medienschau

Unsere auswahl ist subjektiv

Presseschau vom 3. November 2011 - Kleist-Interview mit Jan Bosse in der Frankfurter Rundschau/Berliner Zeitung

Stell dich dem Wahnsinn!

3. November 2011. "Was dieses Mädchen alles hinter sich lässt, was sie für diese Liebe alles opfert!" ruft Jan Bosse, für die Frankfurter Rundschau/Berliner Zeitung von Dirk Pilz interviewt, über die liebestolle Protagonistin von Kleists "Käthchen von Heilbronn" aus, das er gerade am Maxim Gorki Theater inszeniert: "Ist das überhaupt Liebe? Wenn ja, dann ist Liebe zerstörerisch. Sie ist hier jedenfalls eher wie ein Dämon, eine Besessenheit."

Presseschau vom 27. Oktober 2011 – Die Schweizer Wochenzeitung über das Portal theaterkritik.ch

Bezahlter Sparringpartner

27. Oktober 2011. Die linksgerichtete Schweizer Die Wochenzeitung fasst in einem Artikel von Fredi Lerch verschiedenen Stimmen zur neuen Plattform theaterkritik.ch zusammen, das am 3. November 2011 an den Start geht (mehr hier): Während die Printfeuilletons das Projekt verteufelten (etwa als dreisten Bruch "mit dem Journalistenkodex der Unkäuflichkeit"), rechtfertige es die freie Szene mit dem Versagen eben jenes Feuilletons.

Presseschau vom 26. Oktober 2011 - der Deutschlandfunk über das Teatro Valle in Rom

"Wir wollen Selbstverwaltung"

26. Oktober 2011. Im Deutschlandfunk referiert Thomas Migge den neuesten Stand in Sachen Teatro Valle (hier der Originalton). Der römische Bürgermeister Gianni Alemanno hat den Besetzern des Theaters, die seit Juni für den Erhalt ihrer Spielstätte kämpfen, einen Vorschlag zur Güte gemacht: die Schaffung einer staatlich-städtischen Stiftung, die das Teatro Valle übernehmen soll. Den Besetzern solle ein Mitspracherecht in der Programmgestaltung eingeräumt werden, so Alemanno.

Presseschau vom 26. Oktober 2011 – Tobias Becker sucht politisches Theater

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Diskurs(t)räume

26.Oktober 2011. "Das traditionelle Polittheater ist in schlechter Verfassung", stellt Tobias Becker auf Spiegel online fest. Und nennt sieben "Gründe" für diese Feststellung: Das Theater sei schon lange nicht mehr das Institut nationaler Identitätsbildung. Das Theater schaffe es nur noch höchst selten, große Politskandale zu initiieren, es könne also nicht mehr als Katalysator politischer Diskussionen dienen. Das Theater als Apparat sei zu langsam, um auf aktuelle politische Ereignisse reagieren zu können. Das Theater als Ort sei ungeeignet für eindeutige Botschaften, weil es traditionell der Ort erfundener Geschichten sei. An ihm würden Gewissheiten aufs Spiel gesetzt, nicht erzeugt. Das politische Theater im Stil der siebziger Jahre erreiche immer nur die, die sowieso schon bekehrt und Teil der Community seien. Das politische Theater im Stil der siebziger Jahre neige dazu, seine Themen auf einen dramatischen Konflikt zu reduzieren. Das verzerre aktuelle politische Probleme: Es gebe nicht mehr eindeutig Freund und Feind, und wenn, dann seien es keine Personen. Das Theater sei unglaubwürdig, wenn es gegen kapitalistische Ausbeutung agitiere, weil es oft in selbstausbeuterischen Arbeitsverhältnissen entstehe, die kritisierten Verhältnisse also in seiner eigenen Arbeit reproduziere.

Presseschau vom 12./13. Oktober 2011 – zum Wechsel von Armin Petras nach Stuttgart

Die Firma wankt

12. Oktober 2011. Am vergangenen Montag war gemeldet worden, dass eine Findungskomission des Baden-Württembergischen Staatsschauspiels Stuttgart den Regisseur und Intendanten des Berliner Maxim Gorki Theaters Armin Petras als Nachfolger des Stuttgarter Intendanten Hasko Weber empfiehlt.

Presseschau vom 7. Oktober 2011 – Der designierte Kölner Schauspiel-Intendant Stefan Bachmann im Interview

Das Interim als Chance

7. Oktober 2011. Er habe in den letzten Jahren immer wieder mit Intendanzen "hier und dort" geflirtet, sagt der designierte Karin-Beier-Nachfolger Stefan Bachmann im Interview mit der Kölnischen Rundschau (7.10. 2011) "aber erst jetzt in Köln hat mir der Bauch gesagt: Hier stimmt es." Für den Sommer 2012 sei der Umzug mit der fünfköpfigen Familie nach Köln geplant. In seinem Vetrag stehe auch, dass er keine Schulden erben würde. Die Debatte um das Millionendefinzit der Bühnen der Stadt Köln läßt am Rhein derzeit allseits die Nerven blank liegen.

Presseschau vom 7. Oktober 2011 – Die New York Times interviewt den Performer Mike Daisey zu Steve Jobs

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Schausteller und Ideale-Verräter

7. Oktober 2011. Steve Jobs ist tot. Mit der Entwicklung von iPhone und iPad hat er zwar auch die Theaterästhetik beeinflusst (etwa in Ivo van Hoves Schaubühnen-Inszenierung Der Menschenfeind), vor allem aber hat er die Technik theatralisiert: "Er ist weniger ein Computerfreak als ein Schausteller", sagt Mike Daisey, amerikansicher Autor und Schauspieler in einem Interview mit der New York Times, das noch vor Jobs Tod entstand. Als (performativer) Künstler sei Jobs "ungeheuerlich effektiv".

Presseschau vom 20. September 2011 – Die taz besucht das besetzte Teatro Valle in Rom

Größer als der Einzelne

Rom, 20. September 2011. Für die TAZ hat sich Tom Mustroph in Rom einen Eindruck von der Besetzung des Teatro Valle verschafft. Ein Theater, das vom Publikum angenommen wird, und viele Diskutanten in den umliegenden Cafés hat er erlebt. Die Pläne für das Theater hat ihm der Schauspieler David Sebasti genannt: "Wir wollen, dass es ein Nationaltheater wird." Es gehe den Aktivisten nicht um ihre Karriere, sondern um das Ganze: "Zum ersten Mal in meiner Schauspielerkarriere bin ich an etwas beteiligt, das größer ist als ich."

Presseschau vom 16. September 2011 – Die Berliner Zeitung über das Berliner Kulturprekariat

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Rasender Stillstand

16. September 2011. In der Berliner Zeitung wie der Frankfurter Rundschau blickt Hartmut Jähner in einem treffenden Essay auf Berlin vor der Wahl. Ein Wohlgefühl beherrsche die Stadt, wer auf Veränderung dränge wie CDU und Piraten, habe keine Chancen auf die Regierung.

Presseschau vom 16. September 2011 – Sebastian Hartmann wird seine Leipziger Intendanz nicht über 2013 hinaus verlängern

Arme Kulturstadt

16. September 2011. Nur wenige Medien kommentieren, dass Sebastian Hartmann seinen Vertrag als Intendant des Leipziger Centraltheaters nicht über das Jahr 2013 hinaus verlängern will.

Natürlich ist die Leipziger Volkszeitung (16.9.2011) dabei: "Man mag von Hartmanns Theater halten, was man will, aber eines steht fest", schreibt Nina May: "Miefiges Stadttheater hat er nie gemacht, mit überregionaler Ausstrahlung eine Marke geschaffen, die sich als Leipziger Handschrift in die Fachpresse einschrieb. Und es wird schwer werden, einen Nachfolger zu finden, der ähnlich viel wagt und schlüssig Visionen mit Stadttheater verbindet. Damit tat sich Hartmann schwer."

"In Leipzig siegt das provinzielle Denken über die Kunst", schreibt Torben Ibs im Leipzig Almanach (16.9.2011). "Sicher, nicht alles, was Intendant Hartmann und seine Kolleginnen und Kollegen in Centraltheater, Spinnwerk und Skala angefasst haben, wurde zu purem Gold. Aber was Hartmann geschafft hat, ist ein wenig frischen Wind ins Leipziger Kulturleben zu bringen." Während Hartmann dadurch kaum angeschlagen sei, stehe Leipzig kulturpolitisch vor einem Scherbenhaufen: "Die Stadt will europäische Kulturhauptstadt werden und schafft theaterästhetisch nicht einmal im Ansatz den Anschluss ans 21. Jahrhundert. Arme Kulturstadt."

Die Redakteure der Berliner Zeitung (16.9.2011), Ulrich Seidler und Dirk Pilz, nehmen das Ganze von der humoristischen Seite und lassen den Leser mit einem Dramolett an ihrer Unterhaltung über die Hartmann-Nachricht teilnehmen.

"Hartmann hat, indem er das Theater als sozialen Ort entwarf, Menschen dafür begeistert, die diesem bis dato ferngeblieben waren. Auch wenn im Einzelnen korrekturbedürftig, hätte man Sebastian Hartmann dabei gern noch länger zugesehen", kommentiert Tobias Prüwer im Freitag (22.9.2011) die Rücktrittsentscheidung von Sebastian Hartmann. Der Intendant sei schon vor Amtsantritt ein "kommunalpolitischer Spielball" gewesen. Dennoch konnte er Erfolge verzeichnen: Hartmann habe ein junges Publikum gewonnen und das Leipziger Haus "in die Bundesliga der deutschen Bühnen" geführt. Mit "Hartmann kam das Theater ins Gerede, aber inhaltlich stritt man nicht."

(geka)

Presseschau vom 14. September 2011 – Alexander Karschnia fordert die Besetzung aller Theater

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Besetzt die Theater jeder Stadt!

14. September 2011. Im Online-Magazin Berliner Gazette schreibt Alexander Karschnia, Gründungsmitglied der freien Gruppe andcompany&Co., über die brisante Lage der Kulturschaffenden in Italien und den Niederlanden. Er fasst noch einmal die Besetzung des Teatro Valle (die wir hier und hier schildern) zusammen, erläutert den Kultur- und politischen Sittenverfall im Nachbarland (hier von uns dargelegt) und verknüpft beides mit der Stadttheaterdebatte: "Alle freien Theaterschaffenden wissen: Das Stadttheater einer kleinen Provinzstadt hat ein größeres Budget als die gesamte sogenannte freie Szene in Deutschland. Erst in den letzten Jahren kam es zu zaghaften Schritten einer Annäherung zwischen freier Szene und dem System der Stadt- und Staatstheater." In den Niederlanden konnten freie Gruppen hingegen dank staatlicher Förderung und öffentlicher Würdigung "über einen langen Zeitraum arbeiten, manche seit über dreißig Jahren".

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