Eine kleine Lachmusik

25. November 2023. Ein Vorhang, zwei Keyboards, Vintage-Requisiten – fertig ist die Komödienparty mit Mozart und Salieri. Denn das Volkstheater Wien hat sich für seine Außenbezirks-Produktion frei nach Peter Shaffer mit den lustigsten Menschen der Stadt zusammengetan – die selbstredend auch dem "Wolferl" neue Erkenntnisse abgewinnen.

Von Martin Thomas Pesl

"Amadeus" in der Regie von Kaja Dymnicki und Alexander Pschill an wechselnden Spielorten in Wien © Marcel Urlaub

25. November 2023. Da haben sich zwei gefunden. Seit 70 Jahren schickt das Volkstheater Wien Produktionen in die Außenbezirke der Stadt – ein Abo, dessen visionäre Niederschwelligkeit die künstlerisch ambitionierten Intendanzen oft überfordert. Bronski & Grünberg heißt eine 2016 von Kaja Dymnicki und Alexander Pschill eröffnete Kleinbühne in Wien-Alsergrund, die kluge, witzige Boulevard-Slapstick-Versionen bekannter Stoffe zeigt. Mit Dymnicki/Pschill zusammenzuarbeiten ist immer eine gute Idee, will man junges Publikum gewinnen, ohne das alte zu vergrätzen. Nun kooperieren "die Bezirke" erstmals mit dem Bronski, das "Amadeus" frei nach Peter Shaffer im Anschluss an die Tour durch die Volkshochschulen erbt.

Wolferls göttliche Genialität

Wer das 1979 uraufgeführte Drama des Briten nicht kennt, hat zumindest Miloš Formans mit acht Oscars ausgezeichnete Verfilmung gesehen. Die Idee, der kaiserliche "Hofkompositeur" Antonio Salieri habe den derben Lausbuben Mozart als seine Nemesis erachtet, stammt jedenfalls – ausschließlich – hieraus. Salieri erkennt als Einziger Wolferls göttliche Genialität und behauptet schließlich, ihn ermordet zu haben. In Wahrheit war die Todesursache eher "hitziges Frieselfieber in Kombination mit einer Reihe von viralen, bakteriellen und parasitären Infektionskrankheiten", wie die wandelbare Agnes Hausmann – hier als Mozarts Frau Constanze – am Ende der Neufassung feststellt.

AMADEUS1 Marcel Urlaub Volkstheater Genial, aber überfordernd: Der von Julia Edtmeier gespielte Mozart mit Gattin Constanze alias Agnes Hausmann © Marcel Urlaub // Volkstheater

Die Rivalität ist jedenfalls frei erfunden, Dymnicki/Pschill erfinden auch noch alles andere. Christian Dolezal begrüßt als 273-jähriger Salieri von einem knarzenden alten Sessel aus die Hereinkommenden. Das Haar zerzaust, die Krawatte jedoch adrett unter den Pullunder geschoben, ist der verknöcherte Griesgram wunderbar erbarmungswürdig. Mit der Blockflöte macht er die Probe aufs Exempel. Niemand im Publikum erkennt die Salieri-Melodien, die "Kleine Nachtmusik" dagegen – aaah!

Massiver Vaterkomplex

Wo Shaffer/Forman wortreich psychologisierten, spitzen Dymnicki/Pschill zu, was eigentlich denkbar simpel ist: Alle lieben Salieri. Dann kommt Mozart. Mozart ist genial, aber überfordernd. Salieri wäre gerne genial, ist aber einfach nur solide. Die Keuschheit, die er Gott in der Hoffnung auf Talent schwor, hindert ihn daran, seine Schülerinnen zu begrapschen. Dafür hat er wenigstens welche, anders als Mozart, der natürlich die Finger nicht von ihnen lassen kann. Mozart bleibt mittellos und verkannt, Salieri hat seine Rache, aber die befriedigt ihn nicht. In der Überschreibung kommt zu Salieris Gott- noch ein massiver Vaterkomplex Wolferls hinzu.

Aber das ist alles nicht so wichtig. Worauf es ankommt, ist die Virtuosität, mit der die lustigsten Menschen Wiens hier gemeinsam mit einem Vorhang, zwei Keyboards und ein paar Vintage-Requisiten aus dem Fundus ein Lachfest veranstalten. Schon die Kostüme! Der Kaiser mit Wollmütze, Mozart mit rotem Sakko, kurzen Hosen und in Plastikbadeschlappen steckenden weißen Socken!

AMADEUS2 Marcel Urlaub VolkstheaterOriginelle Sprache, präzises Timing: Agnes Hausmann und Julia Edtmeier in Kaja Dymnickis und Alexander Pschills "Amadeus"-Überschreibung © Marcel Urlaub // Volkstheater

Der erste Teil bietet pure, rasanteste Komödie, einem synchronisierten Bud-Spencer-Film gleich, sprachlich originell (es fallen Beflegelungen wie "Popschkrapfen" und "Faschingsfurz") und im Timing präzise. Als Mozart bei Hof einen Marsch von Salieri nach einmaligem Hören nachspielen soll, schüttelt er ein paar Verbesserungsvorschläge aus dem Ärmel und macht die Übung zum mitreißenden Ritt durch die Popgeschichte. Halb versteckt spielt Pianist Belush Korenyi die Nummern, während Julia Edtmeier als Mozart nur so tut, aber fast perfekt, mit gerade so vielen Fehlern, dass man bewusste Persiflage nicht mit versuchter Imitation verwechselt. Das freche Max-und-Moritz-Grinsen dazu, die quirlige Lebenslust, die plötzlich in Rumpelstilzchen-Zorn umschlägt – man könnte diesem Kobold stundenlang bei seinem ganz eigenen Rock'n'Roll zusehen: so exaltiert, because er hatte Flair!

Eingespielte Sounds, echte Not

Nach der Pause schleicht sich menschliches Drama in den Spaß. Auch das funktioniert, weil Edtmeier es schafft, unmittelbar nach dem grotesk overacteten Herztod ihres Bühnenvaters (Doris Hindinger, die zuvor Buster-Keaton-Deadpan-Humor und Noblesse zu einem genüsslich unberechenbaren Kaiser Joseph II. vereinte) glaubhaft um diesen zu weinen. So konsequent der Slapstick mit comichaft eingespielten Sounds durchgezogen wird, die Not der einzelnen Figuren ist immer echt. Das macht diesen Abend – wie es im Stück über "Die Zauberflöte" heißt – "lustig, aber auch ergreifend. Fürs echte Volk halt." Dabei aber nie anbiedernd oder betulich und somit Bezirke-ideal, ja, man ist im Lichte der behandelten Thematik gar versucht zu sagen: genial.

 

Amadeus
von Kaja Dymnicki und Alexander Pschill, frei nach Peter Shaffer
Regie und Ausstattung: Kaja Dymnicki, Alexander Pschill, Sounddesign: Katharina Stöger, Dramaturgie: Lisa Kerlin
Mit: Christian Dolezal, Julia Edtmeier, Agnes Hausmann, Doris Hindinger, Belush Korenyi
Premiere am 24. November 2023 in der VHS Brigittenau
Dauer: 2 Stunden 30 Minuten, eine Pause

www.volkstheater.at
www.bronski-gruenberg.at

Kritikenrundschau

"Trotz über zwei Stunden Nettospielzeit bleibt das Stück durchgehend kurzweilig", schreibt Caroline Schluge im Standard (27.11.2023). "Witzig eingestreute Soundeffekte runden die Komödie mit Bud-Spencer-Charakter ab, in der sich in der zweiten Hälfte tatsächlich noch ein kleines Drama auftut." Das tue der Geschichte gut. So wie Mozart "fürs echte Volk" komponieren wollte, funktioniere auch "Amadeus" "mit komischer Einfachheit und menschlichen Zügen hervorragend".

Pschill und Dymnicki "wissen, wie man mit wenigen Mitteln gutes Theater macht", so Susanne Zobl im Kurier (27.11.2023). "Ein guter Stoff, ein gutes Ensemble, präzise Personenführung, der richtige Rhythmus, und schon funktioniert die Geschichte." 

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