Reich des Todes - Deutsches Schauspielhaus Hamburg
Schluss mit Circus Roncalli
von Falk Schreiber
Hamburg, 11. September 2020. Man kann nicht behaupten, dass Schauspielhaus-Intendantin Karin Beier Scheu davor hätte, große Fässer aufzumachen. Die Uraufführungsrechte am ersten Stück des Büchnerpreisträgers Rainald Goetz seit 20 Jahren hat sie nach Hamburg geholt, "Reich des Todes", ein Historiendrama um die weltpolitischen Verwerfungen in der Folge des 11. Septembers. Premiere: am 11. September. Premierenberichterstattung in den "Tagesthemen". Den Stücktext bekommt man im Vorfeld allerdings nicht zu sehen. Dafür weit vor der Premiere wenig aufschlussreiche Presseberichte, wie Beier die Corona-Beschränkungen auf den Proben einhielt: mit Schwimmnudeln, die die Darsteller*innen um die Hüften tragen sollten. Auf die Ästhetik des Abends hat das keinen Einfluss (sieht man von einem lächerlichen Schwimmnudel-Ballett zum Stückbeginn ab). Die mediale Aufmerksamkeit aber zeigt, wie hoch die Erwartungen vor der Premiere sind. Gleichwohl: Beier beherrscht sowas. Große Fässer, hohe Erwartungen.
Fiese Typen schmieden dunkle Ränke
Auch wenn es ihr Goetz erst einmal nicht leicht macht. "Reich des Todes" beginnt mit den in sich zusammenstürzenden Türmen des World Trade Centers, da veranstaltet Beier ein ziemliches Brimborium mit Donner und Bühnennebel (Bühne: Johannes Schütz) und schickt einen auf die falsche Fährte eines realistischen Abbilds der Weltpolitik. Ein Präsident (Wolfgang Pregler) tritt auf, der viel Zeit mit Beten verbringt und ansonsten nicht der Hellste ist, sein Vize (Sebastian Blomberg), ein kalter Stratege, der die Anschläge zum Anlass nimmt, den Staat grundlegend umzubauen.
Außerdem lassen sich Kriegs- und Justizminister (Burghart Klaußner und Michael Weber) bereitwillig von den Ereignissen mitreißen. Bei dem Haufen Karrieristen, deren Servilität den Niedergang vorantreibt, denkt man natürlich an die US-Administration unter George W. Bush und Dick Cheney. Und weil Goetz diesen Staatsstreich durch die Regierung in einer hochartifiziellen Sprache erzählt, bekommt das Geschehen schnell einen Drall ins Plump-Antiamerikanische: Auf der Leinwand flackert eine US-Flagge, Wassim Mukdad spielt "The Star-Spangled Banner" auf der elektrisch verzerrten Oud und am Bühnenrand schmieden fiese Typen dunkle Ränke, alles klar.
Stimmt nur nicht.
Weil nämlich Goetz seine Protagonisten nicht Bush oder Cheney genannt hat. Alle Figuren tragen deutsche Namen, neben dem Präsidenten Grotten und dem Vize Selch taucht der Chefjustiziar Dr. Banzhaf (Holger Stockhaus) auf (was auf den während der NS-Zeit in leitender Stellung bei Bertelsmann arbeitenden Verleger Johannes Banzhaf verweisen könnte), der Kriegsminister Roon (Albrecht von Roon war ab 1859 preußischer Kriegsminister) und der Justizrat Dr. Schill (Daniel Hoevels), was eine kleine Hamburgensie darstellt – Ronald Schill war von 2001 bis 2003 Hamburger Innensenator und eine frühe, besonders bizarre Form des Rechtspopulisten. Wir befinden uns zwar eindeutig in den USA nach den Anschlägen auf das World Trade Center, aber die rechte Tradition (in erster Linie Deutschlands) ist tief eingeschrieben in dieses Amerika im Niedergang.
Nach der Pause geht's ans Eingemachte
Dieses Spiel mit den Realitätsebenen betreiben Stück wie Inszenierung in der Folge gekonnt weiter. Natürlich sind die SM-Bilder, die Beier aufruft, over the top, aber: Die Fotos vom Folterskandal in Abu Ghuraib sind längst international bekannt, Fotos, auf denen Politik und Sexualität einander beunruhigend durchdringen. Entsprechend erweist sich das alles als nicht so übertrieben wie es beim ersten Anschein wirkt. Zunächst baut Beier diese Szenen nach. Das funktioniert, ist aber eine verhältnismäßig einfache Lösung – ikonographische Bilder lassen sich so problemlos abrufen.
Nach der Pause aber geht die Inszenierung ans Eingemachte: Im Video sind die echten Folterbilder zu sehen, während an der Rampe Clownsspiele stattfinden, bis die Leinwand beschmiert wird: "Wo bleibt der Fun?" Das sind obszöne Szenen, kaum erträglich, und natürlich weiß die Inszenierung, wie problematisch diese Minuten sind. Aber es eröffnet dem Abend auch einen Ausweg: raus aus dem Realismus, rein in die Abgründe des Menschlichen.
Am Abgrund
Das "Reich des Todes" sind nicht die politischen Intrigen, in denen Krieg ein gutes Geschäft ist und Demokratie ein zu eliminierender Störfaktor. Es sind auch nicht die historischen Verbrechen im Folterknast. Es ist das Unaussprechliche in uns allen. Dass Beier knapp drei Stunden braucht, um dieses Unaussprechliche einzukreisen, bis es an die Abgründe geht, ist nicht immer ein Vergnügen. Aber es ist folgerichtig. "Jetzt ist mal Schluss mit Circus Roncalli", ächzt Blombergs Vizepräsident an einer Stelle. Spätestens hier hat man verstanden, dass der amerikanische Politikzirkus zwar die Basis des Abends darstellt, nicht aber seine Essenz.
Dass die Zeit bis dahin arg lang wird, hat auch damit zu tun, dass man sich aufs Glatteis führen ließ: vom politisch Offensichtlichen, auch von der ästhetischen Anspruchslosigkeit mancher Regieeinfälle. Dass Markus John ein böses Kasperle gibt, dass Eva Bühnen als Foltersoldatin eine Kopie der in Abu Ghuraib stationierten Lynndie England spielt, dass Burghart Klaußner die Luftgitarre drischt: Witzchen, Keep on rocking in the free world. Aber dann, zum Schluss, kippt dieser künstlerisch inkonsistente, viel zu lange und gleichzeitig genau richtige Abend noch einmal, in ein großartiges, dunkles Stimmkonzert (Komposition: Jörg Gollasch). Und dieser Teil, der tatsächlich mehr Musik ist als Theater, führt einen an den Abgrund der Menschheit. Jenseits dieses Abgrunds liegt: das Reich des Todes. Das Unaussprechliche.
Reich des Todes
Uraufführung
von Rainald Goetz
Regie: Karin Beier, Bühne: Johannes Schütz, Kostüme: Eva Dessecker, Wicke Naujoks, Komposition und Musikalische Leitung: Jörg Gollasch, Videodesign: Voxi Bärenklau, Licht: Annette ter Meulen, Einstudierung Sprechchor: Christine Groß, Körpertraining und choreografische Mitarbeit: Valenti Rocamora i Tora, Mitarbeit Videorecherche: Vanessa Christoffers-Trinks, Dramaturgie: Rita Thiele, Ralf Fiedler.
Mit: Sebastian Blomberg, Eva Bühnen, Sandra Gerling, Daniel Hoevels, Josefine Israel, Markus John, Anja Laïs, Burghart Klaußner, Wolfgang Pregler, Lars Rudolph, Maximilian Scheidt, Tilman Strauß, Michael Weber, Holger Stockhaus, Percussion: Yuko Suzuki, Theofanis Gioles Blatsoukas, Oud: Wassim Mukdad, Cello: Michael Heupel, Bratsche: Anna Lindenbaum, Violine: Camilla Busemann, Tänzer: João Pedro de Paula, Sayouba Sigué, Samuli Emery.
Premiere am 11. September 2020
Dauer: 4 Stunden 15 Minuten, eine Pause
www.schauspielhaus.de
Kritikenrundschau
"Nicht der Text beschert diesem Abend seinen eindrücklichsten Moment, sondern die Inszenierung", befindet Dirk Kurbjuweit im SPIEGEL (online 12.9.2020), und meint damit die ebenso "unerträgliche" wie "überragende" Clowns-Szene. Rainald Goetz habe sich "das größte Tabu der Demokratie ausgesucht: die Folter". Diesem "Angriff aufs Gemüt hätte ein Angriff auf den Kopf gut zur Seite gestanden. Aber der bleibt leider aus", so Kurbjuweit. Das Stück sei "weitgehend zustimmungspflichtig", die Inszenierung jedoch erzähle, "was man schon gedacht hat", in "überwältigenden Bildern" und "virtuosen Wortschwällen".
Einen "erschütternden" und "überwältigenden" Theaterabend hat Stefan Grund für die Welt (12.9.2020) gesehen; einen Abend, "mit dem die Gegenwartsdramatik zu voller Lebendigkeit aufersteht und der jede Minute wert ist". Rainald Goetz' "persönlicher Stil" öffne dabei "in wilden Wortkaskaden Assoziationswelten und enthüllt mitunter überraschende Zusammenhänge". Es prallten "Trash auf Gewalt, Politik auf Verzweiflung" aufeinander. Das sei "für sich genommen nicht neu im Theater, in dieser verdichteten, verwobenen Form und in dieser Qualität aber schon". Regisseurin Beier entwickele "aus dem Text mit sicherem Gespür packende Bilder" mit ihren " hochkonzentrierten, fantastisch aufspielenden Darstellern".
"Überreich an Daten und Details ist der Text", attestiert Michael Laages im Deutschlandfunk Kultur (11.9.2020), "zugleich und über weite Strecken aber 'typisch Goetz' – fragmentarisch wie für den News-Blog formuliert, polemisch, sarkastisch, zugespitzt." Das sei "durchaus anstrengend, weil recht redselig" und Karin Beier stelle dem Text "eine Menge an assoziativem Bild- und Spiel-Material gegenüber". Ihre Inszenierung sei so "zerklüftet und fragmentarisch wie das Textkonvolut von Rainald Goetz" selbst. Insgesamt ein "Kraftakt des Theaters", so der Rezensent.
Rainald Goetz frage und analysiere, welche Faktoren zusammenkommen müssen, "damit das 'Böse, Kaputte' Oberhand gewinnen kann", schreibt Julia Encke in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (13.9.2020). Karin Beier findet ihrem Eindruck zufolge dafür beeindruckende Bilder, Projektionen und Andeutungen. Nach vier Stunden hat sie trotzdem das Gefühl, "alles noch mal nachlesen zu müssen, weil Goetz' Theater natürlich ein programmatisches Überforderungstheater ist."
Karin Beiers Inszenierung entwickele sich in einem "Ton aus Fiesheit und Farce", so Till Briegleb in der Süddeutschen Zeitung (14.9.2020), "zwei Stunden lang zu einer Satire von Herrschaftsverhältnissen". Nach der Pause allerdings werde "das Drama dichter bis zur Zumutung, die Reflexion tritt in den Vordergrund gegenüber dem Zynischen. Und plötzlich muss man genau zuhören, treten die körperlichen Mittel zurück hinter die sprachlichen, und es entfaltet sich ein großes Nachdenken über Recht." Der Abend sei eine "konzentrierte Überfülle der Gedanken, die man vermutlich zweimal ansehen muss", so der Kritiker.
"In diesem Drama sind die politischen Berater und die Verwaltungsstäbe keine indirekten Gewalten mehr, sie sitzen anders als im Schauspiel der Souveränität nicht mehr in den Vorzimmern der Macht, sondern sind die Macht selbst, als Ensemble von Maßnahmen, Phrasen, Entscheidungen und bürokratischen Apparaten", so der Rechtswissenschaftler Florian Meinel in der FAZ (14.9.2020). Niemand trete auf, der Dick Cheneys Paradigma von Politik politisch etwas entgegenzusetzen hätte. "Wer das als allzu große politische Eindeutigkeit oder gar als platten Antiamerikanismus abtut, übersieht, was hier möglicherweise gerade die Pointe ist: Die Tragödie der Politik, bei der man sich noch entscheiden konnte, verwandelt sich in eine Tragödie des Rechts."
"Nimmt man die Sache streng, ist Beier an Goetzens Textmonster gescheitert, handwerklich durchaus brillant," schreibt Ekkehard Knörer in der taz (15.9.2020) "Ob etwas anderes als Scheitern daran ein Ding des Theatermöglichen sein kann, ist allerdings sehr die Frage."
Eigentlich wolle Goetz "das Böse und 'Kaputte' überhaupt untersuchen – und ahnt, dass es ihm nicht gelingen wird", so Peter Kümmel in der Zeit (17.9.2020). "'Reich des Todes' ist die wütende Aufräumfantasie eines Dramatikers, der in einem Straflager, seiner persönlichen Hölle, ausgewählte Täter aufeinander loslässt, vor allem Deutsche und Amerikaner." Es sei keine leichte Aufgabe, diesen Text in sprechbares Deutsch zu verwandeln. "Karin Beier, die Intendantin des Hauses und Regisseurin des Abends, operiert mit den Mitteln des Comics und des Trickfilms, zwangsillustrativ, zeigelüstern: Hinter jeden Goetz-Satz knallt sie ein Icon, ein Emoji in Form eines szenischen Einfalls." Trotz einer großartigen Chorszene gegen Ende könne man sich des Eindrucks nicht erwehren, "hier werde entschlossen durch einen Text durchmarschiert. Analyse, gemeinsam gegangene Denkwege? Kaum. Stattdessen Überwältigung. Und die Erkenntnis: Machtbesitz zieht Höllenfahrt nach sich."
Der Freitag (17.9.2020) bringt einen Text der Regisseurin Angela Richter: "Karin Beier wirft die Bühnenmaschine an und lässt die Regiemuskeln spielen, es folgt ein Einfall dem anderen, Assoziation reiht sich an Assoziation. Keine Verschnaufpausen. Alles handwerklich sehr gekonnt, makelloses Timing, alles greift ineinander: Tanz, Musik, Gebrüll. Erstklassige Schauspieler, allesamt. Die Überforderung aller durch Können." Über allem aber liege der Sound der Ironie. "Irgendwann heißt es im Stück, dass Empathie nicht ausreicht. Aber vielleicht wäre sie ein Anfang?"
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Regie, Bühne, vor allen aber grandioses Video und vielschichtige Musik erwecken mit einem ebensolchen Ensemble einen durchaus spröden Text intensivst zum Leben.
Die Schlußchor-Komposition verweist auf etwas jenseits des Textes.
Ein Requiem am Ende einer langen Reise. Sehens - und hörenswerter Abend
Was hier in dieser Inszenierung an Empathielosigkeit geboten wird, ist allerdings bisher ohne Vergleich. Weder wird ein Mitgefühl für die Täter, noch für die Opfer ermöglicht.
Die Spitze der Geschmacklosigkeit: die Fotos aus den Mobiltelefonen der amerikanischen Täter werden kommentarlos metergross auf eine Leinwand projiziert. Damit werden den Opfern nicht nur jegliche Persönlichkeitsrechte, sondern auch jegliche Menschenwürde genommen, eine Weiterführungen der Folter mit anderen Mitteln.
Zweimal schreibt Goetz von Hunderten Toten an 9/11, es waren Tausende. Kein Wort über die anderen Flugzeuge, natürlich nur die Flieger in das WWTC. Die darauffolgenden christlich motivierten Kriege mit 160.000 Opfern und 6 Millionen Flüchtlingen werden marginal erwähnt, ebenso marginal Guantanamo Bay.
Gebetet wird im Gefängnis christliche, den überwiegend muslimischen opfern wird posthum auch noch ihre Religion genommen.
Einige hundert Meter in die Hamburger Innenstadt hinein stand der Folterkeller der Gestapo, in dem christliche Deutsche christliche Deutsche folterten, weil sie zum Beispiel SPD Mitglieder waren. Hitler wird zwar immer mal wieder erwähnt in diesem Stück, aber das bleibt bei der Persiflage. Keine Auseinandersetzung mit Folter, Christentum, Ausnahmezustand, Recht oder Todestrieb. Eine gefährliche Empathilosigkeit, die sich auf musikalisches rhythmische Sprechen und viel Videoprojektion verlässt. Allein Sebastian Blomberg versucht mit Slapstick die Lage zu retten, allerdings fällt die Spielweise so aus dem Kontext, dass es ein peinlicher Versuch bleibt Theater zu spielen in dieser gefühlskalten Überlagerung von Getextetem.
Am stärksten ist dieser überlange Abend, der zwischen Slapstick und "The Roof is on Fire"-Hardrock der „Bloodhound Gang“ eine überbordende Menge an Theatermitteln aufbietet, in seinen stillen Momenten: Wenn Tilman Strauß nach all den aufwühlenden Folterbildern in einem ruhigen Monolog über das Schicksal des Gefangenen Atta reflektiert oder wenn Josefine Israel in einer Goetz-Passage darüber nachdenkt, auf wen sich der Blick richten soll, auf die Opfer oder die Täter.
Dieser monumentale Abend sticht aus den zu Corona-Zeiten üblichen 90 oder 120-Minütern heraus und ist allein schon wegen seiner Entschlossenheit bemerkenswert, mit der er sich diesem wuchtigen Goetz-Text stellt, so dass einer der Favoriten ist, falls die Pandemie-Situation ein Theatertreffen 2021 zulassen sollte.
Komplette Kritik: https://daskulturblog.com/2020/10/31/reich-des-todes-rainald-goetz-schauspielhaus-hamburg-kritik/
Was zur Schlusspassage führt: Für diese sind die Darsteller*innen samt Musiker*innen wie in einem Orchester versammelt. Jörg Gollasch hat für sie den Text als eine Art zeitgenössische Sprechoper arrangiert, chorisch, rhythmisch, eine nicht enden wollende Flut theoretischer wie praktischer, reflexionen, dekonstruktionen und Umkreisungen, die zum Kern dessen durchzudringen suchen, um das es hier ging: die Wurzel des „Bösen“ in der Welt, im Menschen, in der von ihm (absichtlich nicht gegendert) errichteten Gesellschaft. Es ist eine textlich-sprachlich-rhythmische Überforderungskaskade, in der zumindest bei diesem zum besagten Zeitpunkt bereits reichlich erschöpften Rezensenten nicht allzuviell hängen geblieben ist. Es ist ein musikalisch-sprachlicher Erkundungs- und Experimentierraum, der nach der Erforschbarkeit, der Auffindbarkeit der Gründe für „böse“ Handlungen im Individuellen wie im kollektiv-Gesellschaftlichen fragt. Der sich hinein wagt in den „Tempel der Vernichtung“ mit seinen drei Toren der Gewalt, der Politik und des Rechts. Der sich ins „abstrakte Abenteuer des Verstehens“ stürzt und die These wagt, jenes müsse vom Täter ausgehen“, wenn es mehr sein solle als bloßes Mitfühlen.
Doch sind die wenigen Antwortfragmente doch eben nur Thesen, die zu testen wären, Ausdrücke der Schlucht zwischen Wunsch nach und Unfähigkeit zum Verstehen. Und urplötzlich kommt der Abend – auch zweidimensional – denn doch recht nah, schraubt sich in Hirn und Herz der*des Zusehenden, weil er ihre*seine Ratlosigkeit teil, das verzweifelte Nichtverstehenkönnen, gepaart mit der angst vor der eigenen Fähigkeit zum Bösen, die viele ob solcher Geschehnisse umtreibt. Da macht sich diese Inszenierung – nach vielen Momenten einfacher und recht plakativer, nicht immer unparteiisch objektiver Lösungen insbesondere vor der Pause ehrlich. Sie weiß, dass sie nichts weiß. Aber sie will wissen. Und mehr braucht es manchmal nicht.
Komplette Rezension: https://stagescreen.wordpress.com/2021/05/22/im-puzzle-fehlen-teile/