Mein Kampf - Daniela Löffner toastet George Taboris Hitler-Farce in Braunschweig braun
Kreisen um den dunklen Kern
von Jan Fischer
Braunschweig, 3. Juni 2014. Hitlerwitze gibt es genug, aber einen guten zu machen ist gar nicht so leicht. Denn obwohl die Figur Hitler an den Rändern ganz gut zur Witzfigur taugt – kleine Statur, dieser bekloppteste aller bekloppten Bärte, die öffentlichen epileptischen Schreikrämpfe – bleibt sie im Kern doch immer dunkel, psychopathisch, vernichtend.
Scheiße – Nutella - braun
Was natürlich kein Grund sein darf, keine Witze zu machen. George Taboris Farce "Mein Kampf" hat da zum Beispiel ein paar auf Lager. "Sie sehen gar nicht jüdisch aus", sagt beispielsweise der Jude Schlomo Herzl (Hans-Werner Leupelt) zu diesem jungen, langhaarigen und langbärtigen Menschen mit dem eigentlich jüdischen Namen Hitler, der eines abends mit seiner Mappe voller "radikal realistischer" Kunst im Männerasyl in Wien auftaucht, und setzt ihm daraufhin die komplette Genealogie seines Nachnamens auseinander. "Shitler", so hätte er vor der Germanisierung gelautet.
Überhaupt, Scheiße: Immer, wenn Hitler eine Passage aus seinem – zum Zeitpunkt, an dem das Stück spielt, noch nicht geschriebenen – "Mein Kampf" zum besten gibt, plagt ihn die Verstopfung. In der Braunschweiger Inszenierung von Daniela Löffner reißt er sich die Hosen runter und drückt und drückt – nichts kommt, aber Hitler (Philipp Grimm) sitzt da mit runtergelassenen Hosen und hochrotem Kopf. Immer wieder schleckt er auch gedankenverloren Nutella aus einem Glas. Als er dann, im zweiten Teil des Stücks, im braunen Anzug auftaucht, ist die Motivkette Scheiße – Nutella – braun komplett.
Toast verschiedener Bräunungsstufen
Überhaupt ist Taboris Farce in wunderbarer Motivspielplatz für die Regisseurin Löffner. Das Stück selbst ist schon traumartig angelegt, der Text eine wilde Collage aus Bibelzitaten, "Mein Kampf", sonstigem zusammengestoppelten Mystizismus und der ein oder anderen Pointe, im Stil nahe am Absurden. Allein die Liebesgeschichte, die sich zwischen dem jungen Hitler und dem großherzigen Juden Schlomo Herzl entspinnt, ist schon bizarr genug. Dass Herzl Hitler hilft, seinen langen Schnurrbart abzureißen, ihm die Haare ordentlich kämmt, ihn zu dem Titel "Mein Kampf" inspiriert und ihm an Ende auch noch rät, in die Politik zu gehen, ist Taboris Witz, sein großes Spiel.
In Braunschweig wird der anfangs eher kühle, graue Bühnenraum – dessen Flucht ein wenig an das jüdische Museum in Berlin erinnert – mit immer mehr dieser absurdistischen Motive beladen. Der Koch Lobkowitz (Moritz Dürr), der sich für Gott hält, bewirft mit Dartpfeil – und Lametta–Blitzen die Wände. Der junge Hitler beklebt die Wände manisch mit Toast verschiedener Bräunungsstufen, dessen verbranntes Aroma sich wiederum Frau Tod (Sandra Fehmer) ekstatisch zuwedelt, während sie meint, Hitler sei als Leiche nur "mittelmäßig", als Täter aber ein "Naturtalent". Später dann gackert auch noch die Hühnerpuppe Mizzi (Mizzi) mit Schläfenlocken über die Bühne, die Schlomo von seiner jugendlichen Geliebten Gretchen (Ursula Hobmair) geschenkt bekommen hat und die wiederum von Hitlers Freund "Himmlischer" (Sven Hönig) fachmännisch zerlegt wird.
Das alles ist natürlich hochsymbolisch gedacht, im Kern allerdings läuft alles auf diese eine Bewegung in Taboris Farce hinaus: Je tiefer sie eindringt in den eigenartigen, von Herzl remodelten Jüngling, desto dunkler werden die Witze, desto mehr bleibt einem das Lachen im Halse stecken. Genau das ist der Trick Taboris, der mit Witz versucht, das Unbegreifbare begreifbar zu machen. Die Braunschweiger Inszenierung geht diesen Weg mit, umtanzt den dunklen Kern der Geschichte bis kurz vor dem völligen Kollaps ins Brutale, verliert dabei aber weder ihn noch den Witz aus den Augen. Und am Ende zieht Hitler seiner Wege, sein gigantisches Antlitz aus Toast blickt das Publikum an, und Herzl fragt Lobkowitz / Gott, wo er denn die ganze Zeit gewesen sei. Er antwortet aus dem Publikum: "Hier, ich war die ganze Zeit hier. Ich habe alles gesehen." Und ob man da jetzt lachen oder weinen soll, weiß man nicht.
Mein Kampf
von George Tabori
Deutsch von Ursula Grützmacher-Tabori
Inszenierung: Daniela Löffner, Bühne: Matthias Werner, Kostüme: Sabine Thoss, Dramaturgie: Charlotte Orti von Havranek.
Mit: Sandra Fehmer, Ursula Hobmair, Hans-Werner Leupelt, Philipp Grimm, Sven Hönig, Moritz Dürr, Mizzi.
Dauer: 3 Stunden, eine Pause
staatstheater-braunschweig.de
Ein starkes, schlüssiges Theaterbild sei der Toastbrot-Hitler, so Martin Jasper in der Braunschweiger Zeitung (5.6.2014). Immer mehr Toaster gäbe es, "die wie kleine Öfen immer wieder geschäftsmäßig befüllt und in Gang gesetzt werden. Ein Geruch von Geröstetem und Verbranntem verbreitet sich im Saal. Eine der makabersten Szenen ist, wie sich die glatzköpfige Frau Tod den Duft aus den Toastern genüsslich in die Nase wedelt..." Daneben halte Löffners Inszenierung "trotz einiger manierierter Tempoverzögerungen die Balance zwischen Witz und Katastrophe".
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super inszenierung.
klasse schauspieler.
ganz gross.