Peymanns zweifelhafte Ehrung am Burgtheater - Ein Kommentar
Der alte Nonkonformist
von Nikolaus Merck
Berlin, 26. Oktober 2012. Gestern war es also soweit: Ehrenring, Portrait über den Stiegen; Lametta, Jubel, Trubel, Heiterkeit, Claus Peymann, der Urfeind des konservativen Wiener Burgtheaterabonnements und der Misthaufenführer der Ringstraße, ward zum Ehrenmitglied des Burgtheaters promoviert.
Und einstmals, im Sarg, wird er ums Haus getragen werden und Andre Heller wird singen: "Wann i amol stirb, missen mi d'Fiaker troagn und dabei d'Zithern schloagn ...".
Drüben sitzen die Dummköpfe
Der Thomas Bernhard hat den Claus Peymann gewarnt seinerzeit. Als der noch neu war als Burgtheaterdirektor in Wien und sie zusammen im Restaurant Zauberflöte Suppe aßen und der Peymann gefragt hat: "Und wer ist das?", hat der Bernhard ihm immer ungerührt geantwortet: "Ein Dummkopf und ein alter Nazi". Überall in Wien saßen Dummköpfe und alte Nazis. Vielleicht hat sich das ja inzwischen geändert.
Der aktuelle Burgtheatervorsteher Matthias Hartmann hat laut der Zeitung Die Presse gestern gesagt: Am Burgtheater sei "Vergangenheit nie Vergangenheit, sondern Präsens", und so stehen sie ja auch noch alle drauf auf der Liste der Ehrenmitglieder des Burgtheaters, die Antisemiten und Nazi-Mitmacher wie Werner Krauß, der gleich neun "jüdische Untermenschen" im Hetzfilm "Jud Süß" gespielt hat oder die Nazi-Staatsschauspielerin Käthe Gold oder die andern Nazi-Mitmachgewinner wie Paula Wessely und Attila Hörbiger.
Stumm in der Falle
Und hat der Peymann, der alte Rebell, der Nonkonformist und der Den-Wienern-den-Nazikopf-Zurechtrücker, hat dieser Peymann gestern ein Wort darüber verloren, in welche illuster-zwielichtige Reihe von MitläuferInnen und Antisemiten er da eingestellt worden ist als Ehrenmitglied des Burgtheaters? In den Zeitungen zumindest steht nichts davon.
Der Thomas Bernhard hatte ihn ja gewarnt vor der "Burgtheaterfalle". Nun sitzt er drin. Glückwunsch.
Mehr zu Peymanns Ehrenmitgliedschaft: Meldung vom 17.10.2012
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von Friedrich Hollaender:
Was schimmert und flimmert
und glimmert und wimmert?
Mein Wien, mein Wien, mein Wien!
Was herzelt und scherzelt und liedelt und fiedelt?
Mein Wien, mein Wien, mein Wien!
Wo zittern die Zithern wie Herz in Gelee?
Wo schluchzen die Geigen dir in den Kaffee?
In Wien, in Wien, in Wien!
Was sitzelt und schnitzelt und kritzelt und witzelt?
Mein Wien, mein Wien, mein Wien!
Wo lassen sich Musen noch immer beschmusen?
In Wien, in Wien, in Wien!
Nur wir ham a Oper und Heurigenwein,
und der Herrgott hat eben a Wiener zu sein…
In Wien, in Wien, in Wien!
Das ist der Schnulz im Dreivierteltakt!
Rattengift her! Rattengift her!
Kosig in Seidenpapier verpackt!
Rattengift her, Rattengift her!
Im Prater blühn wieder zum
elfhunderttausendsten-mal die Bäume…
Rattengift her, Rattengift her!
Servus, du!
Wo bezieht man die fetten,
koketten Soubretten?
Aus Wien, aus Wien, aus Wien!
Wo nimmt sich die Presse
so ernst wie die Messe?
In Wien, in Wien, in Wien!
Wo kommt bald, ich wette,
a Einstein-Operette?
In Wien, in Wien, in Wien!
Das ist mein Wien, wie’s im Bucherl steht!
Nur net beschwern! Nur net beschwern!
‘s is halt noch net raus aus der Schubertät!
Wird schon noch wer’n! Wird schon noch wer’n!
Im Burgtheater spieln noch die Kulissen,
an die wird der Prinz Eugen sich erinnern müssen!
Das ist der Schnulz im Dreivierteltakt!
Rattengift her, Rattengift her!
Kosig in Seidenpapier verpackt!
Rattengift her, Rattengift her!
Beim Rott spielt man Faust,
aber wann’st richtig schaust,
ist’s der Ur-Ur-Ur-Faust…
Rattengift her! Rattengift her!
Servus, du, Claus!
(In Deutschland waren im Sommer 1944 alle Theater geschlossen worden. Durch Heirat war Käthe Gold Schweizerin geworden. Herzliche Grüsse, Esther Slevogt)
Sie geben mir die Gelegenheit: es geht mir nicht um Peymanns Kunst, weder seine jetzige noch seine damalige in Wien (die mir selbst auch sehr große Freude bereitet hat). Es geht mir um den Theaterdirektor und damit, wie ich es verstehe, Politiker Peymann. Denn: es war auf jeden Fall sehr mutig von ihm, mit welcher "Unverschämtheit" er als Burgtheaterdirektor den Konservativen und Reaktionären in Wien entgegen getreten ist. Es war eine Tat, den Sturm der Haider-FPÖ und von Teilen der ÖVP gegen das Burgtheater und seine Entscheidungen nicht nur auf sich zu ziehen, sondern den populistischen Hetzern "die Stirn zu bieten".
Und gerade von einem solchen Mann erwarte ich - nicht etwa, die Ehrung abzulehnen, sondern die Ehrung und die Feierstunde zum Anlass zu nehmen, um ein Wort zu sagen zu den Traditionen, denen am Burgtheater gehuldigt wird. Krauss, Wessely und die anderen waren ja nicht etwa schlechte Künstler oder haben die Ehrung seinerzeit nur deshalb bekommen, weil sie Opportunisten waren. Es geht auch nicht darum, ihre Namen aus der Liste der Ehrenmitglieder zu tilgen. Es geht darum, darüber zu sprechen, wer zu welchen Zeiten geehrt wurde, und, bitte, Ehrenmitglied des Burgtheaters zu werden, bedeutete in Österreich ja immerhin direkt unter den lieben Gott promoviert zu werden, und bedeutet es heute noch für viele. Also: sprechen über die Ehren und die Geehrten und die Obrigkeiten, die die Ehrungen ausgesprochen haben und die Verhältnisse, unter denen diese Ehrungen ausgesprochen wurden.
Man muss ja nicht unbedingt immer weiter so tun, als sei Werner Krauss einfach ein göttlicher Schauspieler gewesen und dabei seinen Antisemitismus mit fest zugedrückten Augen zu ignorieren, oder?
nikolaus merck
Entnommen aus den Nachtkritik - Postings zu "Der Prinz von Homburg...
"ohne wieder von obergescheiten Gutmenschen über die Nazizeit belehrt zu werden, danke an Fr. Breth das Sie keinen Bezug zu dieser Zeit hergestellt hat, die Zeiten dieser primitiven Regieansätze sind zum Glück langsam vorbei."
Da sehr geehrter Herr Merck blieben ihre tadelnden Worte aus und keine Frage kam auf in welche Reihe Frau Breth eingeordnet wird, die auch noch Lebenspartnerim eines Mitgliedes des "Hörbiger-Clans" ist.
Ich will Sie unter gar keinen Umständen mit meinem Posting auffordern weitere Hexenjagden wie die, die Sie stets und wirklich bei jeder Gelegneheit gegen Peymann veranstalten, zu kreieren! Aber damsls - bei dem Posting zu Breth - blieb mir die Luft weg.
Würde Kleist einen Zusammenhang zur Nazizeit hergestellt haben (was er bekanntlich zeitlich nicht konnte) oder eine deutliche Vorwegnahme der Nazizeit in seinem Stück eingearbeitet haben, dann wäre es in der Tat bedenklich, wenn die Regie dies aus dem Stück streichen würde oder ein/e KommentatorIn dies fordern würde. Aber so?
Weder A.B. noch der/dem Schreibenden der von Ihnen zitierten Zeilen ist etwas vorzuwerfen. Diese/r bringt lediglich seine subjektive Meinung vor. Der Kommentar wertet nicht die Nazizeit, sondern betont doch eher, dass eine solche Aktualisierung dem Stück ihrer/seiner Meinung nach nicht guttun muss.
Und es ist doch keine Hexenjagd - ebensowenig wie es übrigens Sippenhaft geben sollte. Es ist eine berechtigte und bedenkenswerte Meinung von N.M.
Kritik oder Hexenjagd? Ich glaube, ich habe erklärt, was ich von CP erhofft hatte. Finden Sie, das ähnele einer oder sei schon eine "Hexenjagd"?
Ich denke, Peymanns kalkulierte Großsprecherei fordert viele, auch viele Kommentator_innen auf nachtkritik.de heraus. Eine Hexenjagd auf CP zu veranstalten, liegt uns fern. Wir haben gerade an den Kommentaren, die zu seinen Unternehmungen und Äußerungen im Laufe der Jahre kamen, versucht zu lernen, was zulässig ist als Kommentar auf nachtkritik.de und was nicht zulässig ist.
Noch nicht genug gelernt?
Gruß
nikolaus merck