Wenn die Vampirschwestern einziehen

9. März 2024. Yuris Eltern sind umgezogen, er ist mit seinem Freund Paco zurückgeblieben und betreibt das elterliche Solarium weiter. Als die Vampirschwestern Inna und Ziska auftauchen, nimmt ihr Leben erstaunlicherweise eine Wendung zum Besseren. Lucien Haug hat eine Parabel auf ein selbstbestimmtes Leben geschrieben, die Suna Gürler zur Uraufführung bringt.

Von Simon Baur

"Bite, Marry, Kill" von Lucien Haug am Jungen Theater Basel © Uwe Heinrich

9. März 2024. Streifenvorhänge in kaltem Licht sind das einzige, was man anfangs auf der dunklen Bühne sieht. Vier Personen tasten sich an die Vorhänge heran, ziehen sie auseinander, schauen in den Zuschauerraum und verschwinden wieder. Der eine ist Yuri, der mit seinen Eltern ins sonnige Florida umziehen sollte, sich bei der Abreise aber im Solarium eingeschlossen hat, das die Eltern betreiben – das ist das Viereck zwischen den Vorhängen, die sich drehen und verschieben lassen und so die verschiedensten Räume bilden. Ein zweiter ist Paco, Yuris Freund, der an einer heimtückischen Bluterkrankung leidet und immer wieder ins Spital muss. Als plötzlich die beiden Schwestern Inna und Ziska auftauchen, verändert sich die Welt der beiden Freunde.

Neuartige Perspektiven

Inna und Ziska sind Vampire. Sie pflegen eine symbiotische Beziehung – als Vampire brauchen sie Blut, um zu überleben, sie beißen aber weder Mensch noch Tier, sondern stillen ihren Durst am Hals der jeweils anderen. Sehr umweltfreundlich. Ihr Vater starb mit 887 Jahren, und wenn's nach ihrem Geschmack läuft, werden sie ähnlich alt. Inna ist 59 Jahre alt, Ziska bereits 60, und doch sehen beide noch frisch und jugendlich aus.

Sie genießen die Vorzüge des Lebens, pubertieren seit 60 Jahren und beabsichtigen, all ihre Aktivitäten auf dieser Welt in einem Rhythmus von jeweils 60 Jahren zu absolvieren. Wer unsterblich ist und vom Blut der anderen lebt, der kann sowas. Yuri und Paco sind von solch neuartigen Perspektiven fasziniert und nehmen Inna und Ziska bereitwillig auf. Eine lebensrettende Entscheidung: Als Paco tot umkippt, hat Yuri die richtige Idee und verabreicht ihm einen Schluck Blut. Denn auch Paco ist ein Vampir.

Lebensfragen, spielerisch gezeigt

Die beiden Freunde könnten unterschiedlicher nicht sein. Während Paco, gespielt von Gökdeniz Yildirim, auf einer rosa Wolke zu schweben scheint und wie eine Lichtgestalt über die Bühne wandelt, ist Yuri, gespielt von Janis Urosevic, der Realist, der das elterliche Solarium am Leben erhält, der auch mal laut wird und tobt, um dann gleich wieder liebevoll und verständig mit seinem Freund umzugehen. Und da sind Ellen Walther als Ziska und Xhenisa Demiri als Inna, deren Zweisamkeit durchaus mehr sein könnte als nur ein pragmatisches Arrangement.

BiteMrarryKill UweHeinrich BlindbildZweimal zwei beste Freund*innen © Uwe Heinrich

In der Inszenierung von Suna Gürler geht alles rasend schnell, mit viel Sprach- und Spielwitz, mit der Freude am Assoziieren und dem Einbezug des Publikums. Lucien Haug hat ihr mit "Bite Marry Kill" eine Parabel geschrieben auf ein besseres, selbstbestimmtes Leben, eines mit mehr Freiheit, weniger Zwang und der Realisation der eigenen Visionen. Gleichzeitig werden allerlei Themen spielerisch behandelt, die Jugendliche und Erwachsene gleichermaßen beschäftigen: Genderfragen, verschiedene Möglichkeiten sexueller und gesellschaftspolitischer Orientierung, Altern und das Durchsetzen des eigenen Willens.

Freut euch des Lebens

Macht es in unserer von Krisen bestimmten Zeit Sinn, eine Parabel auf den Genuss des Lebens auf die Bühne zu bringen? Bestimmt. Wie Yuri und Paco sind wir von Lucien Haug eingeladen, neu auf das Leben zu blicken. Der Autor bedient sich des Kunstgriffs der Vampire, die ewig leben und doch die soziale Gemeinschaft brauchen, um zu überleben. Und das Premieren-Publikum? Es spielt mit, trägt die Spielerinnen und Spieler auf der Bühne, antwortet auf ihre Fragen, interessiert sich aktiv für ihre Anliegen und versteht sich so als aktiver und partizipierender Teil der Inszenierung. Und bedankt sich schließlich mit einem langen Applaus.

 

Bite Marry Kill
von Lucien Haug
Uraufführung
Regie: Suna Gürler, Bühne: Johanna Bajohr, Musik: Gil Schneider, Technik: Claudio Bagno, Pina Schläpfer.
Mit: Ellen Walther, Gökdeniz Yildirim, Janis Urosevic, Xhenisa Demiri.
Uraufführung am 8. März 2024
Dauer: 1 Stunde 30 Minuten, keine Pause

www.jungestheaterbasel.ch

 

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