Rossellini, der Hummer und der Mann von der BEWAG

von Sarah Heppekausen

Mülheim, 19. Juni 2009. Etwa zehn Minuten dauert der Fußmarsch vom Ringlokschuppen zum eigentlichen Spielort. Vorbei an Werksgebäuden der Schutzschuhfirma Otter, an Lastwagen der Ruhrtaler Waffelfabrik, an abrissreifen Hallen und von Bauzäunen umgebenen Rohbauten. Baustellenromantik im Sonnenuntergang. René Pollesch hat sich auch für den zweiten Teil seiner Ruhrtrilogie einen außergewöhnlichen Spiel-Platz ausgesucht.

Nachdem Bühnenbildner Bert Neumann seine Containerbühne für das "Tal der fliegenden Messer", Teil 1 der Ruhr-Trilogie im vergangenen Jahr, am Flussufer platzierte, steht die Rollende Road Schau diesmal in der öden Weite einer Gewerbebrache. Genug Fläche also für (neo)realistische Action-Szenen. Denn Pollesch, der immer schon gerne mit Kameras auf der Bühne hantierte, verlagert seine neueste "Boulevardkomödie" konsequenterweise komplett in ein Film-Setting.

"Cinecittà Aperta" heißt schließlich der Titel, Pate steht das Filmstudio bei Rom. Federico Fellini, Roberto Rossellini und Luchino Visconti haben hier gedreht. Und selbstverständlich tauchen all die großen Filmemacher wieder auf im gewohnten Zitierreigen des Diskursverwerters Pollesch, als Rolle, als Rollenvater oder Szenenvorleger.

Rote Erde Mülheim

Im brünetten Anita Ekberg-Verschnitt mit auftoupierten Haaren, im schwarzen Kleid und auf hohen Schuhen über die Steine stolpernd macht sich Catrin Striebeck auch gleich auf die Suche nach dem legendären Trevi-Brunnen. Die Autos und Wohnwagen (filmgerecht heißen die hier natürlich Trailer) werden Staub aufwirbelnd vorgefahren und im Hintergrund täuschen die Kulissen in der aufkommenden Dunkelheit zunehmend echt Hausfassaden vor.

Gedreht wird aber weder "La dolce vita" noch "Kleopatra", sondern – wir sind im Ruhrgebiet – "Rote Erde", die Bergarbeiter-Saga, die in den Achtzigern als Fernsehserie ausgestrahlt wurde. Dafür reiben sich die Schauspieler einfach Kohle ins Gesicht. Die passenden Namen Pauline Boetzke (Striebeck), Sylvia von Kampen (Inga Busch) und Erna (Christine Groß) tragen die Schauspielerinnen sowieso schon. Auch wenn sie ihre Rollen, Identitäten und Geschlechter immer wieder wechseln.

Tausche ahistorisches Subjekt gegen verderblichen Körper

Aber Pollesch wäre nicht Pollesch, wenn er die Filmzitate nicht in einen größeren Zusammenhang aus Theoriegemengen stellen würde. Darwinismus und Marxismus werden analysiert, und Foucaults Ansichten über den Körper als Filmkritik bereitgestellt. "Es geht immer nur um die Seelen und nicht um die Körper", beklagen sich die Schauspieler. Dabei seien doch gerade die Körper die geschichtlichen Wesen, weil sie da sind. "Rosselini und der Ranicki, die nehmen den Schauspielern immer die Körper weg." Reich-Ranicki habe sein ahistorisches Subjekt gegen den geschichtlichen Körper von Matthias Schweighöfer eingetauscht.

Einige amüsante (Film-)Szenen und Theorietiraden später ist ein Schauspieler dann wieder bei Darwin angelangt: "In einem Bild der Geschichte, die immer als unsere Geschichte erzählt wird, zeichnet sich keine Gestalt unseres Wesens ab, das hab ich immer vermutet, dass die Historie nichts mit mir zu tun hat. Und das ist Darwin." Wir können uns noch so viele sinnzuschreibende, "historische" Filme anschauen, das menschliche Wesen erfassen wir dadurch nicht, denn das ist kontingent und grundlos – vielleicht lässt sich Polleschs Kritik so kurz zusammenfassen.

Die vertraute Kapitalismuskritik verpackt der Regisseur ganz anschaulich in technischen Stilmitteln: Per splitscreen zeigt die aufgebaute Videoleinwand auf der einen Seite Arm (nachgestellte Szenen aus "Deutschland im Jahre Null" in Schwarz-Weiß-Aufnahme), auf der anderen Reich (Hummer vernaschende Schauspieler in Farbe). Über derartige Offensichtlichkeit lästern selbstverständlich auch die Schauspieler.

Die anderen müssen kalt duschen

Und doch ist es eben dieser theatralische Umgang mit dem Film (oder die filmische Umsetzung des Theaters), der in "Cinecittà Aperta" dem Theoriegeschwader einen ansehnlichen, durchaus ironischen Subtext liefert und dank der Schauspieler für größtes Vergnügen sorgt. Martin Laberenz rollt sich in Stuntman-Manier in Zeitlupe über das langsamst fahrende Auto, schnappt sich die Handtasche der Fahrerin und springt heldenhaft über auf das Wohnmobil.

Christine Groß begibt sich als Regisseurin zum Dreh auf die Suche nach der Drehbühne ("Der Mann aus Rimini hat sie erfunden"). Und wenn sich die Stars im Startrailer die Haare fönen, kommt der Mann von der Bewag und die anderen müssen kalt duschen.

Kurzweilig-komische Szenen in außergewöhnlicher Kulisse – bleibt sonst noch etwas? Das sollten am besten die Zaungäste beantworten. Von den Balkonen der angrenzenden Häuser und vom Straßenrand aus haben sie das Spektakel beobachtet. Trotz der Kälte sind sie bis zum Ende geblieben.

 

Cinecittà Aperta – Ruhrtrilogie Teil 2
von René Pollesch
Regie: René Pollesch, Bühne: Bert Neumann, Kostüme: Nina von Mechow, Kamera: Ute Schall, Andreas Deinert.
Mit: Inga Busch, Christine Groß, Martin Laberenz, Trystan Pütter, Catrin Striebeck.

www.ringlokschuppen.de

 

Wollen Sie etwas über die letzten Polleschiana lesen? Bitte schön:

Die Besprechung von Das Tal der fliegenden Messer - Ruhrtrilogie, Teil 1, aus dem Juni 2008.
Die Besprechung von Fantasma, aufgeführt im Dezember 2008 in Wien.
Die Besprechung von Du hast mir die Pfanne versaut, Du Spiegelei des Terrors!, aus dem Januar 2009 in Berlin.
Die Besprechung von Ping Pong d'amour, vom Februar 2009 in München.
Die Besprechung von Ein Chor irrt sich gewaltig, April 2009, Prater der Volksbühne zu Berlin.
Die Besprechung von Wenn die Schauspieler mal einen freien Abend haben wollen, vom Mai 2009 in Stuttgart.

Hier lesen Sie den Auszug aus Cinecittà aperta, den Pollesch zum Dank für den Publikumspreis der Mülheimer Theatertage bei der Preisverleihung am 14. Juni 2009 gemeinsam mit seinen Schauspielern als szenische Lesung präsentierte: Unsterbliche Überreste.

 

Kritikenrundschau

Erstmal müsse man mehr als zehn Minuten "über Schotter und löchrige Pisten durch ein Gewerbe-Ödland (...) bis man endlich vor einer riesigen Brache steht, auf der ein einsames Zelt winkt", beschreibt Regine Müller in der taz (22.6.2009) den Weg zum zweiten Teil von Polleschs Mülheimer Ruhrtrilogie. Die obligatorische "Videospielerei" sei "diesmal nicht bloß systemkritisches Stilmittel, sondern integraler Bestandteil des neuen Stücks", beschwöre Pollesch mit "Cinecittà Aperta" doch die Aura der legendären Filmstudios bei Rom. Wie immer bei Pollesch gebe es natürlich keine "Handlung im traditionellen Sinne", und die Spieler tauschten "munter die Rollen, Identitäten und Geschlechter". Dabei erweise sich der italienische Neorealismus "als treffliche Folie für Polleschs berüchtigtes Hochgeschwindigkeitstextgewitter", und die Krise scheine Polleschs "Dauerthema, der Kritik der totalen Ökonomisierung der Verhältnisse", noch "zusätzlichen, erfrischenden Rückenwind zu verleihen". Die Kritikerin konstatiert "mehr Biss, Witz und diskursive Spannung" als im ersten Ruhrtrilogie-Teil und findet, "Cinecittà" sei "ein idealer Ort für Kapitalismuskritik".

Auch Jens Dirksen, der für das Portal Der Westen (21.6.2009) berichtet, führt der "bodenhaftungshaltige Schritt" erstmal weit weg vom "Guckkasten-Theater". In dieser Cinecittà werde nicht nur "gedreht", sondern "vorzugsweise abgedreht und durchgedreht, von Menschen wie Reifen. Manchmal wird auch umgedreht, Darwins Satz vom 'Survival of the fittest' etwa oder Theoreme von Michel Foucault." Marx, Marcel Reich-Ranicki und Matthias Schweighöfer kämen auch noch vor und alle Finanzkrisenkritik werde der Oberflächlichkeit verdächtigt, "solange sie so tut als gäbe es einen 'gesunden' Kapitalismus". Das Ganze klinge "atemlose anderthalb Stunden wie Theater für Menschen, die vor lauter Aufklärung schon ganz abgeklärt sind". Dass das alles nicht in "postdramatisches Theater" münde, "wie der verräterisch paradoxe Begriff für inszenierte Langeweile lautet", liege daran, dass hier "fantastische Schauwerker den Sätzen und Wörtern Beine machen (...) und Arme und Gesichter und Gefühle dazu". Ohne deren "energiegeladenen Seelenüberschuss stünde Pollesch vielleicht nur als Phrasendreschflegel dar. So aber gerät das Ganze sehr absurd, bizarr, trashig, gaga, kitschig und dunkel".

Kommentare  
Ruhrtrilogie 2: kein Publikumsliebling
Wenn der Theaterwissenschaftler Pollesch der Liebling der Kritikerin ist, dann sollte sie ihn noch lange nicht zum Publikumsliebling erklären. Von diesem Spektakelchen habe ich ganz andere Stimmen gehört, wie ich selbst von anderen Pollesch-Selbstfakes völlig genervt bin. Das Elend der Kritik ist ja, daß die KritikerInnen, gerade die jüngeren, oft selbst theorieverklebt herumlaufen, oft sind es selbst Theaterwissenschaftler, die natürlich ihren ichbinjasoklugundlustig-Pollesch mögen. Vielleicht irre ich mich und S.Hepekausen ist keine junge Theaterwissenschaftlerin, aber würde mich wundern. Jedenfalls ist das keine Kritik, sondern eine unkritische Beschreibung. Die hätte ich nachtkritik auch liefern können, nach der einfachen Textlektüre. Ich machs also das nächste Mal für die Hälfte. Ist da Bedarf? An Kritiken ohne Reisekosten?
Ruhrtrilogie 2: nie irgendwo live dabei
was du "liefern" kannst, davon bietest du ja schon einen kleinen vorgeschmack: "...habe ich ganz andere stimmen gehört" und "hätte ich (...) liefern können (...) nach der einfachen textlektüre". du bist wohl nie gerne irgendwo live dabei? gerade du bist deshalb doch auf kritiken so ziemlich angewiesen. wie sie dann selbst schreiben? das ist ja ein unendlicher double-bind.
Ruhrtrilogie 2: vom heimischen Fauteil aus verfasst
Aber dass Pollesch den Publikumspreis bei den Mülheimer Theatertagen gewonnen hat, akzeptieren Sie schon, beste/r kr? Und zwar von einem Publikum, das nun wahrlich nicht Teil einer Jugendbewegung ist, sondern eher ein Fall für die Gerontologie.
Pollesch funktioniert längst generationenübergreifend, weil Leute Lust auf Nachdenken im Theater haben. Und das sind - ungeachtet aller verbreiteten und verbreiten Vorurteile - zunehmend auch Leute, die nicht durch Giessen hindurch marschiert sind. Ihre Invektive, die Sie da offensichtlich wirklich vom heimischen Fauteuil aus verfasst haben, deckt sich mit dem Tenor, den ein guter/schlechter Teil der Feuilletonkritik gegen Pollesch verbreitet, aber zunehmend weniger mit der Publikumswirklichkeit.
Ruhrtrilogie 2: bitte mal unkritisch beschreiben
Sehr geehrte(r) kr,
zunächst einmal: was Frau Heppekausen studiert hat, steht sogar auf der nachtkritik-Seite. Mir stellt sich die Frage: Was ist denn gegen Theaterwissenschaftler als Kritiker genau einzuwenden? Dass sie sich mit Theorie auseinandersetzen? Sollten denn demnächst lieber Wirtschaftswissenschaftler die Theaterkritiken verfassen?
Abgesehen davon ist mir eine Kritik, die beschreibt, lieber als eine Kritik, bei der ich hinter der Aversion des Kritikers erst mühsam nach dem suchen muss, was auf der Bühne geschah.
kr, machen Sie doch mal Ihr Angebot wahr und schreiben ihre "unkritische Beschreibung", da finden sich bestimmt ein paar Leute, die ihren Kommentar dazu abgeben. Ich mache das gerne, und gerne auch so persönlich angreifend wie Sie.
Und übrigens können Sie schreiben was Sie wollen, ich werde mir den 2. Teil der Ruhrtrilogie trotzdem anschauen und freue mich drauf.
Ruhrtrilogie 2: das nie gesehene Polleschkleinod
Ich wiederhole mein Angebot: Sowas wie Frau SH hier als Kritik abliefert, schreibe ich blind, ohne die Aufführung gesehen zu haben. Ich muss noch nicht mal den Text von Theaterwissenschaftler Pollesch lesen. Ein, zwei Sätze über den Inhalt und Besetzung würden reichen.
Nun zu den Honorationen, die sich hier versammelt haben: wo, geehrter sd mache ich das Angebot einer "unkritischen Beschreibung"? Lesen Sie meinen Kommentar und dann antworten Sie bitte hochachtungsvoll nochmal. Ich werde meine Kritik sehr kritisch schreiben über das nie gesehen Polleschkleinod. Meine Kritik beginnt mit Ruhrdampfers Schönsatz:
"Pollesch funktioniert generationenübergreifend". Lieber Ruhrdampfer, ich verwette mich, daß Sie ein Dramaturg sein müssen. So ein schöner Dramaturgensatz. Die "Publikumswirklichkeit" ist in Poleschs Fall eine Dramaturgewirklichkeit. Und natürlich hängen sich Jung und Alt, die gerne hip sein wollen, gern eine schöne Polleschmeinung um den Hals. Das Feuilleton schreibt doch im Großen und Ganzen genauso dramaturgenwirklich unkritisch. Höchstens dass mal einer bemerkt: das ist ja das gleiche wie beim letzten Pollesch.
Und @kr geht wohl jedes Ironieverständnis ab? Bitte übern!
Ruhrtrilogie 2: hätte ich auch liefern können
Naja, kr, ich habe diesen Satz:
"Die (also die unkritische Bechreibung) hätte ich nachtkritik auch liefern können, nach der einfachen Textlektüre. Ich machs also das nächste Mal für die Hälfte." als ein Angebot einer eben solchen unkritischen Beschreibung verstanden. Und warum bis zum nächsten Pollesch-Abend warten?
Grüße,
DIE sd
Ruhrtrilogie 2: schreiben Sie Ihre Kritik
Liebe/r kr, geht auch mehr als Schimpfen? Ein Argument entnehme ich Ihren Einlassungen nicht, lediglich das beherzte "Kann ich auch!" So sei es: Fahren Sie hin, schreiben Sie Ihre Kritik, posten Sie sie hier, und wir sehen mal weiter.
Einstweilen lese ich gern die Kritik von Frau Heppekausen, die mir viel erzählt. Und auf die nächste Dramaturgiestelle werde ich mich auch bewerben. Ihr Zeugnis in der Mappe dürfte ja wohl reichen.
Ruhrtrilogie 2: saftig eins überbraten
Liebe(r) kr!
Warum denn so aufgebracht? Wer sich so weit in Gefilde vorwagt, von denen er offensichtlich keine Ahnung hat/ haben muss, der darf sich doch nicht wundern, wenn ihm die (studierten) Experten saftig eins überbraten.
Kritiken für halbes Honorar gibts ja zum Glück nicht, denn entweder man wird vernünftig dafür bezahlt - weil man eben gelernt hat, oder man muss kommentare schreiben.
Hochachtungsvoll.
Ruhrtrilogie 2: schon wissen Sie Bescheid
lieber kr! aber sie beschreiben doch genau Ihre praxis: ein zwei sätze über jemanden und schon wissen Sie bescheid.
Ruhrtrilogie 2: Tendenz zur Selbstdiffamierung
PS Sie lieben also ferndiagnosen wie die an sd: "ich verwette mich, daß Sie ein Dramaturg sein müssen". also meine ferndiagnose, die den doublebind in kommentar 1 berücksichtigt, und Ihre Tendenz jede diffamierung zur selbstdiffamierung zu nutzen "(ich) schreibe (...) blind, ohne die aufführung gesehen zu haben." oder daß Sie sagen, daß Sie "eine unkritische beschreibung" auch "selbst verfassen können", läuft eindeutig auf eine persönlichkeitsstörung hinaus. an der man Sie auch lustigerweise jedesmal wiedererkennt.
Ruhrtrilogie 2: ich schreibe Ihre Kommentare mit
Es geht aber lustig zu hier. Eine sehr deutsche Lustigkeit macht sich hier breit, ebenso wie beim albernkopfigen Pollesch. Die verehrten Experten mögen zur Kenntnis nehmen, dass die meiste Kritik geschrieben werden könnte ohne vorherige Betrachtung. Es ist die Vorhersehbarkeit, sowohl des Pollesch als auch seiner Kritiker als auch Ihrer Kommentare. Ich schreibe übrigens auch Ihre Kommentare mit! So bin ich in der obigen Kommentatorenriege nicht nur kr, sondern noch jemand. Vielleicht alle. Wäre ja wurscht. bSo wurscht wie die Kritik und ihre Verursachung hier sind. Nur Vorhersehbarkeiten. Langweilig!
Polleschs Ruhrtrilogie 2: Berühren bei Pollesch
@ kommentator
wie gut, dann kann ich ja zuhause bleiben und muss vorher gar nicht ins theater. aber wo wir uns berühren könnten ist da wo pollesch sein theater ist. und sie müssten ihre abende nicht alleine vor dem computer verbringen.
ich war leider, leider nicht in mülheim, ich möchte jetzt aber mal genau wissen, was genau vorhersehbar sein soll. theaterwissenschaftler und dann deutschlehrer geworden statt dramaturg?
Polleschs Ruhrtrilogie 2: ist das euer Ernst?
also mich biste nich, und ich bin aber auch ein dramaturg, und n kritiker bin ich obendrein, und ich guck mir auch nie was an, weil LANGWEILIG! und dann hab ich auch noch ne andere ferndiagnose: wenn man schwitzt macht man entweder sport, oder ist krank oder man befindet sich in der sauna. oder man ist n schwitzer, oder n schwätzer? eins von beidem. ausserdem habe ich 1995 theaterkritikerwissenschaft studiert, und dafür habe ich keinerlei honorar bekommen. jetzt bin ich aber ein ruhrdampfer mit sd- KRte, und da passt soviel Vorhersehbarkeit drauf, wie auf sonen Publikumsliebling.
mann leute? ist das euer ernst? echt jetzt? unfassbar...
Polleschs Ruhrtrilogie 2: vorhersehbare Heterosexualität
wärste mal zu pollesch gegangen, wo über arbeitsbeitsbedingungen geredet wird. ihr honorar interessiert mich aber an dieser stelle nicht.
aber was ist denn nun vorhersehbar in polleschs arbeit? er verhandelt doch wirklich anderes und anders als was sonst im theater, schnarch, läuft. wenn der schauspieler die bühne betritt ist er automatisch heterosexuell. das ist vorhersehbar.
Ruhrtrilogie 2: Schicksalskitsch ist out
Vorhersehbarkeit? Vorsehung? Quatsch mit Soße, der Schicksalskitsch ist out. Sorry, aber das ist doch irgendwie pervers, anderen Leuten bequem und sentimental beim Untergang in ihren Verstrickungen zuzusehen, anstatt sich um die eigenen Fehler zu kümmern. Und außerdem heisst "aperta" doch offen, oder? Erfahrungen macht man im Ent... äh Verzug.
Polleschs Ruhrtrilogie 2: Copypaste-Kritik, die immer passt
"Man nehme lustige Sitzmöglichkeiten, mische Texte von Groys, Butler, Preciado, Agamben plus Kantinengedanken über aktuellen Kinofilm, spreche das sehr schnell, dann hinter die Bühne und veträumt und/oder cool in die Kamera blicken und langsam sprechen, dann eventuell ein Lied, gerne auch Chanson, dann das ganze 3-4 wiederholen. Bei Bedarf mit Soufflage oder ohne. Der Bühnenbildner xy hat dafür ein kongeniales Bühnenbild entworfen, der Abend legt den gesellschaftlichen Herrschaftskörper bloß, kritisiert die heterosexuelle Repräsentationsgesellschaft und das alles mit boulevardesken Mitteln. Unterhaltsam, kritisch, witzig. Diskurstheater auf der Höhe der Zeit" Diesen Text einfach copypasten, passt zu jedem Pollesch, seit Jahren.
Ruhrtrilogie 2: Kaffee und Schweigen
Ihr seid ja alle ein paar Spezialisten!
Ich hätte nicht gedacht, daß Praktikanten so viel Zeit zum schreiben haben...
Kocht Kaffee und schweigt.
Ruhrtrilogie 2: Kommentar-Wette
Sorry, war alles Spaß. Habe mit einem Freund gewettet, daß ich mit einem einzigen Kommentar mindestens zehn Gegenkommentare kriege. Hat nicht ganz geklappt. Aber allein dieser Apell für mehr Schwule auf den Bühnen war es wert!
Ruhrtrilogie 2: Welcher Appell für mehr Schwule?
@Jeanne d'Arc kann auch nur lesen was sie will.
Wer redet denn von Schicksal?!

@kr: welcher appell für mehr schwule? kr, du kannst weder lesen noch hast du einen pollesch-abend jemals gesehen / hast einen hörschaden. ich schrieb: man ist automatisch heterosexuell wenn man eine theaterbühne betritt. und dass das vorhersehbar ist. und du bist ein sexist, wenn du aus meinem pollesch-zitat eine forderung nach mehr schwulen machst.

@macpollesch: wenn dein copypaste-text dein vorschlag zum copypasten für pollesch ist dann ist es sicherlich gut, das du hier kommentare postest. lass es einfach dabei.
überhaupt, dieser thread hätte interessant werden können, nun isser dot.
Ruhrtrilogie 2: kr ist ein anderer
Den vorigen Kommentar habe nicht ich geschrieben.
Ruhrtrilogie 2: Kontinuität auf hohem Niveau
Habe "Cinecittà Aperta" jetzt auch gesehen und fand es super. Sicherlich kann man Pollesch wie vermutlich den meisten Regisseuren vorwerfen, immer äußerst ähnliche Abende zu entwerfen, doch man kann es auch lassen. Für meinen Geschmack bewegt sich der Mann kontinuierlich auf einem ziemlich hohen Niveau und bleibt sich im besten Sinne treu. Seine diversen Stücke/Inszenierungen weisen durchaus kleine aber feine Unterschiede auf und ihre Unterhaltsamkeit ist nach wie vor schlichtweg wohltuend. Die Rezension über "Cinecittà Aperta" hier auf Nachtkritik finde ich übrigens auch gelungen – anschaulich im besten Sinne.
Ruhrtrilogie 2: alle sind sich doch treu
Wohingegen sich Peymann, Thalheimer, Perceval, Bondy und Gotscheff sich bei jeder ihrer Inszenierung neu erfinden oder das Theater revolutionieren - oder was? Das ist doch ein ödes Argument das Sie da bringen.
Ruhrtrilogie 2: Arbeit an der Dekonstruktion des Diskurses
@ 19: Mein Gehirn hat eben einfach den (vielleicht vorschnellen) Kurzschluss ausgelöst, dass, wenn jemand von Vorhersehbarkeit spricht, er auf die Vorhersehbarkeit von Repräsentation anspielt. Wo den Zuschauern von vornherein klar ist: Wow wie geil ist das denn, ich hol mir jetzt mal bisschen Psycho-Nervenkitzel ab, und das ist ja auch alles so schlimm, dass da gleich einer sterben wird. Sowas kann natürlich auch bei nem zeitgenössischen Text passieren, zum Beispiel von Sarah Kane. Da übertragen auch immer alle nur, dass die sich ja umgebracht hat und für die ist Sarah Kane dann eben einfach "krank" gewesen. Man könnte sich aber auch die Frage stellen, was heißt in unserer Gesellschaftsform eigentlich krank? Vielleicht sind ja auch die vermeintlich Gesunden krank und müssten sich demnach eigentlich auch umbringen. Ha ha? Man kann - wie das meines Erachtens Pollesch immer wieder und damit konsequent durchzieht - auch die Dekonstruktion der diskursiven Ordnung betreiben, die Bedeutungszuschreibungen immer wieder verschieben, anstatt sie auf der Bühne und im eigenen Leben immer nur zu reproduzieren.
Polleschs Cinecittà: keine gegenläufigen Strategien
das problem sind nicht die inhalte bei pollesch, sondern, dass er selbst schon proponent dieses radikalkapitalistischen systems ist. bei ihm gibt es keine gegenläufige strategien mehr, da wird immer nur das immergleiche PRODUKT verkauft, es gibt auch keine solidarische strategie, kein kollektiv, keine gruppe, keinen bartheschen autorentod (im gegenteil beutet er andere autoren für seinen mehrwert als AUTEUR aus), das bleibt schön kapitalistisch, patriachalisch, vor allem beim lohnzettel. alle arbeiten für das produkt POLLESCH, das zynisch seinen brand über die armut der anderen entwickelt, getreu der besten NLP taktik merken das die mitarbeiter aber gar nicht, alle werde kritisiert, der böse aussenfeind,das system, nur nicht der GURU selbst. hier wird keine diskursive ordnung dekonstruiert, sondern etabliert. so bleibt sein theater konservativ im wortsinne, harmlos und systemerhaltend, darum auch so beliebt bei harald schmidt, spiegel und bild. der publikumsliebling ist tot, es lebe der publikumsliebling.
Polleschs Cinecittà: Solidarität! Autorentod! kein Außenfeind!
es gibt eine solidarische strategie, es gibt ein kollektiv, es gibt den autorentod, und der lohnzettel sieht auch anders aus, als du hier verbreitest. es gibt bei pollesch vor allem k e i n e n aussenfeind, und es gibt bei ihm kein theater über die armut. das ist es, was ihn im gegensatz zu dir nicht harmlos macht.
Polleschs Cinecittà: selber Künstler oder was?
P.S. der Punkt über den du dich hier wahrscheinlich wirklich aufregst ist, daß Pollesch vor allem künstler kritisiert. und wahrscheinlich geht dir das so nah, weil du selber einer bist.
Polleschs Cinecittà: ein Glück, dass es das gibt
na und? kapier diese Aufregung gar nicht. Als ob das schlimm wäre? Das Theater ist doch toll, selten so was gesehen, bin echt glücklich drüber, das es das überhaupt gibt. Katrin Striebeck ist hinreißend. Die anderen alle auch, aber sie gefällt mir besonders. Gegen den Kapitalismus und das Patriachalische ziehe ich nicht auf dem Theatersitz in die Offensive, wäre wohl kaum der passende Ort. Wozu handele ich und habe einen Kopf?
Polleschs Ruhrtrilogie: auf dem Theatersitz in die Offensive
@katja: na und? kapier diese Aufregung gar nicht. Als ob das schlimm wäre? Das Theater ist doch toll, selten so was gesehen, bin echt glücklich drüber, das es das überhaupt gibt. Ulrich Matthes ist hinreißend. Die anderen alle auch, aber er gefällt mir besonders. Gegen den Kapitalismus und das Patriachalische ziehe ich nicht auf dem Theatersitz in die Offensive, wäre wohl kaum der passende Ort. Wozu handele ich und habe einen Kopf?
Polleschs Ruhrtrilogie 2: Theater als Lifesyle-Produkt
Lustig, diese altlinke Konsumismuskritik DerDramaturgie, welche unterstellt, dass die Verbraucher durch die Werbung manipuliert würden. Bzw. auf das Theater gewendet, dass die Zuschauer durch das Polleschtheater manipuliert würden. Nein, im Gegenteil, meines Erachtens ist gerade Pollesch sich dessen vollkommen bewusst, dass auch sein Theater bereits zum Lifestyle-Produkt des "aufstrebenden Viertels" des Prenzlauer Bergs geworden und sein eigener Name bzw. der Prater-Besuch zum Kult-Produkt mutiert ist. Daher ist es nur konsequent, dass das, was Pollesch in seinen Stücken immer wieder variiert und verschiebt, tatsächlich die Reflektion des eigenen Lebens unter dem Label "Künstler" ist. Denn dieser wird im globalen Kulturkapitalismus zum Leitmodell des flexiblen Arbeitnehmers: Sei kreativ! Vermarkte dich! Profiliere dein Image! Kunst ist damit immer auch Selbstausbeutung und Prostitution, allerdings auf der Basis einer (hoffentlich) freiwilligen und nicht ökonomisch-politisch erzwungenen Wahl.
Schließlich, liebe Katja, würde ich Ihre Konstruktion des Gegensatzpaars Zuschauerin versus politisch Handelnde/Aktive nicht unterstreichen wollen. Auch als Zuschauerin sind Sie aktiv, insofern Sie sich nicht nur von den optischen Reizen blenden lassen, sondern den Versuch der Manipulation durchschauen. Indem sie denkend schauen und vor allem ZUHÖREN, können sie das Ihnen Vorgeführte bestätigen oder transformieren. Die Gesten der Schauspieler sind nicht Ihre Gesten, aber sie verweisen auf die diskursive Ordnung ausserhalb des Theaterraums und damit auch auf ihr eigenes Leben. Über das sinnliche und zweckfreie Spiel der Kunst können vermeintlich fixierte Bedeutungszuschreibungen unterbrochen, neu übersetzt und potentiell verändert werden. Darin liegt das Politische der Kunst. Aber vielleicht wollten Sie auch genau darauf hinaus.
Polleschs Cinecittà: Vorstellungsvermögen
@stadelmeier
huch, ein Papagei!
Ullrich Matthes habe ich bis jetzt nur im Kino gesehen - aber ich kann mir vorstellen, das er auch auf der Bühne beeindruckt?
Ruhrtrilogie 2: hin und wieder ungewollt
Katja, kann es sein, dass ich dich schon mal gesehen habe? Ich komme nur drauf, wegen Katrin Striebeck, und einem ungemein hysterischen Lachen, das hin und wieder gewollt wirkte - ist nur ne Vermutung. Und eine Frage.
Ruhrtrilogie 2: ich lache nicht, träum weiter
klingt sehr unwahrscheinlich, ich lache nicht in der von dir beschriebenen Art - ich habe auch sonst niemanden derart lachen hören, wir müssen also in sehr verschiedenen Aufführungen gewesen sein. Oder für dich haben sich die Bedeutungen einfach so sehr verschoben, daß dein Interpretationssinn sich selbständig gemacht hat und so ein eigenes Erleben produzierte. träum weiter.
Cinecitta Aperta: mit einem Handstreich weggewischt
Coole Bilder aus Mülheim (zu sehen im Videofilm), geistreiches Spiel mit filmischem Realismus, knackige Entwicklung einer kritischen Sichtweise auf die Finanzkrise, die den moralistischen Schwulst um Managergehälter etc. mit einem Handstreich wegwischt. Vor allem ein grandioses Ensemble (das im Vergleich zum letzten Jahr noch mal zugelegt hat). Wenn der dritte Teil auch nur annähernd so gut wie Teil 1 und 2 wird, besitzt die Ruhr 2010 in Polleschs Ruhrtrilogie ihr erstes Großereignis.
Polleschs Cinecittà: unsterblich oder verderblich?
hieß das nicht ahistorisches Subjekt gegen "unsterblichen" Körper? Unsterblich ist doch was anderes als "verderblich"! "Alt und verderblich" ist doch auch nur ne Konstruktion. Dieser Befehl, jung, glatt und braungebrannt auszusehen! Und ausserdem ist mein Körper auch unsterblich, aber vielleicht liegt das daran, dass ich schonmal so ne Art Nahtoderfahrung hatte.
Polleschs Cinecittà: da weiß man, was man hat
Wer zu Pollesch geht, weiß, was auf ihn zukommt, das Stück ist mindestens mittelmäßig, meistens etwas darüber. Diesmal hat er nicht viel Neues geboten, alte Themen wurden nur neu variiert.
Leider kapriziert sich Pollesch immer auf eine Handvoll Denker (u.a.Marx, Darwin), ohne sich die Mühe zu machen, gedankliche Impulse auch woanders herzuholen. Ich glaube nicht, dass der Mensch absolut grundlos da ist und ohne historischen Bezug lebt. Nach Ansicht der Hermeneutiker besitzt der Mensch schon ein (latentes) Vor-Verständnis oder Vor-Wissen jenes Kulturraums, in den er geworfen" wurde (Heidegger vor der Kehre). Insofern ist jeder Mensch von der Kultur(-Geschichte) seiner Vorläufer mitgeprägt.
Der Sozialdarwinismus wurde schon in "Darwin-win..." breitgetreten, damals noch mit Berhhard Schütz in der Hauptrolle. Zum Glück fiel nicht mehr der Satz: "Survival of the fittest".
Debattiert wurde auch, dass der Humanismus irreal sei, weil er nicht für konstantes Glück sorgen könne, deshalb könne auch der Wunsch nach Humanismus wegfallen, vielmehr sei das Funktionieren lebensnotwendig, und dafür brauche es einen Plan, nämlich den der Kontrolle. Ein kontrolliertes Funktionieren als Triebfeder des Lebens - das wäre eine Ausgeburt der instrumentellen Vernunft. Zur Verteidigung Polleschs muss gesagt werden, dass er Gedanken nur durchspielt und man nie weiß, inwieweit sie ernst gemeint sind.
Im Übrigen lebt Reich-Ranicki immer noch, er ist keineswegs unhistorisch, während seine filmische Kopie Schweighöfer wohl eher als unhistorisch zu bezeichnen ist.
Schade, dass die Szene von Klaus Kinskis Wutausbruch während der Dreharbeiten von "Fitzcarraldo" nicht besser ausgearbeitet wurde. Inga Busch liest in einem Buch quasi die Einleitung, aber was dann kommt, ist etwas mickrig. Der reale Kinski verspürte den Drang, seinem Ärger Luft zu machen, weil er zwei Stunden wegen eines von einem Schlangenbisses vergifteten Teammitarbeiters nicht beachtet wurde. Kinski nicht im Mittelpunkt, das ging nicht, deshalb schleuderte er wütende Attacken gegen den Kameramann, um sich die Aufmerksamkeit zurückzuholen. "Ich werde einen Wirbel in Amerika machen", und dergleichen mehr. Was Pollesch daraus machte, war leider wenig.
Unterm Strich war es dennoch ein kurzweiliger Abend. Bei Pollsch weiß man, was man hat. Klingt - leider - nach einer Werbeparole, fast wie bei einer Kapitalismuskritik.
Polleschs Cinecittà: Funktionieren ohne Plan
Darin wendet sich das Stück ja gerade gegen den Humanismus. Den Humanismus als die Kontrolle unseres Funktionierens. Die sprechen da für ein Funktionieren ohne Plan. Von wegen also Ausgeburt instrumenteller Vernunft.
Polleschs Cinecittà: die Denkweisen der Repräsentation
@ Flohbär: ja aber darum gings doch gerade, oder? Gerade wenn und weil Ranicki noch lebt - warum tut man dann so, als sei er schon tot und müsste nun quasi in einem neuen Körper, nämlich dem vom Matthias Schweighöfer, wieder auferstehen? Auch bin ich mir gar nicht so sicher, ob Pollesch für historische Vergessenheit plädiert, für den Schnitt zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Ich würde eher sagen, er kritisiert die Vorrichtung der Repräsentation des Vergangenen, denn dabei wird so getan, als ob es nur eine einzige Perspektive oder Lesart auf "die Geschichte" gebe. Die Konfrontation der SchauspielerInnen der Live-Aufführung von "Cinecittà Aperta" auf der Praterbühne mit ihren eigenen Abbildern aus einer Videoaufnahme von "C.A" in Mühlheim zeigt auf, dass "die Geschichte" nicht 1:1 wieder-holbar ist - weder körperlich noch sprachlich. Da gibts immer einen Bruch. Im Filmbild sind die Körper unsterblich, vielleicht im Sinne von Oscar Wildes "Bildnis des Dorian Gray". Dagegen können wir das, was uns in unserer Gewordenheit heute ausmacht, nur über die Sprachordnung archäologisch analysieren, aneignen, neu konstruieren. Die diskursive Sprachordnung ist also die Basis der Wieder-Holung von Geschichte. Denn worauf achten wir da eigentlich, wenn Schweighöfer Ranicki spielt? Vielleicht auf den tollen Körper von Schweighöfer oder darauf, ob Schweighöfer dem jungen Ranicki ähnlich sieht. Aber sind diese Bilder nicht auch zu hinterfragen? Wie kann ich diese Bilder denken? Geschichte kann doch immer nur in der Rückschau konstruiert werden, denn in den Gegenwart bin ich ein ahistorisches Subjekt, weil ich im Hier und Jetzt, vorwärts und nicht rückwärts lebe. Meine Biographie ist nur ein ganz kleiner Auschnitt im Fluss der Zeit. Auch Ranicki lebt noch. Warum erzählt der also nicht über sein eigenes Leben? Und warum spielt Schweighöfer nicht sich, sondern den alten Ranicki?
Schließlich, Pollesch' Humor ist einfach unschlagbar, damit entlarvt er diese Denkweise von der Repräsentation der Moral und political correctness, welche den materiellen Verhältnissen immer nur als übergeordnete Idee übergestülpt wird, Zitat INGA: "Ich will nicht immer hier drin bleiben in diesem trailer!" - Filmtrailer oder Wohnwagen?
Polleschs Cinecittà: hat Funktionieren nicht auch Vorteile?
kurze Frage: wie ist das gemeint, mit dem Humanismus? Er ist ein Kontrollinstrument, von wem für wen geschaffen, an wem exemplifiziert - also, wer ist ihr Träger - etwa so, wie die Kommunisten die Träger des Kommunismus sind? Wo treten die auf und verfolgen ihre Kontrollpläne. Und hat Funktionieren nicht auch Vorteile - S-Bahn etwa - mit Plan? Ausnahmen immer gerne ?
Polleschs Cinecittà: das Leben ist keine S-Bahn
Eine S-Bahn kann sich ausschließlich den Plan erzählen. Am Fahrplan macht sich ihr Funktionieren fest. Aber unser Leben ist keine S-Bahn. Das Gerede von einem Plan versucht es aber zu einer zu machen.
Polleschs Cinecittà: Das Leben ist eine S-Bahn
bliebe noch der Humanismus, samt Trägern - wie lautet da die erquickliche Antwort? Allein, wenn ich bedenke, was bedeutet es, wenn sich eine S-Bahn den Plan erzählt? In dem sie ihm Folg? Aber folgt sie? Oder ihr Fahrer? Und dann, Endstation, alles aussteigen - ist etwas überanstrengt, aber: Das Leben ist eine S-Bahn, gehen tut's.
Polleschs Cinecittà: ich opfere mich auf für euch
@ abigail traut: Der Humanismus will uns einreden, dass je mehr wir auf Machtausübung verzichten und je besser wir uns der Macht (unseres Gewissens) unterwerfen, umso souveräner sein werden. Aber stimmt denn das? Und ändert das was am System? Die Rede vom bösen Bankmanager, der allein aus individueller Gier heraus agiert habe (Stichworte: Boni und Finanzkrise), verdeckt, dass jedes menschliche Subjekt zum Funktionieren bzw. zum Platzen der virtuellen Finanzkapitalblase beigetragen hat und beiträgt. Die Rede von der christlichen Nächstenliebe verdeckt, dass auch darin eine gute Portion Macht und Egoismus steckt, nämlich der Befehl: Ich opfere mich für euch auf, also müsst ihr mich auch zurücklieben.
@ Flohbär: Sie schreiben vom "Sozialdarwinismus" - ich habe das anders verstanden. Pollesch geht es um Darwins biologische (und nicht sozial interpretierte) Evolutionstheorie, nach welcher eben nicht der Fitteste im Alleingang überlebt, sondern der, welcher sich am besten an seine Umgebung anpasst und mit anderen kooperiert.
Polleschs Cinecittà: am besten angepasste Individuen
@ Jeanne d'Arc: Mit "survival of the fittest" sind nicht jene Personen gemeint, die körperlich besonders fit sind und sich im Rambo-Stil durchsetzen. Die Fittesten sind die am besten an ihre Umgebung angepassten Individuuen, die dann auch überleben. Insofern haben Sie Recht, und das ist auch die Kernthese des Sozialdarwinismus, der viele Theorien und Spielarten hat, bis hin zur Eugenetik und dem zweifelhaften Wunsch, dass sich schlechtes Erbgut nicht vermehren soll.
Das Stück "Darwin-win..." wird ja nicht mehr gespielt, damals hatte Schütz, beflügelt von einem Oscar-Wilde-T-Shirt, die Thesen dieser Theorien mit seinem lauten Organ herausgeschleudert und manchmal seine Mitstreiterinnen Kronjäger und Cuvelier überbrüllt. Während dieser Verlautbarungen wurde auch zweimal die Toleranz und Gleichmacherei der GRÜNEN kritisiert, und bei Darwin geht es ja immer auch um den Selektionsdruck und die Reproduktion. Aber eine grandiose Reproduktion vermag nicht immer zu gelingen. Um einmal bei der Politik zu bleiben: man stelle sich Woworeit als einen starken, kompetenten Zarathustra mit Mimikry-Fähigkeiten vor. So einer müsste sich eigentlich in biologischer Hinsicht vermehren, aber leider verspürt er nicht den Drang dazu. Insofern sind dem natürlichen Anwachsen der Berliner SPD Grenzen gesetzt, weil eine natürliche Selektionsschranke ihr Werk verrichtet.
Ich habe Darwin nur deshalb erwähnt, da Pollesch ihn in "Cinecittà" wieder aufgegriffen hat. Das vom Plan genommene Stück "Darwin-win..." kann ich mir nicht noch einmal ansehen und ich habe auch nicht mehr alles im Kopf. Frau d'Arc, da Sie sich wohl in Polleschs Kreisen auskennen, können Sie auch Inga Busch fragen. Die war nicht auf der Bühne, sondern hockte im Publikum.
Polleschs Cinecittà: worum es nicht geht
Lieber Flohbär! Bei Darwin geht es weder um Selektionsdruck, noch um Reproduktion. Hören Sie endlich endlich auf, Ihre Heterosexualität zu naturalisieren.
Polleschs Cinecittà: Humanismus erfinden
ah, danke, aber trotzdem ist die Trägerfrage noch ungeklärt, denn der Humanismus ist ja kein Selbstläufer, der plötzlich mal so aufgetaucht ist und hernieden sein Unwesen treibt - irgendwie muss er sich an wen andocken - im Bemühen um Menscheitsverbessernde Haltungen müssen doch diese Trägerindividuen von ihrer irrigen Annahme abgebracht werden - wieso irren sich die Menschen eigentlich so dermassen viel - erfinden Humanismus, der sie dann nicht weiter bringt, sondern nur noch mehr und subtiler in die schlimmsten Abhängigkeiten bringt - sind wir zum Fehlermachen disponiert? Denn wahrscheinlich entpuppen sich alle Auswege als neue Irrwege?
Polleschs Cinecittà: das Wesentliche in Kurzform
@ 43: Aha, darum geht es also nicht bei Darwin. Falls Sie sich nicht in die Thematik eingelesen haben, gebe ich Ihnen einen Tipp: Sehen Sie doch einmal unter Wikipedia unter Sozialdarwinismus nach. Da finden Sie das Wesentliche in Kurzform, allerdings nur grob umrissen.
Polleschs Cinecittà: Sie müssen mit Ihrer Angst leben
@ Flohbär: Mit dem Begriff "die Fittesten" habe ich nicht die körperlich Fittesten gemeint. Nein, die Fittesten sind die, die sich keinen Plan vom Mensch-Sein erzählen müssen, und das ist Humanismus, dieser Plan, dass wir uns jetzt alle lieb haben müssen, um weiterzukommen. Es geht sicher nicht darum, dass Wowereit sich vermehrt, nein, darum geht es gerade nicht, um Fortpflanzung und Vermehrung, denn das wäre ja wieder nur ein Plan vom Menschen, den wir uns erzählen. Tiere kooperieren instinktiv, ohne sich was erzählen zu müssen. Manchmal würde ich lieber einen Affen lieben als einen Menschen, verstehen Sie das? Und wo wir gerade dabei sind, schauen Sie sich doch mal Lars von Triers "Antichrist" an, da zeigt sich, dass dieser Plan vom Menschen eh nichts hilft. Es gibt keine hundertprozentige Sicherheit, auch Sie müssen mit ihrer Angst leben, denn sie kommt nicht nur von aussen, sondern auch aus Ihrem Inneren. Das ist das Unberechenbare, das sich an keinen Plan hält. Die Natur hält sich an keinen Plan, sie zeugt und zerstört zugleich.
Zur "Toleranz und Gleichmacherei der GRÜNEN", davon habe ich auch schon was bei Pollesch gelesen. Aber vielleicht lassen Sie sich da auch nur allzu bereitwillig irreführen. Ich glaube, es ging um Cohn-Bendit und dass der sagt "Wir haben die afghanischen Frauen befreit." Die Frage ist jetzt: Bewegt sich Dani le Rouge hier nicht in einem Widerspruch? Setzt er hier nicht wieder nur die Konstruktion (!) der europäischen Frau als Maßstab? Zeigt sich darin Respekt vor dem ganz Anderen als mein Leben, und das macht mich fertig. Oder nicht doch wieder nur Toleranz und Gleichmacherei in Bezug auf den Plan vom Menschen?
@ abigail traut (du hast einen Pornonamen, Baby): Ja, das verstehe ich auch immer nicht, wie man immer wieder in diese Humanismus-Falle tappen kann, anstatt sich und dem anderen einfach zu sagen: Hey, hol dir dein blödes Wasser doch selbst! Keine Ahnung, warum wir immer wieder diese Fehler machen. Paradoxe Irrwege.
Polleschs Cinecittà: Konsenswissen
Lieber Flohbär! Das war mir klar, daß Sie beim Konsenswissen stehengeblieben sind. Sie arbeiten wohl am Theater!
Polleschs Cinecittà: Fortpflanzung links liegen gelassen
@ d'Arc: Pollesch greift sich nur einen Teil von Darwin heraus und lässt, was er auf die Bühne nicht diskutieren möchte, links liegen, z.B. die Fortpflanzung.
Hier nun ein Darwin-Zitat aus dem PC, weil ich deswegen nicht morgen in die Bibliothek gehen möchte:
"Wir müssen daher die ganz zweifellos schlechte Wirkung des Lebenbleibens und der Vermehrung der Schwachen ertragen; doch scheint wenigstens ein Hindernis für die beständige Wirksamkeit dieses Moments zu existieren, in dem Umstände (sic!) nämlich, dass die schwächeren und untergeordneteren Glieder der Gesellschaft nicht so häufig als die Gesunden heiraten; und dies Hemmnis könnte noch ganz außerordentlich verstärkt werden, trotzdem man es mehr hoffen als erwarten kann, wenn die an Körper und Geist Schwachen sich des Heiratens enthielten."
Pollesch bearbeitet nur s e i n e n Darwin - und das ist auch sein gutes Recht. Ansonsten: irgendwelche Lebenspläne interessieren mich eigentlich nicht. Ist doch schön, ganz ohne Plan zu leben. Ich brauche manchmal nur einen Stadtplan.
Im Übrigen erinnert mich "Cinecittà" ein klein wenig an "Strepitolino".
Polleschs Cinecittà: das sagt der Fuchs
@ Flohbär: Pollesch übernimmt nicht einfach Theorien, sondern dekonstruiert sie. Das heisst, man unterzieht die begrifflichen Konstruktionen einer kritischen Analyse. Der Begriff der Fortpflanzung existiert bei den Tieren nicht, es sei denn, sie könnten plötzlich sprechen, wie der Fuchs in Lars von Triers Wald, der da spricht: "Chaos regiert." Ja genau, denn menschliche Subjekte erzählen sich vielleicht Pläne ihrer Leben, die aber offen und different bleiben müssen, um nicht in der Totalität des Befehls zu enden: PFLANZ DICH FORT ODER STIRB! Sie selbst erinnerten bereits an die Eugenik des Dritten Reichs, an Mutterkreuz, Gebärprämie und andere Perversitäten, um das Spiel der Körper und der Lüste an die Heterosexualität und den Zweck der Fortpflanzung zu binden.
Und wissen Sie, dieses von Ihnen herausgestellte Darwin-Zitat entlarvt meines Erachtens auch einiges über Ihre Denkweise bzw. Ihr Weltbild. Diese Dualität von "krank" und "gesund", das klingt für mich sehr nach sozialer Säuberung. Sie sind frei, so zu denken, natürlich, aber Denken ist bereits Schuld. "Krank" und "gesund" sind übergeordnete begriffliche Konstruktionen, um sich und die Anderen zu disziplinieren. Ich kann dagegen immer nur auf den Ursprung bzw. auf die situative Entscheidung des menschlichen Handelns verweisen.
Polleschs Cinecittà: anders denken als Darwin
Werte d'Arc, mit dieser Reaktion habe ich gerechnet.
Ich habe Darwin nur zitiert, dieses Zitat hat aber mit meiner Denkweise nichts zu tun. Bei manchen Autoren reicht es, zu zitieren, man braucht den Text nicht mehr weiter zu kommentieren.
Im Leben kommt es vor, dass man auch übers Dritte Reich schreiben muss, obwohl man es abscheulich findet.
Ende der Diskussion.
Polleschs Cinecittà: schon wieder ein Irrtum
Lieber Flohbär! Schon wieder ein Irrtum. Man muß ganz sicher nicht über etwas schreiben, das man abscheulich findet. Wenn das in Ihrem Leben öfters vorkommt, könnte es tatsächlich genau dieser Umstand sein, der Sie unterstellen läßt, man verachte immer und automatisch seinen Gegenstand.
Polleschs Cinecittà: automatisch dasselbe Wertesystem?
@ Flohbär: Das verstehe ich nicht. Warum war Ihnen dieses Zitat von Darwin denn dann so wichtig? Nur um darüber die Konstruktion und Funktion von Stereotypen aufzuzeigen? Ich persönlich lasse ein Zitat nie unkommentiert, insofern es nicht ungefähr meiner eigenen Position entspricht. Sie meinen dann also, es sei von vornherein jedem klar, dass der Inhalt dieses Zitats "abscheulich" ist? Nehmen Sie da jetzt nicht wieder nur an, dass alle Subjekte einer politischen Gemeinschaft automatisch dasselbe Wertesystem teilen? Geht es nicht vielmehr um die kommunikative und konfrontative Aushandlung von Gemeinschaft? Sie wollen "das Ende der Diskussion", schon klar.
Polleschs Cinecittà: über den Teufel schreiben
@51: Worin lag denn der erste Irrtum? Dass es bei Darwin nicht um Reproduktion und Selektionsdruck geht? Das ist genauso, als würde man behaupten, beim professionellen Fußball gehe es nicht ums Geld oder ums Toreschießen, sondern rein um die körperliche Ertüchtigung.
Ich habe einmal übers Dritte Reich geschrieben und damit Geld verdient. Ich würde sogar über den Teufel höchstselbst schreiben, wenn ich ein angemessenes Honorar dafür erhalte.
Mit meinem Zitat wollte ich nur zeigen, dass man bei der Auseinandersetzung mit Darwin wegen diverser kritischer Passagen aufpassen muss.
Übrigens hat Matthes mal den Goebbels gespielt - kein Mensch kommt dabei auf den Gedanken, dass hierbei Matthes Denkweise durchsickert.
Diskutieren Sie jetzt am besten mit Frau d'Arc allein weiter,@51, auch Ihre wortkargen Beiträge möchte ich nicht weiter kommentieren.
Polleschs Cinecittà: Dietmar Dath ist zu empfehlen
Was meinen Sie denn mit wortkarg? Ich bin vielleicht lediglich nicht gewohnt für die Anzahl der Zeilen bezahlt zu werden. So wie Sie. Aber natürlich sickert Matthes Denkweise durch, wenn er Goebbels spielt. Halten Sie ihn für eine hohle Nuss? Sie sollten nicht zuviel wikipedia lesen, ich würde Ihnen sämtliche Interviews von Dietmar Dath empfehlen. Denken muß nicht bedeuten, schlecht gelaunt immer wieder ekelhafte Texte hervorzukramen. Daß Sie über wikipedia hinaus, absolut nichts von Darwin verstehen, haben Sie jetzt ja zur Genüge bewiesen. Warum bestehen Sie denn bloß weiterhin darauf, Sie hätten ihn gefressen?
Polleschs Cinecittà: Evolution des Erdbeereises
die oben hat recht. darwin hat über die herstellung von erdbeereis geschrieben. sie ist eine große denkerin.
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