Die Jungfrau von Orleans - Von Johanna Wehner am Theater Konstanz unterhaltsam gemacht
Wenn die Krise schillert
von Thomas Rothschild
Konstanz, 2. Juni 2018. Die Righteous Brothers singen ihre "Unchained Melody", und Karl der Siebente, König von Frankreich, zieht eine Clownerie ab, die an Charlie Chaplin erinnert oder auch an Richard Widmark, der in einer der vielen Verfilmungen des Jeanne d'Arc-Stoffes den Dauphin als ziemlichen Trottel spielt. In Konstanz ist Johanna Link der König, ihr erfolgloser Kampf mit dem Mikrophon, über das sie, zusammenklappend, in alle Richtungen umfallend, eine Ansprache halten soll, bildet den Höhepunkt des Abends, und die Schauspielerin wird mit ihren ständigen Verrenkungen und ihrer ausgeprägten Körpersprache zum Zentrum der Aufführung. Als infantiler König spricht sie wie jemand, der in einem Wienerisch, das er nicht beherrscht, versucht, einen Wiener zu imitieren, der versucht, Hochdeutsch zu sprechen, das er nicht beherrscht.
Publikumsbeschimpfung - Martin Laberenz entschärft Handke durch einen historischen Vergleich, der die Stuttgarter harmlos, lieb und lustig aussehen lässt
Publikumsrezension, eine Mimesis
von Steffen Becker
Stuttgart, 26. Mai 2018. Wer Handkes "Publikumsbeschimpfung" noch nicht kannte, wird bei der Premiere in der Stuttgarter Spielstätte Nord überrascht sein. Man wird erst mal gar nicht beschimpft (und später auch nur über Bande). Stattdessen machen die SchauspielerInnen sich selbst und ihre Kunst klein. Sie sagen, dass sie nicht spielen, dass sie nur sprechen, dass die Bühne nichts bedeutet: "Das Licht, das uns beleuchtet, hat nichts zu bedeuten. Auch die Kleidung, die wir tragen, hat nichts zu bedeuten." Wir lassen dahingestellt, ob Nachtkleider aus dem Transvestiten-Jahrzehnt der 70er wirklich nur dem Erzeugen von Stolperfallen dienen ("wenn wir hier stolpern, stolpern wir absichtslos"). Wir glauben einfach, dass Regisseur Martin Laberenz den Autor Handke in diesem Punkt ernst nimmt. Daher - um im Duktus des Stückes zu bleiben: Sie werden hier nichts über die schauspielerische Leistung lesen, nicht zu Schauspielern.
Salome - Sebastian Baumgartens dystopisch-ekstatischer Zugriff auf Einar Schleefs Salome-Bearbeitung in Stuttgart
Zurück in die Zukunft
von Verena Großkreutz
Stuttgart, 10. Mai 2018. Dystopien sind in. Der Tag, an dem die Welt untergeht: ein Faszinosum. Totale Überwachung, ewige Kälte, Endzeit-Kriege, globale Katastrophen: Szenarien, die in der Literatur und im Film geradezu in Mode sind. Und das Theater zieht mit. Gleich drei Klassiker dieses Genres – "1984", "Schöne neue Welt" und "Fahrenheit 451" – sind in dieser Saison am Stuttgarter Staatstheater zu sehen. Auch Sebastian Baumgartens neue Stuttgarter Inszenierung "Salome" – eine Bearbeitung der Einar-Schleef-Bearbeitung von Oscar Wildes gleichnamigem Einakter – ist in dieser Hinsicht richtig hip: Unsympathischer, finsterer, ekeliger, aussichtsloser kann es gar nicht zugehen auf der Bühne.
Kleiner Mann, was nun? - Am Nationaltheater Mannheim versetzt Volker Lösch den Fallada-Roman mit prekären Geschichten von heute
Wut mit Kulisse
von Alexander Jürgs
Mannheim, 5. Mai 2018. Hier spricht das Prekariat. Überlebensgroß, die Köpfe fünf, sechs, sieben Meter hoch, neongreller Hintergrund. Per Videoprojektion lässt Volker Lösch die Pizzaboten und Putzkräfte, die Mini- und Ein-Euro-Jobber, die Zeitarbeiter und die Soloselbständigen, die freie Werbegrafikerin, die Regieassistentin, den Mann von der Security-Firma, der kaum einmal weniger als zwölf Stunden schuftet, zu Wort kommen. Sie sprechen vom Druck bei der Arbeit, von den miesen Löhnen, von den Gängelungen durchs Jobcenter, von der Scham, am "gesellschaftlichen Leben" nicht teilhaben haben zu können, und davon, wie schwer es ist, sich gegen all diesen Mist zu organisieren. "Das Schlimme ist, dass jeder, der Vollzeit arbeitet und das Leben genießt, nicht weiß, was das bedeutet: Hartz IV", sagt eine Frau. "Hartz IV, das ist wie ein Todesurteil."
The Black Forest Chainsaw Opera - Am Theater Freiburg malt Stef Lernous von Abattoir fermé sich Horrorstories im Schwarzwald aus
Ich weiß, was du letzte Nacht geträumt hast
von Jürgen Reuss
Freiburg, 5. Mai 2018. Am Anfang steht ein Fräulein alleine vor einem Waldvorhang, als Purpur hat sie einen Bollenhut an, der Rest ist die passende Tracht dazu. Ein sehr bleich geschminktes Rotkäppchen (Tine Van den Wyngaert) goes Schwarzwald und singt dabei einsam, vom Pianisten (Mihai Grigoriu) am Bühnenrand begleitet, "In Dreams" von Roy Orbison. Dann schreit sie wie am Spieß, wird samt Waldvorhang in eine geöffnete Bodenluke gezerrt, aus der die Schreie noch eine Weile nachhallen. Die Luke gehört zum Interieur einer trashig heimatmuseigen Blockhütte, die hinter dem eingesaugten Vorhang zum Vorschein kommt und den Blick des Publikums auf den vorderen Teil der großen Bühne des Theater Freiburg fast schon klaustrophobisch einengt.
Regie: Marie Bues
Regie: René Pollesch
Regie: Amir Reza Koohestani
Regie: Marko Timlin, Tonio Kleinknecht
Regie: Victor Bodó
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