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Presseschau vom 12. Junil 2013 – Berlin nimmt Abschied von Armin Petras

Eine Erfolgsgeschichte

12. Juni 2013. Derzeit tingelt Armin Petras zum Abschied durch die Berliner Feuilleton-Redaktionen. Also nicht er selbst, dazu hat der rasende Armin ja auch gar keine Zeit. Sondern eher das Dauergespräch mit ihm, das von einer Zeitung auf die nächste überspringt. Heute waren die taz und die Berliner Morgenpost mit Petras und seinem Abschied aus Berlin befasst.

In der taz (12.6.2013) lässt sich Petras von Katrin Bettina Müllers kleiner Spitze, dass auch in seinem angeblich so unbürgerlichen Spielplan ein gerüttelt Maß an bürgerlicher Kultur gesteckt habe, zum Beispiel "ein sehr liebevoller Umgang mit der Romanliteratur des 19. und 20. Jahrhunderts", nicht aus der Reserve locken. Petras: er fände es gut, wenn es, wie an seinem Gorki, ein Spannungsfeld gebe zwischen Alltagsgeschichten auf der einen Seite und großen Stoffen, wie "Anna Karenina", auf der anderen.

Selbstironisch?

Das Motto der letzten Spielzeit "Den Aufstand proben", sei natürlich auch ein wenig ironisch "auf uns selbst gemünzt", auf den Versuch, "gegen gängige Formen Theater zu machen". Natürlich sei das "auch Quatsch", ein Theater sei "a priori ein feudalistisches System innerhalb des Kapitalismus".

In Berlin habe er gelernt, dass es ohne Lobbyarbeit nicht gehe. "Das habe ich in Berlin zu wenig gemacht. Dies sei einer der Gründe, "weshalb wir nicht die finanziellen Möglichkeiten erhalten haben, hier noch zwei, drei Jahre weiter zu machen".

Zu viele Produktionen?

Auch auf den versteckten Vorwurf von Müller, eine zu hohe Zahl an Produktionen, die dann notwendig flüchtig gearbeitet waren, herausgebracht zu haben, geht Petras einfach gar nicht ein. Seine Antwort: "Wir hatten alle die Jahren ein starkes Ensemble. Das sieht man auch daran, dass die Schauspieler, die nicht mit nach Stuttgart kommen, Engagements an den ganz großen Theatern gefunden haben ... wenn ich an die Inszenierungen denke, dann sehe ich nicht den Fehler, dass sie zu schnell oder überhastet entstanden wären, sondern dass ein paar Inszenierungen zu angepasst waren."

In der Berliner Morgenpost (12.6.2013) gibt es auch Petrasiana. Dort sagt er, angesprochen auf das Mammutprogramm des fünftägigen Abschiednehmens von Berlin, dem Redakteur Stefan Kirschner: "Man soll sich an uns erinnern, ein Mythos muss hergestellt werden", und an der Wand, so Kirschner, "lehnt ein Rennrad".
Hoi!

Die eher konservative Westberliner MoPo verbeugt sich beeindruckt vor dem Intendanten mit der Ost-Geschichte, der von einem aus Ostberlin stammenden Kultursenator in ein ehemaliges Ost-Staatstheater berufen wurde: "Unter seiner Intendanz kamen am Gorki über 200 Inszenierungen heraus, davon 86 allein am großen Haus. Seine Intendanz, von dieser Zeitung anfangs skeptisch beäugt, war eine Erfolgsgeschichte."

Es geht nur miteinander

Es ist immer hübsch, wenn das Hohelied der Solidarität und des Kollektivs in Springer-Zeitungen gesungen wird. Hier lautet es so: "Petras zählt zu den regieführenden Intendanten, die Superlative nicht mögen und keine Angst vor interner Konkurrenz haben. Die Hausregisseure haben ihre eigene, starke Handschrift, 'mir ist durch ihre Kraft damit viel abgenommen', sagt Petras. 'Jeder wusste, es geht nur miteinander, geht nur als Gruppe.' "

Aber auch in der MoPo kommt kein böses Wort gegen die Berliner Kulturpolitiker über Petras' Lippen. Nur zart ist die Kritik, die er im Stammbuch der Politik hinterlässt, Petras lässt sich wie folgt zitieren: "Dass Kultur Berlins wichtigste Waffe ist, dass man sich extrem darum kümmern muss und es verantwortungsvoll tun sollte." Lieber aber, auch das kann man überall lesen, schaut Petras nach vorne. Er freut sich, dass er seinen "Union"-Fanschal noch gebrauchen kann. Der VfB hat dieselben Farben: rot und weiß. Na, auf geht's.

(jnm)

 

Presseschau vom 5. Juni 2013 – Rabih Mroué über den Libanon

"Ich bin nicht optimistisch"

5. Juni 2013. "Wie viel Libanon lässt sich über die Kunst vermitteln?", fragt im Tagesspiegel Patrick Wildermann den libanesischen Performer und bildenden Künstler Rabih Mroué – Hintergrund  sind Matthias Lilienthals X-Wohnungen in Beirut. "Jeder soll gern für ein paar Tage kommen! Aber unter einer Bedingung: bitte nicht versuchen, irgendetwas zu begreifen", antwortet Mroué – in so kurzer Zeit könne man nichts verstehen.

Presseschau vom 4. Juni 2013 – Die Berliner Zeitung bilanziert die Intendanz von Armin Petras am Maxim Gorki Theater

Lob der Schaffenswut

Berlin, 4. Juni 2013. In der Berliner Zeitung (3.6.2013) bilanziert Theaterredakteur Ulrich Seidler die siebenjährige Intendanz von Armin Petras am Maxim Gorki Theater. Über 200 Inszenierungen habe Petras dort herausgebracht, davon 86 auf der großen Bühne. Es gab "weder Stars noch Sternstunden. Petras sucht auch nicht danach. Er ist zuerst inhaltlich an einer Sache interessiert. Für die Form fehlt ihm manchmal die Geduld." Darin lägen aber auch "die Lebendigkeit und Echtheit seiner Inszenierungen" begründet. "Manchmal kippte es ins Wurschtige − vermutlich dann, wenn Petras gedanklich schon wieder woanders war."

Presseschau vom 2. Juni 2013 – Internationale Blogs beleuchten die Situation von Schauspielern mit ostasiatischem Migrationshintergrund auf englischsprachigen Bühnen

Wenn Weiße den "edlen Wilden" spielen

2. Juni 2013. Theaterkritikerin Lyn Gardner vom Guardian beleuchtet in ihrem aktuellen Blogeintrag (31.5.2013) die Situation von Schauspielern mit ostasiatischem Migrationshintergrund: Sie seien auf britischen Bühnen immer noch zu wenig präsent, gleichzeitig könne man aber ein wachsendes Interesse an asiatischen Themen und Stoffen in Großbritannien registrieren.

Presseschau vom 1. Juni 2013 – Welt-online über den verblassenden Charme des Pollesch-Theaters

Am Ballermann der Verfremdungskunst

1. Juni 2013. Auf Welt-online nimmt Reinhard Wengierek die jüngste Berliner Arbeit von René Pollesch zum Anlaß für ein paar grundsätzlichere Überlegungen. Denn die Veranstaltung mit dem schwammigen Titel Der General ist aus Wengiereks Sicht symptomatisch für den Niedergang des Pollesch-Theaters.

Presseschau vom 31. Mai 2013 – Der Zürcher Tagesanzeiger interviewt die Mülheimer Preisträgerin Katja Brunner

"Mich interessieren Machtgefälle"

31. Mai 2013. Dass sie in Mülheim gewonnen habe, habe auch mit sehr viel Glück zu tun, sagt die Dramatikerin Katja Brunner zu Linus Schöpfer vom Zürcher Tagesanzeiger (Ausgabe vom 30.5.2013). Was macht sie mit den 15000 Euro Preisgeld? "Den grösseren Teil auf die Seite legen und den kleineren Teil verprassen." Sie werde wohl lange Ferien in der wunderbaren Stadt Odessa machen. Vielleicht werde sie sich auch eine Katze zutun.

Presseschau vom 20./21 Mai 2013 – Bilanzen des Jubiläums-Theatertreffens

Die unerforschliche Kraft der Spielkunst

20./21. Mai 2013. Matthias Heine veröffentlicht auf Welt Online seine Abschlussbilanz des Theatertreffens (20.5.2013, 13:05 Uhr): Der Kritiker hat eine große, ungestillte Sehnsucht nach "geschichtlichen Konflikten und Figuren" auf der Bühne.

Wenn Napoleon schon einmal auftrete, wie Jana Zöll in Sebastian Hartmanns "Krieg und Frieden", dann nur "verfremdet". Aber schon, schreibt Matthias Heine weiter, weil Hartmann es überhaupt gewagt habe, "Historie im Theater zu vergegenwärtigen", brauche Deutschland "diesen letzten Bühnenirren".

In Elfriede Jelineks Gegenwartsstück "Die Straße. Die Stadt. Der Überfall" habe man entdecken können, dass sowohl Jelinek als auch die Schauspielerin Sandra Hüller "so richtig offensiv komisch sein können". Aber obschon Jelinek hin und wieder in ihren Stücken das Fenster zur Geschichte aufstoße, sei ihr Stück diesmal: Gegenwartstheater.

Dabei gäbe es durchaus unter Regisseuren und Dramaturgen eine verbeitete Sehnsucht nach Geschichte. Davon zeugten die Karrieren, die Hans Falladas Romane zuletzt auf der Bühne gemacht hätten. Angesichts Luk Percevals Inszenierung von "Jeder stirbt für sich allein" fällt Heine ein, dass wohl niemand je gedacht hätte, "man werde auf einem deutschen Theaterfestival noch einmal dankbar sein für die Erinnerung, dass einmal Nazis gegeben hat".

Geschichtslos auch im Formalen seien viele der übrigen Inszenierungen gewesen. Thalheimers "Medea", Jerôme Bels "Disabled Theatre", Katie Mitchells "Reise durch die Nacht" und Herbert Fritschs "famos virtuoses" "Murmel Murmel "hätten genauso gut zum Theatertreffen 2003 oder 2023 eingeladen werden können".

Der "Diktatur des Gegenwärtigen – oder schlimmer noch: des Zeitlosen" hätten sich allein die alten Texte widersetzt. Die "Mischung aus Rassismus und verlogener Geilheit", die Tennessee Williams in "Orpheus steigt herab" beschreibe, "verteidigt ihren Platz klar im amerikanischen Süden der Fünfzigerjahre" gegen alle Aktualisierungen. Medeas Blutrausch sei so "durch und durch faszinierend vorzivilisatorisch", dass sie sich "jeder Vereinnahmung durch feministisches Denken" widersetze. Und Frau John aus den "Ratten" sei schon durch das "wunderbare Kunst-Berlinerisch", das ihr Hauptmann in den Mund gelegt habe, davor geschützt, zur "Putzfrauentragödie" zurechtgestutzt zu werden.

"Das gefräßige Heute verschluckt sich an ihnen allen."

"Im letzten Jahr gab es (…) Positionen nicht zu besichtigen, sondern zu erleben. In diesem Jahr war alles normaler, unaufgeregter, konfektioneller", schreibt Andreas Schäfer im Tagesspiegel (21.5.2013). Die Auswahl sei Sache der Jury, aber es frage sich, warum die Institution selbst sich so zaghaft präsentiert. "Die üppigste Theaterlandschaft der Welt, ein großartiges Festival, das seinesgleichen sucht – und dann macht man sich klein und huscht auf Turnschuhen durch diese Jubiläumsausgabe, als wolle man sie bloß schnell hinter sich bringen." Nichts symbolisiere diese krampfige Lockerheit so sehr wie der würdelose Riesenstempel, der jedem eingeladenen Regisseur nach der Premiere überreicht wird – als Zeichen, dass die Inszenierung als theatertreffentauglich abgestempelt wurde. "Wo sind wir denn? In der Theaterhäschenschule? In der Inszenierungseinwanderungsbehörde?"

"Weil das Theatertreffen als Leistungsschau genommen wird, sind die einzelnen Inszenierungen dem Wettbewerb untereinander ausgesetzt", erklärt Dirk Pilz in der Neuen Zürcher Zeitung (21.5.2013). "So kommt es, dass das Festival von den grossen, reichen Bühnen dominiert wird – eine Inszenierung aus, zum Beispiel, Solothurn oder Stendal hielte dem Vergleich kaum stand, auch wenn sie für die jeweilige Stadt bemerkenswert relevant sein mag." Der staunens- und unbedingt erhaltenswerte Reichtum der deutschsprachigen Theaterlandschaft werde durch das Theatertreffen eben gerade nicht abgebildet. "Das bleibt der Stachel im fetten Fleisch dieses Festivals." Die Vielfalt der beim Theatertreffen präsentierten Theaterformen sei aber besonders in den letzten zehn Jahren enorm gewachsen. "Dass freie Gruppen, Dokumentar- oder Performancetheater eingeladen werden, bedarf keiner eigenen Rechtfertigung mehr." In der Zusammenschau der zehn Inszenierungen ist dem Bilanzierer aufgefallen, "dass die zum Theatertreffen geladenen Bühnen einer Überbietungslogik zu folgen scheinen". "Noch virtuoser! Noch aufwendiger! Noch überrumpelnder!", scheine die Devise zu sein. "Fast alle Abende trugen laut ein 'Seht mich an!' vor sich her." Sie protzten mit filmischen Finessen (wie bei Mitchell), angeberischer Zitatdichte (wie bei Baumgarten) oder aufgesetzt wirkender Theaterselbstbespiegelung (wie bei Henkel). "Dabei scheinen sie jedoch nur zu bestätigen, dass auch zeitgenössische Bühnenmittel keine Gegenwärtigkeit garantieren." Grösse hätten die geladenen Inszenierungen jedenfalls dann erlangt, wenn sie auf die unerforschlichen Kräfte der Spielkunst setzten. "Michael Thalheimers Frankfurter 'Medea' mit Constanze Becker in der Hauptrolle oder Herbert Fritschs dadaistischer Abend 'Murmel, Murmel' von der Berliner Volksbühne bestachen gerade durch ihr Urvertrauen auf das Vermögen des Schau-Spiels". Die Hauptpersonen des diesjährigen Theatertreffen, so das Fazit, seien denn auch die Schauspieler gewesen, nicht die Regisseure.

In der taz (21.5.2013) kommentiert Katrin Bettina Müller zum Abschluss des Theatertreffens die Verleihung des Alfred-Kerr-Preises an Julia Häusermann aus dem "Disabled Theater"-Ensemble: "Für die Theaterwelt ist die Verleihung des Kerr-Preises an Häusermann auch ein Signal: Es tut gut, die eingeübten Routinen zu verlassen und die Geschlossenheit der eigenen Welt von außen zu betrachten. Die Kunst gewinnt bei solcher Reflexion eigentlich fast immer."

 

Presseschau vom 16. Mail 2013 – Ijoma Mangold zieht auf Zeit Online eine Halbzeitbilanz des 50. Theatertreffens 

Bitte, liebes Stadttheater, halte durch!

16. Mai 2013. Ijoma Mangold zieht auf Zeit Online (16.5.2013, 15:15 Uhr) eine Zwischenbilanz zur Halbzeit des 50. Theatertreffens, er glaubt, das Theatertreffen zeige den Interessierten, "was auf der Bühne state of the art ist". Jetzt, da die Institution "Stadttheater" immer mehr unter Druck geraten sei, gewinne das Wort an Glanz – "weil die Sache, für die es steht, bedroht ist". Sie verbinde "Freiheit und Verlässlichkeit, Experiment und Tradition", sie, die Sache, das Stadttheater sei "ein Teil unserer Lebensform und lässt uns einzig dastehen in der Welt".

Presseschau vom 8. Mail 2013 – Spiegel Online über allerlei Ungemach zwischen Oliver Kluck und dem Schauspiel Frankfurt

Kluck macht den Bernhard

8. Mai 2013. Auf Spiegel Online (8.5.2013, 10:05 Uhr) schreibt Tobias Becker einen langen Text über Vorkommnisse am Schauspiel Frankfurt. Dort wird heute Abend das neue Schauspiel von Oliver Kluck uraufgeführt: "Was zu sagen wäre warum". Jedoch hat sich der Autor Oliver Kluck über die Strichfassung beschwert, die Regisseurin Alice Buddeberg von seinem neuen Stück "Was zu sagen wäre warum" hergestellt hatte. Kluck sehe sich zum Idioten gemacht, und habe gleich auch noch seinem Theaterverlag gekündigt.

Radioschau vom 5. Mai 2013 – Im Deutschlandradio spricht Thomas Oberender über das Theatertreffen

Ich wünsche mir einen Außerirdischen

5. Mai 2013. In einem Gespräch mit dem Deutschlandradio sagte der Intendant der Berliner Festspiele, Thomas Oberender: "Kunst fängt da an, wo Politik aufhört. Politik muss Lösungen anbieten, kann auch nur das Lösbare lösen, das Theater beschäftigt sich mit dem Unlösbaren." Kunst spreche in einer eigenen Sprache, von Dingen, die wir anders nicht ausdrücken könnten (hier geht es zum Audiofile).

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