Presseschau vom 16. Juli 2011 – Die Berliner Zeitung versucht sich an einer Kulturtheorie zur Unterwäschefrage auf deutschsprachigen Bühnen

Woyzeck: ein Slip-, Doppelripp-, Retro- oder Boxershorts-Typ?

Woyzeck: ein Slip-, Doppelripp-, Retro- oder Boxershorts-Typ?

16. Juli 2011. Es lebe das Sommerloch. Denn so kommen unsere Herren und Damen Kritiker endlich einmal zu den wirklich wichtigen Theaterfragen: zum Beispiel Ulrich Seidler in der Berliner Zeitung zu einer Phänomenologie der Bühnenunterwäsche.

In diesem Zusammenhang werden Fragen aufgeworfen wie diese: "Wie handhaben die Kostüm- und Ausstattungsabteilungen der Theater im besonders theatertraditionsreichen deutschsprachigen Raum die Unterwäsche-Angelegenheiten?" "Welche Regelungen gelten hinsichtlich des zumutbaren Abnutzungsgrades von Funduswäsche?" "Gibt es konkrete Trends im Bühnenwäschewesen, die allgemeinere theaterästhetische Entwicklungen indizieren?" Beantwortet sein will auch Folgendes: "Was sagt der Schlüpfer über den Titelhelden in dieser Woyzeck-Inszenierung aus?" Schließlich erreicht der Feinripp-Bereich komplexere theatertheoretische Zonen: "Denn wer steckt denn nun drin in den Unterhosen? Die Privatperson des Schauspielers? Der Künstler? Der Dienstleister? Der Star? Oder die Figur, die verkörpert wird? Aus diesem Zusammenstoß der Ebenen schlägt das Theaters seine schöpferischen Funken: die Tatsache, dass der Schauspieler spätestens auf der Bühne zu einem gemischten Doppelwesen aus Fiktion und Realität wird.. ". Aber lesen Sie selbst.

(sle)

Kommentare  
Kulturtheorie Unterwäsche: beschäftigungslose Kritiker
Ich nehme einmal an, dieser Artikel war nur die Ouvertüre. Nach der eindrucksvollen Introduktion beginnt der zweite Teil von Seidlers Artikelserie. Thema: Kantine als Therapiezentrum. Hier geht es unter die Haut, aber völlig unschlüpfrig. Und Seidler könnte sich ehrenamtlich als Seelenklempner bewähren.
Übrigens ist die Saison im Hexenkessel-Hoftheater voll im Gange. Dort ist ebenfalls ein geeignetes Tätigkeitsfeld für momentan beschäftigungslose Kritiker.
Kulturtheorie Unterwäsche: erste Entzugserscheinungen
Sich in den Hexenkessel zu begeben, nötigt wahrscheinlich den Kritikern etwas Überwindung ab, schon wegen des unsicheren Wetters, da ist es doch einfacher sich vom Schreibtisch aus mit der schmuddeligen Unterwäsche anderer Leute zu beschäftigen. Es ist übrigens gar nicht so schlimm mal dem Theater für ein paar Woche zu entsagen. Dazu könnte Nachtkritik mal einen Thread einrichten, bezüglich Tipps für Leute mit Entzugserscheinungen.
Kulturtheorie Unterwäsche: Rippzeug für alle
Der Artikel ist ein Sommerlochstöpsel - Probenbekleidung und Probenwäsche werden üblicherweise weder Schauspielern noch Sängern noch Tänzern gestellt. Bühnenbekleidung: Feinstrumpfhosen, auch wenn sie zum Kostüm gehören, gelten als private Wäsche. Sind die nun sichtbar oder unsichtbar? Die Haut: auch die Abschminktücher und Pasten werden üblicherweise nicht gestellt. Ich würde begrüßen, wenn alle Häuser die Arbeitsbedingungen verbessern würden - klar kann man private Wäsche bei körperlich anstrengenden Proben durchschwitzen und zerwetzen - um die Wäsche geht es wohl nicht - man kann sich leicht verkühlen und arbeitsausfällig werden, wenn man selbst nicht die nötigen Ressourcen an Rippzeugs hat - also ist alles eine Frage des Arbeitsschutzes und damit der Kostenersparnis gegenüber krankheitsbedingten Ausfällen. Und wer wünscht sich schon die Zeiten zurück, als darstellende Künstler ihre Bühnengarderobe komplett selbst stellen mussten? Es wäre doch eine prima Neuerung: Rippzeug für alle und hausinterne Reinigung. Die Waschfrauen könnten in ihrem Zweitberuf oder Drittberuf, zum Arbeitsschutz, im Parkett Helme tragen sowie die zum Kostüm passenden Ellenbogen und Schienbeinschoner. Im Foyer könnte man ihnen gratis ein Gläschen Wasser im Champagnerkelch reichen - es geht mir bei dieser Idee nicht nur um die effektvolle Requisite, sondern auch und vorallem um Arbeitsschutz. Transpiration wäre nur nackt mit Bikenzweigen in der Hand und mit Pfefferminzaufgüssen der Gesundheit zuträglich - stundenlanges Schwitzen im Karoblazer ist eine Zumutung, die zu Dehydrierung und Organschäden führen kann.
Kulturtheorie Unterwäsche: Schlangengrube und Schattenwesen
Ja klar: Theater als Schlangengrube - da muss doch mal jemand das Maul aufreissen. Ansonsten ist sie/er out. Die DarstellerInnen werden es danken...und weiter versuchen, keine Rampensauen zu werden. Die AutorInnen sind längst Schattenwesen.
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