Hangmen (Die Henker) - Lukas Holzhausen bringt am Volkstheater Wien für Martin McDonagh's Erfolgsstück nordenglischen Pub-Alltag auf die Bühne
Der letzte Henker
von Theresa Luise Gindlstrasser
Wien, 25. Januar 2017. Eine Masse von Männern. Beim Verbeugen sehen wir ein ganzes Dutzend. Das Stück heißt nicht "Prinz Friedrich von Homburg", sondern "Hangmen". Schwierige Vorlage! Weil: Das mit dem Übersetzen eines Textes von der einen in die andere Sprache immer so eine Sache ist, nicht wahr? Weil ein Text nicht nur einen Inhalt hat, sondern auch ein Klang ist. Und dementsprechende Anklänge erzeugt. Synchronisierte Tarantino-Filme zum Beispiel – geht einfach nicht. Oder um das Naheliegende anzusprechen: "Brügge sehen ... und sterben?" ist zwar ein toller Titel, macht "In Bruges" aber nichts nach.
Das ist nicht Nordengland, Junge!
Der Regisseur des Films "Brügge sehen ... und sterben?", der Ire Martin McDonagh, ist auch Autor von "Hangmen", das 2015 in Großbritannien als Stück des Jahres ausgezeichnet wurde. In der bedeutungsfixierten Übersetzung von Michael Raab wird aus einer klar verorteten Tragikomödie eine Abfolge von Sätzen, die versuchen "Nordengland 1965" auf Deutsch zu behaupten. Die englischen Ortsnamen fallen wie Fehler in eine aufgesetzte Slang-Grammatik ein, die gegenseitige Ansprache als "Junge" kommt den Schauspielenden nur mit einer nachvollziehbaren Ratlosigkeit über die Lippen. Eine glorreiche Absurdität hängt als Versprechen in der Luft, bleibt dort aber hängen, weil die Sprache die Sache nicht trägt.
Die Sache, das ist: Am Tag der Abschaffung der Todesstrafe äußert sich Harry Wade als letzter Henker Großbritanniens in einem Interview. Die Population seines Pubs ist begeistert. Ein Mann namens Mooney taucht auf, die Tochter Shirley verschwindet und am Ende gibt es einen Toten. Eine ganze Gesellschaft von Henkern zeigt sich als verbal "verdammt" hochtourig. Die Konsequenzen ihres Handelns aber: ein einziges biertrübes Hoppla. Im Volx Margareten gilt denn auch das letzte Scheinwerfer-Licht dem oft bedienten Bierzapfhahn. Hinter diesem steht Ensemble-Mitglied Lukas Holzhausen als Fliege und Melone tragender Harry Wade. In seiner zweiten Regiearbeit am Volkstheater hat sich Holzhausen mit auf die Bühne inszeniert.
Diese zitiert ein geräumiges Pub. An der langen Bar stehen und sitzen die vielen Männer und die beiden Frauen. Umbauten erfolgen unter ebenso stimmungserhellenden wie beliebigen Musik-Einlagen und wenn es nottut, also wenn gehängt wird, dann ist der Vorhang nicht weit, hinter dem die Geschäfte zu einem illusionistischen Abschluss gebracht werden können. Mehr als diese kruden Theatervorgänge, sind es die kruden Charaktere, die an dem Abend interessieren. Holzhausen inszeniert im Hinblick auf Typen mit Ticks. Allen voran sich selbst als Henker Wade. Ein so adrettes Auftreten und eine so sich vor Schimpferei überschlagende, dann wieder in die Monotonie des Misanthropen zurück lenkende Stimme. Da findet die Absurdität, die als Versprechen in der Luft hängt, kurz mal Erfüllung.
Gestorben wird immer
Den Gegenspieler Mooney macht Rainer Galke. Der tänzelt in Turnschuhen durch das Pub, setzt seinen Provokationen das scheinheiligste Lächeln nach und nimmt sich fürs Nachdenken auch mal 'ne Minute Zeit. Achtung Spoiler: Er ist's, der stirbt. Und tut's mit einer kopfroten Hingabe, die ihresgleichen sucht. Steffi Krautz deckt als Alice Wade seinen Körper in routinierter Nachlässigkeit mit einem weißen Tuch ab. Als würde jeden zweiten Tag ein Mensch in ihrem Pub gehängt werden. Oder als wäre ihr zwischen dem letzten und vorletzten Glas Gin der Sinn fürs eigentlich Dramatische abhanden gekommen.
Die Tochter Shirley nennt sie "Motzkopf" und Shirley, das ist Alina Schaller, umarmt sich selbst. Die Ärmel der Jacke über die Hände gezogen, schiebt sie sich die linke Hand hinter den Rücken, als gelte es mit dem eigenen Körper den Körper von Tausenden anderer Teenager nach vorne und dem Ende der weirden Wachstumsphase entgegen zu mühen. Sie muss auch mal am Bierzapfhahn aushelfen. Und im Pub, da tummeln sich die Typen. Alfred Schibor, Mario Schober und Jürgen Weisert sabotieren als Stammgäste die Defizite des Textes. Ausgehend von ihrem österreichischen Sprachklang und der von ihnen betriebenen Nicht-Einmischungs-Politik entsteht eine Phantasie: Was wäre, wenn nicht "Nordengland 1965" der Plan gewesen wäre, sondern "Nordengland 1965" in "Wien 2017"? Diese drei wären jedenfalls sowieso und unbedingt mit dabei.
Hangmen (Die Henker)
von Martin McDonagh, Deutsch von Michael Raab
Regie: Lukas Holzhausen, Bühne: Jane Zandonai, Kostüme: Werner Fritz, Regie-Mitarbeit: Calle Fuhr, Dramaturgie: Roland Koberg.
Mit: Michael Abendroth, Rainer Galke, Lukas Holzhausen, Sebastian Klein, Steffi Krautz, Kaspar Locher, Nils Rovira-Muñoz, Alina Schaller, Alfred Schibor, Mario Schober, Jürgen Weisert, Günther Wiederschwinger.
Dauer: 2 Stunden und 30 Minuten, eine Pause
www.volkstheater.at
"Dem Volx ist ein solides Unterhaltungsstück gelungen. Es hat das Zeug zur Erfolgsproduktion", schreibt Michael Wurmitzer im Standard (26.1.2017). "Auf Publikumszuspruch hin gebaut, hat Hangmen Stellen zum Lachen, zum Befürchten, Rätseln und Überraschtwerden. Doch so absehbar das klingt, der Spannungsbogen des Psychokrimis hält bis zum bitteren Ende." In ihrer überwiegend schablonenhaften Anlage täten die Figuren ihren Dienst, blieben dabei aber meist platt.
"Sicher ist, dass 'Hangmen', wiewohl das Stück in den 1960er-Jahren spielt, eine Breitseite gegen das heutige Brexit-Britannien abfeuert", so Barbara Petsch in der Presse (26.1.2017). Rainer Galke sei phänomenal als prächtiges Schlitzohr Mooney. "Eine beklemmende Aufführung – der man allerdings ihre etwas schematische Typologie vorwerfen kann."
"Es ist ein britisches Stück, es trieft nur so vor respektlosem schwarzen Humor", schreibt Christina Böck von der Wiener Zeitung (26.1.2017). McDonah sei Meister darin, existenzielle Fragen unterhaltsam und bodenständig zu verhandeln. Hier werde im Bierdunst und mit locker sitzenden Fäkalphrasen eine Kultur der Vorverurteilung und Selbstgerechtigkeit demaskiert. Lukas Holzhausen gelinge es das Ensemble dicht zusammenzuhalten und nehme Abstand von Gestaltungsexperimenten.
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