Der Menschenfeind - Ivo van Hove versetzt Molière in die technisch zerstreute Gegenwart
Die Liebe in Zeiten der Ex-und-Hopp-Mentalität
von Anne Peter
Berlin, 19. September 2010. Würstchen im Allerwertesten. Das hatten wir so noch nicht. Lars Eidinger, der an der Schaubühne als Experte fürs Maßlose ja schon einige Matsch-und-Pansch-Aktionen bewältigt hat, hält sein Lebensmittel-bewehrtes Hinterteil in die Kamera. Zuvor hat er auf Haupt und Haaren bereits Schokosoße, Sahnetorte und Spaghetti verteilt. So inszeniert, so zelebriert dieser Alceste seinen Weltekel, sein Scheiß-auf-alle. So suhlt er sich in seinem Anders-Sein, das vom Heucheln und Schmeicheln der Mitmenschen nichts wissen will. Schließlich steckt Eidinger sich noch ein ordentlich phallisches Baguette in die Hose – ist Molières "Menschenfeind" doch beides: Ehrlichkeits-Extremist ebenso wie Trieb-Getriebener, radikaler Idealist und unvernünftig Verliebter.
Und kann man's ihm verdenken? Wer würde dieser Frau nicht verfallen? Judith Rosmairs Célimène gehört wohl zum Erotischsten, das derzeit im Theater zu haben ist. Wenn diese zarte Person in der Inszenierung Ivo van Hoves im kurzen Rotkleid über die Bühne wirbelt, Alceste mit Küssen überfällt, ihm auf den Arm springt, ihre Haare schüttelt und plötzlich von verführerischem Lächeln in verächtliches Lachen fällt, von Koseworten in amüsierte Lästereien, erzählt das auch vom Sprunghaften und Ruhelosen ihrer Figur, die von Vergnügen zu Vergnügen stürzt. Und verkörpert dabei eine sehr heutige Bindungsskepsis, von der Scheidungsstatistiken ebenso wie Single-Börsen-Zulauf und "Lebensabschnittsgefährten" zeugen können.
Mann-Sein heißt Schwach-Sein
Dass Alceste diese Célimène liebt, obwohl er sie seinen Prinzipien nach verachten müsste, kann man also bestens nachvollziehen. Überhaupt gelingt es van Hove, dem zum ersten Mal in Berlin inszenierenden Leiter der Amsterdamer Toneelgroep, aus den Molière'schen Typen vollblütige Menschen zu machen, die über die Reime lässig hinwegschnurren und weniger als Träger von Grundsätzen denn als fühlende und vor allem fehlbare Wesen daherkommen.
Van Hove treibt das Ensemble, aus dem neben Rosmair und Eidinger besonders Corinna Kirchhoff (als wohltuend wehrhafte Arsinoé) und Sebastian Schwarz (als berührend gutherziger Philinte) herausstechen, zu sehr direkt-körperlichem Spiel, in einen sinnlichkeitsgesättigten Realismus, der um die "Natur" des Menschen weiß. Dass "Mensch-Sein" und "Mann-Sein ja doch nur Schwach-Sein heißt", schickt Alceste kurz vor Schluss als Erkenntnis über die Rampe. Und anders als bei Molière wird er nicht einsam in seine Wüste abziehen, sondern sich dreingeben. Er wird Célimènes besudeltes Videobild mit dem Gartenschlauch sauber spritzen und ihre Umarmung genießen, solange sie dauert.
Liebkosungen auf unappetitlichem Boden
Rosmair spielt dabei nicht etwa das sich willig als Objekt darbietende Flittchen, sondern die selbstbestimmte Hedonistin. Eine souveräne Männer-Jongleuse, die jederzeit furchterregend fauchen oder mit Stöckelschuhen werfen kann. Und nicht zuletzt ihr Humor bewahrt sie vor der Vereinnahmung durch den sexistischen Blick. Mit einem rotzig-arglosen "Hääh?!" goutiert ihre Célimène anfangs Alcestes eifersüchtige Vorhaltungen. "Spielst du jetzt den Othello oder was?", fragt sie später entnervt, nachdem der sie beinahe erwürgt und mit seinen destruktiven Besitzansprüchen bis auf die Straße, hier konkret: den Ku'damm, getrieben hat.
Sie ruft "Taxi!", während er ihrem Videostandbild den Inhalt dreier Müllsäcke entgegenschleudert, was einen eher unappetitlichen Boden für die natürlich kurz darauf erfolgenden Liebkosungen bereitet – so geht Liebe in Zeiten der Ex-und-Hopp-Mentalität, wo nicht nur die Zweisamkeit immer seltener auf Dauer eingestellt ist und jemand wie Alceste, der auf verbindliche Werte pocht, hoffnungslos anachronistisch wirkt.
Das i-Pad ist auch dabei
Durch die dunkelgetönten Seitenscheiben des schicken Bühnenlofts begleiten zwei Kameramänner von rechts und links das Geschehen. So wird nahezu jede Szene auch für eine Kamera gespielt, vor der sich die Schauspieler mal mehr, mal weniger bewusst in Szene setzen – ein schlüssiges, wenn auch sehr nahe liegendes Bild für die allüberall herrschende "Verstellungskunst", gegen die Alceste wütet. Ebenso schlüssig, dass hinter der Rollladen-Tür in der Rückwand immer wieder die mitbespielten Theatergarderoben sichtbar werden, der Ort, wo jeder sich seine Maske zurechtschminkt – Selbstinszenierer in der Facebook-Chat-Skype-iPhone-Welt, die hier entsprechend auch technisch vertreten ist.
Zwar nervt das penetrante Apple-Product-Placement, die Ersetzung der Brief-Enthüllungen durch ein kompromittierendes iPad-Video trägt jedoch zur sinnfällig zeitgemäßen Anmutung der Veranstaltung durchaus bei. Und dass die meisten Gespräche irgendwann von einem Handyklingeln durchkreuzt werden, entspricht ebenfalls nicht nur ziemlich genau unserer technisch zerstreuten Gegenwart, sondern ist wiederum Sinnbild der flüchtig von einem Gegenstand zum nächsten hüpfenden Aufmerksamkeit, der von einem Objekt zum nächsten schweifenden Begierde.
Der Menschenfeind
von Molière
Deutsch von Hans Weigel
Regie: Ivo van Hove, Bühne / Licht: Jan Versweyveld, Kostüme: An d'Huys, Video: Tal Yarden, Dramaturgie: Maja Zade, Mitarbeit Musik & Komposition: Daniel Freitag.
Mit: Lars Eidinger, Sebastian Schwarz, David Ruland, Judith Rosmair, Lea Draeger, Corinna Kirchhoff, Franz Hartwig, Nico Selbach
www.schaubuehne.de
Auch Andreas Kriegenburg arbeitete bei seiner Hamburger Menschenfeind-Inszenierung massiv mit Videoeinsatz. Von dem Regisseur Ivo van Hove hat nachtkritik.de bereits die Shakespeare-Installation Römische Tragödien sowie die Film-Adaptionen Rocco und seine Brüder (nach Visconti) und Teorema (nach Pasolini) besprochen.
Als "Molière aus der analen Konsum-Perspektive" beschreibt Peter Hans Göpfert van Hoves "Menschenfeind"-Inszenierung auf rbb Kultur (20.9.2010). Der "Mordsklamauk" findet seine Zustimmung nicht: "Als hemmungsloser Jokus kann die Sache durchgehen. Einen wirklich aktuellen Bezug lässt die Regie aber nicht erkennen. Und darstellerisch zeigt sich die Schaubühne hier ohnehin eher auf sehr bescheidenem, wenn nicht sogar bedenklichem Niveau." Allein Schaubühnen-Altstar Corinna Kirchhoff findet seine Gnade. Fazit: "Die tiefere Tragik in dieser Komödie bleibt auf der Strecke."
Wesentlich angetaner zeigt sich sein Radiokollege Eberhard Spreng vom Deutschlandfunk (20.9.2010). Neben Kirchhoff preist der die "Ausnahmeakteurin Judith Rosmair", die "ungehemmt die beiden Passionen ihrer Figur" spiele: "Den Genuss, vielfach begehrt zu werden und den Spaß an der Herrschaft über die Neigungen der Herzen." Auch der "den Text klug umsetzenden" Inszenierung kann Spreng einiges abgewinnen: "Sehr kunstvoll schieben sich auch für den Zuschauer die Bilder der beiden hinter den Glasflächen versteckten Kameras immer wieder vor die Wahrnehmung des ursprünglichen Bühnenspiels. Damit das künstliche Auge nicht geblendet wird, kommt alles Licht ausschließlich wie eine kalte Dusche von zahlreichen Neonkästen über der Bühne." Sprengs Fazit: "Das Herz des über 340 Jahre alten Stücks schlägt immer noch kräftig."
In seiner als Glosse getarnten Kritik greift Manuel Brug in der Welt (21.9.2010) das Apple-Product-Placement auf: "Gestochen scharf das Bild, fast rauschfrei der Ton. Klasse! Produktpremiere bestanden." Brug vermutet, "Ivo van Hove habe sich in seiner allzu glatten, vorhersehbaren 'Menschenfeind'-Inszenierung mehr für die schöne neue Technikwelt als für die alte Ära der Charakterkomik interessiert." Ansonsten verneigt er sich vor dem Zauber der "gleich drei virtuelle Schranken" durchbrechenden Judith Rosmair und der "Peter-Stein-Diva" Corinna Kirchhoff, die mit dem Wortflorett souverän "durch die krakeelende, ihren Ennui pflegende oder eben zugesaute Spielerschar" schneide: "Ein Triumph der alten Schaubühne über die neue. Und ganz ohne iPad."
Gegen eine Art teflonbeschichtete Moderne läuft dieser Menschenfeind an, schreibt Lothar Müller in der Süddeutschen Zeitung (21.9.2010). "Sie ist abwaschbar und lässt alles, was nicht von ihrer Art ist, gnadenlos abperlen." Aber, so fragt Müller: "Was ist eigentlich in der Welt dieses modernen Menschenfeindes aus dem Machtzentrum geworden, um das in Molières Komödie die Figuren herumscharwenzelten, aus dem Hof und seinem Cliquenwesen?" Und antwortet: "Anders als in Hans Magnus Enzensbergers Übersetzung aus dem Jahre 1979, in der die Upper Class der alten Bundesrepublik sich in witzigen Endreimen porträtiert fand, bleibt die Gesellschaft, außer dass sie Kommunikationsgesellschaft ist, hier seltsam vage. Der Prozess, bei Molière eine ernsthafte Gefahr für den Außenseiter, bleibt weitgehend Gerücht."
Ulrich Seidler erlebte trotz Tortenschlacht und Müllorgie, auch trotz Lars Eidinger, "der mit dem rückhaltlosen Einsatz seines Genitals schon so einige theaterästhetische Maßstäbe gesetzt hat", einen "Abend von eisiger Asepsis - einer Asepsis, die typisch ist für die Schaubühne", wie er in der Berliner Zeitung (21.9.2010) schreibt. "Molière und sein Alceste hackten auf der einen dünnen, undurchdringlichen Schicht zwischen Schein und Sein, zwischen Wort und Tat, zwischen Koketterie und Liebe herum. Van Hove aber bleibt wie bei der Wiener-Würstchen-Nummer seinem Prinzip der Deutlichkeit durch Massierung treu und schiebt lauter Schein-Ebenen ein, die dem Grundproblem kein Jota an Brisanz hinzufügen, sondern es bloß illustrieren." Immerhin: "Großartig sind die langen, eisblauen, bohrenden Blicke, mit denen Alceste versucht, durch die von stählernen Nachtfaltern verschlossenen Seelenfenster Célimènes zu stoßen. Solche von energiegeladenen Augenpaaren getauschte Blickwechsel hätten auch ohne Schokogesicht und Videoverdopplungen funktioniert, andererseits ergeben sich so schöne Kontraste."
In der Neuen Zürcher Zeitung (22.9.2010) schreibt Dirk Pilz, Ivo van Hoves Menschenfeind führe explizites Regietheater" vor, allerdings setze er auf "den äusserlichen Effekt". Van Hove inszeniere Molière "als eine Video-, Sprach- und Technikschlacht". Die Figuren seien vor allem "Schein-Spieler". Die Sprache: "eine Wahrhaftigkeitsgaukelei". Die Szenen: "immer Seelentäuschungsmanöver". In aller Eifersuchtsgetriebenheit und allem Liebeskampf, gedoppelt auf der Bühne und im Video, sähen die Zuschauer alle Schauspieler den "psychologischen Gesetzen der Glaubwürdigkeitsproduktion folgen". Glaubwürdigkeit aber, erzähle dieser Abend, sei Schein, ein medial hergestellter Effekt. "Es gibt keine echten Gefühle, es gibt nur aufgekratzte Künstlichkeit. So beeindruckend die Schauspieler" auch seien.
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Mit schöner Regelmäßigkeit wenn den Theatern nichts mehr zur Lage der Nation einfällt, taucht „Der Menschenfeind“ auf den Spielplänen auf. Das Stück zur Wertedebatte. Heuchelei gegen den Drang im Menschen doch besser die Wahrheit zu verkünden, oder ist nicht eher der ein Heuchler, der dies ständig nur vorgibt? Alceste der Misanthrop schlechthin verkörpert diese Lebensart bis zur letzten Konsequenz, die Koketterie der anderen Heuchler ist ihm in dieser Inszenierung sogar sprichwörtlich Wurscht und geht ihm nur um Haaresbreite am Allerwertesten vorbei. Wenn ihm dabei nicht immer der eigene Schwanz und er sich selbst im Wege wären. Die Liebe zur flatterhaften Célimène lässt ihn an seinen hehren Idealen scheitern.
Nachdem Andreas Kriegenburg in der letzen Spielzeit am DT eher konventionell versuchte die Seelen der Protagonisten auf Großbildleinwand aufs feinste zu sezieren, setzt Ivo Van Hove in seiner ersten Arbeit für die Schaubühne auf totale Konfrontation und will den Werte- und Mentalitätswandel in der Gesellschaft direkt auf die Bühne bringen, alte Werte gegen die Auflösung der traditioneller Lebensweisen. Die Figuren sprechen Moliers Verse würden aber lieber an das ewig klingelnde Handy gehen. Das Neue an dieser Inszenierung ist nicht nur die kleinere Videowand sondern auch das neben der Benutzung einiger technischen Hilfsmitteln der Mediengesellschaft noch ein eher dürftiges Festgelage der haltlosen Schickeria mit Erdnussflips, Bockwurst und langem Baguette durch Alceste zerlegt wird und man sich dabei lieber zu alten Werten wie „Spiel nicht mit dem Essen anderer Leute“ wünscht. Nach einem weiteren vergeblichen Versuch Müll auf offener Bühne zu trennen und einige Telefonate und E-Letters später geht Alceste mit Célimène dann lieber doch nicht in die Wüste und alle verhinderten Müllmänner und -frauen stellen sich zu einem Tableau der Ratlosigkeit an der Bühnerampe auf.
Den smarten Menschenfeind gibt Lars Eidinger, der spätestens jetzt zu den letzten echten Wilden auf Berlins Theaterbühnen zählen dürfte. Man wird auch diesmal nicht enttäuscht und braucht erwartungsgemäß nicht lange darauf zu warten, das er irgendwann die Hosen fallen lässt und sich auf den Präsentierteller der ausgelassenen Tafelrunde legt, seinem Ekel über diese malade Welt freien Lauf lassend.
Regisseur Ivo Van Hove kann leider diesem Drama über die Unfähigkeit der Menschen, eigenen Anspruch und herrschende Wirklichkeit in Einklang zu bringen, nichts weiter hinzufügen. Er rutscht beim Ausfegen alter Werte auf dieser all zu glatten und zugemüllten Bühne einfach nur aus. Den Sinn kann sich wer will in den Resten dieser Inszenierung selber zusammen suchen.
www.blog.theater-nachtgedanken.de
Lieber Herr Stefan,
Sie sind mir ja ein ganz schlimmer Finger. Wie Sie hier die Inszenierung in Grund und Boden spotten, das hat schon Format. Wenn die Inszenierung nur halb so gut ist wie Ihr Verriß derselben würde ich sie mir gerne mal anschauen. :o)
Heimlich, still und leise wurden ohne einer sog. Dernière die für mich besten Inszenierungen NORA sowie SHOPPEN UND FICKEN (beide Ostermeier) abgesetzt! Wahrscheinlich hat es damit zu tun, dass viele beteiligte Darsteller/-innen nicht mehr an der Schaubühne beschäftigt sind.
Was meint ihr dazu? Bedauert ihr dies auch?
Es wäre schrecklich, wenn die Zeit stehenbleiben würde.
Warum orientieren Sie sich nicht an den Aktualitäten und gehen in den „Menschenfeind“? Vielleicht hat Stefans Kommentar Appetit darauf gemacht.
Und jetzt weiter beim "Menschenfeind".
Und natürlich wird es irgendwann unglaubwürdig für Herrn Szymanski in der Rolle eines Strichers, aber auch Herr Bading in der Rolle des Freiers wird nicht jünger. So bleibt der Altersunterschied bestehen und ganz ehrlich: mit Make-Up und den Klamotten wird kein Zuschauer sich beschweren und von einer Fehlbesetzung sprechen :-) Emilia Galotti am DT gespielt von Regine Zimmermann ist in ihrer Rolle auch im laufe der Zeit gealtert und niemand échauffierte sich.
"Shoppen und Ficken" lief in der letzten Spielzeit gar nicht mehr...
(Stimmt. Van Hove hat dort sogar mehrfach inszeniert, den Molière 2006. Ist geändert! - Die Redaktion)
am besten noch die ersten zehn minuten, in denen david ruland einen ansatzweise berührenden auftritt hat.
ärgerlich dass viele schauspieler trotz mikrofon steckenweise nicht zu verstehen sind- und ich saß nicht etwa ganz hinten.
note:4- ganz knapp noch ausreichend
Also weil hier ja auch Spielplanfragen diskutiert werden: Wann kommen La Carnicería Teatro eigentlich mal wieder?
Als interessant habe ich übrigens die Platzierung der SZ-Kritik neben einem Artikel zu Schopenhauers 150. Todestag wahrgenommen. Verweist diese Inszenierung nicht tatsächlich auf den Bruch zwischen der Welt als Vorstellung auf der einen und als Wille auf der anderen Seite? Vielleicht geht es um die unendlichen Möglichkeiten der (virtuellen) Überschreitung vermeintlich überwundener Klassen-, Rassen- und Geschlechtergrenzen, was die individuelle Positionierung in einer politischen Gemeinschaft obsolet erscheinen lässt. Aber vielleicht eben nur erscheinen lässt.
Denn es geht nach wie vor um die notwendige Beschränkung der durch den Konsumkapitalismus geweckten "falschen" Bedürfnisse des sofortigen Genusses. Oder: Wenn alles möglich ist, ist nichts mehr wirklich. Lasst euch nicht verführen durch die wirtschaftlichen Gesetze von Angebot und Nachfrage. Aber: Um zu der Erkenntnis gelangen zu können, müssen wir vielleicht zunächst mal gnadenlos durch die in jedem menschlichen Subjekt schlummernde Immoralität, die Übel und das mangelhafte Funktionieren des an der Oberfläche positiven Wertesystems unserer Gesellschaft hindurch. Und dabei könnte, statt konservativer Moralpredigten, vielleicht eher das Lachen helfen, welches Schopenhauer folgendermaßen definiert:
"Das Lachen entsteht jedes Mal aus nichts Anderm, als aus der plötzlich wahrgenommenen Inkongruenz zwischen einem Begriff und den realen Objekten, die durch ihn gedacht werden."
Auch Schopenhauer rettet diesen Molièreverschnitt nicht mehr. Quark bleibt Quark. Und wenn Sie meinen mit Schopenhauer Geschlechtergrenzen überschreiten zu können, viel Spaß dabei. Die SZ-Kritik ist aber tatsächlich die einzige, die mal versucht ein wenig zu hinterfragen, was uns das Stück eigentlich heute noch sagen könnte. Der Rest ist affirmatives Schweigen. Diese Inszenierung findet damit heute ihre Fortsetzung in den Feuilletons.
Und in Bezug auf die Geschlechtergrenzen ging es mir ja gerade darum aufzuzeigen, dass diese eben gerade nicht überschritten werden, sondern eben nur vermeintlich. Und zwar, indem Alceste sich als "schwacher Mann" inszeniert, zugleich aber das Weibliche in sich auf die ihn umgebenden Frauen bzw. Célimène projiziert und in diesen stellvertretend bekämpft.
"größtenteils langeweile pur trotz lars eidinger, der sich (nur) routiniert würstchen in den hintern schiebt. nicht mal das ein highlight."
Nun, im Stücktext von Molière steht nun mal: "Während er spricht, schiebt er sich mit großer Nonchalance ein Würstchen nach dem anderen in den Arsch." Also muß das auch so inszeniert werden, von wegen Werktreue und so.
Der Sonnenkönig soll übrigens Tränen gelacht haben über diesen gelungen szenischen Einfall von Molière. Die bittere Sozialkritik, die in dieser Szene steckt (das Würstchen König ist es nicht wert, vom Bürger verspeist zu werden, es verschwindet vielmehr am anderen Ende des Verdauungstraktes) hat der etwas einfach gestrickte Ludwig nie verstanden. Gut für Molière.
Da es nun draußen wieder kälter wird, hier vielleicht zum 150. Todestags des Obermisanthropen und Stachelschweinliebhabers Arthur Schopenhauer noch ein kleines Zitat von ihm: „So treibt das Bedürfnis der Gesellschaft, aus der Leere und Monotonie des eigenen Innern entsprungen, die Menschen zueinander; aber ihre vielen widerwärtigen Eigenschaften und unerträglichen Fehler stoßen sie wieder voneinander ab. Die mittlere Entfernung, die sie endlich herausfinden, und bei welcher ein Beisammensein bestehen kann, ist die Höflichkeit und feine Sitte.“ Und die, denkt sich Ivo van Hove, schaffe ich jetzt gleich mal mit ab. Gegen fehlende innere Wärme kann man nun ja auch in der Schaubühne wieder zusammenrücken, die restlichen Stacheln des Menschenfeinds hat Ivo van Hove alle schön platt gebügelt.
"Nun, ich glaube nicht, das Ivo van Hove in erster Linie an den Sonnenkönig gedacht hat, als er auf den Einfall kam die Würstchen da verschwinden zu lassen, wo die Sonne nie scheint."
Ich habe das, äh,... hüstel... eigentlich auch nicht wirklich angenommen. Aber wahrscheinlich ist das Würschtlversenken ein hochsymbolischer Akt, der uns tiefe Einsichten vermittelt. Aber welche?
Bittschön, was ist "einfaches Mooning"?
Viele Grüße
Wolfram Heinrich
Mooning ist der englische Begriff dafür, die Stelle wo die Sonne nicht hinscheint, also den Mond, durch kurzes Entblößen dem verdutzten Publikum zu präsentieren. Sie können das auch bei Wikipedia kurz nachlesen mit dazu gehörendem Anschauungsmaterial. Ich glaube in Bayern kennt man dieses Ritual bestens.
So so, die Kosmetik hats Ihnen wohl angetan... Aber wie sieht denn die Kluft zwischen Schein und Sein in dieser einen Aufführung, in diesem konkreten Fall aus? Und was wird durch wen oder was wie überdeckt?
schönen Dank für die Auskunft. Ja, Mooning ist in Bayern wohlbekannt, verbal und real, ich kannte bloß das Wort nicht.
Worüber ich rätsele, das ist der Trick, mit dem der... äh... Schauspieler sich die Würschtl in den... äh... Born seiner Kunst gesteckt hat. In Wirklichkeit geht da ja wohl nicht mehr als ein Wienerl rein. Oder hat er die kleinen Cocktailwürstchen genommen?
Sie sehen, die Kunst regt den Menschen doch ungeheuer zum Nachdenken an.
Die Frage bei van Hove ist wohl auch, wo das Spiel anfängt und wo es aufhört. Ob man da überhaupt noch klar trennen kann zwischen der Bühnen- und der Alltagsrealität. Oder mit Pollesch gesprochen:
"Objektiv betrachtet ist das einzige was die Realität vom Theater lernen kann: zu betrügen, zu lügen, und, jetzt kommt der wichtige Punkt dabei: dass es eben alle wissen. Alle wissen von der Lüge, und nichts ist automatisch Wahrheit." ("Drei Western")
Die Pose ist die neue Wahrheit. Selbstinszenierung ist gerade im Popkapitalismus schwer angesagt. Und jetzt ist eben die Frage, ob man nicht vielleicht doch viel freier ist, wenn man sich auf die Rollenförmigkeit des öffentlichen Auftritts beschränkt und nicht ständig alles mit dem eigenen Selbst belegen muss.
keine Sorge, es gelingt Lars Eidinger unter Zuhilfenahme von Gleitmitteln aller Art nicht. Es bleibt Pose, zudem auch noch eine sehr matschige und ist zur Nachahmung nicht zu empfehlen. Ich hoffe Ihren Wissensdurst nun gestillt zu haben. Ein Hoch den fleißigen Reinigungskräften der Schaubühne und den Assistenten, die die Müllbeutel immer wieder passend zusammenstellen müssen.
Wenn Ihnen die Inszenierung tatsächlich nicht mehr zu denken gibt, ausser, ob Lars Eidinger das Einführen der Würstchen nun gelingt oder nicht, dann weiss ich auch nicht. Für mich ist das zunächst mal eine lustvolle Spiel-Pose, es ist Kunst und eben nicht die pseudoauthentische Realität bzw. die Pose der Selbstdarstellung von DSDS-Stars beispielsweise. Was daran AUCH der private Lars Eidinger ist, das bleibt offen.
auch Sie brauchen sich nicht zu sorgen, ich hatte nicht vor, die Prozedur selber auszuprobieren. Schlimm genug, wenn der arme Lars Eidinger dergleichen machen mußte, er hat das in der Schauspielschule bestimmt noch nicht gelernt.
"Ein Hoch den fleißigen Reinigungskräften der Schaubühne und den Assistenten, die die Müllbeutel immer wieder passend zusammenstellen müssen."
Über den Job der Bühnenarbeiter hatte ich mir auch schon Gedanken gemacht, als ich von all dem Schmadder auf der Bühne gelesen habe. In englischen Romanen und Filmen, die im Theatermilieu spielen taucht immer wieder das Lamento der Kreativen auf: "Das macht die Gewerkschaft nicht mit, vergessen Sie die Sache." In Deutschland scheinen die Bühnenarbeiter geduldiger zu sein.
Eines Tages aber rotten sie sich zusammen, treten mitten in der Vorstellung auf die Bühne und entrollen ein Spruchband: "Hier wird nicht geschissen, hier gibt es Dampf / Denn was wir spielen ist Klassenkampf". Kernige Arbeiterfäuste recken sich in den Bühnenhimmel und dem Regisseur fällt vor Schreck das Gebiß ins Whiskyglas. Und am Morgen nach der Premiere jubelt ihm das Feuilleton zu: "Brecht ist erstanden / Von dem Totenlager / Des soll'n wir alle froh sein / Brecht will unser Trost sein."
Herr Stefan, wir sollten gemeinsam ein Stück schreiben. Stellt uns vor eine Horde Kerls wie uns, und in Deutschland soll ein Theater werden, gegen das Thalia und Schaubühne Nonnenklöster sein sollen.
Das ist es ja, das uns gar nicht interessiert, wer den Matsch wieder weg macht. Es ist ja nur ein Job, aber nicht meiner. Alles Oberfläche, wie geht es Dir, was macht der Job, ach ja wirklich, bis dann mal wieder, entschuldige mein Handy klingelt. Dazu muss man nicht Molière bemühen oder so tun als spiele man das nur. Schein und Sein, gehöre ich dazu, bin ich noch oder was? Wohnst du noch oder lebst du schon? Schlagworte der modernen Gesellschaft. Mehr ist diese Veranstaltung nicht und will doch so viel sein.
@ Stefan: Und wie wollen Sie das alternativ lösen? Ein Theater von der Größe der Schaubühne kann doch gar nicht anders, als über die Arbeitsteilung zu funktionieren. Ich sehe da immer das Bild eines Bienenstocks vor mir, in welchem jede/r seinen Teil zur Produktion beiträgt.
Und vielleicht geht es eben gerade darum, dass der Popkapitalismus zwar jedem unendlich viele Möglichkeiten der Selbstentfaltung suggeriert, es am Ende aber doch um sowas wie Talent geht. Wir sind nicht alle Performer. Das ist ja gerade der Verblendungszusammenhang, davon auszugehen, dass jede/r es schaffen könnte, ganz nach dem Motto: "Mach dein Ding! Genieße! Sei dein eigener Herr! Blök nicht mit der Meute! Sei kreativ!" (Robert Misik, Quelle: spex 09/10 2010)
Ein solches Denken verschleiert die tatsächlichen Unterschiede zwischen den gesellschaftlichen Milieus. Und zudem bedeutet der distinguierte Habitus der heutigen Oberschicht/oberen Mittelschicht eben noch lange nicht, dass diese dann auch tatsächlich dem selbstgesetzten Motto "edel sei der Mensch, hilfreich und gut" nach lebe. Im Gegenteil, den Klatschspalten der bunten Blätter nach, ist oftmals gerade dieses Milieu dasjenige, welches hinter dem sauberen Image die meisten körperlichen Exzesse zu verzeichnen hat.
habe nach 15 minuten abgeschaltet, das war vor dem - zugegeben geschickt choreografierten - nahrungsmitteldress (übrigens auch: dress/dressing) und programmheft gelesen. darin ein wirklich fantastisch luzider text zu freiheit und/als zwang! empfehlung: statt wirkungslosem abend gemeinsam den text lesen und diskutieren.
übrigens: antwort zu "warum das kreischende geklatsche" findet sich in eben jenem text.
Übrigens, ich hab mir schon die ganze Zeit überlegt, ob der Menschenfeind von Lars Eidinger nicht vielleicht eine reformpädagogische Erziehung genossen hat. Vielleicht musste der immer nur lieb sein, und vielleicht durfte der auch seine Lehrer nie hassen. Aber so funktioniert Erziehung natürlich nicht, das rächt sich am Ende im totalen Exzess, in der totalen Grenzüberschreitung. Kreischendes Geklatsche. Zitat aus der aktuellen ZEIT von Gabriele Behler:
"Eine 'Tyrannei der Intimität', wie es der amerikanische Soziologe Richard Sennett nennt, wurde zum Nährboden für Überforderung: der Lehrer, [...], und der Schüler, denen gerade deshalb ihre Autonomie genommen wurde, weil sie mit Haut und Haar 'geliebt' werden sollten, sich also 'lieben' lassen mussten, auch wenn sie es gar nicht wollten. Schüler haben das Recht, ihre Lehrer nicht zu lieben, sie haben das Recht, den einen oder die andere 'blöd' zu finden und dabei zu lernen, trotzdem mit ihnen zurechtzukommen. Warum diese schrecklichen Überhöhungen? Und die epigonale, weil historischer Rationalität nicht mehr zugängliche Verklärung der Antike - wie sie etwa aus den Schriften Hartmut von Hentigs, des Nestors der Reformpädagogik, abgeleitet wurde - verkommt zur Blendung einer bildungsbürgerlichen Klientel. [...] Überwältigung des Denkens, Fühlens und Handelns kann libertär oder autoritär verkleidet werden, beides ist nicht verantwortlich, nicht hinnehmbar. In der Verwechslung von libertärer Überwältigung und Empathie liegt ein Grundproblem reformpädagogischen Handelns."
Freiheit als Zwang. Ja. Genau. Das passt wirklich gut zum "pädagogischen Eros", zur Auflösung der Grenze zwischen Privatleben und Schule als öffentlicher Institution.
Solln sie es tun, wenn es so unterhaltsam, so ernst gemeint ist, wie ich´s gestern erlebt in der Schaubühne!
Merkt ihr denn nicht, dass ihr mit euren Opagetue nicht mehr zeitgemäß daherredet. Habt schon die ganze Jugend verdorben, die nicht mehr neugierig ist auf diesen Zauber des Spiels. All diese ehemals so freien 68er Lehrer, die ihre Schülerschaften, letztere gestylt, abenteuerunlustig und unvorbereitet, ins Theater schleppen.
Lasst euch doch endlich alle einmal darauf ein, was man von der Bühne brüllt und rennt nicht weg. Danke Lars Eidiger für die tolle Bemerkung gestern Abend, als der dünne Herr im gestreiften Hemd das Theater verließ!!!
Jeder Zuschauer sollte wissen, was er tut und warum im Theater Neugier, Offenheit und Mitdenken gefordert ist. Der Rest bleibe doch besser zu Hause!
Ich (48)war mit meiner Tochter (19)da und wir hatten viel Gesprächsstoff danach. Insgesamt volle Punktzahl!
Olaf G.
"Oh Gott, was heisst denn hier 'der arme Lars Eidinger'? Also, ich glaub ja, dem macht das sogar Spaß. Na sowas! Schonmal drüber nachgedacht?"
Ach, worüber ich nicht schon alles nachgedacht habe. Ich habe soviel reflektiert, daß ich inzwischen unter die Strahlenschutzverordnung falle.
Und, klar, wenn's ihm Spaß macht, sich vor distinguiertem Theaterpublikum Würschtl in den Arsch zu schieben und dieses Würschtlschieben überdies der Kunst dient, dann geht das schon in Ordnung.
"Haben Sie als Kind nicht auch gern mit Fingerfarben oder der berühmtberüchtigten Matschepampe im Sandkasten rumgemanscht? Oder sind Sie trübsinnigerweise im sterilen Kontext der 'Sagrotan'-Fraktion aufgewachsen?"
Ich bin auf dem Land aufgewachsen, in einer Metzgerei. Damals haben die Metzger noch selber geschlachtet und ich habe früh schon Gras in jeglichem Stadium der Verdauung (von fast noch frischem Gras bis zur ausscheidungsfertigen Scheiße) aus Kuhdärmen gestreift - ohne Handschuhe, versteht sich. So was prägt, mein Umgang mit Ausscheidungsvorgängen und -produkten ist relativ entspannt.
Hu, Sie machen es aber spannend. Was hat denn Herr Eidinger zu dem dünnen Herrn im gestreiften Hemd gesagt?
Alice Miller schreibt dazu im "Drama des begabten Kindes und die Suche nach dem wahren Selbst":
"Die wohl größte narzißtische Wunde - nicht als das, was man war, geliebt worden zu sein - kann ohne Trauerarbeit nicht heilen. Sie kann entweder (mehr oder weniger erfolgreich) abgewehrt (wie z. B. in der Grandiosität und der Depresion), oder, im Wiederholungszwang, immer wieder aufgerissen werden. Dieser letzten Möglichkeit begegnen wir in der Zwangsneurose und in der Perversion. Die mütterlichen (oder väterlichen) verachtenden Reaktionen werden introjiziert. Das Entsetzen und Befremden, der Widerwille und Ekel, die Empörung und Entrüstung, Angst und Panik wurden in der Mutter oft durch die natürlichsten Regungen des Kindes ausgelöst, z.B. durch autoerotische Betätigungen, das Suchen und Entdecken des eigenen Körpers, durch die orale Gier, das Nässen, das Defäzieren, das Berühren und Spielen mit den eigenen Ausscheidungen, durch Neugier oder durch Zorn bei Enttäuschung und Versagung. Später werden all diese Erlebnisse mit den entsetzten Augen der Mutter verknüpft bleiben, was sich sehr deutlich in der Übertragung kundgibt. [...] Die Perversion und die Zwänge inszenieren immer wieder das gleiche Drama: nur unter der Voraussetzung einer entsetzten Mutter ist die Triebbefriedigung möglich, d.h. nur im Klima der SELBSTVERACHTUNG ist ein Orgasmus (z.B. mit einem Fetisch) zu erreichen, nur in (scheinbar) absurden, befremdenden (beängstigenden) Zwangsvorstellungen darf sich eine Kritik durchsetzen. [...] Ein Mensch, der an seiner Perversion leidet, trägt in sich die Ablehnung der Mutter und versucht, diese überall 'aufzuhängen', d.h. die ablehnende Mutter wieder zu externalisieren. Deshalb MUSS er Dinge tun, die in seiner Umgebung, in seiner Gesellschaft verpönt und verachtet werden. Wenn die Gesellschaft plötzlich seine Art von Perversion heiligen würde (wie es in bestimmten Kreisen geschieht), müßte er seine Zwänge ändern, aber er wäre dadurch nicht frei. Was er 'braucht', ist nicht die Erlaubnis für diesen oder jenen Fetisch, sondern die befremdeten, entsetzten Augen."
Was für ein Drama! Und es macht sicher sehr viel mehr Spaß, das zu spielen (wie Lars Eidinger), als tatsächlich davon betroffen zu sein, was in Ihrem Fall natürlich nicht zu beweisen war.
Wie auch immer, der Menschenfeind muss seine Zwangsneurose also öffentlich ausleben, er braucht die empörten Zuschauer, er braucht die Veröffentlichung seines Intimlebens über selbstproduzierte youtube(porn)-Videos, facebook, twitter oder andere (Presse-)Organe.
pardon, aber warum diese überheblichkeit? abgesehen davon, dass er aus der rolle steigt, wäre es auch in der rolle nicht nachvollziehbar.
mich persönlich greift LEs kommentiere nicht an, aber woher die respektlosigkeit als bühnenmächtiger einzelne, ruhig gehende bloßzustellen, anzugreifen, zurschauzustellen?
bitte mehr achtung für freie zuschauer/innen! ansonsten wäre ein fragwürdiger gestus zu diskutieren.
PS: übrigens ist er damit auch mal mittelschwer auf die nase geflogen, nachdem eine
zuschauerin des HAMLET in einer der vorderen reihen einen kreislaufzusammenbruch
erlitt, stöhnend zusammensank und er wiederum abschätzig ins publikum kommentierte
und seine voreile kleinlaut erst bei unterbrechung der vorstellung einsah.
"Herr Eidinger ist bei einer HAMLET-Vorstellung auch einem Grüppchen junger Lesben und Schwulen, die sichtlich empört den Zuschauerraum verließen und auf seiner Nachfrage den Grund ("Homophobie") nannten, hinterher gerannt, aus seiner Rolle ausgestiegen und von der Bühne bis ins Foyer hinterher gerannt um sie zu fragen, warum sie gehen und wie er sie fürs Bleiben überreden/bringen könnte."
Das nenn ich mir einen dynamischen Einsatz. Danach hat sich vermutlich keiner mehr getraut, vorzeitig das Theater zu verlassen, noch nicht mal zum pieseln.
Zu Ihrer Frage zu [33]: Das ist leider nicht spannend, sondern macht lediglich den Rahmen klar, aus dem dort argumentiert wird.
Witzig? - Weil positionslos ironisiert wird?
Aktuell? - Weil Apple-Produkte als Requisiten dienen?
Zeitgemäß? - Weil das Ensemble (bis auf Corinna Kirchhoff) jugendlich-flippig Anti-Comédie-Francaise geifert?
"Ihre Vorliebe für anale Vorgänge ließe den Analytiker möglicherweise tief blicken (wenn Sie das als Psychologe nicht bereits hinter sich haben). Bekanntlich bleiben Kinder, welche eine zu rigide Reinlichkeitserziehung genossen haben, auf der analen Stufe stecken und sind ihr Leben lang fixiert auf (ihre/n eigenen) Kot und Ausscheidungsvorgänge."
Ihnen kann man es aber auch nur schwer recht machen. Erst verdächtigen Sie mich der Zugehörigkeit zur Sagrotan-Fraktion und nun, da ich Ihnen erzähle, ich sei ein Dreckbaazer der Sonderklasse kommen Sie mit der analen Fixierung.
Das heißt, Moment, da kommt mir ein fürchterlicher Verdacht... Haben Sie vielleicht angenommen, ich hätte das Darmausquetschen zum Privatvergnügen betrieben? Mitnichten, sag ich Ihnen, das war Bestandteil meiner Mitarbeit im Schlachthaus, ganz offiziell. Der Metzger schmeißt ja Därme nicht weg, die werden noch gebraucht, um darin Wurst einzufüllen. Dazu muß dann natürlich vorher die Scheiße raus, der Kunde würde es sonst nicht schätzen.
"Was für ein Drama! Und es macht sicher sehr viel mehr Spaß, das zu spielen (wie Lars Eidinger), als tatsächlich davon betroffen zu sein, was in Ihrem Fall natürlich nicht zu beweisen war."
Wie gesagt, ich bin nicht betroffen.
"Wie auch immer, der Menschenfeind muss seine Zwangsneurose also öffentlich ausleben, er braucht die empörten Zuschauer, er braucht die Veröffentlichung seines Intimlebens über selbstproduzierte youtube(porn)-Videos, facebook, twitter oder andere (Presse-)Organe."
Molière, der raffinierte Hund, hat es immerhin geschafft, seinen Menschenfeind als solchen zu charakterisieren, ohne daß er ihn veranlaßte, sich Würschtl in den Arsch zu schieben. Und: Kein Zwangsneurotiker lebt seine Neurose öffentlich aus, er ist eher bestrebt, sein merkwürdiges Verhalten, das er auch selber als merkwürdig empfindet, sorgsam vor der Öffentlichkeit geheim zu halten (was oftmals nicht gelingt).
Aber, ich habe hier schon ausführlich meine Anmerkungen dazu gemacht, es ist heute wohl eine unerträgliche Zumutung, Molière aufzuführen, wenn man Molière aufführen will.
Bierzeltgaudi rulez theatre.
Es geht hier übergreifend um das Thema der Selbstinszenierung, um die Tyrannei der Intimität nach Richard Sennett, wonach eigentlich politische Kategorien ins Psychologische verschoben werden. Das ist doch das eigentliche Problem, dass sich hier alle immer nur - medial verstärkt - moralisch empören, inklusive des Menschenfeinds, welcher natürlich auch nicht besser ist als "Alle Anderen" (Scherz!, kennen Sie diesen gelungenen Film von Maren Ade mit u.a. Lars Eidinger?).
"Wir entfernen uns ein wenig von der "Menschenfeind"-Inszenierung, finden Sie nicht auch?"
Richtig, aber dergleichen passiert, wenn man diskutiert.
"Möglicherweise geht es genau darum, zwar mit Sagrotan aufgewachsen zu sein, das dann aber zwanghaft überschreiten zu müssen. Und alles nur, um auszutesten, ob Mama/Célimène den Menschenfeind auch dann noch weiterhin liebt."
Bezieht sich das jetzt auf Molière oder auf die Inszenierung?
"'Alle Anderen' (Scherz!, kennen Sie diesen gelungenen Film von Maren Ade mit u.a. Lars Eidinger?)."
Nein, kenne ich nicht. Ich habe bei Wikipedia nachgeschlagen, der Artikel dort ist absolut nichtssagend, aufgrund dieser Handlungsbeschreibung käme ich nie auf die Idee, mir den Film anzuschauen. Bei der Gelegenheit habe ich gesehen, daß Eidinger erst 34 Jahre ist, ein bißchen sehr jung für die Rolle des ältlichen Alceste.
"Alle Anderen" ist übrigens ein toller Film, sollten Sie aber besser nicht bei Wikipedia nachlesen, sondern lieber in Film-Rezensionen des Feuilletons.
Und warum soll Lars Eidinger zu jung sein? Es gibt doch heute ebensoviele Beispiele junger Männer, welche nach aussen hin das Sauberimage des stets kontrollierten Managertyps, IT-Spezialisten usw. abgeben, innerlich aber eben genauso triebbestimmt sind wie alle Anderen. Oder: Der Firnis der Zivilisation ist dünn.
Ab ungefähr hier könnte man die beiden Stränge Der Menschenfeind und Fräulein Julie zusammenlegen, den Sommernachtstraum von Kriegenburg auch noch mit dazu. Sie haben es mal wieder kurz prägnant in einem Satz festgehalten, oder Bruno Ganz hat das für Sie getan. Was hat er denn gesagt? "Keiner von diesen Bundesliga-Erste-Sahne-Regisseuren im deutschen Theater lässt Identifikation zu. Die scheuen das wie der Teufel das Weihwasser. Die Jungs machen ihr Theater, und das gefällt mir nicht. Schluss. Aus."
Mal abgesehen davon, dass er nur von Jungs spricht, hat er nicht ganz unrecht und da muss man nicht Gerhard Stadelmaier heißen, um das festzustellen. Ganz meint übrigens die Identifikation des Regisseurs mit dem Werk und die des Schauspielers mit der Rolle, nicht die des Zuschauers. Keiner identifiziert sich mehr mit dem was er spielt, es ist beliebig, wer da auf der Bühne steht. Entweder spielen sie sich selber oder sind so gegen den Strich besetzt, das sie gar nicht mehr in die Rolle rein finden. Es gibt ein prinzipielles Problem bei Neuinterpretation von klassischen Stoffen in der letzten Zeit. Der Inhalt des Stückes spielt meist keine Rolle mehr, es wird nur noch der Grundgedanke entlehnt oder man geht mit einer Idee alle Klassiker ab, um das passende zu finden. Meist trifft beides zu wie beim Menschenfeind. Da ist dann auch egal wer den spielt. Es herrscht die Auffassung vor, sich so weit wie möglich von Stück, Autor und Rollen zu distanzieren, aber nicht etwa, um eigene Gedanken und Interpretationen zu entwickeln, nein es wird sich, und das meint Ganz, alles vom Hals geschafft, was auch nur irgendwie darauf schließen lassen könnte, man hätte sich damit ernsthaft auseinandergesetzt. Es scheint so, das die meisten Regisseure das als unmodern empfinden, es ist verpönt. Es wird erst mal prinzipiell alles in Frage gestellt. Aber nicht mit der Absicht ein neues Ergebnis zu zeigen, nein, man bringt die Fragen auf die Bühne oder zerfragt das Stück schon im Vorfeld so lange bis nichts mehr übrig ist, was man aufführen könnte. Dann muss man zumindest noch ein paar Einfälle haben, wie Handys, Würstchen und ganze Filmteams. Man wirft uns abgenagte Knochen vor und wir lutschen daran rum, auf der Suche nach dem letzten Stückchen Mark. Manchmal werden sie schnell noch bunt angemalt, meist steht man jedoch wie vor einer weißen Leinwand, bekommt aber keinen Pinsel geschweige denn Farbe in die Hände, um sich wenigstens selbst ein paar Sachen auszumalen. Die Farbe, also der Inhalt, wird lieber über die Bühne verteilt, als hieße es, erst hier das Ganze zu inszenieren, es werden ganze Probenprozesse aufgeführt. Es wird erzählt, zitiert oder nichts sagende Ästhetik präsentiert, gespielt wird nur zum Schein. Alles ist unverbindlich wie unsere Gesellschaft, es kommt keine Haltung zum Ausdruck, niemand hat eine Utopie, nicht mal Frank Castorf mit seinen Drei Schwestern, deren falsche Illusion er eigentlich wunderbar zerstört. Es scheint Jan Bosses Inszenierung der Blechtrommel als Suche von sieben Schauspielern nach einem Charakter ehrlicher, als die reine Behauptung von Ivo van Hoves Menschenfeind, die uns mit lauter Karikaturen nur die eigene Leere und Oberflächlichkeit vorspielen will. Ich meine damit die Ideenlosigkeit der Inszenierung, die in der Pose von Lars Eidinger kulminiert, genauso wie die Leere im Publikum, die auf Füllung von oben wartet und jede Abwechslung dankbar aufnimmt. Die Kommentare hier spiegeln das dann wieder. Inhalt wird nicht diskutiert, sondern die Oberfläche. Wie hat der Eidinger das gemacht, was hat er gesagt, wieso ist die Rolle jung besetzt? Kriegenburg lässt im Sommernachtstraum ältere desillusionierte Paare, keine Jungverliebten, durch den Wald rennen. Eine Uminterpretation, der zwar das halbe Stück zum Opfer fällt, aber durchaus überzeugen kann. Trotzdem bekommt es Längen, weil zuviel Melancholie der Paare irgendwann den Nerv tötet und fünf lustige Handwerksgesellen, dann auch nicht mehr weiterhelfen können.
Das soll jetzt keine Abrechnung mit dem Regietheater sein, ich bin nicht Daniel Kehlmann. Wir waren vor Jahren eigentlich auch schon mal weiter, Gosch, Stemann oder Petras haben gute Konzepte entwickelt. Pollesch ist der einzige der überhaut noch politisch etwas aussagen will und auf Zusammenhänge verweist. Er bezeichnet das Theater als reinen Amüsierbetrieb, als eine Lüge, alles ist nur schöner Schein. Der Rückzug in die Unverbindlichkeit vieler Regisseure ist ein Ausdruck, dass man mit der Krise in der Gesellschaft und mit dem neoliberalen Wertewandel nicht umgehen kann. Man scheut sozusagen die Identifizierung mit der Gegenwart durch eine Nichtverarbeitung der Vergangenheit in Form der Werke, die es aufzuführen gilt.
@ Stefan: "Alles ist unverbindlich wie unsere Gesellschaft, es kommt keine Haltung zum Ausdruck, niemand hat eine Utopie" und "Ich meine damit die Ideenlosigkeit der Inszenierung, die in der Pose von Lars Eidinger kulminiert, genauso wie die Leere im Publikum, die auf Füllung von oben wartet und jede Abwechslung dankbar aufnimmt." Ah ja, sind Sie vielleicht auch manchmal ein bisschen menschenfeind? Und sind Sie jetzt eigentlich ein Verteidiger "des neoliberalen Wertewandels" oder nicht? Oder ist das alles vielleicht doch viel komplexer?
(Werte(r) IS und Kombattanten,
bevor Sie sich verbal völlig zerfleischen, sei der Hinweis gestattet, dass es sich beim Thema um Ivo van Hoves Inszenierung von Molières "Menschenfeind" an der Schaubühne handelt, was im Eifer des Gefechts zuweilen aus dem Blick zu geraten scheint. Die Redaktion)
Bitte erst mal fertig lesen, dann urteilen. Wie kommen sie darauf, das ich den neoliberalen Wertewandel verteidige? Ich habe die Aussagelosigkeit der Inszenierung von Ivo van Hove zu diesem Punkt kritisiert. Vielleicht verteidigt er ihn ja, man weiß es nicht. Ansonsten ist das ein kurzer Abriss meiner Eindrücke der letzten Zeit. Belehren Sie mich eines Besseren, wenn Sie können.
Der Widerspruch beim "Menschenfeind" ist nun, dass der "Starschauspieler" auf der Bühne traditionell den idealen Menschen bzw. ideale Werte verkörpern und sich mit diesen identifizieren soll. Letztlich ist er aber eben - auch in der aussertheatralen Realität - nicht besser als die sich narzisstisch entäussernde Figur des seine eigenen Triebe verleugnenden Alceste. Und genau das zeigt sich bei Ivo van Hove.
Wenn ich schrieb, Eidinger sei zu jung für den Alceste, so meinte ich nicht, daß Eidinger jung ist, sondern daß er - wenn ich mir das Photo hier auf der Seite anschaue - einen jungen Mann spielt, der nach Vorlage eigentlich deutlich älter sein sollte.
Natürlich können Schauspieler auch Rollen spielen, die nicht ihrem eigenen Lebensalter entsprechen, vor allem im Theater, wo keine Nahaufnahmen drohen. Es gibt ja den alten Spruch, daß die Rolle der Julia in Shakespeares "Romeo und Julia" idealerweise von einer 16jährigen gespielt werden sollte, die mindestens 30 Jahre Bühnenerfahrung hat. Es wird halt dann doch eine 30- bis 40jährige sein, die es versteht, eine Jugendliche glaubhaft über die Rampe zu bringen.
Im tschechoslowakischen Fernsehfilm (für Kinder) "Der fliegende Ferdinand" wird das auf die Spitze getrieben. Durch eine Zauberblume tauschen Ferdinand Trenkel und sein Vater die Körper. Der dicke, erwachsene Vladimír Menšík muß sich also einige Szenen lang wie ein Zehnjähriger verhalten, während der kleine Lukáš Bech sich bewegen und sprechen muß wie ein erwachsener Mann. Ganz wunderbar!
Worüber ich gemeckert hatte, das war der Umstand, daß eine Figur, die im Stück als ältlicher Mann angelegt ist in der Inszenierung zu einem jungen Mann wird. Die ganze Psychodynamik nicht nur dieser Figur, sondern aller Figuren verändert sich damit.
"Sie haben es mal wieder kurz prägnant in einem Satz festgehalten, oder Bruno Ganz hat das für Sie getan. Was hat er denn gesagt? 'Keiner von diesen Bundesliga-Erste-Sahne-Regisseuren im deutschen Theater lässt Identifikation zu. Die scheuen das wie der Teufel das Weihwasser. Die Jungs machen ihr Theater, und das gefällt mir nicht. Schluss. Aus.'"
Ich kann die Frustration, ja Wut von Bruno Ganz nachfühlen. Der Mann fühlt sich schlicht verarscht.
"Mal abgesehen davon, dass er nur von Jungs spricht, hat er nicht ganz unrecht"
Das mit den Jungs ist so ein Phänomen. Ich habe mir kurzem so meine Gedanken dazu gemacht:
http://derfranzehatgsagt.blogspot.com/2010/03/mannerdomane-regietheater.html
"Ganz meint übrigens die Identifikation des Regisseurs mit dem Werk und die des Schauspielers mit der Rolle, nicht die des Zuschauers."
So hatte ich das verstanden, ja. Der Rest des Absatzes könnte auch von mir sein, volle Zustimmung.
"Man scheut sozusagen die Identifizierung mit der Gegenwart durch eine Nichtverarbeitung der Vergangenheit in Form der Werke, die es aufzuführen gilt."
Beim ersten Lesen scheint dieser Satz ein wenig arg dunkel, nach der zweiten Lektüre dagegen kann ich nur Beifall klatschen. Die Aktualisierung alter Stücke auf Deibel komm raus aktualisiert diese Stücke nicht, es macht sie vage und stellt die erzählte Geschichte in ein Niemandsland.
"In Ovids 'Metamorphosen' hat Narziss das Problem, dass er sich in etwas verliebt, das dann eben kein anderer ist, sondern das eigene Selbst. Das heißt, wir brauchen Hilfsmittel, damit wir uns selbts lieben können. Wir brauchen einen anderen. Wenn ich jemanden begehre, ist das mein Problem: Ich habe den anderen ja nicht, der will ja gar nicht zu mir, während Narziss sich sein eigenes Herz herausreißen muss." Alceste mag sich in der Theorie als idealen Menschen betrachten. In der Praxis führt das zum Umkehrschub, zum totalen Exzess.
Daniel Kehlmann ist übrigens ein gutes Beispiel, kommt er doch in meiner Sicht diesem jungen Alceste sehr nahe, wenn er Lars von Triers "Antichrist" zitiert:
"Was, wenn die Hexenverbrennungen berechtigt waren? Wenn es den Teufel gibt und wenn böse Frauen existieren, die mit ihm im Bunde sind?" Huch. Hat er da nicht vielleicht nur seine eigenen verdrängten "bösen" Triebe auf "die Frau" projiziert?
"Sie werden nicht denken, wir Schauspieler waren gerade noch zuhause mit dem Lügen beschäftigt und jetzt gehen wir auf die Bühne, also an diesen Ort hier und machen damit weiter. Nein, Sie wissen, wir haben zuhause unserer Geliebten noch einen wahren Kuss auf die Stirn gedrückt und Sie wissen, jetzt hier vor Ihnen machen wir das alles nicht mehr. Wir machen etwas völlig anderes. [...] Sie können sich in der Realität nicht dafür entscheiden, dass Sie die Lüge glauben werden. Wir glauben in der Realität immer a u t o m a t i s c h, uns bleibt gar nichts anderes übrig."
("Drei Western")
Kehlmann übt sich da im gefährlichen Denken, einem unveräußerlichen Autorenrecht nach Sloterdijk, er projiziert da gar nichts und suggeriert auch nichts, er versucht höchstens den Denkansatz von Lars von Trier zu verstehen. Außerdem ist der Satz aus dem Zusammenhang gerissen. Diese Frage bezieht er ja nicht auf sich selbst, sondern sie ist Teil seiner Abhandlung über den Film "Antichrist" von Lars van Trier, den er gegen Angriffe als Kunstwerk verteidigen will. Das ist sein gutes Recht, er begründet es ja auch. Man muss natürlich nicht seiner Meinung sein. Beim gefährlichen Denken kommen wir auch zu Ihrem zweiten Zitat von René Pollesch. Er spielt mit unseren festgesteckten Vorstellungen vom Theater. Wenn ich zum Beispiel mit einer bestimmten Vorstellung ins Theater gehe, werde ich mit Sicherheit enttäuscht, wenn ich eine Wahrheit erwarte, aber nur eine Repräsentation geboten wird, eine Lüge. Das meine ich mit meiner Aussage und Pollesch stellt das auch so im Spex-Interview dar. Im Theater werden Probleme immer nur moralisch behandelt, dabei ist das Theater selbst in jedem Moment Lüge, sagt er. Und jetzt kommt, was Sie auch gesagt haben, wir wissen das wir angelogen werden und haben kein moralisches Problem damit und jetzt kommen wir zum Menschenfeind zurück, da wir kein Problem damit haben angelogen zu werden, lachen wir über Lars Eidinger. Das ist Repräsentationstheater, Erwartungshaltung erfüllt und trotzdem betrogen so zu sagen. "Bei uns geht es nicht um moralische Konfliktlösung und auch nicht um psychologische Interpretationen von Figuren, sondern um die Alltagsfähigkeit von Theorie", sagt Pollesch. Welche Theorie testet Ivo van Hove auf ihre Tauglichkeit im Menschenfeind oder moralisiert er nicht auch ein bisschen? Um ja nicht moralisch zu wirken, wird alles verulkt und unverbindlich dargestellt.
@ Wolfram Heinrich
"Die Aktualisierung alter Stücke auf Deibel komm raus aktualisiert diese Stücke nicht, es macht sie vage und stellt die erzählte Geschichte in ein Niemandsland."
So in etwa ja, aber ich wehre mich nicht gegen Neuinterpretation. Der Menschenfeind von Ivo van Hove steht ja sehr konkret im hier und jetzt, aber ohne Verbindung zur Vergangenheit außer durch die Sprache. Es wird keine Frage mehr nach dem Warum gestellt, sondern nur nach dem Wie mache ich das jetzt, es wird so nur einfach Gegenwart behauptet. Die Haltung zum eigentlichem Problem fehlt. Gibt es überhaupt noch einen Konflikt, muss ich den jetzt inszenieren und wie könnte das aussehen? Fragen über Fragen und so läuft es dann wieder nur auf die „Moral von der Geschicht“ hinaus oder endet im vollständigen Chaos. Siehe Pollesch, Thema Alltagsfähigkeit und Repräsentationsproblem.
"Warum denn nicht Alceste als einen jungen Mann darstellen?"
Ich trau mich ja kaum, es Ihnen zu sagen - weil Molière den Alceste als älteren Mann angelegt hat. Nun kann man ja durchaus der Meinung sein, daß Molière den Stoff verschenkt hat, als er einen ältlichen Mann sich an eine junge Frau anwanzen ließ. In diesem Falle könnte man dann - Plagiatsklagen von Seiten Herrn Poquelins sind nicht zu befürchten - den Stoff neu gestalten, sprich: ein anderes Theaterstück schreiben und Herrn Poquelin mal zeigen, was eine Harke ist. Aktualisieren könnte man die Geschichte bei der Gelegenheit gleich mit. Ivo van Hove könnte dann sein eigenes Stück "Der miese Anthrop oder Das Würstchen" auf die Bühne bringen und alle wären zufrieden. Molière könnte aufhören zu rotieren und es sich wieder im Grab gemütlich machen und die deutsche Dramatik wäre um ein neues Stück reicher.
Nur der Kassenwart des Theaters wäre sauer, weil sich natürlich niemand ein Stück von Ivo van Hove anschauen will, während Molière immer noch gut geht.
"Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass es auch genug junge Männer gibt, welche andere Menschen nur nach dem Muster von Narziss lieben können."
Was ich mir erst alles sehr gut vorstellen kann. Ich könnte mir etwa vorstellen, daß jemand gerne mal eine Irrenanstalt von innen sehen möchte, von seinem Neffen aber in eine Pension geführt wird. "Pension Schöller" ist auch ein lustiges Stück und wenn dem Regisseur Molière sowieso wurscht (sic!) ist, kann er unter dem Titel "Der Menschenfeind" auch diese Klamotte aufführen. Dies konsequent weitergedacht hätte überdies den Vorteil, daß ein Theaterbesuch zu einer Art Wundertüte wird. Ich kaufe mir eine Karte, lehne mich bequem im Sessel zurück und lasse mich überraschen, was für ein Stück man denn heute unter dem Titel "Der Menschenfeind" aufführen wird.
Praktiziert wird das Wundertütentheater schon lange, man sollte es endlich institutionalisieren.
Ich schreibe nie über das Münchener Theater, da ich mich über die dortigen Verhältnisse nicht auskenne. Sie aber entwickeln eine lebhafte Aktivität bei der Schaubühne, obwohl Sie wahrscheinlich da noch nie einen Fuß reingesetzt haben. Ich möchte Sie nicht belehren – aber schreiben Sie doch besser über das, worin Sie sich auskennen, und das sind nun einmal die bajuwarischen Entwicklungen. Zu diesen Behuf möchte ich Sie auch bitten, Ihr Idiom, Ihren dialektalen Einschlag etwas zurückzuhalten, denn "Wurschtl" oder "Wurschterl" klingt einfach nur schrecklich. Aber machen Sie doch, was Sie wollen!
(Werter Flohbär, es stimmt, dieser Kommentar ist nicht in toto zu beanstanden. Die Redaktion)
In diesem Sinne geht es Pollesch meines Erachtens auch überhaupt nicht um das moralische Problem der Lüge, sondern um das strukturelle Paradox. Das heisst, im Theaterkontext wollen wir die dargestellten Lügen als repräsentative Wahrheit glauben. Wenn wir nun aber noch einen Dreh weiterdenken, dann kann das Theater ebenso als Einübung in einen Wahrnehmungsprozess fungieren, durch welchen auch die (historische) Realität als konstruierte bzw. hergestellte Lüge/Repräsentation entlarvt werden kann. Nichts ist automatisch Wahrheit.
Die Alltagsfähigkeit von Theorie wäre hier, im Fall des "Menschenfeinds" von Ivo van Hove, für mich ganz klar die Anwendung von Richard Sennetts "Verfall und Ende des öffentlichen Lebens. Die Tyrannei der Intimität".
@ Flohbär: Was stört sie eigentlich so sehr an Lars Eidingers Nacktheit? Das ist doch nicht allein Selbstzweck, sondern es steht im Kontext des Themas der Scham:
"Vielleicht zeichnet es Schauspieler sogar aus, daß sie sich ihre Scham nicht abtrainiert haben und schlichtweg schamlos sind (was diesem Berufsstand seit Jahrhunderten gerne vorgeworfen wird), sondern daß sie sich der eigenen Scham aussetzen und mit ihr arbeiten - im Sinne eines Auslotens, Überschreitens und Zurückziehens. Wahrscheinlich werden sich Schauspieler, wie alle anderen Menschen auch, nicht gerne schämen, sondern lieber überlegen und kontrolliert auftreten [siehe die Figur Alceste]. Doch was im Alltag immer wieder scheitert, kann auf der Bühne zum waghalsigen Experiment werden. [...] Packend kann es [...] werden, wenn der Eindruck entsteht, hier setzt sich jemand im wahrsten Sinne des Wortes aufs Spiel, kommt aus der Reserve und riskiert sich vor anderen." (Jens Roselt, "Die Würde des Menschen ist antastbar")
Danke für den Kommentar...
Ich bin auch schon auf das überhebliche Gelaber von IS hereingefallen.
@Schaubühne
...ohne Worte!
Ich habe nichts gegen Eidingers Nacktheit, das ist ein Missverständnis. Vielleicht habe ich mich auch missverständlich ausgedrückt.
Spontan fallen mir dazu die Stücke "Würgeengel", "Lulu", "Sommernachtstraum" und "Gesäubert" ein, wahrscheinlich sind es noch mehr. Von mir aus kann sich Eidinger so viel ausziehen, wie er möchte, das stört mich nicht. Wesentlich hinreißender fand ich allerdings Jule Böwes Nacktheit in "Gesäubert". Ich gehe jedoch nicht ins Theater, um mir nackte Körper anzusehen – das ist letztlich Nebensache.
@ Bovary
Nein, IS ist keine Dramaturgin in der Schaubühne. Das war nur eine Vermutung von der Aussichtssimone.
"Ist Kehlmanns Kommentar zum Weiblichen tatsächlich gefährliches oder doch nur geschlechterstereotyp polarisierendes Denken?" Ist das überhaupt ein allgemeiner Kommentar zum Weiblichen oder nicht eher eine Überlegung im geschichtlichen Kontext zur Hexenverbrennung, die er dann hinterfragt, ich würde letzteres für wahrscheinlicher halten. Mit einem aus dem Zusammenhang gezerrten Zitat können Sie das auch nicht vollständig beweisen. Man hat Lars von Trier Frauenfeindlichkeit in Bezug zu seinem Film "Antichrist" vorgeworfen und Kehlmann untersucht das in seinem Artikel. Aber es geht hier nicht um Kehlmann, sondern um Wahrheit oder Heuchelei im Kontext der Inszenierung der Menschenfeind von Ivo van Hove. Aber wie beim "gefährlichen" Denken Kehlmanns muss man eben erst mal Stereotypen oder nicht allgemein anerkannte Thesen aufstellen und vermeintlich falsche Aussagen machen, deren Gültigkeit in der Diskussion oder im eigenen Nachdenken untersucht werden, um sie als falsch zu entlarven und sich ggf. wieder von ihnen distanzieren zu können. Meist führt der Diskurs aber zu neuen Widersprüchen, so geht meiner Meinung nach Rene Pollesch vor, wenn er Theater macht. Das ist eben kein abgeschlossener Vorgang. Jetzt könnte man Ivo van Hove auch dieses Konzept unterstellen, aber er geht von fertigen Charakteren aus und präsentiert diese nur in einem moderneren Kontext, der Sinn bleibt dunkel. Reine Repräsentation, Bloßstellung, was untersucht er wirklich? Er geht meiner Meinung nach stereotyp vor und bedient eine vorherrschende Erwartungshaltung. Der Mensch als Zerrissener in einer flüchtigen, unverbindlichen Welt, in er man sich nicht festlegen will und kann. Es bleibt zum Schluss unentschieden, wie sich die Protagonisten entscheiden. Warum das so ist, kann van Hove nicht schlüssig darstellen, er behauptet es nur, wägt aber die Möglichkeiten nicht ab. Das wäre m. E. die erforderliche Weiterentwicklung des Stückes in der heutigen Zeit.
"Werter Heinrich, ich bin sichtlich verblüfft, dass Sie sich über Eidinger erst bei Wikipedia kundig machen mussten."
Ja mei, bevor ich einen Schmarrn schreib, schau ich halt erst mal nach. "Der Franze hat gsagt, wer nicht frägt, bleibt dumm. Wer frägt, sagt er, zwar auch, aber doch nicht so."
"Sie schreiben munter und leichtfüßig über Berliner und Hamburger Stücke, die Sie an den jeweiligen Theatern nie gesehen habe, da Sie offensichtlich nicht aus Ihrer bayrischen Provinz herauskommen."
Es ist noch kein Jahr her, seit ich nach zehnjährigem Aufenthalt in Süditalien wieder nach Bayern zurückgekommen bin. Sie werden es mir vielleicht nachsehen, daß ich jetzt erst mal hier hocken bleibe, so weit es geht. Es geht nicht immer, in den letzten Monaten war ich aus beruflichen Gründen etliche Male in Berlin, zuletzt vor einer Woche. Ins Theater bin ich dort allerdings nicht gegangen, was ich hier so gelesen habe, hat mir schlicht nicht ausreichend Appetit gemacht, um dafür 22 bis 42 EUR (das sind die Eintrittspreise in der "Schaubühne" für den "Menschenfeind") auszugeben.
Sie scheinen etliche meiner Diskussionsbeiträge hier gelesen zu haben. Wenn Sie sich diese noch einmal ins Gedächtnis zurückrufen (gegebenenfalls auch nochmals lesen), so werden Sie feststellen, daß ich niemals eine Aufführung kritisiert habe (kritisiert im weiteren Sinne des Wortes). Ich habe lediglich Informationen, die ich aus der Aufführungskritik der Redaktion oder aus Beiträgen anderer habe, bewertet und kommentiert.
"Eidinger habe ich schon etliche Male an der Schaubühne gesehen, darüber hinaus tauchte er wegen seiner neuerlichen Film-Offensive auch schon einige Male im Fernsehen auf. Das scheint Ihrer Aufmerksamkeit entgangen zu sein,..."
Ich muß gestehen, daß ich zwar einen Fernseher habe, aber keine Antenne dazu.
"...ebenso die Tatsache, dass sich Eidinger auf der Bühne gern entblößt und (...) dem Publikum präsentiert, als sei das der normalste Vorgang in der Welt. Offenkundig ist diese Tatsache bislang nicht zu Ihrer Kenntnis gelangt, sonst hätten Sie nicht so verwundert über Eidingers anale Spielereien im „Menschenfeind“ reagiert."
Ich habe - wiederum: pardon - tatsächlich nicht den umfassenden Überblick über die deutsche Stripper-Szene. Und auf die analen Spielereien habe ich nicht verwundert reagiert, sondern amüsiert, spöttelnd. Über was denn soll ich spotten, wenn nicht über ein Würschtl im Arsch?
"Ich schreibe nie über das Münchener Theater, da ich mich über die dortigen Verhältnisse nicht auskenne. Sie aber entwickeln eine lebhafte Aktivität bei der Schaubühne, obwohl Sie wahrscheinlich da noch nie einen Fuß reingesetzt haben. Ich möchte Sie nicht belehren – aber schreiben Sie doch besser über das, worin Sie sich auskennen, und das sind nun einmal die bajuwarischen Entwicklungen."
Wenn ich Ihr Posting zusammenfassend betrachte, dann komme ich zu dem Schluß, daß Sie mir eigentlich ein großes Kompliment damit machen. Nicht, mit dem, was Sie schreiben, sondern mit dem, was Sie nicht schreiben. Ich habe in diesem und anderen Diskussionsfäden inzwischen etliche - und oft recht ausführliche - Anmerkungen zu meiner Sicht aufs Theater gemacht. Ich habe mich dabei ziemlich weit aus dem Fenster gelehnt und damit angreifbar gemacht (nicht aus Versehen, sondern bewußt). Sie aber greifen mich nun nicht inhaltlich an, Sie lassen die Gelegenheit, mir auch nur eine einzige meiner pointierten Aussagen um die Ohren zu hauen, ungenutzt, sondern hängen sich lieber an meinem Wohnort auf. Sind meine Aussagen wirklich so unangreifbar?
Sie machen mich verlegen.
"Zu diesen Behuf möchte ich Sie auch bitten, Ihr Idiom, Ihren dialektalen Einschlag etwas zurückzuhalten, denn "Wurschtl" oder "Wurschterl" klingt einfach nur schrecklich."
Für mich ist die Kommunikation in einem Internet-Forum weniger ein Austausch von kurzen Essays, sondern eher ein mündliches Gespräch, das aus technischen Gründen schriftlich erfolgen muß. Deshalb schreibe ich hier öfter so, wie ich sprechen würde, inkl. der Wortverkürzungen, der üblichen grammatikalischen Fehler beim Sprechen und ja, auch der Regionalismen.
Fast wundert es mich ja, daß Sie nicht auch noch meine manchmal derbe Wortwahl bei der Beschreibung derber Sachverhalte monieren.
"@ Stefan: Meine Antwort an Sie wurde von nachtkritik.de leider nicht veröffentlicht. Wer weiss schon, warum."
Hm, mein letztes Posting ist auch schon etwas überfällig. Falls Ihr Verdacht stimmt: Könnte die Redaktion dann nicht wenigstens eine Notiz bringen, daß ein Posting nicht gebracht wird oder gekürzt worden ist, idealerweise vielleicht sogar mit einer kurzen Begründung?
(Nun, die Redaktion hielt die verschiedentlich geposteten Ausführungen zu privaten und weniger privaten Vorkommensweisen der Nacktheit (samt Links zu Bildbeispielen unübersichtlicher Natur) nicht für alle Leser in gleichem Maße relevant. Auch schienen uns der Worte in dieser Frage genug gewechselt. Freundliche Grüsse, die Redaktion)
"(Nun, die Redaktion hielt die verschiedentlich geposteten Ausführungen zu privaten und weniger privaten Vorkommensweisen der Nacktheit (samt Links zu Bildbeispielen unübersichtlicher Natur) nicht für alle Leser in gleichem Maße relevant."
Gut, das mag so sein, allerdings scheint es mir ein Gebot der Höflichkeit zu sein, wenigstens einen Hinweis auf den kassierten Beitrag zu bringen, idealerweise mit Begründung. Als hier Schreibender will man sich ja irgendwie einpegeln auf das, was in diesem Forum möglich ist und was nicht.
"Links zu 'Bildbeispielen unübersichtlicher Natur' würde ich persönlich hier allerdings auch nicht reinstellen."
"Bildbeispiele unübersichtlicher Natur" hört sich sehr geheimnisvoll an, alles halb so wild. Wenn Sie neugierig sind - bitte: (...)
Ich bin zuversichtlich, daß keiner der Leser blind wird beim Anblick der Bilder. Beide Bildbeispiele stammen aus der "Welt", die im Hinblick auf optische Sensationen doch wesentlich betulicher ist als ihr Schwesterblatt BILD.
(Der Link wurde entfernt, die Red.)
"(Der Link wurde entfernt, die Red.)"
Jetzt bin ich aber wirklich platt. Sie streichen mir einen Link heraus, der auf meine Website führt. Ich hatte meinen kleinen Beitrag, der hier nicht veröffentlich werden durfte, weil er "nicht für alle Leser in gleichem Maße relevant" sei extra dorthin gestellt, damit ihn nur die paar Leute zur Kenntnis nehmen brauchen, die ihn vielleicht doch für relevant oder doch wenigstens amüsant halten. Auf der Seite ist ein Bild zu sehen, das ich in der Online-Ausgabe der "Welt" (!) gefunden habe, es handelt sich um "Der Ursprung der Welt" von Gustave Courbet, entstanden 1866. Das Original hängt übrigens im Pariser Musée d'Orsay, "arte" hat dem Bild vor 14 Jahren eine knapp halbstündige Dokumentation gewidmet.
Da sind Sie nicht allein, Herr Heinrich !
"Die" Redaktion, wer weiß, vielleicht doch nur wieder die eine Redakteurin ?, ist da
recht humorlos, und das ist noch sehr freundlich umschrieben, und das Kriterium
"... nicht für alle Leser in gleichem Maße relevant" , zumal an einer so harmlosen
Stelle "entzündet", ist nun für das Betreiben nicht nur von Internetseiten kaum
geeigneter als das viel zitierte Würschtel fürn Arsch.
Zudem war, ich nenne das mal so, die " Konfusion " über die spezielle "Nacktheit" gerade in dieser Inszenierung meineserachtens nicht zu unterschätzen. tatsächlich beteiligten sich ja auch häufige LeserInnen und SchreiberInnen daran, die als häufige LeserInnen und SchreiberInnen qua "Kriterium" (auf giftige Art zwar) sich
begütigt sehen mögen: Was bislang so als Post durchging, steht jetzt in begründetem Verdacht, für alle Leser in gleichem Maße relevant zu sein.
Wenn das keine Blumen zum Vereinigungstag sind !!
Gewiß, nicht alles, was gepostet wird, ist ein Kommentar; es ist noch nicht einmal alles ein offizieller Kommentar, was in der Kommentarspalte auftaucht: nachtkritik de. gibt sich am Nacktheitsthema eine ungeahnte Blöße, hoffe, daß das dieser Seite nicht schadet, wäre schade darum ...: aber die Entwicklung, daß ein "Wir", "Die Redaktion" das "XY, im Namen der Redaktion" oder Ähnliches ersetzt hat, scheint mir keine gute Entwicklung zu sein: und das anläßlich solcher Possen !!!
Wie überfordert muß nachtkritik de. sein, wenn dann wirklich heiklere Themen zur Sprache kommen ??
"Die Techniker werden euch sagen, das sei falsch. Aber man darf nicht vergessen, dass das 19. Jahrhundert, das eine Menge an Technik erfand, auch die Dummheit erfunden hat. Und dass Madame Bovary, ehe aus ihr ein Pornovideo wurde, mit dem Telegraphen groß geworden ist. - Eine Kunst ohne Zukunft, hatten sogleich die beiden Brüder [Lumière] freundlich gewarnt."
Zudem hat Godard in seinen Filmen auf eindringliche Art und Weise die Geschichtlichkeit der Gesichtlichkeit (nach Roland Barthes) porträtiert. Untenrum sind doch eh alle gleich. Es kommt aufs Köpfchen drauf an. Weiterdenken. Nicht nur Bilder konsumieren.
"'Die' Redaktion, wer weiß, vielleicht doch nur wieder die eine Redakteurin ?, ist da recht humorlos, und das ist noch sehr freundlich umschrieben, und das Kriterium '... nicht für alle Leser in gleichem Maße relevant' , zumal an einer so harmlosen Stelle 'entzündet', ist nun für das Betreiben nicht nur von Internetseiten kaum geeigneter als das viel zitierte Würschtel fürn Arsch."
Das Merkwürdige ist ja, daß ich (nicht nur im Internet) die Erfahrung mache, daß Diskussionen mit nur einem oder ganz wenigen Partnern fast immer nach einer gewissen Zeit vom Thema abkommen. Der zweite Teil dieser Erfahrung ist allerdings, daß diese Abschweifungen, so man sie läßt, im Regelfall doch wieder zum Ausgangsthema zurückkehren.
Und auch wenn sie es nicht tun: Wenn die Abschweifung interessant ist, dann ist das eine feine Sache, wenn nicht, mei, dann ist der Schaden auch nicht groß. Anders als in einer Zeitung ist im Internet schließlich Platz genug da.
Gut, da ist die Arbeitszeit für den Administrator, der sich den ganzen Sums durchlesen und ihn bewerten muß, ehe er veröffentlicht wird. Ich würde hier sowieso empfehlen, daß sich Kommentarschreiber in der "nachtkritik" registrieren müssen, wie das bei den meisten Foren üblich ist. Dummschwätzer und Pöbler wären dann leicht dingfest zu machen, sie werden abgemahnt und im Wiederholungsfall wird der Account gesperrt. Das hätte überdies den Vorteil, daß Kommentarschreiber dann nicht mehr in die Rubrik "Autor" den von ihnen gewünschten Titel des Beitrags hineinschreiben können.
"nachtkritik de. gibt sich am Nacktheitsthema eine ungeahnte Blöße, hoffe, daß das dieser Seite nicht schadet, wäre schade darum ..."
Nach meinen bisherigen Erfahrungen sind die Leser und Schreiber in "nachtkritik" Leute vom Fach oder doch regelmäßige Theatergänger (außer mir, natürlich). Wer regelmäßig ins Theater geht, der sollte doch eigentlich in puncto Nacktheit ziemlich abgebrüht sein.
"Kennen Sie eigentlich Jean-Luc Godards Ausführungen zum Kino?"
Hu, der hat aber doch ziemlich viel zum Thema abgelassen. Ich habe mal vor vielen, vielen Jahren was gelesen...
"Haben Sie mal dessen Film 'Histoire(s) du cinéma' angeschaut?"
Nein. Als Student habe ich mir in den frühen siebziger Jahren Filme von Godard angeschaut. Der erste Film hat mich enttäuscht und ich habe mir dann noch ziemliche viele andere angeschaut, weil ich herausfinden wollte, ob es nur an mir liegt, daß er mich grenzenlos langweilte (und, wenn ja, warum das so ist). Ich bin seinerzeit nicht dahinter gekommen.
"Die Techniker werden euch sagen, das sei falsch."
Was, bitte, ist falsch?
"Aber man darf nicht vergessen, dass das 19. Jahrhundert, das eine Menge an Technik erfand, auch die Dummheit erfunden hat."
Ob das Patent auf Dummheit nicht schon ein bisserl älter ist?
"Untenrum sind doch eh alle gleich. Es kommt aufs Köpfchen drauf an. Weiterdenken."
Ich vermute mal, daß Nuditäten nicht deshalb so beliebt sind, weil man hofft, irgendwann mal ein überraschend neues Unterteil zu entdecken.
Sie wissen sehr gut, daß es nicht nur "nachtkritik de." gibt, sondern
beispielsweise "kultiversum de." (ich habe da gestern auch mal hingeklickt und bin da dann auch auf das Neumitglied "Wolfram Heinrich" und sogar siebensekündigen O-Ton von Ihnen gestoßen, was ich hinzufüge, weil ua. auch die Rede von Ihrem Dialekt ging, der mich nicht stört, zumal er durch Sie durchaus kontrolliert wird), warum diese beiden Foren zwanghaft ähnlicher machen ??
Nicht jeder will sich in seinen eigenen vier Wänden ständig neu
spamaktualisieren etcpp., nicht jeder will seinem Chef oder Ensemblekollegen auch im Forum begegnen müssen unter "Name,Adresse,
Blutgruppe", nicht immer sind die Verhältnisse so, daß es nicht zum insgeheimen Schaden eines Posters sich auswachsen könnte, wenn er zB. seinem Vorgesetzten in der Internetöffentlichkeit den Marsch bläst..., es gibt zwar möglicherweise nicht so viele Gründe für die nachtkritik de.-Anonymität bzw. Offenheit wie für "Finzis neue Versicherung" -im übrigen ließe ich dann versicherungstechnisch doch eher graue Herren an die Sache ran als das "Fallbeil" aus dem Bilderteil Ihres unterhaltsamen Blogs- , aber zahlreiche gute; mittlerweile läuft die Seite ja auch schon ein paar Jahre
und in der Regel immernoch überwiegend nicht im Pitbull- oder Aasgeiermodus, wenngleich das teilweise immer wieder kolportiert wird, von Leuten, die locker ohne Verlustängste bei kultiversum de. bleiben könnten, wenn man dem weiter nachspürt, was sie selbst (!!!)von sich geben ... .
Sie haben eine sympathische Sicht zu Abschweifungen und eine Erfahrung damit, wozu ich sagen muß, daß es mir damit größtenteils ähnlich geht. Wenn es zuviel Stoff wird für den Admin, so werden die wenigsten kein Verständnis dafür aufbringen, wenn es heißt "Bitte, macht jetzt nen Punkt ...", zumal in der Tat dann eigenartigerweise wenig vom Angebot des Gegenüber Gebrauch gemacht wird, auf seinem Blog weiterzudiskutieren..., da braucht es wahrlich keiner Verrenkung hin zu etwaigen durchschnittlichen Leserinnen oder Lesern, einem Volontegeneralverschnitt (würde das Kriterium durchgehalten, das die Redaktion vorgeschoben hat, würde nachtkritik de. im Grunde garnicht erfunden sein, läuft aber irgendwie trotzdem ...), ist ja in der Vergangenheit schon oft genug schiedlich-friedlich genau so gelaufen übrigens. Nun ist es schon ein wenig kurios gewesen, so empfindlich seitens der Redaktion zu reagieren, zu einer Zeit, da wahrlich nicht gerade viel gepostet wurde.
Klar, wenn "man" auf unterhaltsame Jahresrückblicke auf zB. längste Threads Wert legt, dann beginnt kurz vor Jahresschluß vielleicht ein wenig die Flatter, daß ein völlig nichtssagender und
hohler Thread das "Rennen" macht; vielleicht sollte die Redaktion dann eher überdenken, ob man nicht selbst gut und gerne auf dieses Stück "Rankingmentalität" verzichten mag, kann.
Nicht jeder Poster , lieber Herr Heinrich, hat in praxi eine feste
Adresse !
Warum also da großartig etwas ändern ?!.
"Sie wissen sehr gut, daß es nicht nur "nachtkritik de." gibt, sondern beispielsweise "kultiversum de." (ich habe da gestern auch mal hingeklickt und bin da dann auch auf das Neumitglied "Wolfram Heinrich" und sogar siebensekündigen O-Ton von Ihnen gestoßen"
Ja, is jetz des wahr, ha?
"Nicht jeder will sich in seinen eigenen vier Wänden ständig neu spamaktualisieren etcpp., nicht jeder will seinem Chef oder Ensemblekollegen auch im Forum begegnen müssen unter "Name,Adresse,
Blutgruppe", nicht immer sind die Verhältnisse so, daß es nicht zum insgeheimen Schaden eines Posters sich auswachsen könnte, wenn er zB. seinem Vorgesetzten in der Internetöffentlichkeit den Marsch bläst..."
Sie könnten ja weiterhin unter "Prax" und wenn Sie der Nachtkritik-Redaktion nicht trauen, können Sie bei der Anmeldung auch einen falschen Namen angeben, auch eine E-Mail-Adresse, aus der sich der Klarname nicht erschließen läßt, ist möglich, daran sollte es nicht scheitern. Und wenn bekanntere Leute aus der Theater-Szene unter ihrem richtigen Namen hier schreiben, bräuchte die Redaktion nicht jedes mal anrufen, um sich zu vergewissern.
Aber nehmen Sie meinen Vorschlag ruhig als das, als was er gedacht war - eine Anregung, mehr nicht.
Viele Grüße
Wolfram Heinrich
Über den Film werden Illusionen konstruiert, welche suggerieren sollen, dass wir uns als Zuschauer darin wiedererkennen bzw. das, was wir begehren sollen, darin repräsentiert sehen. Und das ist natürlich eine glatte Lüge:
"Jeden Morgen, mein Brot zu verdienen / Gehe ich auf den Markt, wo Lügen gekauft werden. / Hoffnungsvoll / Reihe ich mich ein zwischen die Verkäufer." (Bertolt Brecht, "Hollywood")
Oder: "Kunst sagen, aber Ware meinen und von Liebe reden, obwohl man lediglich ein ökonomisches oder sexuelles Interesse verfolgt, sind die Seiten ein- und derselben Münze, die sich bis heute ihre Kaufkraft bewahrt hat." (Ulrich Pelzer zu Godards "Die Verachtung")
Wo das Kunstwerk zur vermeintlich ganzheitlich abgeschlossenen Ware wird, gibt es keine Träume mehr. Wo es keine Träume mehr gibt, wo es an utopischer Vorstellungskraft mangelt, da wird auch eine politische Gemeinschaft in ihren ästhetisch entworfenen Veränderungsmöglichkeiten stagnieren.
Der technische Fortschritt verändert die Wahrnehmung von Welt und Selbst. Das allein ist kein Grund zum Pessimismus. Denn es kommt drauf an, die Bilder als hergestellte Bilder wahrzunehmen. Über die Offenlegung des Film-Schnitts durchs Auge (was meines Erachtens bei Mitchell passiert), über die Offenlegung des Kamerabilds als aus vielen Teilen und nach einem neuen Gesetz zusammengefügtes/montiertes, kann das Denken dazwischen kommen. Es geht um das "mit den Händen denken" (Godard). Es kommt drauf an, zu fühlen, was wir auf den zum Konsum bereitgestellten Bildern sehen.
"Ja, is jetz des wahr, ha ?"
Ja, so sagten Sie da, glaube ich.
Ansonsten, um es kurz zu machen, ist "Menschenfeindgebiet" hier, danke ich für die
Anregung (ich kenne mich, da ich halt gar keine feste E-Anschrift habe, nicht sonderlich doll aus, und vor einem Jahr habe ich sogar noch gedacht, ich würde schon fast ganz und gar aus Trotz niemals eine "Datenautobahn" betreten, und dann kamen halt nachtkritik de. und "Blogger" wie Sie, "Testknacker für Datenautobahn
quasi", und es hat sich ein wenig geändert ...), auf die ich zurückkommen mag, sobald ich mir das mit der "Heimadresse" und ggfls. meinem "Stadienblog" überlegt
habe ! lg nach Bayern, Ihr "Prax"
"Godard kritisierte den Tatbestand, dass das Kino nicht mehr die imaginative Kraft des Zuschauers anregen, sondern im Zuge seiner zunehmenden Kommerzialisierung nur stumpf nachgefragte Reiz-Reaktionsmuster bedienen würde."
Es ist ihm also aufgefallen, daß Geld die Welt regiert.
"Über den Film werden Illusionen konstruiert, welche suggerieren sollen, dass wir uns als Zuschauer darin wiedererkennen bzw. das, was wir begehren sollen, darin repräsentiert sehen. Und das ist natürlich eine glatte Lüge:"
Die Welt ist schlecht und mit ihr der Mensch in ihr.
Jetzt aber mal im Ernst: Die hier zitierten oder referierten Sätze von Godard sind von der Art, die ich nach wenigen Minuten schon wieder vergessen habe, wie oft ich sie auch lese. Ich könnte von keinem Satz sagen, daß er Unfug wäre oder die Dinge verdrehe, gewiß nicht. Wahrscheinlich gründet sich der mangelnde Widerspruch meinerseits darauf, daß es so gefällig abstrakte Sätze sind, denen die Bodenhaftung fehlt.
Nichts für ungut, ich kann mit dieser Art von Argumentation halt nichts anfangen. Ich würde es dem Godard ja nachsehen, wenn er wenigstens nicht so langweilige Filme gedreht hätte.
Damit Sie sich nicht wundern, daß ich auf Ihr jeweils letztes, direkt an mich gerichtetes Posting nicht geantwortet habe: Ich *habe* geantwortet, aber meine beiden Beiträge wurden nicht gebracht, warum weiß ich nicht. Auch mein erster Versuch, dies zu erklären, fiel unter den Tisch.
Gehaben Sie sich beide wohl.
Und Lars Eidinger als Alceste? Nein, das funktioniert nicht. Goethe schrieb zum "Menschenfeind":
"Hier stellt sich der reine Mensch dar, welcher bei gewonnener großer Bildung doch natürlich geblieben ist und wie mit sich, so auch mit andern, nur gar zu gern wahr und gründlich sein möchte; wir sehn ihn aber im Konflikt mit der sozialen Welt, in der man ohne Verstellung und Flachheit nicht umhergehen kann."
Diese "gewonnene große Bildung", welche Alceste immer wieder in den Widerspruch zu den eigenen und fremden Triebregungen und Leidenschaften bringt, die kommt über das Spiel von Lars Eidinger einfach nicht rüber. Das nimmt man ihm nicht ab. Oder soll das etwa gerade die Aussage sein? Dass diese Fallhöhe des tragischen Scheiterns an den eigenen Idealen heute gar nicht mehr existiert, weil man auch geistig schon total verflacht und ver-iphoned ist? Da bleib ich kühl, kein Gefühl.
vor der ewigkeit hebt man den kopf
vor dem heutigen menschen
senkt man ihn
Und noch eine kurze Bemerkung zu Judith Rosmairs Célimène. Sie spielt diese Rolle des staksig-hopsigen und etwas grenzdebilen Tabledance-Häschens wirklich sehr gut. Dazu bilden die Art Männer, welche ein solches Girlie-Gepose als verführerisch empfinden, das passende Gegenstück: ebenso selbstverliebte Jungs (Nico Selbach, Franz Hartwig und David Ruland), innen hohl wie "Schokoweihnachtsmänner".
Ich persönlich wurde durch Judith Hofmanns Darstellung der Célimène in Kriegenburgs Menschenfeind-Inszenierung am dt weitaus mehr herausgefordert. Erotische Sinnlichkeit entsteht im und über den Kopf.
Aber ich stimme euch zu, insgesamt war mir das auch alles zu unentschieden und lau.
Mir fiel noch ein Benjamin-Zitat zu dieser Show ein:
"Der Film antwortet auf das Einschrumpfen der Aura mit einem künstlichen Aufbau der 'personality' außerhalb des Ateliers. Der vom Filmkapital geförderte Starkultus konserviert jenen Zauber der Persönlichkeit, der schon längst nur noch im fauligen Zauber ihres Warencharakters besteht."
("Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit")
Und auch Guy Debord passt:
"Der Stand des Stars ist eine Spezialisierung des SCHEINBRAREN ERLEBTEN, ist das Objekt der Identifizierung mit dem seichten, scheinbaren Leben, welches die Zerstückelung der wirklich erlebten Produktionsspezialisierungen aufwiegen soll. Die Stars sind da, um unterschiedliche Typen von Lebensstilen und Gesellschaftsauffassungen darzustellen, denen es GLOBAL zu wirken freisteht."
("Die Gesellschaft des Spektakels")
zur inszenierung ist ja alles schon gesagt, vorhersehbar, oberflächlich, technischer nonsens.
die schaubühne bleibt immer, wenn ich da mal was sehe, im kosmos des neureichen lofts - gähn
naja, also echt wenn man hedda gabler etc gesehen hat, das muss man nicht sehen...alles vorhersehbar, gefällig und danach nur ärgerlich!