cuvelier überbrüllt. Während dieser Verlautbarungen wurde auch zweimal die Toleranz und Gleichmacherei der GRÜNEN kritisiert, und bei Darwin geht es ja immer auch um den Selektionsdruck und die Reproduktion. Aber eine grandiose Reproduktion vermag nicht immer zu gelingen. Um einmal bei der Politik zu bleiben: man stelle sich Woworeit als einen starken, kompetenten Zarathustra mit Mimikry-Fähigkeiten vor. So einer müsste sich eigentlich in biologischer Hinsicht vermehren, aber leider verspürt er nicht den Drang dazu. Insofern sind dem natürlichen Anwachsen der Berliner SPD Grenzen gesetzt, weil eine natürliche Selektionsschranke ihr Werk verrichtet.
Ich habe Darwin nur deshalb erwähnt, da Pollesch ihn in "Cinecittà" wieder aufgegriffen hat. Das vom Plan genommene Stück "Darwin-win..." kann ich mir nicht noch einmal ansehen und ich habe auch nicht mehr alles im Kopf. Frau d'Arc, da Sie sich wohl in Polleschs Kreisen auskennen, können Sie auch Inga Busch fragen. Die war nicht auf der Bühne, sondern hockte im Publikum.
Zur "Toleranz und Gleichmacherei der GRÜNEN", davon habe ich auch schon was bei Pollesch gelesen. Aber vielleicht lassen Sie sich da auch nur allzu bereitwillig irreführen. Ich glaube, es ging um Cohn-Bendit und dass der sagt "Wir haben die afghanischen Frauen befreit." Die Frage ist jetzt: Bewegt sich Dani le Rouge hier nicht in einem Widerspruch? Setzt er hier nicht wieder nur die Konstruktion (!) der europäischen Frau als Maßstab? Zeigt sich darin Respekt vor dem ganz Anderen als mein Leben, und das macht mich fertig. Oder nicht doch wieder nur Toleranz und Gleichmacherei in Bezug auf den Plan vom Menschen?
@ abigail traut (du hast einen Pornonamen, Baby): Ja, das verstehe ich auch immer nicht, wie man immer wieder in diese Humanismus-Falle tappen kann, anstatt sich und dem anderen einfach zu sagen: Hey, hol dir dein blödes Wasser doch selbst! Keine Ahnung, warum wir immer wieder diese Fehler machen. Paradoxe Irrwege.
Hier nun ein Darwin-Zitat aus dem PC, weil ich deswegen nicht morgen in die Bibliothek gehen möchte:
"Wir müssen daher die ganz zweifellos schlechte Wirkung des Lebenbleibens und der Vermehrung der Schwachen ertragen; doch scheint wenigstens ein Hindernis für die beständige Wirksamkeit dieses Moments zu existieren, in dem Umstände (sic!) nämlich, dass die schwächeren und untergeordneteren Glieder der Gesellschaft nicht so häufig als die Gesunden heiraten; und dies Hemmnis könnte noch ganz außerordentlich verstärkt werden, trotzdem man es mehr hoffen als erwarten kann, wenn die an Körper und Geist Schwachen sich des Heiratens enthielten."
Pollesch bearbeitet nur s e i n e n Darwin - und das ist auch sein gutes Recht. Ansonsten: irgendwelche Lebenspläne interessieren mich eigentlich nicht. Ist doch schön, ganz ohne Plan zu leben. Ich brauche manchmal nur einen Stadtplan.
Im Übrigen erinnert mich "Cinecittà" ein klein wenig an "Strepitolino".
Und wissen Sie, dieses von Ihnen herausgestellte Darwin-Zitat entlarvt meines Erachtens auch einiges über Ihre Denkweise bzw. Ihr Weltbild. Diese Dualität von "krank" und "gesund", das klingt für mich sehr nach sozialer Säuberung. Sie sind frei, so zu denken, natürlich, aber Denken ist bereits Schuld. "Krank" und "gesund" sind übergeordnete begriffliche Konstruktionen, um sich und die Anderen zu disziplinieren. Ich kann dagegen immer nur auf den Ursprung bzw. auf die situative Entscheidung des menschlichen Handelns verweisen.
Ich habe Darwin nur zitiert, dieses Zitat hat aber mit meiner Denkweise nichts zu tun. Bei manchen Autoren reicht es, zu zitieren, man braucht den Text nicht mehr weiter zu kommentieren.
Im Leben kommt es vor, dass man auch übers Dritte Reich schreiben muss, obwohl man es abscheulich findet.
Ende der Diskussion.
Ich habe einmal übers Dritte Reich geschrieben und damit Geld verdient. Ich würde sogar über den Teufel höchstselbst schreiben, wenn ich ein angemessenes Honorar dafür erhalte.
Mit meinem Zitat wollte ich nur zeigen, dass man bei der Auseinandersetzung mit Darwin wegen diverser kritischer Passagen aufpassen muss.
Übrigens hat Matthes mal den Goebbels gespielt - kein Mensch kommt dabei auf den Gedanken, dass hierbei Matthes Denkweise durchsickert.
Diskutieren Sie jetzt am besten mit Frau d'Arc allein weiter,@51, auch Ihre wortkargen Beiträge möchte ich nicht weiter kommentieren.