Pension Schöller - Lutz Hillmann verlegt den Gründerzeitkracher in die Wendezeit
Herr Klapproth im Capital Kebab House
von Ute Grundmann
Bautzen, 31. Juli 2010. Ein roter Golf mit West-Kennzeichen und ein Trabi rauschen fast ineinander, nur eine Vollbremsung kann den Zusammenstoß verhindern. Wütend funkeln sich die Fahrer an – es wird nicht die einzige deutsch-deutsche Kollision bleiben. Denn für den 15. Bautzener Theatersommer wurde die gute, alte "Pension Schöller" nicht nur unter dem Himmel über dem Hof der Ortenburg angesiedelt, sondern auch in die Wendezeit verlegt. Und so treffen die Oberlausitzer auf ihrem ersten West-Besuch nicht nur auf schon-immer-Westler, sondern auch auf jede Menge Sonderangebote.
Das Pilsener kostet 4 DM, Cola oder Fanta 1,80 DM, so ist es an die Scheiben des Berliner "Café König" gepinselt, das für den ersten Akt auf die breite Bühne gebaut wurde. Seine Nachbarn sind das "Capital Kebab House", ein Biker-Shop und eine Videothek. In einem Durchgang hat Tom Taube, der Sänger (Thomas Ziesch) seine Papp-Unterkunft, aus der er zu Beginn hervorkriecht und "Wind of change" schmettert.
Irrenhaus mit West-Verrückten
Dann fallen die Gäste ins "Café" ein: Ulrike Sprosser (Heike Ostendorp) und ihre Töchter Ida (Maria Schubert) und Franziska (Fiona Piekarek) haben das neue Geld gleich in gefüllte Plastiktüten umgesetzt, ihr Onkel Philipp Klapproth (Rainer Gruß) hat "sehr günstig" eine Rheumadecke erstanden und gleich auch eine Versicherung für seine Schwester. Und während die Familie aus der Oberlausitz sich noch vom Kaufrausch erholt, rennen andere mit Auto und Kinderwagen schon den nächsten Super-Sonderangeboten hinterher.
Das ist ein furioser Auftakt mit Musikeinlagen, mit denen Lutz Hillmann seine "Pension Schöller" starten läßt. Der Intendant des deutsch-sorbischen Volkstheaters, Bearbeiter und Regisseur, hat den Klassiker von Wilhelm Jacoby und Carl Laufs 100 Jahre nach der Uraufführung angesiedelt: Im bewegten Jahr 1990. Und da sind die Meinungen über die Zeitläufte durchaus geteilt: "Wir haben ja nichts gegen eure Wiedervereinigung, aber lasst uns damit in Ruhe" tönt es da, während Frau Sprosser fürchtet, die Russen könnten es sich anders überlegen und die Grenze wieder schließen.
Das sorgt für wiedererkennende Lacher im Publikum, während Hillmann auf der Bühne in die Vollen greift – Musical-Einlagen mit vielen Tänzern, Sängern und Statisten sind in die Handlung eingebaut, DDR-Autos knattern durch die Szenerie, die auch äußerlich in die Wende-Zeit versetzt wurde.
Vokuhila-Frisur und schlecht sitzende Jeans bei Neffe Alfred (René Erler), der so gerne in der Heimat eine Videothek eröffnen möchte, dafür aber auf Wohlwollen und Geld von Onkel Philipp angewiesen ist. Der aber möchte zu gerne das schöne Irrenhaus mit den West-Verrückten besuchen, von dem er gelesen hat.
Ein Elefant namens Helmut
Dafür sorgen Alfred und sein Kumpel Kissling (Ralph Hensel) und damit nimmt die gewohnte Schwank-Handlung ihren Lauf. Denn mit dem zweiten von drei Akten fährt Hillmann die Wende-Bezüge deutlich zurück, zwar gibt es im vermeintliche Irrenhaus der Pension Schöller den Löwenjäger Bernhardi (Marian Bulang), der "mit den Taliban Sprengstoff gemischt hat" und einen berlinernd-grimmassierenden Major (Jan Mickan). Doch da blitzt nur noch selten Wortwitz auf, die Inszenierung kehrt zur Tür-auf-Tür-zu-Mechanik des Schwanks zurück, auch wenn Kissling mit "Ich liebe doch alle" den Mielke geben darf und ein Abschnittsbevollmächtigter den singenden "Bürger David Hasselhoff" fragt, ob die Veranstaltung denn angemeldet sei.
Da ist man schon im dritten Akt, in der heimischen Oberlausitzer Töpferei der Klapproths, wo Philipp Klapproth sich eigentlich vom aufregenden West-Besuch erholen will. Aber dann fallen die "Irren aus dem Westen" im idyllischen Wohnzimmer ein, wo es dann das absehbare Happy End mit vielen "Ost-West-Vereinigungen" gibt. Doch das Wende-Thema des Beginns ist da schon ziemlich zerschlissen, auch wenn noch ein – von vier Menschen bewegter – Elefant namens Helmut auf- und das von Klapproth ersteigerte Mauer-Stück hereingefahren werden - zu "Frieden"-Lied und Feuerwerk.
Pension Schöller
von Wilhelm Jacoby und Carl Laufs
Regie: Lutz Hillmann, Ausstattung: Miroslaw Nowotny, Musikalische Arrangements: Tasso Schille, Dramaturgie: Eveline Günther
Mit: Rainer Gruß, Heike Ostendorp, Maria Schubert, Fiona Piekarek, René Erler, Mirko Brankatschk.
www.theater-bautzen.de
Im Mai 2009 verlegte das deutsch-sorbische Volkstheater Sophokles' Tragödie Antigone ins ehemalige Stasi-Gefängnis von Bautzen.
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Mit jedem Jahr wird es schlechter und langweiliger. Ich weiß nicht, ob meine Erwartungen an ein Theater mit Inhalt zu hoch sind, aber P. Schöller hat mir nichts mit auf dem Weg gegeben. Vielleicht liegt es auch daran, dass ich die DDR nicht miterlebt hatte und keinen Drah zu dieser Geschichte fand.
Was mich unter anderem am Theater nervt: dass es nur noch auf Entertainment setzt und Klischees bedient. Wenn ich soetwas sehen will, kann ich auch gleich den TV einschalten.
Bei der letzten Vorstellung konnte ich dann doch etwas lachen - aber nur weil die Kollegen sich so lustige Witze und auch leicht private Gags einfallen ließen.
Ich hoffe nur, dass Hillmann endlich mal wieder die Regie Leuten anvertraut, die davon Ahnung haben.