Öl - Lukas Bärfuss und Stephan Kimmig führen in fremde Länder und in die Hölle des Privaten
Das Fremde trägt jetzt Pilzkopf-Haarschnitt
von Anne Peter
Berlin, 18. September 2009. Am Anfang steht sie, während die Hausherrin schläft, im blauen Halbdunkel an der Rampe und schaut mit stummen Augen im Publikum herum. "Es gibt kein Mitleid", sind ihre ersten Worte – und ihr Credo: in mitleidsloser Umgebung schlägt sie unerbittlich zurück. Immer wieder trägt sie 25 Jahrhunderte alte Weisheiten über die "Kunst des Krieges" aus der Feder des chinesischen Militärstrategen Sunzi vor. Kriegerin, Terroristin, Racheengel und Alptraumfigur.
Sie – das ist Susanne Wolff, die früher Maria Stuart, Nora, Hedda Gabler und Penthesilea war. Sie spielte all diese großen Rollen für Stephan Kimmig, einen für seine Figurenfeinpsychologie gerühmten Regisseur. Ulrich Khuon hat nun beide – die Starspielerin und ihren Regisseur – aus Hamburg mit nach Berlin gebracht und eröffnet die große Bühne des Deutschen Theaters programmatisch mit der Uraufführung "Öl" des Schweizer Dramatikers Lukas Bärfuss, dessen vielgepriesenes Stück "Der Bus" (Mülheimer Dramatikerpreis 2005) Kimmig bereits inszenierte. Susanne Wolff spielt diesmal also die Rolle eines Mädchens ganz ohne Theatergeschichte.
Glücksritter im Scheißland
Das Fremde kommt in "Öl" somit subtiler daher als tags zuvor in Andreas Kriegenburgs Herz der Finsternis, wo es sich in Gestalt überdimensionaler Pappmaché-Puppen, mahnenden Hunger-Gerippen, aus dem Schnürboden herabsenkte. Jetzt trägt es Pilzkopf-Haarschnitt, Weißhemd und Anzug. Das Unheimliche wird ins Spiel der Schauspielerin Wolff verlegt: eine hochgewachsene Frau, die beim Gehen ihre Füße merkwürdig parallel setzt. Nichts kann sie aus ihrer alienhaften Ruhe reißen, die all ihren Bewegungen und ihrem Sprechen anhaftet – sie ist sich ihrer Sache sicher. Am Gürtel, unter dem Hemd, trägt sie ein Messer. Doch für die Frau, die sie heimsucht, werden ihr Worte zum Angriff genügen.
Lukas Bärfuss' Stück "Öl" ist als Auftragswerk fürs DT entstanden ist, man merkt ihm die thematische Verwandtschaft mit dem Eröffnungs-Stoff Joseph Conrads deutlich an. Bärfuss' Ferne heißt Beryok, eine imaginäre Dritte-Welt-Gegend, in der Rentiere und Mücken die Taiga bevölkern, in der Nomaden leben, Krieg herrscht und nur noch zwei Europäer nach Öl bohren: der Geologe Herbert und Edgar, sein Ingenieur. Alle anderen haben das Land schon aufgegeben, und auch Herbert hält es für ein "Scheißland. Mit Scheißmenschen. Einer Scheißkultur", für "eine alte Fettel, die sich jedem Dahergelaufenen angeboten hat. Alle sind sie drüber, die Amerikaner, die Engländer, die Franzosen. Und jetzt liegt sie da, ausgelutscht und abgebrannt und vollgekleckert. Aber das Luder hat noch ein paar Groschen versteckt." Und die paar Groschen, ein bisschen Millionen-schweres Öl, will Herbert dem Luder auch noch abnehmen.
Die Gewalt frisst sich nach innen
Mit seiner modernen Goldgräber-Geschichte rückt Bärfuss drei Exemplare unserer westlichen Gesellschaft so nah an den Ort gewaltsamer zivilisationserhaltender Maßnahmen – die Erschließung neuer Ölvorkommen im Verbund mit persönlicher Bereicherung – heran, dass die gewohnten Fernverdrängungsmechanismen aussetzen, die Gewalttätigkeit sich nach innen wendet und ins Private hineinfrisst: Das Ehepaar Herbert und Eva Kahmer hat die Gier nach schwarzem Gold in die Fremde getrieben, dort werden sie nun sich selbst und einander fremd.
Nicht nur, weil Herbert von seinen ergebnislosen Bohr-Touren gern mal mit einer Woche Verspätung zurückkehrt, während Eva in einem bunkerartigen Wohnrudiment, allein mit der einheimischen Haushaltshilfe Gomua, auf ihn und eine Erfolgsmeldung wartet. An schmuddeligen Betonplatten-Wänden kleben die Reste einer Wald-Fototapete, nachlässig stehen Sitz- und Liegemöbel von Bauhaus-Art herum (Bühne: Katja Haß). Schlimmer noch als das ereignislose Dahinvegetieren in diesem Unwirtlichkeits-Loch ist der Grund aus Ausbeutung und Gewalt, auf dem die ganze Unternehmung fußt. Er bricht unter Evas Füßen allmählich auf und nimmt in ebenjenem Mädchen Susanne Wolffs personifizierte Gestalt an.
Hochverletzliches Wundwesen mit herrischem Gehabe
Halb bleibt sie einflüsternde Zwangsvorstellung Evas, halb Brandstifterin, die einen Fahrer der Öl-Sucher-Crew in den Tod zündelt. Er stirbt, das Mädchen wird hängen – und entgegen Herberts Überzeugung gibt es kein Mittel gegen "baumelnde Erhängte in Damenhirnen". Nina Hoss zeichnet das Psychogramm dieser in den Wahn hinübergleitenden Eva virtuos in allen erdenklichen Nuancen, vom hysterisch auftrumpfenden Lachen bis zu kajalverschmierten Tränen. Aus alkoholdurchtränkter Einsamkeit schwingt sie sich zu abstoßend herrischem Machtgehabe gegenüber ihrer Angestellten Gomua auf; wenn der Ehemann sie seinerseits anherrscht, wird sie selbst zum hochverletzlichen Wundwesen. Felix Goesers unberechenbarer, Gefährlichkeit verströmender Herbert beliebt den grünen Parka einmal quer durch den Raum zu pfeffern und bewegt sich, die Stimme mit Zynismus gefärbt, immer nah am Ausraster.
Inmitten dieser messerscharfen Anatomie einer Gewissens- und Seelenzerrüttung steht meisterhaft stoisch Margit Bendokat als Gomua, die mit gewohnt monotoner Schnarrstimme und nicht ohne komischen Effekt Kurzsatzstücke einer für sie fremden Sprache absondert, die sie zwar perfekt beherrscht, aber sich vom Leibe hält – ein sich sträubender Fremdkörper auch in diesem von psychologischer Finesse durchdrungenen Abend. Diese Frau dient bei Menschen, die ihr nicht im Mindesten verständlich werden. Sie hält gewissermaßen den Spiegel, in dem wir uns selbst als Fremde erkennen können.
Öl (UA)
von Lukas Bärfuss
Regie: Stephan Kimmig, Bühne: Katja Haß, Kostüme: Katharina Kownatzki, Musik: Michael Verhovec, Dramaturgie: Sonja Anders. Mit: Margit Bendokat, Felix Goeser, Nina Hoss, Ingo Hülsmann, Susanne Wolff.
www.deutschestheater.de
Mehr lesen? Am Hamburger Thalia Theater inszenierte Stephan Kimmig im März 2009 zum Abschied Dennis Kellys Liebe und Geld, ebenfalls mit Susanne Wolff, bevor er mit Ulrich Khuon ans Deutsche Theater Berlin wechselte.
Kritikenrundschau
Eberhard Spreng vom Deutschlandradio (Fazit, 18.9.2009) findet Bärfuss' Plot "denkbar schlicht" und enttäuschend. Außerdem erzähle Kimmig das Ganze "in einem geisttötenden Elendsdekor routiniert und uninspiriert". Auch die Männer des Ensembles enttäuschen, "ansehnlich" allerdings seien Hoss und Bendokat "als skurriles Paar in unfreiwilliger Wohngemeinschaft". Und auch Wolff überzeugt den Kritiker mit ihrer "suggestiven szenischen Präsenz".
Bei Bärfuss und Kimmig werden für Andreas Schäfer vom Tagesspiegel (20.9.2009) hingegen "Grenzen durchlässig", die Bedrohung werde von außen nach innen verlagert, v.a. durch die von Wolff "mit der Würde eines Mönchs gespielte" Frau. "In ihrer aufbrausenden Zerbrechlichkeit" gebe Hoss "grandios" das "Mittelschichtswrack" Eva, deren Züge beim Augenschließen einer "Gesichtslandschaft der Angst" glichen, "verwüstet von der ungeheuerlichen Anstrengung, der inneren Wirklichkeit eben nicht ins Auge zu sehen". Der Zuschauer sehe dieses Innenleben, "gespiegelt in der Fratze des Widerstands, Bilder, die gar nicht mehr gezeigt werden müssen (...). Dieses Spiegeln, diese Durchdringung der Welten, dieses Irrlichtern und Weiterwuchern und ins Bewusstseinfressen der Schuld hört an diesem großen Abend nicht mehr auf." Anfangs wähnt sich auch Schäfer noch in einem "normalen Ehedrama", das sich stellvertretend zwischen Eva und ihre Haushaltshilfe Gomua verlagere. Als die Männer schließlich Öl finden, breche die "Aussicht auf Millionen" den "Firnis der Menschlichkeit, der bisher noch gnädig über den Beziehungen schimmerte, und offenbart einen nackten Blick in den Abgrund aus Gier, Lüge und schuldhafter Verstrickung".
Die "höhere Lehre" dieses Stückes lautet für Peter Kümmel (Die Zeit, 24.9.2009): "Erst wenn der letzte Baum gerodet, der letzte Fluss vergiftet, der letzte Fisch gefangen ist, werdet ihr merken, dass man Dialogholz nicht sprechen, dass man Theaterpapier nicht verbrennen kann". Oder anders genommen: "Öl ist ein prätentiöser Schmarrn." Jedoch, so Kümmel weiter, Bärfuss und Kimmig haben Nina Hoss, "und Nina Hoss kann sich auch in schlechten Stücken zuversichtlich niederlassen und sie zum Leben erwecken. Wo sie war, blüht ein wenig Irrsinn nach. Worauf ihr Blick ruht, das scheint der Betrachtung wert".
Im Gegensatz zu seinem "hervorragend recherchierten Ruanda-Roman" schrumpfe Lukas Bärfuss' "Öl" "zusehends zu einer bürgerlichen Ehetragödie", schreibt Christine Wahl auf Spiegel online (19.9.2009). Der politische Hintergrund verkomme "zum bloßen Motivationscocktail für die üblichen Paarprobleme": unterforderte Akademiker-Hausfrau vs. Komplex-beladener Gatte. Auch die Fluchtwege blieben klassisch: "Tobsuchts-, Zynismus- und Verzweiflungsanfällen" bei ihm, Alkohol und Fremdgehen bei ihr. "Kurzum: Bärfuss' Stück wirkt mit ziemlich heißer Nadel gestrickt, das Personal recht schablonenartig und sein Text oft entsprechend nah am Klischee." Daran gemessen holten die Schauspieler "maximalen Facettenreichtum aus dem Abend heraus", allen voran Nina Hoss, deren Szenen mit Margit Bendokat die "spannendsten des Abends" seien. Und Susanne Wolff meide die dräuende "Innerlichkeitskitschgefahr" ihrer moralischen Figur mit "einer Sachlichkeit, die sie vor dem Abrutschen in die Plattitüde bewahrt, ohne die Figur deswegen zu verraten".
"Treffsicher" lege Kimmig offen, dass die in Bärfuss' Stück geschilderte "Form von modernem Kolonialismus die Existenz in kaum lösbare Widersprüche verstrickt", so Simone Kaempf in der tageszeitung (21.9.2009). Dabei werde über weite Strecken "die Stimmung eines Eheschlachtendramas beschworen". Alles bleibe "im Privaten, die Inszenierung giert in keiner Weise nach der Bedeutsamkeit ihres Stoffes (...). Aber wenn Eva verbal das Terrain absteckt, dann geht es um den Verteilungskampf zwischen Erster und Dritter Welt, und aus dem – das ist die klare Botschaft – kommt man nicht unbeschädigt raus." Kimmig liefere hier das überzeugende "Psychogramm einer Existenzzerrüttung (...), in der eine Sicherheit gebende Umgebung verloren geht". Allerdings müsse er um "ein glaubwürdiges Bild für das Mädchen" Wolffs ringen, das, "halb mephistophelischer Geist, halb toughe Geschäftsfrau", Eva "unsinnig brachial-therapeutisch zur Emanzipation" verhelfe. Hoss spiele das allerdings "fesselnd bis zum Schluss, mit einer subtilen Not, die sich in sie frisst".
Tobi Müller, der vorab einen Probendurchlauf sehen durfte, widmet sich in der Welt am Sonntag (20.9.2009) in einem Porträt vor allem dem Autor aus dem Berner Oberland. Mit "Öl" untersuche Bärfuss, "was passiert, wenn sich der Wahnsinn der Rohstoffausbeutung, auf der unser Wohlstand gründet, nicht mehr aus der Wirklichkeit aussperren lässt". Seine bisherigen Stücke hätten stets "das liberale Selbstverständnis der Zuschauer auf die Probe" gestellt, "anstatt bloß ihr Gewissen mit dem Konsum eines 'politischen' Stücks zu befriedigen". Bärfuss brauche "aktuell erscheinende Themen, um sich der menschlichen Kondition zu nähern", was man daran sehe, "dass kaum einer seiner Generation so gut gebaute Dialoge schreibt". Die Schauspieler seien dabei für ihn "das Zentrum". Hoss' Eva sei "von den Widersprüchen bis in jeden Muskel verkrampft" und wolle im Grunde vor allem "gefunden werden in der Finsternis. Erlöst." Kimmig wolle es allerdings noch etwas deutlicher: "Einige Doppeldeutigkeiten wurden gestrichen, andere Verunklärungen kamen dazu, und die strenge, unpsychologische Sprache Bärfuss' verschmilzt in der Regie mit den Deftigkeiten des Boulevards. Was auf dem Papier flirrt, wirkt auf der Bühne hölzern, so der Probeneindruck, den man nicht zum Nennwert nehmen darf, weil sich die Schauspieler noch schonen und bis zuletzt geändert wird. Dennoch: ein Schock". Müller weiß auch, wie der Dramatiker offenbar mit dem Theater um seinen Texte kämpfte. "Aber ich weiß, dass es im Theater um ein Verhältnis geht und nicht um die Abbildung der Intention des Autors", zitiert er Bärfuss.
Es gehe bei Kriegenburg und Kimmig v.a. auch "um die Flur- und Kollateralschäden", die Ausbeutung und Kolonialisierung "im weiten Land der eigenen Seele hinterlässt", schreibt Christine Dössel in der Süddeutschen Zeitung (21.9.2009). Insofern scheine die neue DT-Devise "Think global, act local" zu lauten. Für Hoss sei die Figur der Eva eine wahre "Glanzrolle", erspiele sie doch "mit Bravour sämtliche Facetten einer arrogant auftrumpfenden, hysterisch-neurotischen, zunehmend verängstigten, verheulten, zerbrechlichen, in ihrem gärenden Wahn fast wieder zum Kind werdenden Frau am Rande des Nervenzusammenbruchs". Bendokat statte das "bäuerliche Wesen" Gomua "mit einer derart roboterhaften Mechanik und Ungerührtheit aus, dass in den Dialogszenen der beiden Frauen hochnotkomische Funken" sprühten. Dabei sei die Stimmungslage "eher düster und brodelnd bedrohlich", v.a. wegen Wolff Nomadenmädchen, "Evas Fleisch gewordener Angsttraum, Ausgeburt ihres innersten Ichs". Kimmig inszeniere dies "so leise, befremdlich und hoch konzentriert, dass man der Intensität des Abends nicht entgeht". Fazit: "eine Tiefenbohrung von hohem Ertrag".
Mit der gleichen Schluss-Metapher, aber gegenteilig befindet Peter Michalzik in der Frankfurter Rundschau (21.9.2009): "Eine Tiefbohrung ist das nicht, aber ein sprudelnder Quell des Vergnügens." Das Stück sei "ein Bastard": "einerseits ein Stück über die Verlorenheit in der Fremde", andererseits "ein etwas allegorisierendes, die großen Bedeutungen streifendes Drama über die Gier nach dem schwarzen Gold" und die "Urkräfte des Marktes in den Tiefen der Seelen", nebenbei "auch noch ein etwas holpriges Beziehungsdrama". Viertens sei "Öl" durch die Figur Elsa auch noch "ein Erlösungs- oder Erkenntnisdrama". Wie kein anderer lebender Dramatiker könne Bärfuss "aktuelle Themen behandeln", "Öl" jedoch wirke, "als sei durch Sehnsucht nach Bedeutung der Stoff überformt. Der Dialog, der offen bleiben soll, überhebt sich und ist merkwürdig starr". Kimmig lasse das als "waschechte Komödie" spielen, ihn interessierten "nicht Sinn und tiefere Bedeutung, sondern nur Scherz und Theater. Das Ding, scheint die klare Maxime, muss auf der Bühne wuppen". Da werde bei den Männern "gemachot, was das Zeug hält" (Felix Goeser) "und die Grimasse hergibt" (Ingo Hülsmann). Mit dem Bärfuss-Stück habe die Inszenierung nicht viel zu tun und sei "in sich nicht stimmig, mehr: sie ist ein großer Blödsinn. Und trotzdem ist es ein großartiger Abend", was v.a. an Bendokat und Hoss als "weiblicher Reinkarnation des alten Herr-und-Knecht-Paares" liege. Hoss sei "wahrscheinlich noch nie besser zu sehen" gewesen als hier – allein sie sei "eine Theaterreise wert".
"Völlig inhomogen" erscheint das Stück auch Irene Bazinger von der Frankfurter Allgemeinen (21.9.2009). "Die Geschichte von der mitgereisten frustrierten Ehefrau, die sich die Zeit mit Schnaps vertreibt, während ihr geldgieriger Mann 'da draußen' besessen dem schwarzen Gold nachspürt, besteht nur aus Klischees." Man ergehe sich "in Platituden": Zwar gelängen Kimmig dank Hoss und Bendokat "ergreifend hellsichtige wie hinreißend komische Szenen", doch zwischen diesen "Momenten künstlerischer Wahrhaftigkeit" lägen bloß "dünne Sequenzen papierener Sentenzen".
"Nach Kriegenburgs illustrativem, einschläferndem, als Großkunstgetue abbuchbarem Albtraum" liefere Kimmig das "aufrüttelnde, ganz und gar nicht tröstliche Aufwachen", schreibt Ulrich Seidler in der Berliner Zeitung (21.9.2009). Seine Inszenierung werfe einen "zurück in die zwar viel weniger bunte und sinnliche, aber um so gruseligere Wirklichkeit, die eben nur mit Hilfe von Ausblendungen auszuhalten ist". Auch Seidler findet, dass Hoss für die "Traumrolle" Eva eine "Traumbesetzung" sei, und "aufgewiegelt durch das irremachende Trutzburg-Gesicht" Bendokats, als "Rasierklingen-Nachtigall" die "fiesen, klaren Bärfuss-Zynismen" herunterzwitschere. Bärfuss entwickele "das äußere Geschehen recht konventionell und klischeehaft, aber stets zwingend". "Gut geschrieben, gedanklich sauber und fein inszeniert und herrlich gespielt, aber für die nötigen Irritationen sorgt erst der Auftritt" jener seltsamen Frauen-Erscheinung. Und allein Susanne Wolff in dieser "schwierigen Kunstgriff-Rolle" lohne den Intendantenwechsel. Sie generiere "mit regungslosem Blick durch ihre Weltschluckeraugen ein Kraftfeld, das allen Realismus abschweben lässt".
Hoss schafft es, diese Eva mit ihren bisherigen Glanzrollen am Deutschen Theater zu verknüpfen, schreibt Matthias Heine in Welt (22.9.2009). Bärfuss' Stück habe auch in der für die Bühne vereinfachten Fassung noch seine Schönheiten, aber auch seine Schwächen. "Letztere ist der Mangel an äußerer Handlung. Irgendwann bringt Eva ihren Mann eben um, ohne dass es einen Konflikt im dramentechnischen Sinne gegeben hat." Die Schönheit liege in der Sprache und der Figurenzeichnung von Bärfuss. "Selbst über den manischen Herbert wird nicht gleich ein eindeutiges Urteil gesprochen - auch er hat ein bisschen Recht, wie jeder hier auf seine Weise."
"Nina Hoss als Eva Kahmer ist (...) eine von Widersprüchen durchzogene Figur, staunenswert nuancenreich und seelenfeingliedrig. Susanne Wolff meistert die schwierige Rolle des aus Angstträumen entspringenden Mädchens mit wenigen, präzisen Sprech- und Spielmitteln", schreibt Dirk Pilz (NZZ, 29.9.2009). Und doch komme diese Inszenierung kaum über "Kunstübungen" hinaus, auch wenn das "virtuose "Öl"-Kammerspiel (...) immerhin noch einige verstörende Qualitäten besitzt".
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Andererseits habe ich natürlich keinen blassen Schimmer welche "Menge Berliner Probleme" Sie gerne dramatisiert sähen... aber ich hoffe inständig, dass dieses Stück NIEMALS geschrieben wird !
..."und AFRIKA ist ein heruntergekommener Kontinent,pleite,ohne funktionierende öffentliche Verkehrsmittel,durch Ausbeutung und Misswirtschaft,Korruption und Kriminalität zu einem beängstigenden Moloch verkommen"...
@ Rolf
..." Denn das Leben findet auf der Welt statt und die Kunst sollte auch mit der Welt in der wir leben zu tun haben.Warum denn nicht ?" ...
Keiner will euch Berlin, eure Stars oder euer Theater nehmen - Aber ; Je mehr man von der ganzen Welt begreift, desto mehr kann man begreifen !
Nun zu dem Theaterabend. Es war einer, der sich einprägt, ein aktuelles Thema, eine stringente Handlung, nachvollziehbar, verständlich, großartige weibliche Schauspielerinnen Bendokat und Hoss, dazu kamen ideenreiche Szenen (100 meisten Wörter der deutschen Sprache). Sind wir nicht so? Bemitleiden wir nicht die Armen (Afrika ist da wirklich nur eine Metapher und Bendokat hat nun wirklich kaum etwas Afrikanisches, könnte auch ne polnische Putze in Berlin oder ein portugiesischer Bauarbeiter in Stuttgart sein) und leben dennoch gut. Doch auch das ist wieder eine verkürzte Sicht meinerseits und ich müsste viel mehr schreiben.
Ich finde das Gesamtwerk und das Anliegen von Barfüss beachtlich. Doch das alles ist ein weites Feld, das es lohnt, zu beackern. Tut es Leute. Der Rest, was Lieschen Müller hier von sich gibt ist einfach nur Geschwafel.
Und noch etwas zur roten Monika. Zum Glück gibt es diese Hauptstadt nicht mehr. Sie war langweilig, sauber und grau. Die Menschen, die sie schon damals bunt machten, tun dieses auch heute noch. Doch auch die wollten damals schon die Tristesse hinter sich lassen. Es ist darum müßig, all das Gute und Interessante der damaligen Zeit zu verklären. Ich lebte damals in berlin, ich lebe heute in Berlin und ich reibe mich an dieser Stadt und das tut gut.
Assi, du hast es in drei Sätzen verpackt und du hast recht, liest man all den Scharrn, kommt man sich wie im Urwald vor, im Urwalt der Möchtegernsager. Weniges ist interessant, der Rest ist Dummheit...
So ist es halt, wenn jeder was zu sagen haben glaubt.
Ich muss es ja nicht lesen.
Tschüß
Bin dann mal halt im Theater.
Na gut, keiner ist vollkommen.
Sie möchten nicht beschimpft werden hier - na klar, möchte keiner - und Sie wollten ja auch nur loben, optimieren und mitteilen was Sie so finden - auch klar, machen ja auch alle hier - und jetzt hacken auf einmal alle auf ihnen rum... und das ist so so fies - oder!?! ...Aber - vielleicht, liebe Frau Zyllich liegt das daran das sich hier ziemlich viele Menschen tummeln, die einen großen Teil ihrer Zeit ziemlich direkt auf, neben, um und vor den Bühnen dieses Landes verbringen - die sich viele viele Gedanken machen wie man das alles so hinkriegt das es fein wird, für alle, die da zugucken - und wie es wichtig, relevant und gescheit wird - dabei aber trotzdem chic und besonders aussieht - wie das eben so ist mit der Kunst - da stehen ja im besten Fall Menschen dahinter die was zu erzählen haben, und natürlich froh sind wenn da Jemand gerne zuhört. So - und jetzt, liebe Frau Zyllich, kommen Sie ins Spiel: Sie waren offensichtlich im Theater (brav!), haben geschaut (brav!), sich Gedanken gemacht(auch brav!) und diese Gedanken dann ins Netz gestellt (!!!) - und jetzt wirds ärgerlich - DENN: Sie haben das Stück (wie Sie selber sagen)nicht verstanden (Afrika/Metapher...etc) aber das ist nicht das Problem (kommt bei den besten Dramaturgen vor!) - Vielmehr ist ihre Forderung nach anderem Schauspieler (Matthes) und anderem Inhalt (Berlin) das Heikle - denn ob Sie's glauben oder nicht: Das ist fast so fies wie beschimpft werden obwohl man doch nur was Nettes sagen wollte...!
...Und je länger ich über Sie nachdenke, desto sicherer bin ich mir das es Frau Zyllich gar nicht gibt, sondern das ich einem Spaßvogel aufgesessen bin der einfach mal was richtig supersuperbeklopptes schreiben wollte um zu gucken ob's jemand merkt !
Ja , die Hoffnung stirbt zuletzt...
Endlich!!!
Hier hier gibt es ein Auftragsstück von
Bärfuss - für das D- Theater geschrieben - das endlich ein aktuelles Thema auf die Bühne bringt. Rar geworden seit Kroetz. Dramatisch! Wo finden wir das noch - irgendwie - bei den "neuen deutschsprachigen DramatikerInnen". Anja Hilling kann kommen. Vielleicht?
"Öl" - das ist die aktuellste Behandlung unserer Gegenwart seit Kroetz. Glücklich - die schauspielerisch so grandiose Nina Hoss.
Ein Stück, das notwendig war - ist. Respekt allen Beteiligten!
Hysterisch ? Ich ? DT gefloppt ? Übertriebene Reaktion ?
...wer redet davon ? Ich wollt keinesfalls irgendwelche Neuanfänge oder spezielle Premieren verteidigen ! Überhaupt nicht !
Habe tatsächlich nichts mit DT oder Berlin oder Bärfuß und Kimmig am Hut...
Ganz generell : just a question of respect !
@ Fr.Zyllich:
Alles gut ! Lieben Sie ! Verehren Sie ! Bewundern Sie ! Wir brauchen Sie !
Ich wundere mich nur: ich hörte, dass das Stück in Kasachstan oder einem ähnlichem Ort angesiedelt ist, und dann diese Debatte um Afrika.
Also noch viel Spaß mit den guten Beiträgen.
Anmerkung der Redaktion:
Super Idee!
...ich weiß nicht,ich weiß nicht-Einerseits haste ja recht,die Monikas tun keinem weh und meinen's nur gut und sind im Grunde sehr anrührend-Andererseits juckts einen doch manchmal einfach und man möchte alle Monikas aus ihren Theatersesseln reißen und sie ordentlich durchschütteln-damit die Monikas nicht nur in Groupie Ehrfurcht erstarren sondern nachdenken über das was ihnen ihre Stars versuchen mitzuteilen!
Denn manchmal find ich Publikum so langweilig und doof das ich ganz müde im Kopf werde...Das darf man nich sagen,ich weiß ja-aber wenn ich so im Theater sitze und um mich herum gucke und dann auch noch höre wie da Gesehenes besprochen und diskutiert wird,dann möcht ich den Mädels und Jungs auf der Bühne nur noch zurufen ; 'Packt zusammen! Geht Nachause! Die gute Wurst ersäuft hier unten im billigen Ketchup!
aber ich finde es ein wenig intolerant und arrogant da gleich von dummheit oder guter wurst mit billigen ketchup zu reden... also wirklich, ich kann es zwar verstehen, weil ich eine "blinde bewunderung" auch doof finde aber ohne "monikas" wäre es doch auch langweilig... solange es auch immer noch genug andere gibt, welche im theater auch noch was anderes sehen, ist das doch gut so?!
Ich finde es auch ein wenig verwunderlich, warum eine Zuseherin, die Vertrauen in einen (wohl auch erwiesener Maßen sehr guten Schauspieler setzt) in stark herabwürdigender Art qualifiziert wird.
Es würde wohl niemand als billiges Ketch-Up bezeichnet werden, der ein Lieblingsrestaurant bekannt gibt, der beim Friseur auf seine Lieblingsfriseuse setzt oder für den Automechaniker seines Vertrauens längere Anfahrten in Kauf nimmt.
Bindungsfähigkeit muss ja nicht unbedingt aus Bequemlichkeit oder geistiger Unbeweglichkeit entstehen. Manchmal ist es einfach nur die gute Erfahrung!
Auch muss nicht jeder "coole Geist" aus tatsächlichem intellektuellen Erkundungsdrang gebaut sein, sondern manchmal sind es auch nur kleine Adabeis, die auf der Suppe, die gerade chic ist, mitschwimmen wollen.
an all die vermeintlichen oder echten fachleute hier die meinen unsere zuschauer abqalifizieren zu müssen:
für wen wird denn theater gemacht?für das theaterpersonal?sollten wir uns nicht darum bemühen verständlich zu sein?sollte uns es deshalb nicht eher zum nachdenken anregen als zu beschimpfungen anlass geben wenn ein `nichteingeweihter`zuschauer etwas nicht versteht.wenn ihr nur noch fachleuten verständlich sein wollt dann könnt ihr doch in der kantine bleiben und dem ausserwählten kreis eure weissheiten darbieten.
wie traurig ist ein theater das mit seinen zuschauern über beschimpfungen kommuniziert!
Ich bin in Zusammenhängen aufgewachsen in der nicht sehr viel gedacht,gelesen oder begriffen wurde - Theater war für mich eine Eröffnung - und ich werde dem Theater und den Menschen denen ich dort begegnet bin immer dankbar sein das es/sie mich denken gelehrt hat/haben. Und eben weil es so ein toller Ort ist - eine so tolle Chance reagiert man von Zeit zu Zeit über wenn manch einer nicht mehr mitnimmt als "Lieblings-Stars"
Eva (Nina Hoss) steht in einem hierarchischen Abhängigkeitsverhältnis zu ihrem Mann Herbert (Felix Goeser), welcher seine eigenen Misserfolge im Ölgeschäft (er ist zu lieb und zu brav, sic!) dadurch kaschiert, dass er seine Frau vor Edgar (Ingo Hülsmann) als das im eigenen, rational kontrollierten Weltbild verdrängte und pauschal als barbarisch abgestempelte Fremde bezeichnet, welches im Grunde erschossen gehöre. Zugleich weiss er, dass er für ihre Situation mitverantwortlich ist ("Sie hat nur ein Problem, nicht wahr. Und das Problem bin ich.")
Dieses Abhängigkeitsverhältnis wiederholt Eva in der Beziehung zu ihrer Haushälterin Gomua (Margit Bendokat), wobei sie einen wirklichen Beziehungsaufbau deutlich vermeidet, was Gomua stoisch erträgt. Gleichwohl schlummert in Eva das Bewusstsein dieser Ignoranz und bricht in Gestalt des Mädchens in den Raum ein, als Einbruch der sozialen und politischen Realität in Evas illusionäres und vom Ölgeschäft ihres Mannes bestimmtes Weltbild.
Ebenso wie Eva ist Edgar abhängig von Herbert, er weiss aber zugleich um die Macht des Knechts gegenüber seinem Herrn, besonders, wenn es um das (sexuelle) Verhältnis zu dessen Frau Eva geht. Offen bleibt, ob Edgar Eva tatsächlich liebt. Am Ende benutzt er sie womöglich nur, um Herbert damit in seiner Haltung des Überlegenen bzw. in seinem universellen Besitzanspruch irritiern und kränken zu können.
Es ist un-heimlich, diesen Beziehungszombies zuschauen zu müssen. Sind das noch Menschen, beispielsweise im Sinne eines Existentialismus als Humanismus? Oder sind das schon Nicht-Menschen, welche sich allein von den ökonomischen Strukturen bzw. inneren Trieben leiten lassen? In diesem Sinne ist der abrupte Schluss nur konsequent. Eva hat sich durch das Mädchen als Verkörperung ihres Widerstandswissens gleichsam neurolinguistisch umprogrammieren lassen. Sie führt nun mitleidslos Krieg, wie es das Mädchen ganz zu Beginn bereits prophezeit hatte und erschießt ihren Mann. Was eine klare Stellungnahme zu folgenden Fragen herausfordert: Ist der Krieg eine bloße Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln? Kann Gewalt eine Lösung sein?
Warum so verzweifelt?
Da sind sie ja schon wieder bei Ihrem Lieblingsthema angelangt, Frauen in hierarchischen Abhängigkeiten von versagenden Männern.
Viel Spaß dabei.
Allein die Szene, in welcher Margit Bendokat als Gomua das von Eva (Nina Hoss) erfundene Dada-Gedicht mit den meistgebrauchten deutschen Wörtern nachsprechen soll, lohnt den Abend. Unglaublich komisch. Und dennoch spürt man die darin mitschwingende Manipulation. Hier geht es nicht um wechselseitige Verständigung, sondern um die Abgrenzung Evas von Gomua über den Gebrauch einer der Letzteren fremden Sprache.