Der Weg ins Leben - In Dresden lässt Völker Lösch von den Grausamkeiten der DDR-Jugendwerkhöfe erzählen
Schöner, neuer Mensch
von Michael Bartsch
Dresden, 23. September 2017. Volker Lösch wieder in Dresden! Hier kulminierten seine Bürgerchor-Ideen, hier nahm er 2004 mit den "Webern" die Wutbürger vorweg und sorgte für einen Republikskandal, hier führte er 2015 mit Graf Öderland eben diese mit Pegida konkret gewordenen Wutbürger wieder vor. Die letzten drei Stunden eines fragwürdigen Fünf-Premieren-Marathons zum Spielzeitauftakt des Staatsschauspiels gehörten in der Samstagnacht ihm und einer erneut extrem kraft- und personalaufwändigen Inszenierung.
"Der Weg ins Leben" lautet der Zweittitel des 1935 vollendeten "Pädagogischen Poems", das der sowjetische Pädagoge Anton Makarenko rückblickend verfasste. Seine Versuche, die infolge des Bürgerkrieges nach der Oktoberrevolution vagabundierenden Waisenkinder und verwahrlosten Jugendlichen wieder zu domestizieren, machten ihn zur Legende. Mehr noch, mit der scheinbar siegreichen kommunistischen Sozialutopie sollten sie zugleich Prototypen des neuen Menschen werden, der aus dem "Rohmaterial" zu erziehen wäre.
Fulminantes Massentheater
Eine halbe Stunde lang rauscht diese Einführung als fulminantes Massentheater über die Bühne des Dresdner Schauspielhauses. Nadja Stübiger als Kommissarin und Viktor Tremmel als Makarenko schaukeln sich gegenseitig hoch und entwickeln Vorstellungen von der Erziehung durch Arbeit und im Kollektiv, dem Freisetzen von Potenzialen durch eine seelische "Explosion", von der Gründung einer Kommune. "Aber der Mensch muss mit all seiner Kompliziertheit und seiner Schönheit erhalten bleiben", fordert sogar die Kommissarin. Volker Lösch ist in seinem Element, die Massenszenen erinnern an die Ästhetik der frühen Sowjetfilme, der große Jugendchor spricht leidenschaftlicher und dennoch disziplinierter als je zuvor.
Viktor Tremmel als der Pädagoge Anton Makarenko © Sebastian Hoppe
Apropos Disziplin. Der Begriff hätte zum Schlüsselwort der Inszenierung werden können. Vor allem die frühe Schlüsselszene, als sich ein Bestrafter und zeitweise von der Kommune Isolierter nach seiner Züchtigung für seine Strafe bei Makarenko bedankt. Inwieweit darf man Heranwachsende zu ihrem Besseren zwingen, oder sollte man ausschließlich auf intrinsische Motivation setzen? Nach dem in Brechtscher Schärfe vorgetragenen Exposé wartete man eigentlich auf eine Diskussion.
Stattdessen folgt unvermittelt zunächst eine Viertelstunde mäßiges Kabarett. Die Parodie auf das Politbüro und andere DDR-Parteifunktionäre misslingt einmal, weil sie die imitierten Typen nicht trifft und Walter Ulbricht kein schreiender Choleriker war. Sie ist aber auch fehl am Platz, weil der versuchte Kulturkampf des 11. Plenums gegen die Beatmusik und andere Entartungen westlicher Jugendkultur nicht auf eine Stufe mit den existenziellen Problemen der frühen Sowjetunion gestellt werden kann.
Drill als Erziehung
Gleichermaßen fragwürdig erscheint die gerade Linie, die nun von Makarenko zu den Exzessen in DDR-Kinderheimen und vor allem zum berüchtigten geschlossenen Jugendwerkhof Torgau gezogen wird. So jedenfalls muss der kommentarlose Übergang erscheinen, obschon es der maßgeblich an der Textfassung beteiligte neue Chefdramaturg Jörg Bochow als profunder Russland-Kenner besser weiß und im Programmheft schreibt. Der Idealist Makarenko war immerhin von Rousseau oder Pestalozzi beeinflusst.
Es folgen geschlagene 100 Minuten Dokumentartheater. Auf erschütternde Weise berichten fünf Zeitzeugen von ihren Erfahrungen. Der hölzerne Kubus mit verschließbaren Lamellenwänden, den Cary Gayler auf die Bühne gebaut hat, wirkt nun erst recht wie ein Knast. Aber schlimmer: Es geht zu wie im Lager, fürchterliche Dinge geschehen. Der militärische Drill, die Einzel- und Kollektivstrafen werden wiederum chorisch und körperintensiv zelebriert. Die einen brüllen ständig, die anderen werden auch für das Publikum fühlbar zerbrochen.
Ein Ensemble unter der Knute © Sebastian Hoppe
Das geht wirklich unter die Haut, aber es nutzt sich allmählich auch ab. Vor allem deshalb, weil das Geschehen entwicklungslos plakativ stagniert und in keinen Kontext gestellt wird. Nicht erst Kommunisten haben versucht, Menschen zu brechen und nach ihrem Menschenbild neu aufzubauen. Was geschah nicht alles im Namen der Kirche? Man lese nur, was Thomas Bernhard über seine Zeit im katholisch-nazistischen "Johanneum" in Salzburg schreibt. Bis heute betreiben Sekten wie Scientology Gehirnwäsche.
Eine Viertelstunde vor Schluss, während noch die leidenden Kinder von damals ihre Traumatisierungen schildern, platzen plötzlich bunte "Think positive"-Typen herein, jedenfalls irgendwie Selbstoptimierer der Spaßgeneration. Sie stiften eher Verwirrung, während die letzten zwei Minuten zum pointierten Anfang zurückkehren. Überraschend bekennt sich nämlich der langjährige Leiter der Salem-Eliteschule am Bodensee zum Scheitern des liberalen Pädagogikansatzes und zur Disziplin als Voraussetzung für den Erfolg. Jetzt, meint man, könnte das Stück losgehen und in den Diskurs einsteigen. Aber da klatscht schon die eine Hälfte des Publikums stehend Beifall, während die andere zögernd verharrt.
Der Weg ins Leben
nach Zeitzeugenberichten und Texten von Anton Makarenko
Spielfassung von Jörg Bochow und Volker Lösch
Regie: Volker Lösch, Bühne: Cary Gayler, Kostüme: Carola Reuther, Dramaturgie: Jörg Bochow.
Mit den Zeitzeugen: Ilona Enskat, Anette Gebel-Kozian, Stefan Lauter, Andreas Richter, Detlev Sadrinna und als Spieler: Luise Aschenbrenner, Jannik Hinsch, Malte Homfeldt, Hannah Jaitner, Moritz Kienemann, Deleila Piasko, Daniel Séjourné, Nadja Stübiger, Yassin Trabelsi, großer Jugendchor.
Dauer: 2 Stunden 50 Minuten, eine Pause
www.staatsschauspiel-dresden.de
Volker Lösch finde zunächst ein großartiges Bild. Auch der große Rhythmus stimmte, "Chorszenen wechseln mit Dialogen ab", so Stefan Petraschewsky auf mdr Kultur (24.9.2017). Alles wird frontal ins Publikum serviert, "nach einem schlüssigen Vorspiel, das die Vorgeschichte in der Sowjetunion vorstellt, wird es für die DDR-Zeit multimedial. Auf Radiokommentare, die sich gegen einen verwahrlosten, westlichen Lifestyle richten, folgt ein Filmausschnitt aus 'Spur der Steine'." Der revuehafte und auch ironisch-leichte Ansatz bleibe aber auf der Strecke, als fünf Zeitzeugen über ihr Leben im Jugendwerkhof Torgau berichten. "Wo illustriert wird, wird geschrien. Vielleicht, weil es einmal von den Zeitzeugen heißt: 'Es war nur eine Redensart. Das war Brüllen!'". Insgesamt ein durchwachsender Start von Joachim Klement in Dresden, so Petraschewsky.
Eine "famose, vor allem physische Leistung" zeigen Chor und Ensemble an diesem Abend, berichtet Rainer Kasselt in der Sächsischen Zeitung (25.9.2017). Differenzierung sei für die Inszenierung ein "Fremdwort"; Lösch wolle das "Tribunal". Die Zurichtung von Jugendlichen im DDR-Jugendwerkhof werde "in langen und schmerzhaften Szenen fast naturalistisch" gezeigt.
"FM Einheit lasse die Musik zum Komplizen werden, um die Wucht der Erniedrigungen und Misshandlungen zu unterstreichen", so Helmut Schödel in der Süddeutschen Zeitung (27.9.2917). Die Arbeit von Volker Lösch habe etwas Schonungsloses und sei beeindruckend konsequent. "'Der Weg ins Leben' ist ein richtig großer Brocken Theater."
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Genau so habe ich das auch empfunden.
Ich habe das überhaupt nicht so empfunden.
Die gedankliche und dramaturgische Linie von Makarenko über das 11.Plenum bis zur Pervertierung der Idee "Kollektiverziehung" in den Jugendwerkhöfen (und sogar bis heute in Form der neoliberalen "Leistungskollektive", mit Texten von Sloterdijk) wird vollständig nachvollziehbar und schlüssig gezogen. Zu jedem Zeitpunkt wurde sich im Erziehungssystem der DDR auf Makarenko bezogen. Seine Texte und Theorien ("Explosionsmethode") mussten letztendlich dafür herhalten, das über eine halbe Million Jugendliche in Heimen der DDR mehr oder weniger misshandelt wurden. Das zeigt diese Inszenierung durch Zeugenaussagen als auch theoretische Texte in beeindruckender Weise. Es ist so offensichtlich, dass beim Lesen der Kritik der Eindruck entsteht, dass sich da jemand aus anderen Gründen angegriffen fühlt: was haben denn Misshandlungen im Namen der Kirche mit diesem Abend zu tun? Darum geht es doch gar nicht! Weshalb wird von Kabarett geschrieben, wenn gar keines stattfindet? Beim 11. Plenum wird - ernsthaft gespielt - die Unterdrückung von Künstlern durch die SED-Führung (u.a. anhand von Christa Wolf) gezeigt, also ein System beschrieben, welches die Unterdrückung der Jugend zur Folge hatte. Deshalb ist es vollkommen egal, ob der Darsteller des Ulbricht schreit oder nicht, da Politikerfiguren eben nicht (wie im Kabarett) nachgemacht oder karikiert wurden. Diese Aufführung ist deshalb so richtig und wichtig, da sie dazu zwingt, die Ost-Vergangenheit mit ihren dunklen Seiten radikal anzunehmen,ohne gleich wieder relativierend auf andere zu zeigen ("Kirche"). Aber das scheint wohl manchen schwer zu fallen...
Übrigens: an diesem Abend gab es auch 10 neue Schauspielerinnen und Schauspieler zu bewundern, die schier Unglaubliches geleistet haben. Ein beeindruckender Denk, Spiel- und Kraftakt sondergleichen. Tolle Inszenierung, tolles Ensemble: ich freue mich auf Euch in Dresden!
"Es gab Umerziehungslager in der DDR, aha. Dort wurden Jugendliche schikaniert und gequält, sieh an. Das hat bei den Insassen bleibende Spuren hinterlassen, na so etwas. Der Arbeiter-und-Bauern-Staat wurde seinen hehren Losungen im eigenen Agieren also nicht mal im Ansatz gerecht. Überraschung.
Viel mehr Erkenntnisgewinn hatte das theatrale Großprojekt Der Weg ins Leben am Ende nicht zu bieten. Aus vollen Rohren wurde da auf ein längst verblichenes Gespenst geballert, ein Großaufgebot von Darstellern, Komparsen und Zeitzeugen stürmte die Ruinen früherer Festungen."
www.kultura-extra.de/theater/spezial/premierenkritik_derweginsleben_DD.php
IRGENDWIE^^ gab es 1982 in der DDR den film "jugendwerkhof" von roland steiner - der sogar eine auszeichnung und ein aufführungsverbot fast gleichzeitig bekam ... und auch eine diskussion in der gesellschaft ... hmm ... naja, die regenburger domspatzen und lehrer der odenwaldschule kann man nun mal dem "sozialismus" nicht anhängen ... aber schattenboxen mit der nicht mehr existierenden vergangenheit ist "prima" für die ignoranz der realen gegenwart ...
Auch danke dafür das er so vielen jungen Leuten die Möglichkeit gegeben hat sich bei einer gemeinsamen Theaterarbeit zu beweisen. Für so eine präzise Chorsprache muss diszipliniert gearbeitet werden. Aber die Freude ist dabei sicher nicht zu kurz gekommen. Das konnte man allen Mitwirkenden ansehen.
Haben Sie den Abend denn gesehen? Oder zitieren Sie hier fröhlich, wie es ihnen gerade ins Weltbild passt? Das ist Schattenboxen.
Sie scheinen einem wirklich anderem Theaterstück beigewohnt zu haben, als ich es, als einer der Mitwirkenden, vorgestern erlebt habe.
Mit Ihren Whataboutism kommen Sie zumindest nicht weiter. Was nutzt der Vergleich auf von anderen verübten Verbrechen im ähnlichen Kontext, wo es doch im Stück ganz klar um die Verbrechen der SED im Bereich der "Volksverblödung" der Margot Honecker und da eben insbesondere um die Verbrechen in den "Spezialheimen/ Jugendwerkhöfen" in der ehemaligen DDR geht. Der Zeitzeuge Andreas Richter stellt spätestens zu recht klar, dass diese Verbrechen nicht nur im "GJWH Torgau" begangen wurden, sondern schon im Vorfeld, nämlich in den Durchgangs- und Spezialheimen der Jugendhilfe. Der "GJWH Torgau" war lediglich der Gipfel/ die Krönung dieser Liste von Verbrechen die an uns verübt wurden.
Möchten Sie nur aus ideologischen Gründen hier einen Relativierungsversuch starten, oder was war Ihr Begehr, Ihre Intention für diesen tendenziösen Artikel?
Für Ihren Artikel vergebe ich Ihnen ganz gerne und auch völlig zurecht (wie ich finde) eine "5 minus" incl einem "setzen" danach.
Ist schon fast eine Frechheit ein solches Pamphlet überhaupt lesen zu müssen, zumal ich einer der Protagonisten des Theaterstückes "Der Weg ins Leben" am Staatsschauspiel Dresden bin, welches aus meiner Sicht sehr gut inszeniert wurde von Volker Lösch, Nicola Bremer und Jörg Bochow.
Das "Versagen" betrifft allerdings nicht den Zustand in den Jugenwerkhöfen oder deren Vorstadien, die sie benennen. Da kann man von Verbrechen an Jugendlichen reden. Und erst recht können es die, die es aus eigener Erfahrung kennen.
Man kann es aber nicht generell. Die Mehrheit der Kinder und Jugendlichen in der DDR sind nicht in Jugendwerkhöfen gewesen und trotzdem nicht zwangsläufig verblödet. Auch sie haben ihre Erfahrungen, die nicht falsch sein müssen, weil sie etwas angenehmere waren als Ihre.
Ich wüsste auch nicht, dass die Lehrer durchgängig Makarenko als der pädagogischen Weisheit letzten Schluss angesehen hätten.
Um hier Licht ins Dunkle der generalisierten Vorwürfe zu bringen, müsste man also genau die Vorwürfe und Umstände beleuchten, unter denen Jugendliche in Spezialheime/Jugendwerkhöfe überhaupt kamen und unter welchen genauen Umständen sie dorthin nicht kamen.
Aber: Das Theater erhebt immer lauter und völlig zutreffend den Selbstanspruch, sich in den Gegenwartsdiskurs einzumischen. Und das tut diese Inszenierung im Gegensatz zu früheren deftigen Lösch-Arbeiten nur ansatzweise. Zwei Stunden lang stagniert sie, dreht sich im Kreis. Wir hatten doch nach einer Viertelstunde verstanden und wissen es eigentlich spätestens seit den 1990-ern und ahnten zumindest als Renitente schon in der DDR, was sich in Torgau und anderswo abspielte.
Die Andeutung von Gegenwart in den letzten zehn Minuten geriet mir zu kryptisch, ganz anders als die herrlich klare Sprache der ersten halben Stunde. Da hatten Besucher wie ich zur Mitternachtszeit schon elf Stunden Premierenmarathon zum Spielzeitauftakt hinter sich! Und erst das knappe Statement des Salem-Direktors ganz zum Schluss führte auf die nicht verstummende Debatte über die Rückkehr zu Disziplin, autoritärer Erziehung und purem cognitiven Leistungsdenken. Sie gärt nicht nur bei ehemaligen DDR-Lehrern, auch bei vielen Eltern, anfangs auch bei der sächsischen CDU, die von den Zucht- und Ordnungsansprüchen der AfD abgelöst wurde. Der Schoß ist fruchtbar noch! Meine Kinder 5 und 6 gehen noch zur Schule, und ich habe mich geärgert, dass die Chance zu einer Auseinandersetzung nicht allein mit dem Makarenko-Erbe so verschenkt wurde. Meine Mutter war übrigens Lehrerin, aber der Name Makarenko fiel weder zu Hause noch in der Schule, höchstens in einer Rede von Lila-Margot.
Ich jedenfalls will erkennen und gedanlich weiterkommen und nicht ausschließlich eine Vergangenheit beschwören, die entweder golden oder fürchterlich war.
Hat´s geholfen? Danke. MB
So so, ihr "Lieblingskritiker" also. Auf die Art und Weise kann man natürlich alles runtermachen. Eine Inszenierung, die die Entstehung von autoritären Denk-und Erziehungsmustern von 1917 bis 2017 schlüssig, drastisch und hochunterhaltsam aufzeigt, als unpolitisch zu beschreiben, löst bei mir nur noch Kopfschütteln aus. Sie hätte gar kein besserer Kommentar zur Bundestagswahl sein können: Sachsen ist tiefschwarz und Deutschlands AfD-Hochburg. Warum das unter anderem so ist, konnte man letzten Samstag abend im Theater sehen: weil Autoritätsglaube, Hierarchiedenken und Ausgrenzung von Andersdenkenden in der DDR kultiviert wurde, und bis heute massiv fortwirkt. Gehts noch politischer??
Kleiner Hinweis am Rande: der "Verfasser" der zitierten Zeilen heißt Sandro Zimmermann. Und der war ein Chormitglied in Volker Löschs "Öderland"-Inszenierung in Dresden 2015. Diesmal war er nicht dabei. - Noch Fragen?
Ich habe gemeint, dass auch jemand, der einem Verbrechen ausgesetzt war, nicht einfach behaupten sollte, dass jeder, der das eben nicht war, automatisch unter der Doktrin Margot Hockers verblödet wurde, weil ihm gar nichts anderes übrig blieb in dem DDR-Bildungssystem!
Während die Jugendlichen nach ihrem in den Jugendwerkhöfen erfahrenen Leid ohne sonstiges Dazutun mit der vergleichsweise besseren Bildung aus der DDR hervorgegangen sind??? -
SO argumentierend lässt sich ein einst real bestehender Staat als Herkunftsland nämlich ebenfalls nicht relativieren. Auch nicht von Menschen, die ihr gutes Recht haben von ihrem Leid zu sprechen und dafür unser Mitgefühl erwarten dürfen.
Diesem Argumentieren von Herrn Lauter habe ich mich entgegengestellt.
Weil es auch mich persönlich im Grunde als automatisch staatsdoktrinär "verblödet" einstuft.
Auch entgegengestellt im Wissen um die Existenz von Leuten, die- wie u.a. offenbar Sie, die DDR und deren Bildungssystem positiver, zumindest nicht prinzipiell verbrecherisch erlebt haben.
Meine Erfahrung ist, dass man gar nichts erkennen und gedanklich auch gar nicht weiterkommen kann, wenn man eine Vergangenheit nur genau so darlegt, wie sie dem persönlichen Fortkommen in der Gegenwart dienlich ist. Mit "Beschwörung" von in der Vergangenheit geltenden moralischen Werten hat das nicht das Geringste zu tun. Es hat zu tun mit der Einschwörung auf in der Gegenwart unbezweifelbar geltende, moralische Werte, denen zur Not auch die objektivierende Betrachtung der gemeinsamen Vergangenheit überhaupt geopfert wird.
Diesem Argumentieren von Herrn Lauter habe ich mich entgegengestellt.
Weil es auch mich persönlich im Grunde als automatisch staatsdoktrinär "verblödet" einstuft.
Auch entgegengestellt im Wissen um die Existenz von Leuten, die- wie u.a. offenbar Sie, die DDR und deren Bildungssystem positiver, zumindest nicht prinzipiell verbrecherisch erlebt haben."
Menschen wie Sie Herr Rust, werden mit Kritik am ehemaligen SED Regime von Menschen wie mir leben müssen und ich sehe, meine scharfe Kritik kommt an, gut so ... ;-)
Stefan Lauter
tut mir echt leid für sie, ich hab es in sachsen nicht ausgehalten und seit meiner jugend in berlin gelebt - da waren heiner müller, lothar trolle und thomas brasch noch nicht auf der großen bühne zu sehen - doch wie es in der ddr zuging war uns allen gut bekannt - jedoch lebten wir eher die gegenkultur ... später sogar am be und der vb ...
"weil Autoritätsglaube, Hierarchiedenken und Ausgrenzung von Andersdenkenden in der DDR kultiviert wurde, und bis heute massiv fortwirkt."
und nein - ich habe keine fragen an sie.
Stefan Lauter
ganz ehrlich, mich nerven diese, ihrigen und an sowjetischer Diskussionskultur ausgerichteten Whataboutism, sehr geehrter Herr "D. Rust", sie bringen auch nicht viel, also keinen Mehrwert in dieser Diskussion. Sie stellen sich nur als das dar, was ich über Sie hier behaupte, Sie sind ein Relativierer von SED-Verbrechen ... und ja, dies behaupte ich hier gerichtsfest. Sie relativieren diese an uns begangenen Verbrechen, mit jedem einzelnem von Ihnen geschriebenen Wort.
damit verbleibe ich ohne Gruß an Sie, ... ich!
und es steht zu hoffen, dass Sie dies nun auch verstehen werden "D.Rust".
Stefan Lauter
Sogenannte "Schwererziehbare" sind ja erstmal in Beziehung zu setzen mit sozialen Problemen, welche im Kontext der Sozialpädagogik gelöst werden können - damals wie heute. Gelder sind dabei ein Thema, die echte Beziehung zu den Jugendlichen ein anderes Thema. Makarenko setzte in diesem Rahmen stark auf eine nicht schulisch orientierte Kollektivpädagogik, angelehnt an die europäische Reformpädagogik. Ob nun allerdings das Stichwort "Erziehung durch Arbeit" eine gute Lösung ist? Andere sagen dagegen, dass erst die Befreiung von allen sogenannten (auch gesellschaftlichen) Pflichten dazu verhilft, Selbstdisziplin allererst und aus sich selbst heraus entwickeln zu können.
Und so schließt sich der Kreis zur Reformpädagogik (siehe auch Hartmut von Hentig) am Bodensee? Zu befragen wäre hier für mich am Ende das grundsätzliche Problem, dass man ganz unterschiedliche Individuen quasi gleich machen will, ob nun über die "harte" oder die "weiche" Schiene. Kollektiverziehung, und sei es mit den besten Absichten und Zielen, funktioniert offenbar einfach nicht. Und schon gar nicht über vermeintlich abstrakte Dispziplin, sondern wenn, dann nur über persönliche Autorität. Und das ist etwas anderes als hierarchische Autorität. Denn als persönliche Autorität muss man sich klar werden darüber, was man selbst will. Und was man in Beziehung zum Gegenüber will. Und was für ein Gegenüber man will. Und wie man das begründet.
"Die vollkommen abwegige Idee, dass starke Individuen für die Gruppe gefährlich sind und die Solidarität innerhalb von Familien und der Gesellschaft gefährden, vergiftet noch immer das Denken vieler Menschen." (Jesper Juul)
weil es in der DDR Pädagogik schon seit Gründung dieses "Staates" Gang und Gäbe gewesen ist, sich auf Makarenko in allen Lebenslagen" zu berufen. Dies tat der Theoretiker Eberhard Mannschatz, Abteilungsleiter für Spezialheime/ Jugendwerkhöfe im "Volksverblödungsministerium" in Ost-Berlin unter Margot Honecker und selbst deren Vorgängern, ab 1978 Lehrstuhl für "Sonderpädagogik an der HU Berlin" bis 1991, dann geschasst wegen seiner Verstrickungen in die SED Verbrechen im Bereich der Heimerziehung, sowie dem Praktiker, Horst Kretzschmar, Direktor des GJWH Torgau.
Da gibt es aber auch nix, was man nicht nachvollziehen könnte aus historischer Sicht. So war es eben damals und es ist dennoch der "falsche Weg" gewesen, den diese Leute und die SED "gewählt haben" in Fragen der "Sonderpädagogik".
Sie haben lediglich junge Menschenleben zerstört, etliche in den Suizid und Suizidversuch getrieben, "pädagogisch wertvoll" geht anders!
bg, stefan