Presseschau vom 25. Mai 2011 − Eva Behrendt schreibt in der taz über Frauen am Theater

Frauen im Männerreich

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Frauen im Männerreich

In der taz (25.5.2011) schreibt Eva Behrendt anlässlich einer Diskussion beim Theatertreffen und einer Ausstellung über Regie führende Frauen in der Berliner Akademie der Künste über die Rolle der Regiefrauen im deutschsprachigen Theater.

In diesem Jahr habe erstmals die Zahl der zum Theatertreffen geladenen Regisseurinnen mit Karin Beier, Karin Henkel und dem überwiegend weiblichen Kollektiv She She Pop 30 Prozent erreicht. Von den 472 Inszenierungen beim Theatertreffen zwischen 1964 und 2010 waren gerade mal 34 von Frauen. "Die erste kam 1980, nach 26 frauenfreien Jahrgängen." Dass es auch schon vor 1980 jede Menge interessanter, eigensinniger und erfolgreicher Regisseurinnen gab, zeige Christina Haberliks Ausstellung "Regie-Frauen. Ein Männerberuf in Frauenhand", die im Rahmen des Theatertreffens in der Berliner Akademie der Künste eröffnet wurde.

Einer von ihnen, der späteren Koblenzer Intendantin Annegret Ritzel, habe August Everding Mitte der 60er Jahre bei ihrer Hospitanz noch vorausgesagt: "Weibliche Regisseure gibt es nicht - das werden Sie nie schaffen." Und nach wie vor, schreibt Behrendt, seien Familie und Künstlertum nur schwer zu vereinbaren. Obwohl mindestens ebenso viele Frauen wie Männer die Regieklassen der Schauspielschulen absolvierten seien "immer noch nur 29 Prozent aller Regieführenden weiblich" und Frauen in "Theaterführungspositionen mit 15 Prozent Intendantinnen immer noch stark unterrepräsentiert". In Dramaturgien und auf Regieassistenzstellen seien Frauen dagegen mit 48,5 Prozent und 50,6 Prozent vertreten.

Auf der Theatertreffen-Diskussion "Feminismus - heute ein Unwort?", berichtet Behrendt, habe Marlene Streeruwitz die unterschiedlichen Erwartungshaltungen aufgespießt: "Ich werde immer nur zu Feminismus angefragt, dabei bin ich auch in ganz anderen Wissensbereichen kompetent." Zusammengezuckt seien die teilnehmenden Frauen, neben Streeruwitz noch Kathrin Röggla, Stefanie Lohaus und die Moderatorin Thea Dorn, als Karin Beier die These aufgestellt habe, dass "Männer weniger Multitasking-Talent als Frauen" hätten, sei anscheinend "ein biologischer Unterschied".

Beier habe durch die Ablehnung einer Frauen-Quote am faktisch gleichgestellten Schauspiel Köln provoziert: "Nur künstlerische Kriterien zählen." - "Die Erzählung von der Einzelfrau, die sich einfach nimmt, was sie haben will", sei, so Behrendt weiter "symptomatisch". Weibliche Erfolgsgeschichten lägen allein in jederfraus Verantwortung, "könnte das postfeministisch-neoliberale Credo lauten". Die Kehrseite dieser Sichtweise sei, dass dann "auch das Scheitern nur individuelle Ursachen hat - zu wenig Härte, Mut, Talent -, vor allem aber, dass strukturelle Veränderungen weniger dringlich erscheinen".

(jnm)

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