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Das Kreuz mit dem Bruch
von Dennis Baranski
Kaiserslautern, 1. Februar 2014. Feuerzeuge genügen als Lichtzeichen und zeigen den erfolgreichen Feldzug an: Troja ist gefallen. Trauer brachte der Krieg über Griechenland. Klytaimestra formuliert nun für alle Zurückgebliebenen die Kunde, die für sie selbst keine frohe ist. Auf der Bühne des Pfalztheaters Kaiserslautern kämen diese jedoch ohnehin nicht über Wehrtauglichkeitsgrad fünf hinaus; Gefahr droht der Königin allein im eigenen Herrschergeschlecht.
Großformatiges Theater
Nach Kassandra am Vorabend zieht die Fortsetzung des ambitionierten Antikenprojekts mit der Orestie nun ins große Haus ein und erweist sich dieser Entscheidung würdig. Denn dem ersten Teil der Tragödientrilogie des Aischylos begegnet Regisseur Johannes Zametzer mit großformatigem Theater. Breit grinsend tritt da der siegreiche Feldherr in das Vierziger-Jahre-Nachkriegsschaubild, reckt die Arme zum Victory-Gruß und gerät prompt mit seiner Gattin in Streit. Stets um sein Bild in der Öffentlichkeit bekümmert, möchte der König keinesfalls über purpurne Gewänder zum Haus schreiten.
Rainer Furch gibt Agamemnon als Scheusal vor den Göttern, Natalie Forester lässt daneben zu keiner Zeit Zweifel an der Durchtriebenheit ihrer Klytaimestra aufkommen – sympathisch sind sie beide nicht. Im Gegensatz zum Mitbringsel Kassandra, das zaghaft aus dem Schatten hervortritt, um mit fester Stimme vom drohenden Schicksal zu orakeln. Barbara Seeliger gelingt dabei auch ohne tänzerischen Beistand ein glanzvoller Schauspielmoment – zu schade, dass sie unter unheilvollen Lauten aus dem Off alsbald "geschlachtet" wird. Irrlichternd zerrt die Mörderin Klytaimestra die kunstbluttriefenden Kadaver Agamemnons und Kassandras durch den Staub zum Bühnenrand: Es ist vollbracht, die durch Ehemann Agamemnon geopferte gemeinsame Tochter Iphigenie ist gerächt.
Echte Schäferhunde, nicht blutrünstig
Gewiss, hier wird aufgeführt, selten interpretiert, doch so dicht, rasch und präzise wie Zametzer durch den mit "Der Schlächter wird geschlachtet" überschriebenen Auftakt der Trilogie führt, genügt das Vertrauen auf die antiken Verse in Peter Steins Übersetzung völlig, um das packende Spiel mit Leben zu füllen. Ein Tempo, dem er auch im zweiten Teil treu bleibt. Das klassische, sehr gefällige Konzept beginnt allerdings bereits hier zu zerfasern.
Zwei Weibern sei die Stadt unterworfen, klagt Orestes nach der Pause, denn auch Aigisthos, der die Mutter zum Mord anstiftete und nun Bett wie Thron mit ihr teilt, sei ein Weib. Ein Makel, den Dominique Bals nach Kräften zu überspielen sucht. Ob nun von zwei ganz und gar nicht blutrünstigen Schäferhunden flankiert oder beim fleißigen Befummeln der Königin – sein bisweilen allzu dick aufgetragener Machismo rettet ihn nicht vor dem Zorn des Sohnes.
Dabei stehen seine Chancen in Kaiserslautern nicht schlecht: Daniel Mutlus Orestes presst in falschem Eifer reichlich unbeholfen Worte hervor, als würde ihm jede einzelne Silbe physische Schmerzen zufügen. Nein, diesem Sohn traut man keine listige Rache zu. Und doch, die antike Dichtung will es so. Ganz die Mama, darf auch er bald die Doppelaxt schwingen, es rummst und kracht erneut aus dem Off, bevor Orestes im purpurnen Kleid auf Pumps zwei weitere kunstblutgetränkte Leichen ans Licht zerrt. Es ist das letzte gelungene Bild eines Abends, der nicht nur aus seiner bis hierhin stringenten Form, sondern auch aus der Zeit fällt.
Gut gelaunter Apollon
Dass das Gesetz der Blutrache überwunden werde und in einer demokratischen Abstimmung Recht gesprochen wird, war im Jahre 458 vor Christus eine moderne Idee, die hier durch einen zeitgenössisch gekleideten Conférencier mit Stand-Up-Comedy-Ambitionen unterstrichen werden soll. Gut gelaunt wie ein Radiomoderator zu unchristlichen Morgenstunden schlägt sich Henning Kohne als Apollon auf die Seite des Angeklagten, Barbara Seeliger, Annalena Loretta Müller, Richard Erben und Michael Klein formieren sich als Chor der Erinyen dagegen. Düstre Untote, die jedoch nicht verhindern können, dass der dritte Teil unter dem Titel "Die Vampire segnen die Stadt" zu einem absurden Showevent verkommt.
Notwendig war dieser Bruch nach dem starken Auftakt sicher nicht – erst mit ihm schleicht sich manche Länge ein. So endet der Tragödienabend am Pfalztheater unentschlossen und fahrig.
Die Orestie
Tragödientrilogie von Aischylos, übersetzt von Peter Stein
Regie: Johannes Zametzer, Bühne: Anna Kirschstein, Kostüme: Maria Frenzel, Chor: Petra Zwingmann, Dramaturgie: Andrea Wittstock.
Mit: Daniel Mutlu, Natalie Forester, Markus Penne, Rainer Furch,Barbara Seeliger, Dominique Bals, Annalena Loretta Müller, Henning Kohne, Hannelore Bähr, Richard Erben, Michael Klein.
Dauer: 2 Stunden 20 Minuten, eine Pause
www.pfalztheater.de
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