Presseschau vom 28. August 2011 – Die FAS interviewt den neuen Bayerischen Staatsschauspiel-Intendanten Martin Kušej

Ich glaube an die Kraft und Relevanz von Theaterstücken

Ich glaube an die Kraft und Relevanz von Theaterstücken

28. August 2011. Im Interview mit Volker Corsten legt der neue Intendant des Bayerischen Staatsschauspiels Martin Kušej in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung auch ein künstlerisches Glaubensbekenntnis ab: "Ich glaube ganz eindeutig an die Kraft und Relevanz von dramatischen Texten. Also von Theaterstücken!"

Bei Romanadaptionen frustriere es ihn, "in den meisten Fällen nur eine unbefriedigende Kurzversion eines tollen Buches auf der Bühne zu sehen. Dabei ist mir klar, dass man neu denkt, 'dekomponiert' und notfalls brachial experimentiert – doch das wird ganz schnell epigonal. Es ist eine 'Mode', die mich genauso langweilt wie jene, Klassiker nur auf ihre Sitcom-Tauglichkeit abzuklopfen." Diese 'Methode" habe, so Kušej, inzwischen eine beunruhigende Breitenwirkung erfahren, die sich teils bis in die Ausbildung an den Theaterakademien fortsetze.

"Man lehrt und lernt dort gar nicht mehr, wie man eine Szene so inszeniert, dass sie schlicht 'funktioniert'. Stattdessen meint der junge Regisseur, platt gesagt, dass es okay ist, wenn er sagt: Ich streiche den Text komplett, spiele einen Popsong ein, mache hinten ein Feuerwerk, die beiden nehmen ein bisschen Gift, und das ist dann das Ende von 'Kabale und Liebe'." Für Kušej hat dieses Misstrauen gegen die klassische dramatische Literatur, das sich auch in der Flucht zu Film- und Romanstoffen zeigt, "auch viel mit Nicht-Aushalten, Nicht-Einlassen und Nicht-Wissen zu tun."

Natürlich gebe es auch in seinem Spielplan Adaptionen. "Ich will aber, auch im Vergleich zu den Kammerspielen, viel, viel weniger davon haben." Frank Castorf, den Kušej als Regisseur ebenfalls an sein Haus verpflichtet hat (wo er Horváths "Kasimir und Karoline" inszenieren wird), gelte natürlich als "der Urvater alles Bösen, was man heute epigonal rundherum so sieht". Er sei aber ein "immens kluger und guter Regisseur mit einer klaren Haltung und einem enormen ideologischen Background."

Martin Kušej selbst wird die Spielzeit am 6. Oktober mit Schnitzlers "Das weite Land" eröffnen. "Das Stück passt in meine künstlerische Entwicklung. Ich spüre schon länger, dass ich mich kontinuierlich in Richtung des psychologischen Realismus hineinarbeite, etwa durch die Beschäftigung mit Ibsen. Ich lese mit zunehmendem Vergnügen auch Tschechow oder Schnitzler. Deshalb will ich aber noch lang keine Birken auf der Bühne haben, es wird sicher auch nicht allzu gemütlich werden."

(sle)

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