Presseschau vom 29. Juni − Die taz über Komödien und ihre Autoren
Wie eine Wolke über den Figuren
Wie eine Wolke über den Figuren
In einem für taz-Verhältnisse sehr langen Artikel (28.6.2011) setzt sich Tobi Müller mit der Komödie, ihrer idealen Machart, den Komödienautoren und ein wenig auch mit der Langen Nacht der Autoren auseinander, die den Abschluss der Autorentheatertage am Deutschen Theater Belrin bildeten.
Bei den vier Werkstattproduktionen, schreibt er, sei viel dafür getan worden, "um davon abzulenken, dass drei dieser vier Texte auf einer großen Bühne keine Chance haben". Drei Stücke handelten vom Theaterspielen, was nur jemand interessant finden könne, der nicht mehr ins Theater gehe.
Wie Elke Schmitter, die 1990 "mit dem Theaterbetrieb abgeschlossen" habe, aber trotzdem "Generalthesen zum [beklagenswerten] Stand des Theaters zum Besten" gebe – ohne Belege zu präsentieren.
Interessant sei, "wie viele Leser und Leserinnen, aber auch Profis" Schmitters "Gefühlslagen" zum Komödiennotstand beipflichteten, derweil die Statistik zeige, wie viele auch deutsche Stückeschreiber es mit der "Gattung der Komödie" versuchten. Komödien von Lutz Hübner oder Oliver Bukowski etwa seien, obwohl von wichtigen Regisseuren und der Kritik missachtet, "gut gebaut" und funktionierten "oft in mehreren Städten gleichzeitig".
Dabei müsste eine Komödie "besser geschrieben" sein als ein "kapitalismuskritisches Befindlichkeitsstück", viele neue Stücke aber läsen sich wie "Auftragsarbeiten" über "Finanzkrise oder zur Altenpflege". Direkt würden die Themen angesprochen. "Und mit Humor wieder in Frage gestellt, oder zumindest mit etwas lustiger Anarchie dekoriert". Selten schwebe das Thema wie eine Wolke über den Figuren, ohne dass diese es bemerkten. Dabei ginge es in der Komödie doch darum, Menschen "beim Verkennen der Dinge" zuzuschauen – "nicht beim Diskutieren".
Bessere Chancen auf Anerkennung als Bukowski und Hübner hätten "humorvolle Texte, welche die Komödie nur zitieren". Stücke von Ewald Palmetshofer etwa, "einer der wenigen seiner Generation", die ihrer "Sehnsucht nach gesellschaftlicher Relevanz" nicht mit einer "unterspannten Sprache" begegneten.
Bei Philipp Löhle, Kevin Rittberger oder David Lindemann dagegen diene "das Komödiantische" oft der "Distanzierung". Zwar schrieben diese Autoren " über Armut, Kolonialismus und Finanzkrise", wirkten aber "großstädtisch" und arg in der "Mittelschicht beheimatet". Dennoch gebe David Lindemanns Groteske "Getränk Hoffnung", die noch beim Lesen konstruiert gewirkt hätte, in der Inszenierung von Matthias Kaschig bei der Langen Nacht der Autoren ein "schönes Abbild der Finanzmärkte, von der puren Esoterik und latenten Gewalt des Kreditwesens". Bei diesem einzigen Lichtblick der Langen Nacht der Autoren hätten allerdings Spitzenkräfte wie Arnd Klawitter, Maren Eggert und Peter Jordan gezeigt wie "zentral sprachliches Timing und körperliche Präzision im Humorgeschäft" seien.
(jnm)
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