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Dessauer Theater zeltet vor Kultusministerium

Occupy

Dessau / Magdeburg, 4. September 2012. Seit gestern hat das Anhaltische Theater Dessau seine Zelte vor dem Kultusministerium in Magdeburg aufgeschlagen. Nach Auskunft des Theaters sei der Großteil des Theaterbetriebs in ein kreatives Protest-Camp auf dem Gelände des Kultusministeriums verlegt worden. Bis Mittwoch probten dort Musiktheater, Ballett und Schauspiel genauso wie die Musiker der Anhaltischen Philharmonie. Die Presse- und Werbeabteilung arbeite vor Ort, und Karten für die Vorstellungen in Dessau könnten beim Kassenteam erworben werden.

Das Protest-Camp ist eine Reaktion auf die geplante Mittelkürzung durch das Land Sachsen-Anhalt. Wie der MDR auf seiner Webseite (3.8.2012) schreibt, soll das Anhaltische Theater Dessau im kommenden Jahr 205.000 Euro weniger erhalten als derzeit (zuletzt wurde die Bühne mit etwa 7,2 Millionen Euro von Stadt und Land finanziert). Das Geld solle aus dem Landesprogramm "Theater der Regionen" gestrichen werden, das mit bislang 1,12 Millionen Euro Vorstellungen außerhalb Dessaus fördere. Nach Angaben des Kultusministeriums, so der MDR weiter, seien keine anderen Theater von der Kürzung 2013 betroffen. Das Land hatte die Höhe der Förderung für 2013 auf dem derzeitigen Niveau fortgeschrieben.

Der Dessauer Intendant André Bücker sieht durch die geplanten Kürzungen den gesamten Bestand des Anhaltischen Theaters gefährdet. Ebenso "sinnlos wie folgenreich" sei die Sparpraxis der Landesregierung. Seit 1990, zählt eine Presseaussendung des Theaters Dessau auf, hätten die Theater in Sachsen-Anhalt "mehrere hundert Stellen im Personalbereich abgebaut". Die Theaterstandorte Zeitz und Wittenberg, die Musiktheatersparten von Eisleben und Stendal sowie das Kinder- und Jugendtheater Thalia in Halle seien ganz geschlossen worden. Sechs Theater (das Theater Halberstadt mit dem Quedlinburger Theater; das Theater der Landeshauptstadt Magdeburg mit den Kammerspielen Magdeburg; das Theater Bernburg mit dem Theater Wittenberg) und sechs Orchester seien fusioniert worden ( Oper Halle / Staatskapelle, Bernburg / Wittenberg, Thale / Halberstadt). Die Mittel für die Freie Theaterszene seien fast vollständig gestrichen worden.

(Anhaltisches Theater Dessau / jnm)

Siehe auch unsere Meldung vom 14. August 2012: Unerwartete neue Sparvorgaben ...

 

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Kommentare  
Dessauer Protest: unklare Zahlen
Ist "Occupy" der passende Titel?

Ein paar Fragen liegen auf der Hand:
(1) Da sich vermutlich die Zahlen des MDR auf eine Pressemitteilung des Anhaltischen Theaters Dessau berufen können (7,2 MIO € aus Stadt und Land), frage ich hiermit: Warum widerspricht Herr Bücker der Moderatorin des Deutschlandradio Kultur (Sendung vom 4. September) nicht, als sie von 15,5 MIO € (Zuschüsse aus Stadt und Land) spricht? (Ergänzung: Die Angaben des Deutschlandradios entsprechen den Angaben im Theateralmanach.)
(2) In gleicher Sendung des Deutschlandradio Kultur weist die Sprecherin explizit darauf hin, dass die Kürzungssumme in Höhe von 205.000 € aus einem Landesprogramm genommen wird, das vertraglich nur mit dem Theater Dessau besteht und "Theater-der-Regionen-Vertrag" genannt wird. Dieser Tatsache widerspricht Herr Bücker ebenfalls nicht. Interessant wäre zu erfahren, von wann dieser Vertrag ist und warum er ausgehandelt wurde! Kurz: Warum bekommt nur das Theater Dessau diese Sondermittel?

"Occupy" wäre der passende Titel für eine Demonstrationsform, die von Theaterleuten gewählt würde, die in prekären Verhältnissen leben und arbeiten müssen (wie etwa Praktikanten, die auch am Theater Dessau für, wenn überhaupt, weniger als 300,- angeworben wurden). Äußerst fragwürdig in seinem politischen Aussagewert aber ist sie, wenn die zur Verhandlung stehenden Zahlen nach ihrer Herkunft nicht klar zuordbar sind und ferner das Niveau sich auf der Höhe von Tarifverträgen befindet. Letzteres ermutigt zu ehrlicher Heiterkeit, denn die Praxis der Occupy-Bewegung zeigt, dass ihre Vertreter nicht zu Gesprächen zugelassen werden wie Herr Bücker (mit seinen Gewerkschaften), sondern gewöhnlich niedergeknüppelt werden, von New York bis Frankfurt! In diesem Sinne würde sich nunmehr eine Analyse des Spielplanes der letzten 10 Jahre des Hauses anbieten, die besuchten Veranstaltungen auch nach ästhetischen Gesichtspunkten auszuwerten; was würde dabei herauskommen? Keine Kritik am künstlerischen Personal gewiss, das ihr Handwerk von der Arie bis zum professionellen Stolpern ohne Zweifel auch im Traum beherrscht. Fokussiert werden müsste auf die künstlerische Leitung des Hauses, gewiss.
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