Presseschau vom 7. September 2011 – Till Briegleb schildert die Hamburger Kultur unter der neuen Senatorin Barbara Kisseler

Mut zur Ehrlichkeit

Mut zur Ehrlichkeit

7. September 2011. "Ist Hamburg plötzlich in einen Kulturrausch verfallen?", fragt Till Briegleb in der Süddeutschen Zeitung. Natürlich nicht, weil es immer noch an allen Ecken und Enden faule: "In den Deichtorhallen regnet es an mehreren Stellen ins Haus; der Chef des Kunstvereins, Florian Waldvogel, verkündete kürzlich den baldigen Gammeltod des ältesten deutschen Kunstvereins, weil die Stadt wie bei vielen Institutionen seit rund 20 Jahren den selben Betrag überweist, was einem schleichenden Entzug von 25 Prozent des Etats bedeutet. Und am Thalia Theater kämpft man mit großen Finanz-Lecks, weil so genannte 'Bemühungszusagen' der Stadt nicht eingehalten wurden und die Tariferhöhungen nicht ausgeglichen wurden."

Nur so zum Beispiel. Dennoch lässt sich aus Deutschlands zweitgrößter Stadt Erfreuliches vermelden: Mit der aus Berlin abgeworbenen Kultursenatorin Barbara Kisseler sei "Mut zur Ehrlichkeit" in die Hamburger Kulturbehörde eingezogen: "Nachdem über viele Jahre Wurschteln, Mauscheln und Kuschen als Direktive an die Zuwendungsempfänger der gängige Politikstil war, öffentliche Kritik wie Majestätsbeleidigung behandelt wurde und der beschämend kleine Anteil der Kulturausgaben am Stadthaushalt von rund zwei Prozent als Gnade galt, spricht Kisseler Klartext. Mit der Rückendeckung ihres Bürgermeisters Olaf Scholz - wie sie immer wieder beteuert - nimmt sie dessen Wahlkampfversprechen, die zweitgrößte Stadt des Landes müsse eine Kulturmetropole werden, ernst und fordert Geld."

Es geht um 100 Millionen Euro 'Investitionsstau'. Dabei ist Einiges schon auf den Weg gebracht worden: Nachdem Kissler ihrem Kollegen Finanzsenator die Pfützen in den Deichtorhallen gezeigt habe, "reagierte dieser mit 10 Millionen. Das vom schnellen Ende bedrohte neue Lessing-Festival des Thalia-Theaters rettete sie in einer Blitzaktion. Dem Kulturzentrum Kampnagel beschert sie einen Produktionsetat von 500 000 Euro." Zügig wolle sie auch den Hamburger Etat für freie Theaterprojekte von 500 000 Euro (Briegleb nennt zum Vergleich Berlin mit 4,5 Millionen und München mit 2,5 Millionen Euro) aufstocken und einen Projektfonds installieren, der allen Sparten zur Verfügung steht. Auch bei den anderen Faulstellen sei es der Senatorin "nicht unangenehm, den Klägern Recht zu geben, wo sie Recht haben."

Ob das alles so klappt? Hamburg muss sparen, die Elbphilharmonie ist mittlerweile ein Halbe-Milliarden-Loch. "Und der Doppelhaushalt 2011/2012 gibt ihrem Tatendrang tatsächlich noch nicht den Spielraum, den sie verlangt. Doch selbst, wenn der Erfolg noch mickrig ist, die Zeit des Kriechens scheint mit der neuen Kultursenatorin vorbei."

(geka)

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