Presseschau vom 21. Juli 2011 – Renate Klett berichtet in der taz über das Theaterfestival von Santarcangelo in der Emilia-Romana

Auswegslose, unheimliche Welt

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Auswegslose, unheimliche Welt

21. Juli 2011. Renate Klett berichtet in der taz vom Theaterfestival von Santarcangelo in der Emilia Romagna, das ein erstaunlich umfangreiches Programm, kuratiert von der Schauspielerin Ermanna Montanari, präsentierte; erstaunlich auch deshalb, "weil ihr ohnehin knappes Budget während der Vorbereitungszeit noch einmal drastisch gekürzt wurde".

Die eindrücklichste Aufführung heißt "The Plot is the Revolution" von Motus und Judith Malina. Die große alte Kämpferin, die vor Jahrzehnten die Antigone des Living Theatre war - die 85-jährige Malina - und die junge Silvia Calderoni "führen nun einen kollegialen Dialog aus Worten und Bewegung. Fasziniert hört man dem szenischen Diskurs zweier Kulturen, zweier Generationen über ästhetische und politische Setzungen zu." "Just Intonation" vom Masque Teatro aus Forli sei das Gegenstück dazu, "hier herrscht Hermetik statt Vermittlung, geht es nicht darum, Erkenntnisse weiterzugeben, sondern eine auswegslose, unheimliche Welt zu beschwören, in der es keine Sprache gibt, nur Dunkelheit". Und Silvia Bergamasco nutze die Authentizität des städtischen Rathauses für eine Rede zur gegenwärtigen Kulturpolitik. "Discorso" beginne mit den üblichen Politikerphrasen und bleibt bei der Besetzung des Teatro Valle in Rom hängen wie eine Schallplattennadel im Rillensprung. "Die Delegierte erstickt schier an hysterischen Lachkrämpfen, Schluckauf und Atemnot, während sie die Argumentation in immer absurdere Sprachlosigkeit treibt."

Klett findet, dass Italien "endlich endlich aus seiner politischen Narkose zu erwachen" scheine. "Seit Berlusconi als verwundbar entzaubert ist, gibt es wieder, wofür das Land früher berühmt war: Massendemonstrationen, Solidarität und Aufruhr. Das Referendum, die Kommunalwahlen, die erneute Geldstrafe für den Premier, selbst die Besetzung des Teatro Valle, um dessen Schließung zu verhindern - es sind hoffnungsvolle Anzeichen."

(sik)

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